Wenn meine Vermutungen über die soziodemographische Zusammensetzung meiner Blogleserschaft stimmen, müsste es einige geben, denen „AufTakt“ etwas sagt: das war das Jugendumweltfestival, das 1993 in Magdeburg stattfand. Und ich war dabei. Zwar nicht auf einer der Sternradtouren, aber beim Festival selbst, und auch beim medialen Auftakt – der „Hair“-Vorführung auf der Freiburger Mensawiese.
Karsten Schulz schreibt dazu:
„Die Freiburger Aufführung fand auf der Wiese vor der Mensa statt. Trotz beginnenden Regens wurde weiter gespielt und gesungen, was für das tanzende Publikum auf der Wiese ziemlich schlammig endete.“ (Schulz 2009, S. 90).
Ich erinnere mich jedenfalls noch gut an Zelten auf relativ nassen Elbwiesen, an Konzerte von Ygdrassil [Update, 6.8.23: weil mir die Stimme so im Ohr war, mal geschaut – und tatsächlich auf Spotify findet sich die Sängerin Linde Nijland und mit etwas Suchen auch die damals gehörte Band „Ygdrassil“, auf Nijlands Website als „Harmony Singing Duo“ beschrieben … das hört sich dann so an] und dem Wahren Helmut, an Mithelfen im Küchenzelt und buntbemalte, fröhliche Demos im Regen. Und an viele tausend junge Leute, die ein paar Tage lang zeigten, dass eine andere Republik möglich ist. So viele, dass es zum Beispiel (in der Ära vor dem Mobiltelefon) gar nicht so einfach war, Kontakt zu anderen Grüne-Jugend-AktivistInnen zu finden, die es zweifelsohne dort auch gab.
Und warum komme ich ausgerechnet jetzt auf einen Sommer vor knapp 17 Jahren zurück? Weil heute Karsten Schulz’ oben bereits einmal zitierte Dissertation in der Post war. Er hat dort AufTakt 1993 mit dem Ersten Freideutschen Jugendtag 1913 auf dem Hohen Meißner verglichen. Beim Reinblättern bin ich dann vor allem auf Erinnerungen gestoßen, und dachte mir, mal schauen, ob der Beginn – oder der Höhepunkt? – der Jugendumweltbewegung bei dem einen oder der anderen hier auch welche auslöst.
Wer ein bißchen in der näheren Vergangenheit schmöckern möchte, kann das im Buch tun – oder auf der von Karsten aufgebauten Website auftakt93.de mit Archivmaterial, Berichten und einem Überblick über die verschiedenen Veröffentlichungen zu AufTakt.
Nicht beantwortet ist für mich die Frage, ob AufTakt heute noch möglich wäre. Zum einen fehlt (soweit ich das überblicken kann) heute ein Äquivalent zur doch recht aktiven und hoch politisierten Jugendumweltbewegung – da wäre es übrigens mal spannend, systematisch zu schauen, was aus den damals Aktiven so geworden ist. Der einzige „Promi“ aus dem Jugendumweltbewegungsumfeld, der mir so einfällt, ist Sven Giegold. Und der Rest? Zum anderen sind die Randbedingungen heute anders. Mobiltelefon und Facebook-Vernetzung (Karsten Schulz berichtet noch, wie damals vor allem gefaxt wurde) sorgen beispielsweise für ein ganz anderes Verhältnis zwischen Dezentralität und zentraler Steuerung. Und auch politisch sieht es heute anders aus. Oder ist das nur der übliche Verdruss der älter Gewordenen über die neuen Jungen?
Karsten Schulz: Beschreibung und Verortung zweier überverbandlicher Jugendtreffen junger Jugendbewegungen. Kassel: Weber & Zucht 2009. Hier erhältlich.
Warum blogge ich das? Weil hier Teile meiner eigenen Biographie zu Geschichte werden, und der (technisch unterstützte) Generationenwechsel erst so richtig sichtbar wird. Und weil mich interessiert, wer diese Biographie teilt.
P.S.: Die Bilder sind Negative der (natürlich analogen) Fotos, die ich bei AufTakt gemacht habe – und weil ich grade nur die Negative gefunden habe, habe ich ausprobiert, ob ein LCD-Bildschirm, eine Spiegelreflexkamera und ein Bildbearbeitungsprogramm sich dazu eignen, Negativstreifen zu scannen und in richtige Farben umzuwandeln. Ergebnis: bedingt ;-) – aber Erinnerungen sehen halt mal so aus.