Ich bin 41 Jahre alt, habe – zumindest die Hälfte jeder Woche – zwei Kinder, seit längerem einen Uniabschluss und seit einiger Zeit auch eine feste Stelle. Ich lebe in einer eher kleinen Mietswohnung, habe weder Führerschein noch Auto, und finde trotz dem frühen Aufstehen, das sich durch das Pendeln zur Arbeit bzw. das In-die-Schule-Schicken der Kinder ergibt, ab und zu doch, dass sich mein Leben gar nicht so sehr verändert hat seit der Zeit, als ich studiert habe. Im englischsprachigen Raum (bzw. in dem Ausschnitt, der bei mir via Twitter davon ankommt …) findet hinter dem Begriff „adulting“ (in etwa: „erwachsene Dinge tun“) immer mal wieder eine Debatte darüber statt, was Erwachsensein im 21. Jahrhundert eigentlich ausmacht. Ich lese zum Beispiel immer noch viel Science Fiction und Fantasy – machen Erwachsene sowas? Lego für Erwachsene, Popmusik, viel Zeit zum Vergnügen vor dem Bildschirm, ob das jetzt – bei mir eher nicht so – der Serienkonsum via Netflix, Computerspiele oder – das doch viel – soziale Medien sind, eine nur vage Annäherung an erwachsene Kleidungstandards. Lesenswert ist hier z.B. der Beitrag und die darunter stehende Debatte im Blog des SF-Autors Charles Stross unter dem Titel „Forever young?“. Haben sich die Konventionen geändert und passen schlicht nicht mehr zu den in der Kindheit gelernten Erwartungen? Oder hat unsere Gesellschaft (jedesmal, wenn ich aus Berlin komme, denke ich, da vielleicht noch mehr als anderswo) das Erwachsensein verlernt?
Kommunikativer Vertrauensverlust in verunsicherten Zeiten
Kommunikationsguerilla produziert immer, immer, immer Verunsicherung. Und zerstört damit gesellschaftliches Vertrauen. Das ist unausweichlich. Trotzdem kann es legitim sein, zu dieser Form politischer Aktion zu greifen. Beispielsweise dann, wenn es darum geht, etwas scheinbar Selbstverständliches in Frage zu stellen, an Institutionen zu rütteln, Menschen dazu anzuregen, nachzudenken und nicht einfach hinzunehmen, was ist. (Da hat Kommunikationsguerilla einiges mit Soziologie gemeinsam, aber das ist eine andere Geschichte).
Weil Kommunikationsguerilla Vertrauen zerstört, und weil, wenn es eines gibt, was in dieser Gesellschaft gerade fehlt, Vertrauen ist, bin ich so verärgert darüber, dass gestern jemand die Geschichte in die Welt gesetzt hat, dass aufgrund des tagelangen Wartens in der Kälte vor dem Berliner „Lageso“ ein Flüchtling gestorben ist. Ich gehöre zu den tausenden Menschen, die diese Geschichte geglaubt haben, und die sie weitergegeben haben.
„Kommunikativer Vertrauensverlust in verunsicherten Zeiten“ weiterlesen
Photo of the week: Berlin – Alexanderplatz I
Ich war ja letztes Wochenende mal „touristisch“ in Berlin, und habe neben Bildern von Graffiti und Baustellen auch ein paar sehr touristische Fotos gemacht. Das hier zum Beispiel. Wo’s doch so schön sonnig war. Und überhaupt.
Kurz: Sonderbares Berlin
Berlin ist ja so ein bisschen eine hassgeliebte Stadt von mir. Vielleicht ist sie auch zu groß, um sie ganz zu greifen. Facetten blitzern auf und verschwinden wieder: das politisch-mediale Berlin in seiner inzestuösen Abschottung, das Touri-Berlin in verschiedenen Altersklassen, das Szene-Berlin (früher autonom, jetzt Hipster, aber immer uniform und konform). Und dazwischen ab und an auch etwas sehr Rauhes (in den Geschmacksrichtungen Ost und West).
Ich bin immer mal wieder in Berlin, meist politisch, manchmal auch privat, wie dieses Wochenende (ein paar Fotos). Klar sind es immer nur Ausschnitte, die ich da zu sehen kriege. Aber zusammen ergeben sie dann doch ein Gesamtbild.
Heute habe ich mir die Ausstellung West:Berlin angeschaut. Durchaus lohneswert – und lehrreich, was die Geschichte der bis heute durchschimmernden Exzeptionalität angeht. Inselstatus als Festung des freien Westens im Osten, Inselstatus als Rückzugsort und selbstgewähltes Gefängnis/Lautsprecher einer linksalternativen Bewegung. Beides hat eigene Praxen, Mythen und Identitätsbruchstücke generiert, die – so meine ich – in verschobener und verzerrter Form bis heute fortwirken, und erklären, warum in Berlin (im Guten wie im Bösen) manche Dinge anders laufen. Dahinziehen wollte ich nicht – interessant ist es allemal.
Photo of the week: Sunflower spider II
Schottland bleibt abhängig, die Wahlen in Thüringen, Brandenburg und Schweden sind ausgegangen, heute auch die aus grüner Sicht deutlich erfreulicheren in Vorarlberg, die Piratenpartei explodiert in einem furiosen Finale, und beim grünen Freiheitskongress (siehe auch hier) ritt ein Cowgirl über die karge Steppe. Und bei mir fast eine Woche Berlin, mit Fraktionsklausur und eben diesem Kongress.
Ach ja, und dann war da noch der „Asylkompromiss“. Über den ich eigentlich ausführlicher schreiben müsste. Dazu habe ich gerade keine Zeit, weswegen ich mein „Photo of the week“ nutze, um wenigstens ein paar Gedanken loszuwerden.
Das Habeck-Interview dazu fand ich gar nicht schlecht. Hinweisen möchte ich auch auf die Info des Landesverbands, inkl. Resolution und Brief des MP, auf die Positionierung der Landtagsfraktion sowie auf die persönliche Stellungnahme von Daniel Lede Abal MdL. Und was sage ich dazu?
Ich finde die Entscheidung sehr schwierig, in der Abwägung aber die Zustimmung Baden-Württembergs letztlich falsch. Die Weichen dafür wurden jedoch nicht vorgestern, sondern vor einigen Wochen mit der Aufnahme von Verhandlungen gestellt – wer Verhandlungen anfängt, muss diese auch bis zum möglichen Ende denken. (Und gegebenenfalls beizeiten über Krisenmanagement nachdenken – ja, liebe Bundestagsfraktion, liebe Bundespartei, damit seid durchaus ihr gemeint).
Jetzt ist die Entscheidung gefallen, damit hat sich die Situation verändert, aber nicht die grüne Grundhaltung. Damit muss die Partei umgehen. Wie, wird in den nächsten Wochen und auf den nächsten Parteitagen Thema sein. Ich sehe vor allem, dass mit dieser Entscheidung für uns Grüne die Pflicht einhergeht, sich intensiv auf allen Ebenen für eine Verbesserung des Asylrechts einzusetzen, und dass wir mit der Zustimmung, die Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer anzuerkennen, auch eine Verpflichtung eingehen, uns um die Lebenssituation der Roma und Sinti dort (und hier) zu kümmern. Und darauf zu pochen, dass die versprochenen Verbesserungen bei der Residenzpflicht und dem Zugang zum Arbeitsmarkt jetzt auch tatsächlich kommen.