Die Bundesdelegiertenkonferenz in Hamburg habe ich per Stream (paar Mal reingeschaut), auf den sozialen Medien, aber auch im Pressespiegel und im Radio verfolgt. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Berichterstattung doch sehr vom Standpunkt der JournalistInnen abhängig ist. Ein und derselbe Parteitag erscheint da einmal als ohnmächtige Suche nach dem neuen Thema, als langweilig, als gelungene Zusammenführung der Partei und als erfolgreiche Bewährungsprobe der Parteispitze. Insgesamt, so mein Eindruck, ein guter Parteitag – mit der Agrarwende haben wir uns positioniert (und Toni Hofreiter sich), mit den Debatten um das Asylrecht (wie schon auf der baden-württembergischen Landesdelegiertenkonferenz mit der Auseinandersetzung um Winfried Kretschmanns Entscheidung ein Musterbeispiel dafür, wie strittige, emotionale Themen ernsthaft und mit Respekt behandelt werden können) und die Außenpolitik gezeigt, dass wir auch vor schwierigen Fragen nicht zurückschrecken. Mehr Biss – ja, das passt. Auch wenn’s nicht immer Äpfel sein müssen. Anders als andere Parteien – ich denke da an die Piraten – stehen Grüne auch dafür, in und mit der Auseinandersetzung zusammenzufinden, Zusammenhalt zu produzieren. Und das ist wichtig.
Interessant ist allerdings auch, wer welche Artikel und Kommentare teilte und wie bewertete. Boris Palmer zum Beispiel war zufrieden – kein Wunder; aber er lobte dann auch die Parteilinke für die ernsthafte Debatte. Alex Bonde teilte den Sieg Waziristans. Usw. – aber ich will jetzt gar nicht die ganze Riege der Realo-Männer aufzählen. Auf der anderen Seite, vor allem auf den Listen und in den Gruppen der grünen Linken, wurden eher die kritischen Berichte herausgezogen, geteilt und zustimmend bewertet. Prantl in der Süddeutschen und so. Auch das verwundert nur bedingt.
Etwas erschrocken, wenn auch ebenfalls psychologisch erklär- und erwartbar, bin ich über die Reaktion einer dritten Gruppe: die, die ausgetreten sind, oder die innerlich kurz davor stehen. Das sind in meinem z.B. Facebook-Bekanntenkreis gar nicht so viele. Dafür melden diese sich umso heftiger zu Wort. Goldwaage und schlipprige Rutschen sind ihre Instrumente, jede mißliebige Äußerung ist ein weiterer, lautstark bekundeter Beweis dafür, wie schlimm es um die Partei steht. Das Ende naht, noch besteht, so diese ProphetInnen, die Chance zur Umkehr. Wo andere Zusammenhalt und Gemeinsamkeiten sehen, wird hier nur Duckmäusertum und Verrat erkannt. Die bitteren Phantomschmerzen derjenigen, die gegangen sind, ohne anderswo anzukommen, und die denen, die sich anders entschieden haben, nun keinen Erfolg mehr gönnen. Professionell ist das nicht.