Grüne Heimat: die Suche nach dem richtigen Maß an Distanz

Mal wie­der, aber dies­mal mit einer gewis­sen Dring­lich­keit, dis­ku­tie­ren Grü­ne über „Hei­mat“.

Mal wie­der, weil bei­spiels­wei­se die Kul­tur­kon­fe­renz der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on 2009 unter dem Mot­to „Hei­mat. Wir suchen noch.“ stand. Weil die bay­ri­schen Grü­nen sich – schon 2011inten­siv mit Hei­mat befasst haben (dan­ke, Ulrich!). Weil die Land­tags­frak­ti­on der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen als Cla­im der 15. Legis­la­tur­pe­ri­ode – 2011 bis 2016 – den Spruch „Im Grü­nen daheim“ ver­wen­de­ten. Oder weil in Schles­wig-Hol­stein Robert Habeck bereits 2012 als einer cha­rak­te­ri­siert wird, der „pro­blem­los von ‚Hei­mat‘ spricht“. Und in Öster­reich hat Alex­an­der van der Bel­len offen­siv auf den Begriff „Hei­mat“ gesetzt und damit eine Wahl gewon­nen. Auch eines der Pla­ka­te der nie­der­säch­si­schen Grü­nen für die dies­jäh­ri­ge Land­tags­wahl trägt – etwas anders akzen­tu­iert – den Slo­gan „Eine offe­ne Gesell­schaft ist die bes­te Heimat“.

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Warum das mit dem Digitalisierungsministerium nicht so einfach ist

Computer room I

Vor acht Jah­ren war die For­de­rung nach einem Inter­net­mi­nis­te­ri­um eine der zen­tra­len Ideen der Pira­ten­par­tei. 2013 kam dann die FDP auf die sel­be Idee (na gut, und ande­re, auch Grü­ne und CDU und ein­zel­ne Stim­men aus der SPD auch). Fak­tisch gab’s dann Dob­rindt und eine gan­ze Rei­he wei­te­rer Digitalisierungsminister*innen in der Gro­ßen Koali­ti­on (die sich zum Bei­spiel in die­sen Tagen zum DE.DIGITAL-Gipfeltreffen tra­fen). Viel her­aus gekom­men ist dabei – mei­ner Mei­nung nach – nicht. 

Für den anlau­fen­den Wahl­kampf 2017 wärmt die FDP das The­ma jetzt wie­der auf. Und liegt, mei­ne ich, daneben. 

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Nachdenken über Parteien, Teil II

Auftrag: grün 16

Eigent­lich woll­te ich im zwei­ten Teil mei­nes „Nach­den­kens über Par­tei­en“ noch was zur Böll-Tagung letz­tes Wochen­en­de schrei­ben. Aus aktu­el­lem Anlass muss das aller­dings war­ten. Viel­mehr geht’s jetzt um … 

Splitter 2: … die nicht geführte Kursdebatte und ihre Folgen

In den letz­ten Tagen gab es ein paar Mal inner­par­tei­lich ziem­lich viel Auf­re­gung. Ein Anlass dafür war die Infor­ma­ti­on dar­über, dass der Vor­stands­vor­sit­zen­de von Daim­ler als Gast­red­ner zur dies­jäh­ri­gen Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) ein­ge­la­den ist. Mir erschien das halb­wegs plau­si­bel – schließ­lich ist eines der hei­ßen The­men der BDK der all­mäh­li­che Aus­stieg aus dem Ver­bren­nungs­mo­tor (unter dem Slo­gan: „Ret­tet die deut­sche Auto­in­dus­trie“). Und zu die­ser Debat­te auch mal zu hören, was Daim­ler sich so an Mobi­li­täts­zu­kunft vor­stellt, ist ja nun nicht ganz uninteressant. 

Dass es dabei bei ein­sei­ti­ger Pro­pa­gan­da blei­ben wür­de, erschien mir nicht als beson­ders plau­si­bel. Schließ­lich ken­ne ich unse­re Dele­gier­ten und weiß, dass die­se nicht ein­fach nur höf­lich klat­schen, son­dern sich durch­aus zu Wort mel­den. Und selbst ein pro­mi­nent ein­ge­flo­ge­ner Gast­red­ner mit knap­pem Zeit­bud­get wird nicht umhin­kom­men, ein biss­chen Kon­text und Wider­re­de mitzukriegen.

