Science Fiction und Fantasy im August 2025

Night photography III

Ich fan­ge mit einem Buch an, das eigent­lich eher ein Sach­buch ist – Mark McCau­gh­re­ans „Rei­se­füh­rer“ 111 places in space that you must not miss (2023). Der Titel beschreibt eigent­lich auch schon ganz gut, was es mit die­sem Buch auf sich hat, das wohl tat­säch­lich in einer Rei­he erschie­nen ist, die auch jeweils 111 „ber­eis­ba­re“ Zie­le anders­wo zusam­men­bringt. Die 111 Orte im Welt­raum sind in drei Abtei­lun­gen unter­teilt, die sich mit dem Son­nen­sys­tem, der Milch­stras­se und dem Rest des Uni­ver­sums befas­sen. Etwas irri­tiert hat­te mich zuerst, dass die Objek­te, die jeweils mit einer Sei­te Text und einem Foto vor­ge­stellt wer­den, inner­halb die­ser drei Abtei­lun­gen alpha­be­tisch sor­tiert sind. Ich hät­te eine Sor­tie­rung nach Ent­fer­nung zur Erde erwar­tet. McCau­gh­re­an beschreibt mit einer leicht iro­ni­schen Note die unter­schied­li­chen Objek­te, die von Mond und ISS bis zu Deep-Field-Auf­nah­men und der kos­mi­schen Hin­ter­grund­strah­lung rei­chen. Inter­es­san­ter­wei­se hat die­ser Rei­se­füh­rer auf mich eher den Effekt, noch ein­mal deut­lich zu machen, wie groß und lebens­feind­lich das Welt­all ist … das wird nicht nur in den Rei­se­zei­ten sicht­bar, die bei den wei­ter ent­fern­ten Objek­ten ger­ne mal bei „Mil­lio­nen Jah­re mit Licht­ge­schwin­dig­keit“ lie­gen, aber selbst im Son­nen­sys­tem wird deut­lich, dass neben dem Mond, Hub­ble und ISS (und bei einer Rei­se­zeit von min­de­tens 9 Mona­ten: dem Mars) selbst z.B. die Jupi­ter­mon­de wohl für ent­spre­chend lan­ge flie­gen­de Son­den, aber eben nicht für mit Men­schen besetz­te Raum­schif­fe erreich­bar sind. Und dass es, dort ein­mal ange­kom­men, ganz schnell zu Pro­ble­men mit Strah­lung kom­men wür­de. Und auch zum Mars schreibt der Autor „will kill you“. Inso­fern: ein gutes Sach­buch über den Stand unse­res Wis­sens über das Son­nen­sys­tem, die Milch­stra­ße und unse­re loka­len Super­struk­tu­ren, aber auch ein Buch, das komi­sche Dimen­sio­nen ver­deut­lich und klar macht, dass die Prä­mis­sen selbst „har­ter“ SF-Seri­en wie The Expan­se weit jen­seits der Rea­li­tät lie­gen. Von Warp-irgend­was gar nicht zu sprechen.

