Notizen zu Praxistheorie und Umweltverhalten, Teil III

I am a hard bloggin' scientist. Read the Manifesto.

Das hier ist der drit­te Blog­ein­trag einer Serie, in der ich den Zusam­men­hang von Pra­xis­theo­rie und Umwelt­ver­hal­ten erläu­tern will – vor allem, um mei­ne eige­nen, noch recht rohen Gedan­ken zu ordnen. 

Im ers­ten Teil ging es um eine kur­ze Ein­füh­rung in die Pra­xis­theo­rie, im zwei­ten Teil habe ich mir all­ge­mei­ne Gedan­ken um „mensch­li­ches Umwelt­ver­hal­ten“ gemacht. Jetzt soll es dar­um gehen, ein Kon­zept dafür zu ent­wi­ckeln, bei­des zusammenzubringen.
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Greendex: wer lebt wie grün?

Die ame­ri­ka­ni­sche Natio­nal Geo­gra­phic Socie­ty hat vor kur­zem das Ergeb­nis eines 14-Län­der-Ver­gleichs vor­ge­stellt, den Greend­ex. Dabei geht es um den Bei­trag von a. Kon­sum­entschei­dun­gen und b. Kon­text­be­din­gun­gen für den Kon­sum in unter­schied­li­chen Län­dern zu einem nach­hal­ti­gen Lebens­stil, wohl vor allem an den CO2-Emis­sio­nen festgemacht. 

Colors of green (mosaic)
Wie grün bist Du?

Befragt wur­den 14.000 Haus­hal­te in den 14 Län­dern mit einem 65 Varia­blen umfas­sen­den Sur­vey, die dann zum „Greend­ex“ – einem Punk­te­wert – zusam­men­ge­fasst wur­den. Etwa 60 % der Fra­gen bezie­hen sich dabei auf Kon­sum­entschei­dun­gen, also Berei­che, in denen unter­schied­li­ches Ver­hal­ten mög­lich ist. Prin­zi­pi­ell sind sol­che Unter­su­chun­gen nichts neu­es, auch die Umwelt­be­wusst­seins­be­fra­gun­gen des Umwelt­bun­des­am­tes gehen in die­se Rich­tung, inter­es­sant ist hier vor allem der Ländervergleich. 

Dabei kommt – bezo­gen auf das Ver­brau­cher­ver­hal­ten in den ein­zel­nen Län­dern – fol­gen­de Rei­hen­fol­ge heraus:

1. Bra­si­li­en, Indi­en (je 60 Punkte)
2. Chi­na (56,1 Punkte)
3. Mexi­ko (54,3 Punkte)
4. Ungarn (53,2 Punkte)
5. Russ­land (52,4 Punkte)
6. Groß­bri­tan­ni­en, Deutsch­land, Aus­tra­li­en (je 50,2 Punkte)
7. Spa­ni­en (50,0 Punkte)
8. Japan (49,1 Punkte)
9. Frank­reich (48,7 Punkte)
10. Kana­da (48,5 Punkte)
11. USA (44,9 Punkte)

Die nied­ri­gen Punkt­zah­len der Schwel­len­län­der sind mit einem gerin­ge­ren mate­ri­el­len Wohl­stand ver­bun­den (Zahl der Autos, Woh­nungs­grö­ße), zum Teil wohl auch vom Kli­ma abhän­gig (Hei­zungs­be­darf etc.). Dass die USA ganz hin­ten lie­gen, ist nicht beson­ders erstaun­lich – erstaun­lich ist aber der gro­ße Abstand zu den übri­gen Ländern.

Deutsch­land liegt ins­ge­samt im Mit­tel­feld, bezo­gen auf die Indus­trie­län­der rela­tiv weit vor­ne. Das mag etwas damit zu tun haben, dass „umwelt­freund­li­ches Ver­hal­ten“ hier­zu­lan­de schon ziem­lich lan­ge the­ma­ti­siert wird (vgl. Tele­po­lis-Arti­kel).

Auf der Web­site Greend­ex lässt sich – wie inzwi­schen auf vie­len ande­ren Sei­ten ähn­li­che Fuß­ab­drü­cke etc. zu fin­den sind – auch der per­sön­li­che „Greend­ex“ berech­nen.

Bis auf die Fra­ge 9, die so nur Sinn macht, wenn die ent­spre­chen­den Gerä­te vor­han­den sind, sieht der Fra­ge­bo­gen für die Berech­nung erst ein­mal ganz ver­nünf­tig aus. Bei mir kommt ein Score von 61 her­aus, was mich freut, aber nicht beson­ders über­rascht (kein Auto, rela­tiv viel Regio­na­les und Recy­cling, Niedrigenergiemietswohnung).

