SPD tagt mal eben

Schon wie­der das The­ma SPD. Dies­mal geht’s aber schon eher um die Bun­des­tags­wahl als noch um die Europawahl.

SPD-Par­tei­ta­ge sind ent­we­der extrem effi­zi­ent oder deut­lich weni­ger demo­kra­tisch als z.B. Par­tei­ta­ge der Grü­nen. Inklu­si­ve Lied am Schluss und Kanz­ler­kan­di­da­ten­re­densand­wich vor­her und nach­her dau­ert der Wahl­pro­gramm­par­tei­tag der SPD näm­lich sage und schrei­be sechs Stun­den. Das „Antrags­buch“ ist eher unüber­sicht­lich; wenn ich es rich­tig ver­ste­he, wird zu den meis­ten Ände­rungs­an­trä­gen schlicht ableh­nen emp­foh­len (und dann wohl auch so gemacht). Da wird einem erst so rich­tig deut­lich, wie ver­gleichs­wei­se weit­ge­hend basis­de­mo­kra­tisch Bünd­nis 90/Die Grü­nen tat­säch­lich sind.

Wie dem auch sei, inter­es­sant ist die­ser SPD-Par­tei­tag aus zwei Grün­den. Zum einen könn­te sich dort theo­re­tisch ent­schei­den, dass die SPD von ihrem Beschluss, kei­ne Koali­ti­on mit der LINKEN ein­zu­ge­hen, abkehrt. (U.a. gibt es heu­te in der taz einen Auf­ruf unse­res MdBs Thi­lo Hop­pe an die SPD, doch mal ein klein wenig rea­lis­ti­scher an rot-grün-rote Gestal­tungs­op­tio­nen heranzugehen). 

Zum ande­ren wird es aus netz­po­li­ti­scher Sicht span­nend. Björn Böh­ning, der SPD-Gegen­kan­di­dat zu Strö­be­le, hat – flü­gel­über­grei­fend – einen Initia­tiv­an­trag gestellt, der eine etwas sinn­vol­le­re Hal­tung der SPD beim The­ma „Inter­net­zen­sur“ ein­for­dert. Vie­le netz­af­fi­ne Men­schen machen u.a. vom Erfolg die­ses Antrags abhän­gig, wie sie in Zukunft zur SPD ste­hen wer­den. Die Zei­chen sehen aller­dings schlecht aus. Inzwi­schen liegt ein Beschluss des SPD-Par­tei­vor­stan­des vor,der im Prin­zip nichts wei­ter noch ein­mal auf­schreibt als die Hal­tung der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on: rhe­to­ri­sche Zuge­ständ­nis­se, aber kei­ne Abkehr vom Prin­zip Auf­bau einer Zen­sur­in­fra­struk­tur für das Internet. 

Ich weiss nicht, wie das bei der SPD abläuft, neh­me aber an, dass der Böh­ning-Antrag damit aus dem Ren­nen ist. Mor­gen abend wis­sen wir mehr. Schon jetzt ist aber klar: wer eine eta­blier­te Par­tei wäh­len oder unter­stüt­zen möch­te, für die eine sinn­vol­le Inter­net­po­li­tik inzwi­schen klar zum Selbst­ver­ständ­nis gehört, ist bei den Grü­nen deut­lich bes­ser auf­ge­ho­ben als bei der SPD.

War­um blog­ge ich das? Vor allem, weil mich inter­es­siert, wie inner­par­tei­li­che Mei­nungs­bil­dung in der SPD funk­tio­niert. Und ob Jörg Tauss MdB SPD jetzt doch zur Pira­ten­par­tei wech­selt – bis­her demen­tiert er.

Viva Dortmund! Parteitag der Grünen fängt morgen an

Naja, kei­ne Ahnung, ich bin mir noch nicht mal sicher, ob ich da schon mal war. Mor­gen früh geht’s jeden­falls nach Dort­mund, zur 29. Ordent­li­chen Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz von Bünd­nis 90/Die Grü­nen, oder schlich­ter, zu unse­rem Bun­des­par­tei­tag zum The­ma Euro­pa­wahl, zur BDK. Ich bin einer der drei Dele­gier­ten des Kreis­ver­ban­des Breis­gau-Hoch­schwarz­wald, ins­ge­samt sind es ca. 840 Dele­gier­te. Mit etwas mehr als 0,1 % tra­ge ich also zur inner­par­tei­li­chen poli­ti­schen Mei­nungs­bil­dung bei.