Und wo ich gera­de bei Sach­bü­chern bin: als Ergän­zung zu mei­ner Rei­se nach Kopen­ha­gen habe ich das Buch The Sto­ry of Scan­di­na­via (2023) des Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Stein Rin­gen gele­sen. Rin­gen fängt bei den Wikinger*innen an und endet – nach inten­si­ver Aus­ein­an­der­set­zung mit der Ent­ste­hung der König­rei­che und spä­ter einer luthe­ria­nisch ein­ge­färb­ten Sozi­al­de­mo­kra­tie – in den 2020er Jah­ren. Ich fand das Buch auf­schluss­reich für ein Ver­ständ­nis, wie Däne­mark, Nor­we­gen und Schwe­den sich ent­wi­ckelt haben, und wie die drei Län­dern in wech­seln­den Kon­stel­la­tio­nen zusam­men und gegen­ein­an­der gewirkt haben. Im Kon­text SF und Fan­ta­sy rele­vant: Rin­gen macht u.a. deut­lich, dass wir uns die Wikinger*innen wohl am ehes­tens als War­lords vor­stel­len müs­sen, die Bru­ta­li­tät zu einem Mar­ken­zei­chen mach­ten, dass dann euro­pa­weit bekannt und gefürch­tet wur­de (und die nicht zuletzt Skla­ven­han­del betrie­ben). Aus den War­lords wur­den dann ab etwa dem 10. Jahr­hun­dert, Köni­ge (u.a. Harald Blau­zahn und Knud der Gro­ße), die aber – so Rin­gen – nichts blei­ben­des hin­ter­lie­ßen. Und die Beschrei­bun­gen der Intri­gen der unter­schied­li­chen hoch­mit­tel­al­ter­li­chen Herrscher*innen erin­ner­te doch stark an „Game of Thro­nes“ – bis hin Bru­der­mor­den und zu Ein­la­dun­gen aller Wich­ti­gen zu Fest­mäh­lern, die im Blut­bad enden. (Eigent­li­cher Kern des Buchs ist die Fra­ge, wie aus die­sem Cha­os Demo­kra­tien und nach dem 2. Welt­krieg der skan­di­na­vi­sche Wohl­fahrts­staat ent­ste­hen konn­ten – auch das durch­aus inter­es­sant; inter­es­sant auch der Blick auf das Han­deln Däne­marks (weit­ge­hend akzep­tier­te Beset­zung, Kol­la­bo­ra­ti­on), des als Natio­nal­staat jun­gen Nor­we­gens (Beset­zung mit Wider­stand und einer flie­hen­den Exil­re­gie­rung) und Schwe­dens (Neu­tra­li­tät und Waf­fen­ver­käu­fe) in der Nazizeit.) 

An SF gele­sen habe ich die ers­ten bei­den Bän­de der „Kin­dom Tri­lo­gy“ von Betha­ny Jacobs, The­se Bur­ning Stars (2023) und On Vicious Worlds (2024); der drit­te Band wird noch in die­sem Jahr erschei­nen. Die Bücher ver­bin­den Aspek­te aus bei­den Sach­bü­chern: sie spie­len in einem sich über meh­re­re Son­nen­sys­te­me erstre­cken­den Impe­ri­um („The Treb­le“); und stel­len­wei­se wird es sehr blu­tig und bru­tal mit Blick auf Nach­fol­ge­kämp­fe und Rache­ak­te. Ins­be­son­de­re inner­halb und zwi­schen den „First Fami­lies“ und den drei Säu­len des „Kin­dom“ (Priester*innen der poly­the­is­ti­schen Reli­gi­on; Ver­wal­tung und Jus­tiz; und die „bru­tal hand“ mit ihren Killer*innnen). Zusam­men­ge­hal­ten wird „The Treb­le“ von einem ener­gie­rei­chen Mine­ral (Jevi­te bzw. in der syn­the­ti­schen Form Sevi­te), das u.a. Sprün­ge durch „Gates“ erlaubt. Inter­es­san­ter als die diver­sen Kämp­fe (sag­te ich schon, dass es sehr blu­tig und bru­tal wird?) sind die von Jacobs skiz­zier­ten Inter­es­sen­la­gen und orga­ni­sa­to­ri­schen Ver­krus­tun­gen – bei­spiel­wei­se hat die Fami­lie einer der Haupt­per­so­nen das Mono­pol auf die­sen Mine­ral; die in der Ver­ar­bei­tung von Sevi­te beschäf­tig­ten Über­le­ben­den eines Geno­zids – die Jeve­ni – sind mit ihrer Lage nicht zufrie­den usw. Und ziem­lich viel ist anders, als es am Anfang scheint. Gut gefal­len hat mir an die­ser Space Ope­ra auch, dass eini­ge der Trau­ma­ta und sozia­len Ängs­te eini­ger Haupt­per­so­nen klar the­ma­ti­siert wer­den. Egal, wie sehr sie die Held*innen die­ser Geschich­te sind. Ich bin auf den drit­ten Band gespannt – der zwei­te ende­te ziem­lich abrupt mit einer fie­sen Enthüllung.

