Demokratische Kultur und bürgerliche Negativkampagnen

Ohne jetzt noch­mal wirk­lich über­all nach­ge­le­sen zu haben – die Medi­en­be­rich­te zu gelb statt grün (FDP), die-dagegen-partei.de (CDU) und „niveau­los“ (CSU) sind, so mein Ein­druck, in einem einig. Näm­lich dar­in, dass es inter­es­sant ist, dass die Uni­on und die FDP sich jetzt die Grü­nen als Haupt­geg­ner aus­er­ko­ren haben – und dar­in, dass die Mach­art und Wir­kungs­wei­se nur auf sehr begrenz­te Zustim­mung stößt. 

Grüne Kampagne: Dagegen/dafür braucht

Der Voll­stän­dig­keit hal­ber sei auch auf die grü­ne Auf­lis­tung hin­ge­wie­sen, die das gan­ze Gere­de von der Dage­gen­par­tei auf­nimmt: Dage­gen braucht’s grün bzw. Dafür braucht’s grün. Eine gute Zusam­men­stel­lung zen­tra­ler grü­ner Posi­tio­nen (mal den ein­zel­nen Links fol­gen, da steckt rich­tig Inhalt dahin­ter), die klar macht, dass es wenig bringt, kon­text­los das Dage­gen­sein zum Haupt­mo­tiv einer Anti-Grün-Kam­pa­gne zu machen.

Auch zum The­ma „Fort­schritt“ bzw. „Fort­schritts­feind­lich­keit“ (letzt­lich ja der gern der Nega­tiv­kam­pa­gnen) lie­ße sich eini­ges sagen, samt eini­ger Sei­ten­hie­be auf die SPD und deren stolz und grund­los mit dem Begriff „neu­er Fort­schritt“ beti­tel­tem Pro­gramm­ent­wurf. Aber das las­se ich jetzt mal. Grund mei­nes Pos­tings ist viel­mehr die simp­le Fra­ge nach der Bür­ger­lich­keit. Wiki­pe­dia ver­weist bei der Suche nach „bür­ger­lich“ auf das Bür­ger­tum und refe­riert dann eini­ge der sozio­lo­gi­schen und sozi­al­ge­schicht­li­chen Theo­rien dazu. Letzt­lich wird deut­lich, dass „Bür­ger“ hier ein Begriff der Abgren­zung ist – his­to­risch gegen Bau­ern­schaft, Adel und Arbei­te­rIn­nen, heu­te gegen – ja, gegen wen eigent­lich? Was kenn­zeich­net die­ses angeb­lich exis­tie­ren­de „bür­ger­li­che Lager“, das jetzt mit Klau­en und Zäh­nen davon über­zeugt wer­den soll, dass es auf gar kei­nen Fall vom Groß‑, Mit­tel- oder Klein­bür­ger zum „Wut­bür­ger“ (oder zur „Wut­bür­ge­rin“) wer­den darf, um dann die schlim­me Tat des Grün-Wäh­lens zu bege­hen? Gemein­hin als bür­ger­lich ver­stan­de­ne Tugen­den kön­nen es jeden­falls schon ein­mal nicht sein. Jeden­falls dann nicht, wenn das Niveau der Nega­tiv­kam­pa­gnen, der Wes­ter­wel­le-Reden oder die poli­ti­sche Hal­tung der Sar­ra­zin-Gut­fin­de­rIn­nen hier typisch sein sollten.

Oder noch ein­mal anders gefragt: Gibt es tat­säch­lich sowas wie eine sta­bi­le sozia­le Kon­fi­gu­ra­ti­on eines „bür­ger­li­chen Milieus“, das ein­deu­tig von ande­ren sozia­len Milieus abgrenz­bar ist? Und was war dann noch ein­mal die „neue Mit­te“, wie­so wählt die kon­sum-hedo­nis­ti­sche „Unter­schicht“ auch ger­ne mal CDU, und wie konn­te es pas­sie­ren, dass schon seit lan­gem bei SINUS eines der (bür­ger­li­chen?) Leit­mi­lieus als „post­ma­te­ria­lis­tisch“ beschrie­ben wird? Zwi­schen Lebens­stil und poli­ti­schen Wahl­ent­schei­dun­gen gibt es schon seit län­ge­rem Diver­gen­zen, eine kla­re Zuord­nung eines poli­ti­schen Lagers zu einem Milieu wird kom­pli­zier­ter. Angeb­lich woll­te sich ja selbst die CDU schon mal für jun­ge urba­ne Krea­ti­ve öff­nen, oder so … auch wenn sie davon inzwi­schen wohl wie­der abge­kom­men ist. (Und neben­bei bemerkt, wider­spricht die Idee einer Volks­par­tei ja eigent­lich auch der Idee einer engen Milieu­bin­dung – you can’t have both).

