Was Sarah und ihr SPD-Counterpart hier vorhaben, klingt ziemlich spannend: per rot-rot-grüner Mehrheit im neuen hessischen Landtag die wohl weiterhin geschäftsführende Koch-Regierung dazu zwingen, die Studiengebühren wieder abzuschaffen. Ich drücke die Daumen und bin – mal abgesehen vom fachpolitischen Interesse – sehr gespannt, ob das hessische Projekt „Regieren gegen die Regierung“ klappt.
Schwarz-grün und das Fünf-Parteien-System
Heute im Spiegel:
Günther Oettinger (CDU) ist der erste führende Unionspolitiker, der für eine schwarz-grüne Zusammenarbeit auf Bundesebene schon 2009 plädiert […] Die Grünen forderte Oettinger auf, sich zwischen SPD und Linkspartei auf der einen und CDU und FDP auf der anderen zu entscheiden.
Genau so nicht! Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Situationen geben kann, in denen in einer schwarz-grünen Koalition sachlich einfach mehr zu erreichen ist als durch Oppositionspolitik, ebenso, wie ich überzeugt davon bin, dass die sachlichen Übereinstimmungen zwischen SPD, Grünen und Linkspartei (also rot-grün-rot) meistens deutlich größer sind als in einem schwarz-grünen Bündnis. Sich deswegen von vorneherein auf einen „Linksblock“ festzulegen, halte ich jedoch genauso falsch und vorgestrig wie das, was Oettinger hier fordert: nämlich wirklich zur neuen FDP zu werden. Wer schwarz-grüne Koalitionen möchte, muss meine ich ganz klar machen, dass es dabei nicht um die Wiedervereinigung des Bürgertums mit seinen verlorenen Söhnen (und Töchtern) geht, wie einige – auch aus der SPD – das gerne darstellen, sondern um eine Zusammenarbeit aus einem an Pragmatismus und dem Willen zur Problemlösung orientierten Politikverständnis.
Links: Die CDU mag Lagerwahlkämpfe, scheint mir. Rechts: 79 %.
Das heißt im übrigen auch, dass Lagerwahlkämpfe dann der Vergangenheit angehören sollten – im Zweifelsfall heißt ein Lager-Wahlkampf nämlich: große Koalition. Erst recht mottenkistig ist jedoch der Versuch, Grüne ins schwarze Bett zu ziehen. Dafür sollten wir uns als Partei schlichtweg zu schade sein. Aus der Perspektive finde ich übrigens auch einiges falsch, was gerade in Freiburg läuft, aber das wäre einen eigenen Blog-Eintrag wert.
Warum blogge ich das? Weil ich es falsch finde, schwarz-grün prinzipiell abzulehnen, aber die CDU es einem schwer macht, mögliche sachorientierte Mehrheiten aus links-grüner Perspektive zu verteidigen.
Berufsverbot in Baden-Württemberg und Hessen wegen Antifa-Arbeit
Die Seite http://www.gegen-berufsverbote.de/ sammelt Unterschriften, um gegen das Berufsverbot für den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy, der dort in Heidelberg eine Antifa-Gruppe mitgegründet hatte und deswegen vom baden-württembergischen Kultusministerium nicht für schultauglich angesehen wird – auf Intervention von ganz oben durfte er auch eine schon zugesagte Stelle in Hessen nicht antreten. Das Spektrum der bisher gesammelten Unterschriften reicht von DKP und Linkspartei bis zu prominenten Grünen wie Claudia Roth und Theresia Bauer; bisher sind so knapp 600 der angestrebten „1000 Stimmen gegen Berufsverbote“ zusammengekommen. Eine Mailadresse zum digitalen Unterschreiben findet sich hier.
Müßig, über schwarz-grün zu diskutieren
Ich finde es müßig, sich die Köpfe über schwarz-grün in Baden-Württemberg heiß zu reden, auch wenn viele daran gerade großen Spass haben. Und zwar nicht nur aus inhaltlichen Gründen (mit denen klappt das nicht), sondern vor allem auch deswegen, weil ich überzeugt davon bin, dass Wahlergebnisse, die schwarz-grün überhaupt rechnerisch denkbar machen, sehr selten sind. Jedenfalls dann, wenn Linkspartei und REPs beide nicht in den Landtag einziehen. Diese Überzeugung habe ich nicht einfach so, sondern ich habe mir mal angeschaut, wie groß die Chancen für eine solche Konstallation eigentlich sind:
> http://www.westermayer.de/till/uni/2005-schwarz-gruen.pdf
Fazit: rot-grün ist wahrscheinlicher als schwarz-grün, und wenn wir Grüne uns in Baden-Württemberg für eine Gestaltungsperspektive stark machen wollen, dann geht das eher darüber, Mehrheiten gegen die CDU zu organisieren, als darüber, sich als Zweitpartner für Ausnahmesituationen anzudienen.
Die letzten Stunden vor der Wahl …
… werden noch mal richtig spannend, und finden durchaus auch im Internet statt.
Nicht nur, dass SPD, CDU und Linkspartei Anzeigen z.B. bei Spiegel-Online geschaltet haben (teilweise stehen alle gleichzeitig auf einer Seite, besonders lustig dann das nebeneinander von SPD und CDU, beide in orange, die CDU, weil sie glaubt, dass das neuerdings ihre Farbe sei, die SPD, weil sie auf Seltsamkeiten der CDU hinweisen will), auch die politischen Aktivitäten werden noch einmal hochgefahren.
Z.B. verteilen die Grünen einen Brief von Joschka Fischer an alle WählerInnen und werben dafür, dass sie in den letzten 24 Stunden vor der Wahl permanent online sein werden, um Fragen zu beantworten. Außerdem gibt es ein etwas seltsam-humoriges 3‑Minuten-Spiel (ich kann mir schon denken, wer sich das ausgedacht hat). Über den Tonfall des Wahlkampfs gäbe es einiges zu mäkeln – aber das nach der Wahl, bis dahin zählen die Inhalte und jede Stimme.
Multiple Wahlwerbung inkl. Mimikry bei Spiegel online
Siehe zum Thema Wahlwerbung auch: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,374850,00.html