Und jetzt geht's los
Sym­bol­bild
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Kurz: taz-Leserbrief zur LDK (Update 6)

Mal wie­der kei­ne Zeit, dass zu tun, was ich jetzt ger­ne tun wür­de, näm­lich aus­führ­lich von der grü­nen Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz in Schwä­bisch Gmünd zu berich­ten. Die hat näm­lich gezeigt, wie wich­tig Arbeit in die Par­tei hin­ein ist, um Ver­trau­en zu erlan­gen, das dann auch bei der Lis­ten­auf­stel­lung zählt (von einem Links­rutsch zu spre­chen, nur weil statt Uschi Eid jetzt Bea­te Mül­ler-Gem­me­ke unter den ers­ten acht ist – ansons­ten ist das Per­so­nal­pa­ket näm­lich unver­än­dert – wäre ganz über­trie­ben). Aber dazu viel­leicht ein ande­res Mal mehr, jetzt nur kurz mein Leser­brief an die taz (der BZ müss­te ich für einen Arti­kel, des­sen kleins­ter Feh­ler es ist, Petra Roth und Clau­dia Roth mit­ein­an­der zu ver­wech­seln, eigent­lich auch einen schreiben …).

Bei der Über­schrift „Das Kind, das zu viel will“ habe ich ja erst gedacht: na end­lich, da blickt mal ein Jour­na­list durch, was auf dem Par­tei­tag pas­siert ist: da will einer nicht nur den Bun­des­vor­sitz, son­dern glaubt auch, mit rei­nen Pres­ti­ge­ar­gu­men­ten Druck machen zu kön­nen, um noch mehr zu bekom­men. Stand aber nicht im Kom­men­tar, son­dern der war wie­der nur die Para­phra­se des­sen, was Cem Özd­emir in sei­ner Rede schon gesagt hat. Mein Ein­druck als Dele­gier­ter war anders: Die anwe­sen­den Par­tei­mit­glie­der wuss­ten genau, was sie gemacht haben, sie wuss­ten auch, dass es kein gutes Pres­se­echo gibt, wenn der desi­gnier­te Par­tei­chef durch­fällt – aber sie haben mit die­sem Wis­sen anders ent­schie­den und einer für Baden-Würt­tem­berg und die Grü­nen guten Bun­des­tags­lis­te und der Tren­nung von Amt und Man­dat den Vor­zug gege­ben. Wer immer dazu gebracht hat, dass Cem dann auf Platz 8 noch ein­mal ange­tre­ten ist, ist ein schlech­ter Bera­ter. Der Par­tei­tag hat sehr deut­lich gemacht, dass er Cem für einen guten Bun­des­vor­sit­zen­den hält – mit viel Applaus bei des­sen Rede und auch am Schluss. Aber eins mögen Grü­ne über­haupt nicht: Erpres­sungs­ver­su­che von oben. Fazit: Es gab vie­le gute grü­ne Vor­sit­zen­de ohne Man­dat – und auch Cem könn­te einer davon werden. 

Update: Der Kom­men­tar der Süd­deut­schen ist da doch schon ein gan­zes Stück weit näher dran an dem, was ich in der Hal­le in Schwä­bisch Gmünd beob­ach­tet habe. Ja: es geht auch um Inhal­te, aber auch um Ver­netzt­sein, das heißt eben auch dar­um, die „Basis“ der Par­tei ernst zu neh­men. Wich­ti­ge Qua­li­tät für grü­ne Vor­sit­zen­de wie Abge­ord­ne­te, neben­bei bemerkt.

Update 2: Die Sach­er­geb­nis­se und die gesam­te Lis­te gibt’s auf der grü­nen Web­site. Dort auch Fotos von der LDK, u.a. die­ses (Gra­tu­la­ti­on für Syl­via Kot­ting-Uhl, oder: Lan­des­vor­sit­zen­der Dani­el Mou­rat­i­dis zwi­schen vier beken­nen­den Linken …).

Update 3: Ach so, der Twit­ter-Live-Bericht in der Retro­spek­ti­ve ist viel­leicht auch noch erwähnenswert.

Update 4: Laut Medi­en­be­rich­ten hat Cem Özd­emir erkärt, trotz der Abstim­mungs­nie­der­la­ge für den Par­tei­vor­sitz zu kan­di­die­ren. Ich den­ke, er hat was drauss gelernt, und fin­de es gut, dass er das machen will.

Update 5: Dirk Wer­hahn, Agnieszka Mal­c­zak und Wolf­gang G. Wettach (1, 2) haben auch schon was gebloggt.

Update 5: (16.10.2008) Inzwi­schen ist mein Leser­brief (mit klei­nen Ver­än­de­run­gen) wie auch ein paar wei­te­re zur LDK in der taz erschie­nen.