Auch Space Ope­ra, aber kom­plett anders, ist die online ver­öf­fent­lich­te Novel­le The Epi­pha­ny of Glie­se 581 von Fer­nan­do Bor­ret­ti (2022), die ein biss­chen an Greg Egan erin­nert. Viel spielt hier in dia­mant­ba­sier­ten Com­pu­ter­sub­tra­ten, und Menschen/transhumane Wesen, die sich selbst down­loa­den und per Mate­rie­druck repro­du­zie­ren kön­nen, tun sich ein biss­chen ein­fa­cher damit, ferns­te Son­nen­sys­te­me zu erfor­schen – oder wie hier: auf­zu­klä­ren, wie eine voll­endes trans­hu­ma­ne „Gott­heit“, die den namens­ge­ben­den Stern Glie­se 581 nach eige­nem Bild gestal­tet hat, zu Tode kam. 

Gele­sen habe ich und sehr emp­feh­len kann ich dann noch das gera­de erschie­ne­ne Auto­ma­tic Nood­le (2025) von Anna­lee Newitz. Wäh­rend ich mit ihren Ter­ra­for­mern nicht so viel anfan­gen konn­te, hat mir die­se eher cozy Geschich­te gut gefal­len: im Kern geht es um vier sehr unter­schied­li­che Robo­ter (und einen Men­schen), die übrig blei­ben, als eine Möch­te­gern-Fast­food-Ket­te ihr Geschäft auf­gibt. Das gan­ze spielt in San Fran­cis­co, in einem Kali­for­ni­en, das sich gera­de in einem blu­ti­gen Krieg von Ame­ri­ka abge­spal­tet hat, und das – anders als die Rest-USA – unter bestimm­ten Bedin­gun­gen men­schen­ähn­li­che Robo­ter mit Rech­ten aus­stat­tet – was ande­re nicht davon abhält, Vor­ur­tei­le zu äußern. Mit viel Lie­be zum Detail erzählt Nee­witz, wie aus dem Fast­food-Shop ein auf Biang-Biang-Nudeln spe­zia­li­sier­tes Restau­rant wird (da erin­ner­te mich das eine oder ande­re an Sourdough) – und wie dabei die ganz unter­schied­li­chen Robo­ter-Per­sön­lich­kei­ten mit ihren Stär­ken (und Schwä­chen und Trau­ma­ta) zusam­men­fin­den. (Lesens­wer­tes Inter­view mit Newitz dazu.)

In gewis­ser Wei­se gut dazu gepasst hat der Film Chap­pie (2015, lief auf Net­flix), den ich eher zufäl­lig aus­ge­wählt habe. Hier geht es um auto­no­me Poli­zei­ro­bo­ter in Johan­nis­burg und was pas­siert, als eine*r davon ein Bewusst­sein bekommt und bei einer von „Die Ant­wo­ord“ gespiel­ten Gangs­ter­fa­mi­lie auf­wächst. Regis­seur Neill Blom­kamp legt an man­chen Stel­len zu dick auf, der Film kann sich manch­mal nicht ent­schei­den, ob er jetzt Thril­ler, Hip-Hop-Gangs­ter­ko­mö­die oder Robo­ter-Reflek­ti­on sein möch­te – unter­halt­sam war’s trotz­dem. Ins­be­son­de­re mit dem zum Zeit­punkt die­ses Films noch nicht abseh­ba­ren AI-Hype im Hinterkopf.

