Kurzeintrag: Sprachlos – neuer Rektor schon wieder weg (Update 5)
Herr Prof. Voßkuhle hat gerade erst sein Amt als Rektor angetreten und schon ist er wieder weg. Zum Bundesverfassungsgericht berufen und das auch noch als Vizepräsident. Nicht schlecht, für einen 44jährigen Juristen.
„Zu erst einmal gratulieren wir Herrn Prof. Voßkuhle natürlich zu diesem verantwortungsvollen Posten. Auch wenn wir natürlich ein wenig überrascht sind, ihn nach ganzen zweieinhalb Wochen schon wieder ziehen sehen zu müssen“, kommentiert Henrike Heppprich, Vorstand des Unabhängigen Allgemeinen Studierendenausschusses (u‑asta), der Studierendenvertretung an der Universität Freiburg.
Pressemitteilung des Freiburger u‑asta. Ausführlicher dazu bei GruenesFreiburg. Ich bin ja gespannt, was das jetzt für die Uni bedeutet.
Update: Die BZ findet ein paar Worte mehr in einer lesbaren Reportage, auch der Kommentar von Wolf Rüskamp ist lesenswert.
Update 2: (22.04.2008): Inzwischen hat auch die Uni reagiert: Der Rechtsberater des Rektors – zuständig für knifflige Rechtsfragen – erklärt, warum die nebenamtlichen ProrektorInnen kommissarisch im Amt bleiben können, und der Aufsichtsratsvorsitzende erklärt seine Überraschung, sieht im Ruf ins BVerfG einen Exzellenzbeweis und erläutert, dass der hauptamtliche Prorektor Prof. Schiewer das Rektorat kommissarisch im Sinne des gemeinsam mit Prof. Voßkuhle ausgearbeiteten Programms führen wird, und dass die Gremien für die Vorbereitung der Neuwahl eines Rektors oder einer Rektorin in Bälde zusammentreten werden.
Update 3: Grandios die Presse-Mitteilung des RCDS: „[D]ie Universität wird schon kommende Woche führungslos sein. Darüber hätte sich auch Professor Voßkuhle Gedanken machen müssen.“ Ich bin mir sicher, dass er das getan hat – und weiss nicht so recht, ob eine führerführungslose Universität tatsächlich der Dramatik der RCDS-Mitteilung gerecht werden wird.
Update 4: (25.04.2008) Jetzt ist es amtlich und Prof. Voßkuhle zum Verfassungsrichter gewählt. Damit endet auch seine selbst auferlegte Schweigepflicht; auf der Website der Uni ist inzwischen eine Stellungnahme bzw. ein Abschiedswort von ihm zu finden. Christian Rath nimmt übrigens in der taz von heute diese Wahl zum Anlass, die CDU-SPD-Schweigevorauswahlen in Frage zu stellen.
Update 5: fudder war wohl bei der Pressekonferenz.
Pilot-Forschungs-Ranking Soziologie (Update)
Wie einer Pressemitteilung des Wissenschaftsrats zu entnehmen ist, liegen jetzt Ergebnisse der Pilotstudie Forschungsranking auch für das zweite Pilotfach, die Soziologie, vor. Dort heißt es:
Auch jenseits der traditionell für ihre Soziologie bekannten Standorte in Deutschland haben sich inzwischen leistungsstarke Einrichtungen herauskristallisiert, an denen wichtige Beiträge zur soziologischen Forschung geleistet werden. Insgesamt ist die deutsche Soziologie hoch differenziert und weist ausgeprägte Leistungsunterschiede auf. Das gilt nicht nur für die Universitäten und außeruniversitären Institutionen jeweils als Ganzes betrachtet, sondern ebenso innerhalb der einzelnen Einrichtungen. Neben einer kleinen Spitzengruppe von Einrichtungen, die insgesamt sehr gut abgeschnitten haben, verfügen immerhin 60 Prozent aller am Forschungsrating beteiligten 57 Institutionen über mindestens eine sehr gut oder sogar exzellent bewertete Forschungseinheit.
