Meistens sind auf meinen Eichhörnchenfotos nur irgendwelche seltsam verwaschenen Streifen zu sehen. Diesmal hielt das Hörnchen still, jedenfalls lange genug, um ein Foto zu machen. Nestbau, scheint mir.
Science Fiction und Fantasy im Mai 2024
Meine SF&F‑Lektüre im Mai war etwas begrenzt. Also nicht im Umfang, aber in ihrer Thematik. Denn ich habe einen Dschungel entdeckt.
Zum einen habe ich endlich mal Termination Shock (2021) von Neal Stephenson gelesen, das schon lange auf einem physischen Bücherstapel bei mir lag. Das ist Stephensons Klimakatastrophen-Roman (weil ja jede*r einen geschrieben haben muss), und … hm, er ist zwar wie immer lehrreich und interessant und durchaus spannend, aber mir steckt da zu viel Stephenson und zu wenig Klima drin, zu viel Sich-Lustig-Machen über libertäre Fantasien (ich hoffe, es ist ein Sich-Lustig-Machen und keine Verteidigung dieser Ideologien, das ist nicht immer ganz leicht zu unterscheiden) und zu viel Vertrauen in das unternehmerische Genie, das im Alleingang technisch die Klimakatastrophe löst, hier durch Schwefel in der Atmosphäre. Außerdem kommt die niederländische Königin, ihr Berater, Kolonialismus, rebellisch wiederauferstandene Stadtstaaten und eine ziemlich heruntergekommene USA mit ziemlich heruntergekommenen Charakteren in diesem Buch vor. China ist wichtig und böswillig, dagegen kommt Europa noch halbwegs gut weg. Ach ja, einen kanadisch-indischen Subplot gibt es auch. Tja. Vielleicht eine Empfehlung für alle, die gerne dicke Stephenson-Thriller mit unwahrscheinlichen Begegnungen verschlingen. (Ist „die Niederlande greifen die USA (fast) an“ eigentlich eine Trope? Es gibt auch einen Bruce-Sterling-Roman, der darauf aufbaut, meine ich …)
Zum anderen – und hier taucht der Urwald auf – habe ich mehrere Bücher gelesen, die alle rund um Victoria Goddards The Hands of the Emperor (2019) herum angeordnet sind. Das hatte ich im März 2023 gelesen, den At the Feets of the Sun (2022) im Mai 2023. Was mir damals nicht klar war: dass es rund um die neun Welten einen ganzen Bücherkosmos gibt, einen Dschungel aus Prequels und Sequels und Sidequels. Grafisch dargestellt ist das noch eindrucksvoller.
Und einen Teil davon habe ich mir jetzt angeschaut. Das sind zum einen Novellen, die seitlich zu Cliopher Mdangs Aufstieg am Hof Artorin Damaras in Zunidh platziert sind und die gleichen Ereignisse aus anderen Perspektiven schildern oder den biografischen Hintergrund zu einzelnen Charakteren liefern. Und das wie bei den „großen“ Romanen von Goddard in einem Stil, der an dichte Beschreibungen erinnert, viel Anthropologie einfließen lässt, und sehr nah an den ganz unterschiedlichen Perspektiven der jeweiligen Fokuscharaktere liegt. Gelesen habe ich hier The Game of Courts (2023) aus der Perspektive des kaiserlichen Leibdieners Conju, Petty Treasons (2021), das die Ereignisse aus The Hands of the Emperor aus der Ich-Perspektive von Artorin Damara erzählt und Portrait of a Wide Seas Islander (2022), das aus der Geschichte von Cliophers Großonkel und Lehrmeister auf dessen Weg an den Hof schaut. Alles sehr unterschiedlich, und obwohl die Geschichte im Grunde bekannt ist, doch eine schöne Ergänzung zu den beiden umfänglichen Lay-of-the-Hearth-Hauptwerken.