Wei­ter­ge­guckt habe ich außer­dem Foun­da­ti­on und Star Trek: Stran­ge New Worlds – wobei ich hier von Fol­ge 6 („The Seh­lat Who Ate Its Tail“) ins­ge­samt eher begeis­tert war, und mit den Fol­gen 7 („What Is Star­fleet?“) und 8 („Four-and-a-Half Vul­cans“) nicht so viel anfan­gen konnte. 

Begon­nen und dann gleich bin­ge­ge­watcht habe ich die ers­te Staf­fel von Silo (Apple TV, 2023), der Ver­fil­mung der Bücher Wool, Shift und Dust von Hugh How­ey. Die Serie spielt (zumin­dest in der ers­ten Staf­fel) fast aus­schließ­lich in einer rie­si­gen Unter­grund­stadt, dem titel­ge­ben­den Silo, das von selt­sa­men Regeln (Trep­pen­stei­gen zwi­schen den 144 Stock­wer­ken!, kei­ne Mikro­sko­pe!) beherrscht wird. Drau­ßen ist böse – jeden­falls ist das die mit gro­ßem Auf­wand auf­recht erhal­te­ne herr­schen­de Mei­nung. Und Arte­fak­te aus der Zeit davor sind eben­falls ver­bo­ten. Durch einen geschick­ten Kniff ver­bin­det die Serie die Gescheh­nis­se im unters­ten Level – hier küm­mern sich Mechaniker*innen dar­um, dass alles läuft – der Mit­tel­schicht und der Eli­te des Silos in den obe­ren Leveln. Die Haupt­per­so­nen und deren Che­mie unter­ein­an­der ist dann auch Grund genug, über das eine oder ande­re Plot­ho­le hin­weg zu sehen (wie kommt eine seit vie­len Jahr­zehn­ten von der Außen­welt abge­schnit­te­ne Stadt mit 10.000 Men­schen an so Din­ge wie Kaf­fee oder Lötzinn?). 

Science Fiction und Fantasy im Vorfrühling 2023 (Teil II)

Glitchy easter decoration

Irgend­wie kam Ostern dazwi­schen (s.o.) – jeden­falls folgt hier nun Teil II zu mei­ner Vor­früh­lings­le­se­lis­te. Teil I mit den Fan­ta­sy-Roma­nen, die ich gele­sen habe, ist am 6. April erschienen.

In medi­as res: Rich­tig gut gefal­len hat mir Ken MacLeods Bey­ond the Reach of Earth (2023), der zwei­te Teil sei­ner Lightspeed-Tri­lo­gie. Kurz zum Hin­ter­grund: die bei­den gro­ßen Blö­cke, die kapi­ta­lis­ti­sche Alli­ance rund um die USA und die Coor­di­na­ted Sta­tes (Russ­land, Chi­na) haben schon vor eini­gen Jahr­zehn­ten eine Metho­de ent­deckt, um U‑Boote in der Raum­zeit zu bewe­gen und damit fer­ne Ster­ne zu erkun­den. Auf dem erd­ähn­li­chen Stern Apis gibt es gehei­me Basen bei­der Blö­cke. Im ers­ten Teil geht es vor allem dar­um, dass nun auch Wissenschaftler*innen der mehr oder weni­ger kom­mu­nis­ti­schen euro­päi­schen Uni­on (inkl. Schott­land) – MacLeod macht aus sei­nen poli­ti­schen Sym­pa­thien kein Geheim­nis – die­se Tech­no­lo­gie ent­de­cken. Am Schluss stürzt die euro­päi­sche Venus-Kolo­nie ab – und v.a. wer­den intel­li­gen­te Außer­ir­di­sche ent­deckt. Was es mit die­sen auf sich hat, war­um das mit der über­licht­schnel­len Raum­fahrt nicht ganz so ein­fach ist, wie es am Anfang aus­sah, und was euro­päi­sche Siedler*innen so auf Apis erle­ben, davon han­delt Teil II. Beson­ders aktu­ell die Rol­le ver­schie­de­ner Robo­ter und all­ge­gen­wär­ti­ger AI-Sys­tem-Assis­ten­zen. Erfri­schend anders als der Space-Ope­ra-Main­stream, sehr plau­si­bel beschrie­ben und trotz­dem kom­plett abge­dreht – und gera­de des­we­gen lesenswert.