Ziel des ganzen Verfahrens war es, Bewertungskriterien für ein Ranking der Forschungsstärke zu beurteilen, die disziplinenspezifisch unterschiedliche Kultur und Qualitätskriterien berücksichtigen. Dazu wurden nicht quanitative Maßstäbe angelegt, sondern qualitative Urteile einer informierten Gutachtergruppe eingeholt. Wie weit das gelungen ist, mag ich nicht ohne weiteres beurteilen, interessant ist der Blick auf die Studie allemal. Interessant ist, dass die Errgebnisse keine Rangfolge darstellen sollen, aber natürlich trotzdem so gelesen werden – mit dem Kölner Max-Planck-Institut, dem SOEP und den Unis HU Berlin, Bielefeld, Bremen, Göttingen, Mannheim und München ganz vorne.
Freiburg (S. 68) liegt übrigens bei allen Dimensionen im „guten“ Durchschnitt – untersucht wurden zwei Forschungseinheiten, ob damit das Institut für Soziologie sowie ein anderes soziologienahes Institut (da gibt’s ein paar an der Uni Freiburg) gemeint sind, oder zwei Professuren am Institut für Soziologie, lässt sich der Studie allerdings nicht entnehmen. Als überdurchschnittlich wird der Transfer in andere gesellschaftliche Bereiche bewertet, in den Dimensionen Impact, Effizienz und Nachwuchsförderung kommt jeweils ein „gut“ heraus, und die Dimension „Wissensvermittlung“ wird als durchschnittlich bewertet.
Diese Ergebnisse sind insofern interessant, als sie nur teilweise mit beispielsweise dem CHE-Forschungsranking übereinstimmen (da liegt z.B. die Freiburger Soziologie ganz vorne).
Generell wird als Fazit der Studie festgehalten, dass die Soziologie in Deutschland sehr heterogen aufgestellt ist, dass sie sehr kleinteilig organisiert ist, und dass die Publikationskultur oft eigenwilligen Qualitätskriterien folgt, sprich, sich vielfach nicht an Maßstab der Veröffentlichung primär in anerkannten Peer-review-Zeitschriften messen lässt. Zudem wird wenig international publiziert – eine Beobachtung, die ich andersherum auch schon machen musste, als ich versucht habe, aktuelle Texte deutschsprachiger SoziologInnen zum Thema Globalisierung für eine englischsprachige Lehrveranstaltung zusammenzustellen.
Eine Stellungnahme der DGS liegt noch nicht vor.
Warum blogge ich das? Weil mich diese Studie sowohl fachlich als auch wissenschaftspolitisch interessiert.
Update: (15.5.2008) In der FAZ findet sich eine sehr kritische Auseinandersetzung mit dem Pilot-Forschungs-RankingRating, und die DGS setzt sich zwar ehrenwerterweise gegen die Vorratsdatenspeicherung ein, nimmt aber, soweit ich das sehe, inhaltlich nicht Stellung zum Forschungsranking-Rating, sondern verweist nur auf ein Forum beim Kongress im Oktober.
Kapitel „Wissenschaft“ unter der Lupe (Update)
Seit gerade eben liegt ja der Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen in Hamburg vor. Allgemein habe ich hier, hier und hier schon ein bißchen was zu den neuen Zweckbündnissen geschrieben. In diesem Blogeintrag will ich mir das Kapitel „Wissenschaft“ näher anschauen, weil ich meine, da ein bißchen was von zu verstehen. Vielleicht noch ein wichtiger Disclaimer: ich bin zwar Sprecher der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft, Hochschule, Technologiepolitik, äußere mich hier aber als Privatperson und in keiner Weise in offizieller Funktion.
Eine nützliche Ressource zur Bewertung des Kapitels sind die grünen Forderungen, z.B. hier zusammengefasst.
