Die Proteste für Demokratie und gegen Rechts gehen weiter – gestern gingen beispielsweise in meinem Heimatort Gundelfingen rund 2000 Leute auf die Straße, um gemeinsam für Vielfalt, für die Menschenrechte und die Menschenwürde und gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Es hat mich gefreut, dass das in unserer manchmal doch beschaulichen Gemeinde Konsens ist. Und auch wenn die Demo und Kundgebung bürgerlicher geprägt war als die großen Demonstrationen in Freiburg, und der eine oder andere es nicht lassen konnte, auch ein Abgrenzung von „Straßenblockierern“ mit unter zu bringen: unterm Strich stimmt die Botschaft.
Auch ganz andere Proteste fanden in den letzten Tagen statt. Egal, wo Grüne eine Veranstaltung machen – Traktoren sind auch schon da. Warum das so ist, ist mir nicht ganz klar, vor allem: warum das nur bei uns so ist, und andere Parteien „verschont“ werden, etwa die Union, die über Jahrzehnte die Landwirtschaftspolitik gestaltet hat, oder SPD und FDP, die ja maßgeblich die Haushaltskürzungen mit zu verantworten haben, Stichwort „keine Abkehr von der Schuldenbremse“. Mir ist ehrlich gesagt auch nicht so ganz klar, was die Landwirt*innen eigentlich erreichen wollen. Die schwierige Lage der Branche ist bekannt. Um den Agrardiesel scheint es längst nicht mehr zu gehen. Wenn konkretes genannt werden soll, kommt dann oft ein Potpourri von „Ampel muss weg“ bis „Bürgergeld abschaffen“. Und da wird dann auch deutlich, wie groß der Einfluss rechter bis verschwörungstheoretischer Kanäle auf die Bauernproteste inzwischen ist.
Am Aschermittwoch wurde das dann noch einmal deutlicher. Ich war selbst nicht dabei, aber die Lage beim grünen politischen Aschermittwoch in Biberach muss wohl schlimm gewesen sein. Neben einer lauten, inhaltlich grenzwertigen, aber noch im Rahmen befindlichen Bauerndemo gab es dort Proteste vor der Halle, die auf Aufrufe in WhatsApp- und Telegram-Gruppen zurückgingen, und zu denen sich niemand so richtig bekennen wollte. Berichtet wurde mir von brennenden Strohballen, von Menschen mit Motorsägen herumfuchtelten, von Plakaten, die Grüne mit Unkraut gleichsetzten, und von einer Stimmung, in der ein demokratischer Dialog nicht mehr möglich war. In Abstimmung mit der Polizei wurde der politische Aschermittwoch dann abgesagt, weil die Sicherheit der Teilnehmenden nicht zu gewährleisten war.
Soweit, so schlecht. Was mich aber noch mehr schockiert hat als eine Polizei, die wohl kursierende Telegram-Aufrufe nicht richtig einschätzen konnte, war die Haltung insbesondere der Union danach – zusammengefasst war das, bis hin zum für die Polizei in Baden-Württemberg zuständigen Innenminister, oft ein „die Grünen sind selbst schuld, wenn die Ampel …“. Bei allem Verständnis für harte politische Auseinandersetzungen, und um den Bogen zu den großen Kundgebungen für die Demokratie zu schlagen: eine solche Haltung mag kurzfristig zu Geländegewinnen beitragen. Langfristig macht diese fehlende Empathie und fehlende Solidarität unter Demokrat*innen unsere Demokratie kaputt. Wenn alles nur noch Skandal ist, wenn jeder Fehler gleich ausgenutzt wird, wenn Sprache tagein tagaus in harte Bandagen gepackt wird – dann hat die AfD ein leichtes Spiel, weil das ihr Spiel ist. Und darauf sollte sich niemand einlassen. Weder protestierende Berufsgruppen noch Parteien, die miteinander koalitionsfähig bleiben wollen.