Zum Teil tref­fen die­se Beschrei­bun­gen auch auf Anna­lee Newitz lang erwar­te­tes Buch The Ter­ra­for­mers (2023) zu. In meh­re­ren Zeit­ebe­nen (10.000 Jah­re und ähn­lich gro­ße Zeit­span­nen vom heu­te ent­fernt) erle­ben wir die Besied­lung eines im Auf­trag eines gro­ßen, gala­xien­weit agie­ren­den Kon­zerns ter­ra­form­ten Pla­ne­ten, Wirt­schafts­spio­na­ge, Intri­gen, Auf­stän­de der mehr oder weni­ger Skla­ven-Klo­ne, sehr viel Gen- und Bio­tech­nik und irgend­wie auch eine Uto­pie des ver­netz­ten Zusam­men­le­bens ganz unter­schied­li­cher Lebens­for­men. Das ist alles wun­der­bar aus­ge­dacht – trotz­dem hat mich eini­ges immer wie­der aus dem Lese­fluss gewor­fen; etwa die schon ange­spro­che­nen rie­si­gen Zeit­räu­me, qua­si-unsterb­li­che Per­so­nen, aber auch das das Buch durch­zie­hen­de tie­fen­öko­lo­gi­sche Kon­zept, das alle Lebe­we­sen am gro­ßen Gan­zen teil­ha­ben (und durch eine Art Uplif­ting Intel­li­genz bekom­men). Bei Kühen ist das noch irgend­wie glaub­wür­dig, bei Insek­ten­ko­lo­nien … nicht so? Auf jeden Fall inter­es­sant und beein­dru­ckend, aber kein Buch zum Verlieben. 

Mal­ka Olders The Mimi­cking of Known Suc­ces­ses (2023) hat eben­falls ein inter­es­san­tes Set­ting, kommt aber nicht an ihre Info­mo­cra­cy-Rei­he her­an. Die Erde ist ver­wüs­tet, die Über­le­ben­den haben rund um Jupi­ter ein Eisen­bahn- und Platt­form-Ring­sys­tem auf­ge­baut, auf dem die­ses Buch – zunächst ein Kri­mi­nal­ro­man – spielt. Die Haupt­fi­gu­ren waren mal zusam­men, es gibt poli­ti­sche Bewe­gun­gen, die sich zwi­schen nost­al­gi­scher Bewah­rung der ver­lo­re­nen Erde und Blick nach vor­ne bewe­gen, und ins­ge­samt mag „cozy“ durch­aus eine zutref­fen­de Beschrei­bung sein. Ein recht kur­zes, freund­li­ches Buch (trotz meh­re­rer Todes­fäl­le), eine inno­va­ti­ve Sze­na­rie, aber irgend­wie fehl­te mir etwas.