Die anderen vier Novellen und Romane umfassen diese Hauptgeschichte dagegen zeitlich. Goddards Derring-Do for Beginners (2023) ist ein eigenständiger Roman, der den Beginn der „Red Company“ bzw. deren Vorgeschichte vor dem Fall erzählt, und vor allem von der langsam entstehenden Freundschaft zweier Außenseiter handelt, Damian Raske and Jullanar Thistlethwaite. Ich habe mich tatsächlich etwas geärgert, als dann nach etwa zwei Dritteln dieser Geschichte ein Junge vom Himmel fällt, der sich als Fitzroy Angursell entpuppt. Hier rächt sich die Notwendigkeit, eine Vorgeschichte zu den Hands zu schreiben und die dort angedeuteten Erzählung über die „Red Company“ mit Leben zu füllen. Die kürzere Novelle In the Company of Gentlemen (2018) wirft dagegen einen Rückblick auf die hier schon historische „Red Company“.
The Return of Fitzroy Angursell (2020) und direkt daran anknüpfend The Redoubtable Pali Avramapul (2022) sind zwei längere Bände, die im Ablauf der Handlung zwischen Hands und Feets liegen. Diese beiden Bände bilden den Anfang von Goddards „Red Company Reformed“-Serie und erzählen, wie die Mitglieder der „Red Company“ wieder zusammenkommen und sich, nachdem sie die letzten Jahrzehnte ganz unterschiedliche Wege – Kaiser, Professorin, Dorfschmied, Buchhändlerin – in ganz unterschiedlichen der neun Welten gegangen sind, wieder annähern. Cliopher Mdang kommt hier nur als Projektionsfigur vor, dafür erfahren wir viel über die Einsamkeit von Herrschenden, akademische Rituale, magische Enklaven und quasimittelenglische Kleinstädte und deren Besonderheiten. Auch sehr nett zu lesen. Und jedes dieser Bücher trägt dazu bei, die anderen dichter zu machen – eine interessante literarische Welt, die ihre eigene Fan-Fiction gleich mitbringt.
Ach so, Bildschirmmedien: Rebel Moon, Teil 2 entspricht allen Klischees, ist ganz unterhaltsam, aber mehr auch nicht.
Die Three-Body-Problem-Serie haben wir zu Ende geschaut, und bei aller Brutalität (da ist eine gewisse Verwandschaft zu Game of Thrones zu spüren) fanden wir sie doch spannend genug, um – vor allem nach dem Ende, das vieles in Rätseln stehen lässt – unbedingt wissen zu wollen, wie es weitergeht.
Bei Star Trek: Discovery fehlt mir noch die letzte Folge dieser letzten Staffel, in der sehr viele lose Fäden zusammengebracht werden müssen, wenn die Geschichte funktionieren soll. Ich hatte mich ja über den Schnitzeljagd-Charakter dieser Staffel beschwert – dafür hat sie bis dato aber erstaunlich gut funktioniert.
Reingeschaut habe ich auch bei Doctor Who, so richtig begeistert mich das aktuelle Setting jedoch nicht. Ob’s an Disney+ liegt oder daran, dass Doctor Who sich allmählich totgelaufen hat?
Das Dilemma der Konservativen
Klar stärkste Partei in den Umfragen, innerparteilich halbwegs geschlossen, in der Regierung in x Bundesländern, im Bund in harter Abgrenzung zur Bundesregierung „Oppositionsführer“ … eigentlich müsste die CDU vor Kraft kaum laufen können. Für die CSU gilt das erst recht, aber da ist’s immer so, insofern, bleiben wir mal bei der CDU. Denn trotz dieser Lage erweckt die CDU bei mir eher den Eindruck, dass sie gerade nicht so richtig weiß, in welche Richtung sie eigentlich gehen will. Deswegen bin ich überzeugt davon, dass dieser Höhenflug nicht von Dauer sein wird.
Das fängt bei den Koalitionsoptionen an. In einigen Ländern gibt es erfolgreiche Koalitionen zwischen CDU und Grünen (und ja, ich würde nicht nur Schleswig-Holstein und NRW dazu zählen, sondern auch Baden-Württemberg). Trotzdem scheint die wichtigste Frage zu sein, sich nur ja von einem vermeintlichen grünen Zeitgeist abzugrenzen. Und dazu gehört es dann auch – Stichwort Kretschmer – den Eindruck zu erwecken, auf keinen Fall mit Grünen koalieren zu wollen. Oder – siehe Hessen, siehe Berlin – mit fadenscheinigen Begründungen auf jeden Fall mit der SPD zu koalieren, Kosten egal.