Zuerst einmal ist vielleicht festzustellen, dass das Wissenschaftskapitel im Koalitionsvertrag relativ kurz ausgefallen ist (vier von etwa 65 Seiten). Das mag auch damit zusammenhängen, dass – abgesehen von der heißen Studiengebührenfrage – möglicherweise gar nicht so viel an Dissens da war. Ob das so war, weiss ich nicht. Interessant ist nebenbei auch, dass die Grünen keinen Anspruch auf die Wissenschaftsbehörde erhoben haben – in einer der letzten rot-grünen Koalitionen war die mal mit Krista Sager (1997–2001) besetzt, insofern hätte es da durchaus eine Tradition gegeben.
Gleich der erste inhaltliche Punkt entspricht einer Forderung aus dem grünen Wahlprogramm: es soll eine Wissenschaftsstiftung eingerichtet werden. Diese soll Stiftungen von Privatpersonen und Unternehmen bündeln, aber auch mit staatlichen Mitteln ausgestattet werden, um so langfristig Geld für Hochschulen bereitzustellen, und dieses aus den Haushaltsberatungen und Haushaltskürzungen herauszunehmen. Dies klingt als Forderung sinnvoller als die Umwandlung der Hochschulen in Stiftungsuniversitäten, wie dies z.B. in Niedersachsen zum Teil geschieht.
Das zweite Thema sind die Studiengebühren. Hier ist im Koalitionsvertrag ein detailliertes Modell nachlaufender Studiengebühren festgehalten. Im Vergleich zum Status quo finde ich das deutlich besser, im Vergleich zur Wahlkampfforderung, Studiengebühren abzuschaffen, ist es sicherlich nur ein kleiner Schritt. Wichtig ist, dass sich beide potenzielle Koalitionspartner einig sind, dass prinzipiell mehr Geld in die Hochschulen fließen soll. Das Gebührenmodell ist insofern pfiffig, als es eine gewisse soziale Komponente hat: zurückgezahlt wird nur, wenn innerhalb von zehn Jahren nach Verlassen der Hochschule eine Jahreseinkommensgrenze von 30.000 Euro brutto erreicht wird. In der Grundkonzeption ähnelt das Modell der australischen Variante. Wie die zu bewerten ist, ist politisch umstritten. Aus grüner Perspektive sind nachlaufende Studiengebühren nichts ganz Neues. Die Grüne Hochschulgruppe Tübingen hatte z.B. ähnliches schon Ende der 1990er Jahre als Erweiterung des BAfög-Ersatzes BAFF gefordert. Generell ist der Tenor in den letzten Jahren aber, dass Studiengebühren – auch wenn sie nachlaufend oder, was ich unter bestimmten Umständen präferiere, als AkademikerInnen-Steuer ausgelegt sind – abgelehnt werden. In der Bewertung des Koalitionsvertrags finde ich das Hamburger Modell einigermaßen akzeptabel. Ob es soziale Abschreckungswirkungen nach sich zieht (Doppelbelastung durch Bafög-Schulden und Studiengebührenschulden), wird sich letztlich wohl nur empirisch zeigen. Wichtig ist jedenfalls die Verbesserung gegenüber dem Status Quo, die ja auch der Hamburger AStA (dem Vernehmen nach durch den rechten Flügel der Jusos dominiert) sieht. Vom Ziel einer freien Wissensgesellschaft ohne Gebühren ist das allerdings trotzdem recht weit entfernt.
Ein Punkt, zu dem hinsichtlich der Studiengebühren nichts im Vertrag steht, ist die Frage, wie diese Mittel verwendet werden dürfen. Um beurteilen zu können, ob das ein Problem ist, fehlt mir allerdings der Detaileinblick in die Hamburger Verhältnisse.
Der dritte Themenschwerpunkt ist erfreulicherweise die Geschlechtergerechtigkeit, die ziemlich groß geschrieben wird. Ob die CDU das auch vor den Verhandlungen schon so wichtig fand, weiss ich nicht. Jetzt stehen jedenfalls verbindliche Quoten beim wissenschaftlichen Personal im Rahmen von Zielvereinbarungen, ein Programm für Frauenförderung, Berichte über die Gender-Effekte der BA/MA-Umstellung und Mittel für Gender Studies und Gender Mainstreaming drin. Auch das Thema Familienfreundlichkeit wird erwähnt. Soweit klingt das erstmal alles ziemlich grün. Interessant wird, wer diese Themen mit wieviel Elan dann auch umsetzt.