Mei­ne Ver­mu­tung: Die Behaup­tung, dass es bei die­sen Kam­pa­gnen dar­um geht, eine bestimm­te sozia­le For­ma­ti­on an sich zu bin­den (vul­go: „das bür­ger­li­che Lager“), ist nicht son­der­lich stich­hal­tig. Viel­mehr fin­det das, was wir gera­de sehen, auf zwei ande­ren Ebe­nen statt. Zum einen geht es um den Kon­kur­renz­kampf zwi­schen Par­tei­en und dabei um den Ver­such, Grü­ne klein zu hal­ten – egal, was dafür gera­de als Argu­ment her­hal­ten muss, und wie es begrün­det wird. Das hat etwas damit zu tun, dass sich die Uni­on bis­her als mit Abstand meist­ge­wähl­te Par­tei mit dem Nie­der­gang der SPD sicher fühl­te, und jetzt fest­stel­len muss, dass es zu einer Ver­schie­bung im Par­tei­en­sys­tem kommt, die lang­fris­tig den Macht­er­halt extrem erschwert. 

Zum ande­ren zie­len die­se Kam­pa­gnen dar­auf, Leit­ideen im gesell­schaft­li­chen Dis­kurs zu beset­zen, also die Leit­kul­tur­de­bat­te durch die Hin­ter­tür. Wahr­schein­lich erin­nert vie­les auch des­we­gen so an die geis­tig-mora­li­sche Wen­de der 1980er Jah­re Hel­mut Kohls. Hier aber erscheint mir – um an den Anfang zurück­zu­keh­ren – das media­le Echo nicht gera­de dafür zu spre­chen, dass die­se leit­kul­tu­rel­le Bot­schaft dis­kur­siv ankommt. Wenn die Ver­mu­tung stimmt, dass die Schlich­tung bei Stutt­gart-21 etwas gebracht hat, und Men­schen, die das bis­her nicht im Traum zu den­ken gewagt haben, jetzt bei Mei­nungs­um­fra­gen ange­ben, grün wäh­len zu wol­len (ganz egal, ob sie es dann wirk­lich tun oder nicht) – dann hat die CDU mit­tel­fris­tig ver­lo­ren. Denn dann ist bis weit ins „bür­ger­li­che Lager“, in die „neue Mit­te“ oder ande­re Ecken der Gesell­schaft hin­ein die Bot­schaft ange­kom­men, dass Poli­tik von oben nicht mehr ankommt. Und dann funk­tio­niert das Poli­tik­spiel aus Macht­er­halt, Seil­schaf­ten und „fort­schritt­li­chen“ Groß­pro­jek­ten schlicht­weg nicht mehr, ohne immer aufs Neue Wider­stand zu ent­zün­den. Die Kam­pa­gnen der CDU, der CSU und der FDP zie­len mei­nes Erach­tens genau hier­auf: zu ver­hin­dern, dass sich auf Dau­er ein demo­kra­ti­sches Ver­ständ­nis von Bür­ger­ge­sell­schaft festsetzt. 

Dar­um, und nicht um 18, 20 oder 25% bei den nächs­ten Wah­len geht es.

War­um blog­ge ich das? Eigent­lich woll­te ich nur kurz was dazu sagen, dass ich den Begriff des Bür­ger­li­chen als Abgren­zungs­be­griff im poli­ti­schen Raum vor­de­mo­kra­tisch fin­de. Und dann ist es län­ger gewor­den. Jetzt fra­ge ich mich, ob mei­ne Schluss­fol­ge­rung stimmt – und was das für evtl. grü­ne und „bür­ger­ge­sell­schaft­li­che“ Reak­tio­nen auf die­se Nega­tiv­kam­pa­gnen bedeu­tet. Und ob ich nicht doch noch was über den Fort­schritts­be­griff der SPD blog­gen sollte.

Kurz: Analytischer Zentralismus

Ein Mit­glied mei­nes Kreis­ver­ban­des schrieb mir gera­de in einer Mail zum Landtagswahlkampf:

Wel­che Per­so­nen mit wel­chen The­men am meis­ten Stim­men brin­gen, wird ja hof­fent­lich von Pro­fis in der Par­tei ana­ly­siert und der Ein­satz der Pro­mis dann nach gründ­li­cher Ana­ly­se gesteuert. 