Anders­her­um ging’s mir mit Greg Egans Sca­le (2022). Hier war ich zwar auf das Set­ting neu­gie­rig – neben­ein­an­der her leben­de und z.T. mit­ein­an­der inter­agie­ren­de Gesell­schaf­ten von Men­schen ganz unter­schied­li­cher Grö­ße, unter The Sci­ence of Sca­le gibt es auf Egans Web­site auch eine Her­lei­tung davon, wie das wis­sen­schaft­lich plau­si­bel gemacht wird; letzt­lich geht es um unter­schied­li­che inner-ato­ma­re Zusam­men­set­zung – neben Elek­tro­nen und Muo­nen gibt es hier gleich acht unter­schied­li­che Lep­to­nen, die jeweils bestimm­te Eigen­schaf­ten haben und v.a. Maßen, die von 1 bis 128 rei­chen. Die Men­schen unter­schied­li­cher Grö­ße bestehen jeweils aus Ato­men, die eine Art von Lep­to­nen bevor­zu­gen, und kom­men ent­spre­chend z.B. auch nur mit Was­ser oder Nah­rungs­mit­teln aus die­ser Zusam­men­set­zung klar. Ent­spre­chend ver­hal­ten sich die Grö­ßen (mir ist nicht ganz klar­ge­wor­den, ob die Kleins­ten zu den Größ­ten hier 1:8, 1:64 oder 1:128 aus­ma­chen, es sind aber beacht­li­che Unter­schie­de). Zugleich ist die Dich­te sehr unter­schied­lich – kleins­te und größ­te Men­schen bestehen aus der glei­chen Zahl von Ato­men, wie­gen also auch „das sel­be“. Zeit läuft für klei­ne­re Men­schen viel schnel­ler ab als für grö­ße­re Men­schen usw. Jeden­falls: das klingt alles erst ein­mal furcht­bar kom­pli­ziert und her­bei­ge­dacht, aber Egan gelingt es, vor die­sem Hin­ter­grund nicht nur einen Kri­mi, son­dern letzt­lich einen Thril­ler und einen Revo­lu­ti­ons­ro­man zu schrei­ben. Das hat mich sehr posi­tiv über­rascht. Wer selbst rein­le­sen möch­te, fin­det den – harm­lo­sen – Anfang auf der oben ver­link­ten Website.

Weni­ger über­zeugt haben mich zwei „klas­si­sche“ SF-Roma­ne. Arkas’d World von James L. Cam­bi­as (2019) spielt auf einem Pla­ne­ten, der ein Geheim­nis birgt, auf dem Wesen aus sehr unter­schied­li­chen – aber doch irgend­wie ste­reo­ty­pen – Ali­en-Kul­tu­ren zusam­men­le­ben; die Mensch­heit ist von einer die­ser Kul­tu­ren unter­wor­fen wor­den, der titel­ge­ben­de Arkad als auf dem Pla­ne­ten gebo­re­ner Mensch auf der Flucht auf die­sem Pla­ne­ten hat etwas von toll­pat­schi­gem Aus­er­wähl­ten. Bis er stirbt und das Gan­ze einen meta­phy­si­schen Drall bekommt. 

Und auch Count to a Tril­li­on von John C. Wright (2011) war dann nicht so ganz meins. Ich glau­be, ich habe irgend­wo Wal­ter Jon Wil­liams und John C. Wright zusam­men­ge­wor­fen und zu einer Per­son gemacht – der­je­ni­ge mit den wirk­lich schlimm reak­tio­nä­ren Ideen ist John C. Wright (sor­ry, W.J. Wil­liams!). Jeden­falls gelingt es ihm, eine weit in der Zukunft lie­gen­de Erde vor­zu­stel­len, in der fast nur Män­ner wich­ti­ge Rol­len spie­len, in der kul­tu­rel­le und eth­ni­sche Unter­schei­dun­gen hoch­ge­hal­ten wer­den, und in der his­to­ri­sche Moden von der Anti­ke über die Kreuz­fah­rer bis zum Cow­boy-Wes­tern wie­der­auf­le­ben, wäh­rend gleich­zei­tig hoch­in­tel­li­gen­te Com­pu­ter­sys­te­me, inter­stel­la­re Raum­schif­fe und die Ver­ar­bei­tung von Anti­ma­te­rie (sowie extrem über­le­ge­ne Außer­ir­di­sche) vor­kom­men. Das mag mal amü­sant sein, aber warm gewor­den bin ich damit nicht, und die Agen­da dahin­ter, ein Zurück zur guten alten Zeit, als Män­ner noch Män­ner und Unter­ta­nen noch Unter­ta­nen waren, gefällt mir über­haupt nicht. 