Zur Hochschulstruktur steht wenig konkretes und viel an Evaluationsaufgaben im Vertrag. Hochschulräte sollen wissenschaftsnäher und weiblicher besetzt werden, die Verteilung von Aufgaben zwischen zentraler Ebene und Fakultäten soll nach Evaluation nachgesteuert werden. Zwischen vermischtem (Polizeihochschule, HamburgMediaSchool, Studiengang Sozioökonomik (Ex-HWP?) …) steht auch der wichtige Satz, dass die „Masterkapazitäten […] so zu gestalten [sind], dass im Hinblick auf jeden Bachelorstudiengang ein Master erworben werden kann“ (S. 19). Wenn sich das tatsächlich auf alle Hochschulen in Hamburg bezieht (ob, ist etwas unklar), ist das eine wichtige Forderung. Der Master wird damit nicht zum Eliteabschluss für wenige, sondern zum faktischen Regelabschluss. Zum Vermischten gehören auch Prüfauftrage zum Bildungssparen und zur Förderung des Technologietransfers.
Das Wissenschaftskapitel schließt mit dem Forschungsschwerpunkt Klima und Energie: Ausbau der Klima- und Klimafolgenforschung, ein Prüfauftrag für einen Cluster „Erneuerbare Energien“ und Klimaschutz als Förderbereich der eingangs erwähnten Wissenschaftsstiftung. Auch das klingt jedenfalls erstmal alles ziemlich grün.
Unter dem Strich ist das Kapitel „Wissenschaft“ positiv zu bewerten. Fehlstellen gibt es vor allem in Bezug auf studentische Mitbestimmung und zur Frage Zahl der Studienplätze. Auch der Punkt Autonomie bleibt weitgehend offen. Insgesamt könnte fast der Eindruck gewonnen werden, dass viele eher strittige Themen einfach ausgespart wurden. Kommentare – insbesondere auch aus Hamburg – dazu würden mich sehr interessieren.
Aus meiner Sicht wird – wenn es denn tatsächlich zur Koalition kommt, da müssen ja noch zwei Parteitage drüber abstimmen – viel davon abhängen, wer diese Punkte letztlich tatsächlich in der Wissenschaftsbehörde umsetzt – und ob die SenatorIn (wer die Nachfolge von Jörg Dräger antritt, ist wohl noch sehr offen) und die StaatsrätInnen dort rein durch die CDU besetzt werden oder ob ein grüner Staatsrat oder eine grüne Staatsrätin mitentscheiden kann. Genügen fitte Wissenschafts- und HochschulpolitikerInnen gibt es in Hamburg ja.
Warum blogge ich das? Weil ich den an Sachlichkeit orientierten Findungsprozess in Hamburg interessiert beobachtet habe und jetzt gespannt drauf bin, wie viele grüne Kröten die CDU in der Umsetzung tatsächlich schlucken wird.
P.S.: Vielleicht auch noch wichtig: ob ich den Koalitionsvertrag insgesamt gelungen oder „über-den-Tisch-gezogen“ finde, hängt nicht nur vom Wissenschaftskapitel ab. Nur falls jemand mich da falsch verstehen möchte.
Update: Laut NDR wird die neue Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach heißen, bisher Staatsrätin in der Umweltbehörde.
Kurzeintrag: Brand im Rieselfeld
Im Rieselfeld gab’s einen Wohnungsbrand. Gestern nacht, ungefähr 500 m von hier. Außer einmal leise Feuerwehrsirenen – typisches Großstadtgeräusch, man macht sich da keine weiteren Gedanken – haben wir nichts davon mitbekommen. Dass es gebrannt hat, habe ich dann erst heute nachmittag in der Straßenbahn gehört. Seltsames Gefühl. Ein Stadtteil zwischen Dorf und urbaner Anonymität.