Eine Infor­ma­ti­on habe ich auf der Sei­te bis­her nicht gefun­den: wel­cher Score wäre tat­säch­lich nach­hal­tig? Bei ähn­li­chen Rech­nern zum „Fuß­ab­druck“ kommt dann ja meist her­aus, dass beim per­sön­li­chen Lebens­stil welt­weit zwei bis drei Pla­ne­ten not­wen­dig wären (bei mir: 1,6) – die­se Infor­ma­ti­on scheint mir hier zu fehlen.

War­um blog­ge ich das? Weil’s mich wis­sen­schaft­lich und poli­tisch inter­es­siert und hier glo­ba­le Daten mit einem per­sön­li­chen Kal­ku­la­tor ver­bun­den wer­den, was ich inter­es­sant finde.

Kurzeintrag: Klimaschwindel-Schwindel (Update 2)

Das ame­ri­ka­ni­sche Heart­land Insti­tu­te geht u.a. mit einer Lis­te von 500 Wis­sen­schaft­le­rIn­nen hau­sie­ren, die angeb­lich hin­ter der Posi­ti­on ste­hen, dass es kei­nen rele­van­ten mensch­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del gibt. Ein kri­ti­sches Blog hat jetzt begon­nen, die auf die­ser Lis­te ste­hen­den Wis­sen­schaft­le­rIn­nen zu befra­gen, was sie denn davon hal­ten – und her­aus­ge­fun­den, dass min­des­tens fünf­zig davon nicht ein­mal bekannt ist, dass sie auf die­ser Lis­te stehen:

„I don’t belie­ve any of my work can be used to sup­port any of the state­ments lis­ted in the artic­le.“ – Dr. Robert Whit­taker, Pro­fes­sor of Bio­geo­gra­phy, Uni­ver­si­ty of Oxford
„Plea­se remo­ve my name. What you have done is total­ly une­thi­cal!!“ – Dr. Svan­te Bjorck, Geo Bio­sphe­re Sci­ence Cent­re, Lund University

Usw. Auch die auf­ge­lis­te­ten deut­schen Wis­sen­schaft­le­rIn­nen, z.B. Prof. Dr. Ste­fan Rahmstorf vom renom­mier­ten Pots­dam Insti­tut für Kli­ma­fol­gen­for­schung, schei­nen mir zu einem gro­ßen Teil nicht auf eine sol­che Lis­te zu gehö­ren. Trotz­dem wird damit mun­ter Lob­by­is­mus betrieben …

Update: (7.5.2008) Inzwi­schen gab es eine Reak­ti­on des Heart­land-Insti­tu­te – der Titel der Lis­te wur­de geändert …

Update 2: (14.5.2008) Ein paar lesens­wer­te Blog-Reak­tio­nen zu die­ser Ange­le­gen­heit. Media­les Echo gab’s aller­dings bis­her nur in Neuseeland.

Positionspapier linker Grüner zur CDU-Grünen-Koalition in Hamburg

Als klei­nes Gegen­ge­wicht zu mei­nen eher opti­mis­ti­schen Bei­trä­gen zum stra­te­gi­schen Poten­zi­al von schwarz-grün möch­te ich auf eine heu­te ver­öf­fent­lich­te Ana­ly­se (pdf) einer Grup­pe grü­ner Lin­ker (oder lin­ker Grü­ner) ver­wei­sen (u.a. Robert Zion und Peter Alberts). Umfang­reich wird dort der Koali­ti­ons­ver­trag (pdf) durch­ge­ar­bei­tet. Bemän­gelt wird die gro­ße Zahl von Prüf­auf­trä­gen, gera­de bei wich­ti­gen grü­nen Pro­jek­ten. Die gene­rel­le Ein­schät­zung ist, dass die Grü­nen sich – bei wich­ti­gen Punk­ten – gegen­über der CDU kaum durch­set­zen konn­ten. Schwarz-grün wird sowohl kon­kret für Ham­burg als auch abs­trakt als pro­ble­ma­tisch dargestellt. 