So ’ne Art Jahresrückblick, Teil II: Zwölf mal Science Fiction & Fantasy

Auch dank des E‑Books (ja, beim Pen­deln und für den Sofort­zu­griff auf inter­es­sant aus­se­hen­de Bücher super­prak­tisch) lese ich doch ziem­lich viel, vor allem Sci­ence Fic­tion und Fan­ta­sy. Im Juli hat­te ich schon mal auf ein paar inter­es­san­te Bücher hin­ge­wie­sen, und im Okto­ber auf L.X. Becketts Game­ch­an­ger als beson­ders gut gemach­tes Bei­spiel für das Sub­gen­re der Aug­men­ted-Rea­li­ty-Roma­ne. Wenn ich aus den vie­len Büchern, die ich 2019 gele­sen habe, zehn her­aus­pi­cken möch­te, die beson­ders ein­drucks­voll waren, dann sind das die fol­gen­den. Dabei habe ich mal Ste­ven Brusts Vlad Tal­tos, Lar­ry Nivens Ring­world und Isaac Asi­movs Foun­da­ti­on weg­ge­las­sen, die ich (neu) für mich ent­deckt habe – nächs­tes Buch der Serie kau­fen inklusive.

  • Arka­dy Mar­ti­ne, A Memo­ry Cal­led Empire – Space Ope­ra trifft auf diplo­ma­ti­sche Ver­wick­lun­gen zwi­schen einem präch­ti­gen Impe­ri­um und der neu­en Bot­schaf­te­rin einer klei­nen unab­hän­gi­gen Raumstation
  • Cory Doc­to­row, Radi­cal­i­zed – vier Kurzgeschichten/Novellen über die Über­wa­chungs­ge­sell­schaft, in der wir leben
  • Karl Schroe­der, Ste­al­ing Worlds – Aug­men­ted Rea­li­ty trifft auf Bru­no Latour, die Block­chain und eine jun­ge Frau auf der Flucht
  • L.X. Beckett, Game­ch­an­ger – sie­he oben
  • Mary Robi­net­te Kowal, The Cal­cu­la­ting Stars und The Fated Sky – Alter­na­tiv­ge­schich­te zum US-Raum­fahrt­pro­gramm, dies­mal sind Astro­nau­tin­nen dabei
  • Anna­lee Newitz, The Future of Ano­ther Time­line – eine femi­nis­ti­sche Zeit­rei­se zwi­schen Riot Grrrls und Urzeit, oder: ein Kom­men­tar zur Debat­ten­kul­tur im Netz
  • Amal El-Mohtar / Max Glad­stone, This is How You Lose the Time War – eine unwahr­schein­li­che Lie­bes­ge­schich­te zwi­schen zwei Zeit­rei­sen­den, in Briefen
  • Zen Chao, The True Queen – Nach­fol­ge­band zu Sorce­rer to the Crown, vik­to­ria­nisch-post­ko­lo­nia­le Fantasy
  • Pao­lo Baci­g­alu­pi / Tobi­as S. Buckell, The Tan­gled Lands – zwei mei­ner Lieb­lings-SF-Autoren haben sich zusam­men­ge­tan, um Fan­ta­sy zu schrei­ben: hier gibt es Magie, und Magie hat eine furcht­ba­re Nebenwirkung
  • Sue Bur­ke, Semio­sis: A novel of first cont­act – Gene­ra­tio­nen­raum­schiff trifft auf intel­li­gen­te Pflanzen
  • K. Eason, How Rory Thor­ne Des­troy­ed the Mul­ti­ver­se – das belieb­te Space-Ope­ra-Sujet der impe­ria­len Prin­zes­sin, die heim­lich eine Art Out­cast-Nin­ja ist, mal anders
  • Nne­di Oko­ra­for, LaGuar­dia – Comic über Außer­ir­di­sche, Nige­ria und die USA