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Kurz: State of the AfD

Jetzt ist es also amt­lich: Geset­ze und Land­tags-GO ent­hal­ten kei­ne Rege­lung, die eine Frak­ti­ons­meh­rung ver­bie­ten. Zum Schnäpp­chen­preis von rd. 0,6 Mio. Euro pro Jahr (Steu­er­gel­der für Sockel­fi­nan­zie­rung Frak­ti­on) kann die AfD sich also im Land­tag von Baden-Würt­tem­berg durch zwei Frak­tio­nen ver­tre­ten las­sen. Mit ent­spre­chend dop­pel­ter Rede­zeit, dem Recht, Unter­su­chungs­aus­schüs­se zu bean­tra­gen (zwei Frak­tio­nen), einer dop­pel­ten Anzahl an Slots für Aktu­el­le Debat­ten und so wei­ter. Dazu kom­men dann noch zwei Minu­ten Rede­zeit für das AfD-Mit­glied Gede­on. Unschön, gera­de auch des­we­gen, weil die AfD-Bei­trä­ge bis­her weni­ger durch Sach­kennt­nis und mehr durch eine gewis­se Rüpel­haf­tig­keit hervorstachen.

Die Gren­ze für eine Frak­ti­on lie­gen bei sechs Abge­ord­ne­ten. Theo­re­tisch könn­te die FDP/DVP sich jetzt in zwei tei­len, die SPD könn­te drei Frak­tio­nen bil­den, und auch eine wei­te­re Zell­spal­tung der Meu­then-Grup­pe wäre for­mal abbild­bar (ob Meu­then sei­ne Idee einer „drit­ten Frak­ti­on“ zur Über­win­dung der von ihm her­bei­ge­führ­ten Spal­tung so mein­te?). Rea­lis­ti­scher ist ver­mut­lich eine Über­ar­bei­tung der Geschäfts­ord­nung. Die kann rück­wir­kend nicht das Frak­ti­ons­meh­rungs­ver­bot ein­füh­ren, wohl aber für die Zukunft. Bis­her habe ich es als sehr wohl­tu­end emp­fun­den, dass im Land­tag – anders als im Bun­des­tag – Rede­zei­ten und Debat­ten­an­rech­te weit­ge­hend nicht von der Frak­ti­ons­grö­ße abhän­gen. Ich befürch­te, dass sich hier in Zukunft etwas ändern wird. 

Und ob es im Unter­su­chungs­aus­schuss­ge­setz dabei bleibt, dass zwei Frak­tio­nen einen Unter­su­chungs­aus­schuss bean­tra­gen kön­nen, wird – so mei­ne Ein­schät­zung – auch davon abhän­gen, ob die AfD-Frak­tio­nen die­ses bis­her sehr schar­fe Instru­ment nut­zen wer­den, um ihre poli­ti­sche Are­na aus­zu­deh­nen. Der AfD-Abge­ord­ne­te Räpp­le hat ja schon ange­kün­digt, dass er ger­ne einen Unter­su­chungs­aus­schuss „Mau­sche­lei­en des Minis­ter­prä­si­den­ten“ ein­set­zen wür­de – laut Unter­su­chungs­aus­schuss­ge­setz wäre dies als Min­der­hei­ten­recht mög­lich, wenn die bei­den AfD-Frak­tio­nen es wol­len. So wird ein schar­fes Instru­ment stumpf.

Update zu die­sem Beitrag

AfD-Bruchkanten im Landtag von Baden-Württemberg

Field II

Der Vor­sit­zen­de der AfD-Frak­ti­on im Land­tag von Baden-Würt­tem­berg, Jörg Meu­then, hat soeben erklärt, dass er – gemein­sam mit zwölf wei­te­ren MdL (u.a. Baron, Berg, Fiech­t­ner, Podes­wa, Stein, Wol­le) – aus die­ser Frak­ti­on aus­tritt. Zuvor wur­de in der AfD-Frak­ti­on wohl die für einen Aus­schluss des Anti­se­mi­ten Wolf­gang Gede­on not­wen­di­ge Zwei-Drit­tel-Mehr­heit ver­fehlt, obwohl zwei Gut­ach­ten (u.a. von Prof. Pat­z­elt – von wem auch sonst …) Gede­on in sei­nen Schrif­ten klar Anti­se­mi­tis­mus nach­ge­wie­sen haben. Damit ver­blei­ben zehn MdL in der bestehen­den AfD-Frak­ti­on (u.a. Bal­zer, Baum, Gede­on, Grim­mer, Klos, Räpp­le und Sän­ze – Bal­zer und Sän­ze waren bis­her stellv. Vor­sit­zen­de, Grim­mer Parl. Geschäftsführer). 