Wäh­rend ich vie­le Punk­te der Ana­ly­se tei­le, aber von ande­ren Maß­stä­ben aus­ge­he, was sinn­vol­ler­wei­se erwart­bar war, teil­wei­se ande­re stra­te­gi­sche Ein­schät­zun­gen habe und vor allem opti­mis­ti­scher bin, was die Arbeit der grü­nen Sena­to­rIn­nen und Staats­rä­tIn­nen angeht (z.B. glau­be ich, dass eine grü­ne Umwelt­se­na­to­rin ein Koh­le­kraft­werk recht­lich ver­hin­dern kann und wird, auch wenn sowohl Green­peace als auch Vat­ten­fall das anders sehen), ist es vor allem ein Punkt, der mich an die­ser Aus­ar­bei­tung erheb­lich stört – näm­lich die Ver­mu­tung, dass eine gro­ße Koali­ti­on für die tat­säch­li­che Durch­set­zung eini­ger wich­ti­ger grü­ner Zie­le (Schul­re­form, Moor­burg) bes­ser gewe­sen wäre. Und auch die Kri­tik am Ver­hand­lungs­stil hal­te ich nicht für ange­bracht, son­dern für eine Pro­jek­ti­on eines Pro­jek­tes, dass es so aus grü­ner Per­spek­ti­ve nicht gibt. Aus dem Papier:

Gera­de die unge­wöhn­li­che Art der Ver­hand­lungs­füh­rung (ent­ge­gen der gän­gi­gen und sinn­vol­len Pra­xis wur­den zuerst die weni­ger strit­ten Punk­te ver­han­delt, damit „die Stim­mung“ stimmt) weist nicht nur auf den gewoll­ten “Pro­jekt­cha­rak­ter“ die­ser Koali­ti­on hin – wohl­ge­merkt: der schwarz-grü­nen Koali­ti­on an sich, nicht der Kon­zep­tio­nen und Inhal­te –, sie hat auch dazu geführt, dass die GAL eine Fül­le „wei­cher“ The­men set­zen konn­te (wenn auch zumeist nur als Prüf­auf­trä­ge), sich in den für Grü­ne wirk­lich har­ten und im Wahl­kampf bestim­men­den Poli­tik­fel­dern (Koh­le­kraft­werk, Elb­ver­tie­fung, Schu­le, Stu­di­en­ge­büh­ren) aber am Ende kaum oder gar nicht durch­set­zen konn­te. Die Fra­ge, ob eine Ham­bur­ger SPD bei etwa­igen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zu einer gro­ßen Koali­ti­on gera­de bei die­sen har­ten The­men nicht doch mehr hät­te durch­set­zen kön­nen, soll­te sich daher ernst­haft stel­len. Die Elb­ver­tie­fung wür­de – wie jetzt auch – wohl kom­men. Das län­ge­re gemein­sa­me Ler­nen ange­sichts des SPD-Pro­gramms wohl auch, viel­leicht wären es ein paar Jah­re mehr gewor­den. Ob hin­sicht­lich des Koh­le­kraft­wer­kes Moor­burg noch weni­ger als die Durch­füh­rung des Geneh­mi­gungs­ver­fah­rens her­aus­kom­men wür­de, darf bezwei­felt wer­den. Ein offe­nes Bekennt­nis der SPD in Ham­burg zu Moor­burg dürf­te nicht erwar­tet wer­den. Zu ein­deu­tig wird Moor­burg im SPD-Pro­gramm abge­lehnt und statt­des­sen ein Gas­kraft­werk gefordert.

Da scheint mir das Gras auf der ande­ren Sei­te des Zauns doch deut­lich grü­ner zu sein; jeden­falls kann ich zwar nach­voll­zie­hen, dass das SPD-Wahl­pro­gramm ent­spre­chend posi­tiv abschnei­det, kann mir aber kaum vor­stel­len, dass die SPD in Bil­dungs- und Umwelt­fra­gen in einer Koali­ti­ons­ver­hand­lung mit der CDU ers­tens mehr Beharr­lich­keit und zwei­tens mehr Ver­hand­lungs­macht mit­bringt. War­um? Weil nach mei­nen bis­he­ri­gen Beob­ach­tun­gen die SPD ihre Schwer­punk­te in Ver­hand­lun­gen anders setzt, und Umwelt- und Bil­dungs­fra­gen ger­ne auf dem Ver­hand­lungs­tisch opfert. Und weil da immer noch z.B. die Bun­des-SPD mit „Koh­le-Gabri­el“ als Umwelt­mi­nis­ter da ist. 