In gewisser Weise ist die Geräuschlosigkeit der Zusammenarbeit in NRW und Schleswig-Holstein (und ja, auch in Baden-Württemberg) für die CDU ein Problem. Jedenfalls dann, wenn die These stimmt, dass ein erheblicher Teil der Wähler*innen solche „in der Mitte“ sind, auf die beide abzielen. Mitte stell‘ ich mir hier soziodemografisch vor, also höhere Bildung, gehobenes Einkommen, aber nicht Oberschicht. Das, was mal „bürgerlich“ hieß. In der Wunschwelt der Konservativen wählt dieses Milieu CDU und denkt überhaupt nicht darüber nach, anders zu wählen. Deswegen steckt die Union so viel Energie darein, Grüne als Hauptgegner zu brandmarken und – gegen jede Faktenlage – zu behaupten, dass eine politische grüne Haltung und eine bürgerliche Milieuverankerung nicht zusammen passen.
Ruhig und unaufgeregt als CDU mit Grünen zusammen zu regieren, macht eine solche Erzählung dann halt ziemlich unglaubwürdig.
Photo of the week: Wangen XVII
AfD zerlegt sich – trotzdem wird die EU nach rechts rutschen
Auch wenn sie in den Umfragen immer noch viel zu hoch liegt – aktuell so um die 15 Prozentpunkte – sind die letzten Tage mit Blick auf die AfD doch eher erfreulich. Der „Herbstbuckel“ als temporäres Umfragenhoch scheint überwunden zu sein. Remigrationskonferenz und Demokratie-verteidigen-Demos im Februar haben dazu beigetragen – und jetzt die AfD selbst. Platz 1 der Europaliste, Maximilian Krah, beschäftigte einen chinesischen Spion und provozierte so lange, bis TikTok ihm die Reichweite kürzte und die AfD ihm Wahlkampfauftritte untersagte. Platz 2, Petr Bystron, ist mit einer Hausdurchsuchung und aufgehobener Immunität als Bundestagsabgeordneter in den Schlagzeilen. Ihm wird unterstellt, Geld aus russischem Umfeld erhalten zu haben.
Die AfD hat rechtlich keine Möglichkeit, ihre Liste zu verändern. Und bisher sieht es nicht so aus, als ob Krah und Bystron auf ihr Mandat verzichten wollen.
Die französischen Rechtsextremen unter Marine Le Pen haben sich vorsorglich schon mal von Krah distanziert („SS-Sprüche“, passt nicht zum „Normalisierungskurs“). Und aus der ID-Fraktion ist die AfD heute auch geflogen. Distanzierungen, Rauswurf, Auftrittsverbote etc. heißen nun nicht, dass da jemand sein Gewissen entdeckt hätte. Aber die mit großer Mehrheit an die Spitze der AfD-Europaliste gewählten Politiker sind wohl selbst der AfD zu peinlich. Und zeigen zu deutlich, dass jede Stimme für die AfD nicht nur eine für rechtsextreme Parolen und Haltungen ist, sondern auch eine für Chaos, Russland und China. Und das scheint die Wähler*innen der AfD dann doch ziemlich rasant zu demotivieren.
Insofern habe ich die begründete Hoffnung, dass die AfD bei der Europawahl am 9. Juni weit unterhalb der Höchstprognosen landen wird – und dann erst einmal mit sich selbst beschäftigt sein wird. Und auch kommunal kriegt sie – zumindest in Baden-Württemberg – kein Bein auf den Boden, tritt nicht oder nur mit Minilisten an.
Trotzdem blicke ich mit Sorge auf die Wahl zum Europäischen Parlament. Denn der europaweite Rechtsruck wird sich insgesamt betrachtet auch in den Abstimmungsergebnissen niederschlagen. Und nachdem die ersten EPP-Politiker*innen schon mögliche Koalitionen mit ganz rechts als Möglichkeit genannt haben, schwant mir da nichts Gutes. Aktuell ist die EU doch eher ein Motor des ökologischen und gesellschaftlichen Fortschritts. Es ist nicht gesagt, dass das nach dieser Wahl so bleibt. Umso wichtiger ist es, am 9. Juni zur Wahl zu gehen und für eine vernünftige Partei zu stimmen.