Was jetzt pas­siert, ist nicht so ganz klar. Die Geschäfts­ord­nung des Land­tags sieht vor, dass Abge­ord­ne­te aus einer Par­tei sich zu einer Frak­ti­on zusam­men­schlie­ßen kön­nen. Ob Abge­ord­ne­te aus einer Par­tei zwei Frak­tio­nen bil­den kön­nen, ist nicht expli­zit gere­gelt. Eben­so ist nicht klar, was pas­siert, wenn z.B. die Par­tei AfD die Mit­glie­der der Frak­ti­on oder die Aus­ge­tre­te­nen ausschließt. 

Aber gehen wir mal davon aus, dass es in Zukunft zwei AfD-Frak­tio­nen im Land­tag geben wird. Eine davon wird sich wei­ter AfD nen­nen wol­len, die ande­re wird sich eben­falls AfD nen­nen wol­len. Inso­fern rech­ne ich erst­mal mit einer Schlamm­schlacht zwi­schen den lächeln­den und den grim­mi­gen Rechtspopulist*innen dar­über, wer wer sein darf. Und wenn dann noch die Rich­tungs­kämp­fe in der Bun­des­par­tei und in der Lan­des­par­tei dazu kom­men, wird es erst recht lus­tig wer­den. (Der Bun­des­vor­stand der Par­tei hat sich in einer Erklä­rung von den Nicht-Aus­tre­ten­den distan­ziert – die aber die Rechts­nach­fol­ge der Frak­ti­on antre­ten, indem sie in die­ser bleiben …).

Die Auf­tei­lung der AfD in zwei Frak­tio­nen hat (hät­te?) posi­ti­ve und nega­ti­ve Fol­gen. Posi­tiv: Die AfD ist nicht mehr größ­te Oppo­si­ti­ons­frak­ti­on, das ist jetzt defi­ni­tiv die SPD. Das hat Aus­wir­kun­gen dar­auf, wer zuerst redet, aber auch dar­auf, wem zuerst ein Sitz zusteht. Auch den Anspruch, den Vor­sitz des Finanz­aus­schus­ses zu stel­len, wird die AfD (oder die AfD) jetzt nicht mehr wirk­lich auf­recht erhal­ten können.

An der Sitz­ver­tei­lung in den Aus­schüs­sen ändert sich in der Sum­me nichts (statt drei Sit­ze AfD gibt es jetzt einen Sitz AfD-alt und zwei Sit­ze AfD-neu). Sain­te-Laguë bil­det hier die Mehr­heits­ver­hält­nis­se hin­rei­chend genau ab. Anders sieht es bei der Beset­zung klei­ne­rer exter­ner Gre­mi­en aus – bei bis zu fünf zu ver­ge­ben­den Sit­zen gehen AfD-alt und AfD-neu bei­de zu Guns­ten der SPD leer aus. Ob die Gre­mi­en­be­set­zun­gen, die der Land­tag in sei­nen ers­ten Sit­zun­gen vor­ge­nom­men hat, jetzt wie­der­holt wer­den, weiß ich nicht. Könn­te jeden­falls inter­es­sant werden.

Weni­ger schön ist die Tat­sa­che, dass sich eini­ge Din­ge durch die Spal­tung ver­dop­peln. Die meis­ten Debat­ten im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag wer­den mit Grund­re­de­zeit je Frak­ti­on geführt. Wo bis­her die AfD sie­ben Minu­ten bekam, bekom­men jetzt AfD-alt und AfD-neu zusam­men 14 Minu­ten. Auch die Grund­fi­nan­zie­rung je Frak­ti­on muss jetzt auf sechs und nicht mehr auf fünf Frak­tio­nen ver­teilt wer­den. Laut dpa beläuft sich der Grund­be­trag je Frak­ti­on der­zeit auf 39.758 Euro pro Monat, dazu kom­men 1696 Euro pro MdL plus 293 Euro pro MdL für die Oppo­si­ti­ons­frak­tio­nen. Bis­her waren das also monat­lich 85.559 Euro an Frak­ti­ons­mit­teln, jetzt wären es zusam­men­ge­rech­net 125.317 Euro pro Monat, die an die Rechtspopulist*innen fließen.

Aber war­ten wir mal ab, wie das wei­ter­geht. Ver­ant­wor­tung wahr­neh­men ist nicht so ganz das Pro­gramm der Rechtspopulist*innen (sie­he auch Brexit …). Viel­leicht mer­ken das auch deren Wähler*innen. Gleich­zei­tig bleibt die AfD damit, weil Kon­flik­te ja einen enor­men Nach­rich­ten­wert haben, medi­al lei­der präsent. 

War­um blog­ge ich das? Um die ver­schie­de­nen Aspek­te zusam­men­zu­tra­gen – Tweets eig­nen sich dafür nur bedingt.