Inso­fern kann ich mich die­ser Stel­lung­nah­me nicht anschlie­ßen, son­dern blei­be dabei, dass es – gera­de wenn es mit­tel­fris­tig dar­um geht, das lin­ke Pro­fil der Grü­nen zu schär­fen – gar nicht so schlecht ist, am Ein­zel­bei­spiel Ham­burg deut­lich zu machen, dass wir nicht am Gän­gel­band der SPD hän­gen, und dass es manch­mal mög­lich – viel­leicht sogar bes­ser mög­lich – ist, grü­ne Inhal­te auch mit einem poli­ti­schen Geg­ner durch­zu­set­zen, der auch deut­lich als sol­cher sicht­bar ist. Das bedeu­tet m.E. mehr Ehr­lich­keit in Ver­hand­lun­gen, und mehr Pro­fil­schär­fe der Koali­ti­ons­part­ner. Wich­tig ist, dass es es hier eben nicht um ein „his­to­ri­sches Bünd­nis“ (FAZ) geht, son­dern um eine aus einer bestimm­ten Situa­ti­on her­aus gebo­re­ne Zusam­men­ar­beit. An die soll­ten stren­ge Maß­stä­be gesetzt wer­den, und wenn sich bis in einem Jahr zeigt, dass Prüf­auf­trä­ge und grü­ne Zumu­tun­gen an die CDU im poli­ti­schen All­tag nicht umsetz­bar sind, dann hal­te ich es für ein Gebot poli­ti­scher Hygie­ne, so eine Koali­ti­on auch wie­der auf­zu­kün­di­gen. Aber jetzt schon Feu­er zu schrei­en, ist aus mei­ner der­zei­ti­gen Sicht ver­früht und führt par­tei­in­tern nur dazu, Gestal­tungs­spiel­räu­me frei­wil­lig abzu­ge­ben und einzuengen.

War­um blog­ge ich das? Nicht zuletzt des­halb, weil in der inter­nen Dis­kus­si­ons­lis­te der Grü­nen Lin­ken zwar mehr­heit­lich die im Papier dar­ge­stell­te Posi­ti­on zu Wort kommt, durch­aus aber auch ande­re Stim­men zu hören sind.

Eisbären als Werbeträger für Klimaschutz im Alltag?

Die baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen wer­ben mit einem Eis­bär – genau­er gesagt, „Wil­bär“ aus dem Stutt­gar­ter Zoo – dafür, sich für Kli­ma­schutz ein­zu­set­zen. Soweit, so gut. Auch Hen­ning weist in sei­nem Blog auf die­se e‑Card-Akti­on hin. Ich ver­wei­se jetzt mal dar­auf, weil ich fin­de (und das bei Hen­ning aus­führ­li­cher kom­men­tiert habe), dass die­se e‑Card-Akti­on nur begrenzt sinn­voll ist. 

Ers­tens geht es mir dabei um die Fra­ge, wie selbst­ver­ständ­lich es eigent­lich ist, die Bekannt­heit Stutt­gar­ter Nach­wuchs­bä­ren im Rest des Lan­des vorauszusetzen. 

Zwei­tens und wich­ti­ger ist aber die Fra­ge, was mit so einer Kam­pa­gne erreicht wer­den kann. Dass der Kli­ma­wan­del ein Pro­blem ist, ist inzwi­schen ziem­lich all­ge­mein bekannt. Die e‑Card-Akti­on ver­spricht nun, Tipps für den Kli­ma­schutz im All­tag zu geben. Die fal­len für mei­nen Geschmack dann ziem­lich platt aus (weni­ger Auto­fah­ren, regio­nal Essen, Ener­gie­spar­lam­pen und kein Stand­by). Geht’s auch anders? 

Ich mei­ne, ja, wenn näm­lich das Haupt­er­geb­nis der Umwelt­be­wusst­seins­de­bat­te berück­sich­tigt wird, dass „Wis­sen“ und „Han­deln“ nicht unbe­dingt zusam­men­hän­gen. Statt also mit der x‑ten Wie­der­ho­lung das schlech­te Gewis­sen all der­je­ni­gen, die wei­ter Auto fah­ren, kon­ven­tio­nell Essen, Glüh­bir­nen ver­wen­den und ihre Elek­tro­ge­rä­te durch­lau­fen las­sen, wei­ter anzu­trei­ben, ohne dass dies wirk­lich was am Han­deln ändert, wäre es not­wen­dig, ent­we­der noch sehr viel kla­rer milieu­spe­zi­fi­sche Vor­tei­le raus­zu­stel­len (spart nicht nur CO2, son­dern auch Geld …), oder aber, bezo­gen auf die typi­sche Ziel­grup­pe grü­ner Milieus, einen umfas­sen­de­ren Ent­wurf eines kli­ma­freund­li­chen All­tags vor­zu­stel­len (also eher: wer­den Sie auch Kli­ma­freund) – muss ja nicht gleich der „life­style of health and sus­taina­bi­li­ty“ sein. So jeden­falls bin ich mit der Akti­on eher unzu­frie­den (und wenn’s denn Kli­ma-All­tags-Wis­sens-Tipps sein sol­len, dann viel­leicht lie­ber so ver­packt).

War­um blog­ge ich das? Letzt­lich vor allem des­we­gen, weil hier ein Kern­the­ma mei­ner noch nicht ganz voll­ende­nen Dis­ser­ta­ti­on ange­spro­chen ist, und ich ver­su­che, mei­ne Über­le­gun­gen dazu zu sortieren.