Angeblich diskutieren „die Grünen“ über die Abschaffung der Doppelspitze. Schreibt jedenfalls die WELT. Und manche greifen das gerne auf.
Aus meiner Sicht ist die Debatte doppelter Blödsinn. Erstens diskutiert die Partei gar nicht über die Abschaffung der Doppelspitze. Ein paar substantiell realpolitische, jungmännliche Nachwuchshoffnungen (Al-Wazir, Palmer) überlegen sich, wie sie die Partei gerne hätten. Daraus wird dann die angebliche Debatte. Mir ist allerdings nicht bekannt, dass diese Gruppe ernsthaft vor hat, für den Bundesparteitag (BDK) im Herbst einen entsprechenden Satzungsänderungsantrag zu stellen. Der würde auf einer BDK auch keine 2/3‑Mehrheit erhalten.
Der zweite Grund, warum diese angebliche Debatte Blödsinn ist, besteht darin, dass in der Palmer-Al-Wazir-Variante aus der genderpolitischen Doppelspitze (Quote etc.) eine flügelpolitische Doppelspitze wird. Und gegen die kann dann ja auch wunderbar argumentiert werden, Stichwort: Überwindung des Lagerdenkens, usw. Sagt zumindest das eine Lager. Nur: dass die Doppelspitze faktisch gerne auch zur Strömungsintegration verwendet wird, ist nirgendwo festgeschrieben – und muss auch nicht so sein. (Nebenbei bemerkt: andere Parteien, z.B. die LINKE, scheinen sogar eigene Delegierte auf Parteitagen für Strömungen zu haben – ganz so ist das bei uns nicht, auch wenn gerne mal in Flügelnetzwerken geklüngelt wird).
Warum dann dieser mediale Versuchsballon? Ich vermute, dass dahinter eine ganze Reihe von Zielen stecken: neben der bereits erwähnten Umdeutung der Doppelspitze, die dann nicht mehr als Gleichberechtigungsinstrument begriffen wird – also der Erlangung von diskursiver Hegemonie – geht es vermutlich vor allem um die Vorbereitung des Parteitags. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass hinter diesen Äußerungen letztlich z.B. der Versuch steht, eine Doppel-Kandidatur Katrin Göring-Eckart / Cem Özdemir vorzubereiten. Und zusammen mit der Umdeutung von der Gender- zur Flügelquote könnte gleichzeitig versucht werden, eine linke Kandidatur für den männlichen Vorsitzenden (bzw. die zweite weibliche Vorsitzende) zu verhindern. Bei der aktuellen Kandidatenlage wäre der m.E. ein gewisser Erfolg zuzusprechen. Und schließlich geht es über den Parteitag hinaus auch darum, einen informellen Führungsanspruch (die „Joschka-Nachfolge“) zu etablieren: die Parteisoll gefälligst so tun, als wären Palmer und Al-Wazir, die beide gerade nicht kandidieren können, das eigentliche Führungszentrum der Partei.
Das wird sich die Partei nicht gefallen lassen, und wenn die Medien ein realistisch Bild der Politik von Bündnis 90/Die Grünen behalten wollen, sollten sie sich auch nicht darauf einlassen.
Warum blogge ich das? Weil ich – ganz unabhängig von der Person Claudia Roth – es ärgerlich finde, wie hier versucht wird, über Bande die emanzipatorischen Grundstrukturen der Grünen zu erschüttern.