Also die Idee, dass irgend­wer pro­fes­sio­nell ana­ly­siert, mit wel­chem The­men­pa­ket in wel­chem Wahl­kreis am meis­ten Wech­sel­wäh­le­rIn­nen zu gewin­nen sei­en. Fin­de ich span­nend, weil wir das natür­lich nicht machen – allein schon des­we­gen, weil wir als Par­tei zu klein sind, um der­ar­ti­ge zen­tral ana­ly­tisch steu­ern­den Pro­fis beschäf­tig­ten zu kön­nen. Aber auch, weil es dem Geist der Par­tei wider­spricht, in der ja viel Wert auf Auto­no­mie der Orts- und Kreis­ver­bän­de gelegt wird, und in der es doch immer auch um ehr­li­che Poli­tik geht – und nicht um maß­ge­schnei­dert pro­fi­lier­te Werbung.

Span­nend fin­de ich das aber auch, weil da eben nicht nur die Ver­mu­tung mit­schwingt, dass der­ar­ti­ge Ana­ly­sen mög­lich sei­en, son­dern auch die Ver­mu­tung (die ich auch von ande­ren in ande­ren Kon­tex­ten immer wie­der höre), dass es einen rie­si­gen grü­nen Par­tei­ap­pa­rat gäbe. Dem ist – wie auch dem aktu­el­len Schräg­strich ent­nom­men wer­den kann – defi­ni­tiv nicht so. Wir machen’s sel­ber. Und die anderen?

Kurz: Wahlkampf 2.0 der Parteien

Wie der Wahl­kampf 2.0 der Par­tei­en wirk­lich aussieht:

CDU/CSU: Hmm, kei­ne Ahnung. Machen Wahl­kampf wie immer und wün­schen sich die „hei­le“ Welt mit der „hei­len“ Fami­lie zurück. Ist eh nicht die Ziel­grup­pe. Oder so. (Na gut: unbe­zahl­te Prak­ti­kan­tIn­nen pfle­gen die Pro­fi­le).

SPD: Fällt dadurch auf, dass die Behör­den­bü­ro­kra­tie im Wil­ly-Brandt-Haus mit allen inno­va­ti­ven Ansät­zen kol­li­diert.

FDP: Ver­steht dar­un­ter drei Mil­lio­nen SPAM-Emails (wirk­lich wahr!).

LINKE: Sie­he CDU/CSU.

PIRATEN: Spie­len Wahl­kampf als Aug­men­ted Rea­li­ty Game.

GRÜNE: Kom­mu­ni­zie­ren drei Tage lan­ge im Wahl­kampf­end­spurt, was das Zeug hält.

Kurz: Bei Twitter für grün werben (Update)

Ein klei­nes Ele­ment im grü­nen Wahl­kampf ist die Nut­zung der Pro­fil­bil­der bei Twit­ter, Face­book usw. für einen Wahl­auf­ruf. Die­se Idee fin­de ich prin­zi­pi­ell sym­pa­thisch. Mich stört aller­dings, dass dann die Per­son über­haupt nicht mehr zu sehen ist. Des­we­gen habe ich für Twit­ter den Dienst „Twib­bon“ genutzt, um einen Wahl­auf­ruf zu bas­teln, der noch ein biß­chen Gesicht übrig­lässt. Twib­bon legt dazu ein trans­pa­ren­tes Bild über den Twit­ter-Ava­tar (über Profile/History lässt’s sich wie­der rück­gän­gig machen). Ich habe ein biß­chen damit rum­pro­biert, dabei auch ein biß­chen Spam pro­du­ziert, weil Twib­bon bei jedem Bild­wech­sel eine Sta­tus­mel­dung in mei­nem Twit­ter-Account pro­du­ziert hat. Am bes­ten gefällt mir letzt­lich (neben selbst noch­mal genau ange­pass­ten Sachen) mein ers­ter Versuch:

twibbon

Wer das selbst für sei­nen oder ihren Twit­ter-Account nut­zen will: Ein­fach hier kli­cken und dann „Show my sup­port now“ aus­wäh­len. Twib­bon erhält dann über die Authen­ti­zie­rung von Twit­ter Zugriff auf dei­nen Account, fügt das grü­ne Wahl­eck zum Bild hin­zu und schreibt eine ent­spre­chen­de Sta­tus­mel­dung. Wie ver­trau­ens­wür­dig Twib­bon ist, muss jedeR mit sich selbst ausmachen. 

Dis­clai­mer: kein offi­zi­el­les Wahl­tool der Grü­nen – Nut­zung auf eige­ne Gefahr ;-)

Update: Falls jemand selbst etwas bas­teln will, oder für Face­book, Grava­tar etc. eine grö­ße­re Datei anle­gen möch­te: hier ein PNG mit trans­pa­ren­tem Hin­ter­grund im For­mat 250x250 Pixel mit dem Wahl­auf­ruf als „Schild“ links unten.

gruenwaehlen250x250-trans