Twitter, Grüne und Parteitagsinszenierungen

Bünd­nis 90/Die Grü­nen haben ja schon rela­tiv lan­ge einen Twit­ter-Account, über den bis­her vor allem „Orga­ni­sa­ti­ons­ge­zwit­scher“ lief, was ich auch ganz okay fand. Nach­dem Huber­tus Heil der SPD eini­ges an posi­ti­ver Netz-PR beschert hat, wur­de dar­aus ges­tern ein Büti­ko­fer-Account, was nicht nur posi­tiv auf­ge­nom­men wur­de. Letzt­lich scheint eini­ges dafür zu spre­chen, klar zwi­schen per­sön­li­chen und orga­ni­sa­tio­nel­len Accounts zu tren­nen (die taz macht das inzwi­schen auch: mit einem für Chef­re­dak­teur Peter Unfried, einem Account für Schlag­zei­len und einem für Small­talk und Gerüch­te aus dem taz-Betrieb. Sinn­vol­le Aus­dif­fe­ren­zie­rung, also.

Beim grü­nen Twit­ter-Account ist es noch nicht so weit, der­zeit wird er also von Rein­hard Büti­ko­fer aus Den­ver befüt­tert. Der hat inso­fern recht schnell gelernt, als jetzt nicht nur poli­ti­sche Kurz­ana­ly­sen über den Ticker lau­fen, son­dern auch mal ein Kom­men­tar zur Sicher­heits­la­ge („Neue Sicher­heits­maß­nah­me: Alle Pins und But­tons abneh­men.“), oder auch die (so wie ich ihn ken­ne) büti­ko­fer-typi­sche Fuß­ball-Wahr­neh­mung des Poli­ti­schen („Clin­ton sehr gut im Angriff gg. McCain. Ker­ry noch bes­ser: Setzt den Sena­tor McCain gegen den Kan­di­da­ten McCain. So funktioniert’s!“). Aber dazu woll­te ich jetzt eigent­lich nichts schrei­ben, son­dern auf fol­gen­den Ein­trag hinweisen:

Demo­kra­ten stei­gern sich jdn. Tag in Mes­sa­ge, Insze­nie­rung u. Stim­mung. Wird mobi­li­sie­ren u. die Geg­ner beein­dru­cken. Mor­gen mehr #Büti­ko­fer

Nun wer­den die Grü­nen häu­fi­ger mal als die Par­tei bezeich­net, die im poli­ti­schen Stil den ame­ri­ka­ni­schen Mobi­li­sie­rungs­par­tei­en am nächs­ten kommt. Auch heu­te schon gibt es – und da ist wie­der­um Büti­ko­fer nicht ganz unschul­dig dar­an – ger­ne mal stark durch­in­sze­nier­te Par­tei­ta­ge (sie­he Abb.). 

BDK: Winfried Kretschmann ...
BDK 2005 als Bei­spiel für Parteitagsinszenierungen

Das geht nicht ganz soweit, dass Zwi­schen­ru­fe zum Abstim­mungs­ver­fah­ren vor­her abge­spro­chen wer­den; aber einen genau­en Zeit­plan im Hin­ter­grund, eine öffent­li­che Bot­schaft, eine stra­te­gi­sche Plat­zie­rung von Debat­ten und Kulis­se – all das gibt es auch auf deut­schen Par­tei­ta­gen, und eben auch bei den Grü­nen. Der Preis dafür, sich als pro­fes­sio­nel­le Medi­en­par­tei prä­sen­tie­ren zu können.

Sehr zum Ärger des Noch-Par­tei­chefs geht das nicht immer glatt; auch das macht den Reiz der Grü­nen aus. (Wobei es, egal wie der Par­tei­tag läuft, immer falsch ist: ent­we­der gibt es eine glat­te Insze­nie­rung, und die Medi­en fin­den es lang­wei­lig, oder es gibt basis­de­mo­kra­ti­schen Ärger, und die Medi­en sehen nur Streit).

Ich bin jetzt gespannt, ob Rein­hard Büti­ko­fer mal wie­der von den USA ler­nen will, und die nächs­te BDK – sei­ne letz­te als Par­tei­chef – zur gro­ßen Spit­zen­team­krö­nungs­mes­se wird. Sei­ne get­wit­ter­te Begeis­te­rung über den US-Par­tei­tag (des­sen demo­kra­ti­sches Gewicht eher in den Vor­wah­len als in der tat­säch­li­chen Zusam­men­kunft liegt) legt das irgend­wie nahe. 

War­um blog­ge ich das? Weil mich das Zusam­men­spiel bzw. der Wider­spruch zwi­schen öffent­li­cher Insze­nie­rung und demo­kra­ti­scher Par­ti­zi­pa­ti­on spä­tes­tens sein mei­ner Magis­ter­ar­beit interessiert.