Kurz: Kerstin Andreae sorgt für Unruhe (Update 2)

Visiting the "Dachswanger Mühle" farm - III
Kers­tin And­reae (auf Wahlkreistour)

Die grü­ne Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Kers­tin And­reae, Frei­bur­ger Wahl­kreis­ab­ge­ord­ne­te und wirt­schafts­po­li­ti­sche Spre­che­rin der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, wäre ger­ne Spit­zen­kan­di­da­tin der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen. Dar­über wird im Herbst ent­schie­den. Mög­li­cher­wei­se wird dann auch mit­ent­schei­dend sein, ob ihr Wer­be­state­ment auf einer Anzei­ge der arbeit­ge­ber­fi­nan­zier­ten Lob­by­grup­pe „Initia­ti­ve Neue Sozia­le Markt­wirt­schaft“ ein ein­ma­li­ger Aus­rut­scher bleibt, um für die Ver­bin­dung von Öko­lo­gie und Öko­no­mie zu wer­ben, oder ob sie den Weg von Scheel und Metz­ger ins wirt­schafts­li­be­ra­le Abseits geht. Dis­ku­tiert wird das der­zeit hier, hier und auch hier.

Update: (25.6.2008) In einem offe­nen Brief nimmt Kers­tin aus­führ­lich Stel­lung zu die­ser Anzeige.

Update 2: (18.7.2008) Bei der gest­ri­gen Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung gab es zwar kri­ti­sche Fra­gen zu Afgha­ni­stan, die oben ange­spro­che­ne The­ma­tik wur­de nicht pro­ble­ma­ti­siert. Gewählt wur­de Kers­tin schließ­lich mit etwa 75 % der abge­ge­be­nen Stimmen.

Schweden totalüberwacht

In der gedruck­ten taz, die ich heu­te in der Stra­ßen­bahn gele­sen habe, stand noch, dass das neue schwe­di­sche Über­wa­chungs­ge­setz erst­mal über­ra­schend in den Aus­schuss ver­wie­sen wur­de, bei netzpolitik.org und in der Online-Aus­ga­be der taz ist dann schon zu lesen, dass eben­so über­ra­schend heu­te mor­gen doch noch dem Gesetz zuge­stimmt wurde. 

Lulea Gammelstad: Museum Village I
Rikste­le­fon – durch­sich­tig und abgehört

Damit darf der schwe­di­sche Aus­lands­ge­heim­dienst sämt­li­che elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­en über­wa­chen, die Schwe­dens Gren­zen über­que­ren – nicht nur in Bezug auf Ver­bin­dungs­da­ten, son­dern auch inhalt­lich. Und bekommt dafür extra einen zwei­ten Super­rech­ner. Tech­no­lo­gisch erin­nert mich das sehr an die Zen­sur-Zen­tra­len Chi­nas etc. – selbst eMails zwi­schen schwe­di­schen Bür­ge­rIn­nen wer­den zur Aus­lands­kom­mu­ni­ka­ti­on, sobald einer der bei­den betei­lig­ten Ser­ver im Aus­land steht (Goog­le-Mail, Yahoo, Hot­mail, Gmx, …).

So weit, so schlecht. Das gan­ze kann zwar Moti­va­ti­on dafür sein, hier­zu­lan­de noch etwas über­zeug­ter gegen ent­spre­chen­de Schäub­le-Befug­nis­se anzu­ge­hen. Wenn Schwe­den jedoch dem Ruf des pro­gres­si­ven Skan­di­na­vi­ens gerecht wer­den will, blei­ben dem Land eigent­lich nur zwei Wege. Ent­we­der wird das Gesetz zurück­ge­nom­men (frei­wil­lig, oder über den Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te, wo es wohl Kla­gen geben soll) – oder das Gesetz wird so ergänzt, dass alle Bür­ge­rIn­nen des Lan­des Zugriff auf die­se Über­wa­chungs­da­ten bekom­men. Dann wären wir bei David Brins „Trans­pa­rent Socie­ty“ (oder auf dem Weg dahin). Ob ich das dann gut fän­de, weiss ich nicht – es wäre aber zumin­dest der logisch nächs­te Schritt in Rich­tung einer post-pri­va­ten Gesell­schaft und wür­de zur bis­he­ri­gen Posi­tio­nie­rung Schwe­dens in die­sem Bereich pas­sen (es gibt dort bei­spiels­wei­se kein Steuergeheimnis).

Eine letz­te Über­le­gung geht noch­mals in eine ande­re Rich­tung: so ein biß­chen habe ich ja – ohne jetzt ver­schwö­rungs­theo­re­tisch wer­den zu wol­len – den Ver­dacht, dass Geset­ze wie das in Schwe­den gera­de beschlos­se­ne eigent­lich nur einen lan­ge exis­tie­ren­den Sta­tus quo lega­li­sie­ren. Ich den­ke da z.B. an Eche­lon, aber auch an die gan­zen Spio­na­ge­skan­da­le bei Lidl, Tele­kom und Co. Es wäre jeden­falls wohl falsch, davon aus­zu­ge­hen, dass elek­tro­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on heu­te über­wa­chungs­frei abläuft, und erst mit Geset­zen wie dem neu­en schwe­di­schen Über­wa­chung stattfindet.

War­um blog­ge ich das? Weil ich es erstaun­lich fin­de, wie schnell und mit letzt­lich doch wenig all­ge­mei­nen Pro­tes­ten der­ar­ti­ge Geset­ze ver­ab­schie­det wer­den können.

Wir Kinder der Rebellion: oder Verstetigung eines Lebensstils?

Nina Pau­er fragt in der taz nach den Kon­se­quen­zen der „unmög­li­chen Rebel­li­on“ von (Post-)68er-Kindern gegen die Eltern. Im Zen­trum steht fol­gen­de Frage:

So zumin­dest stel­len wir uns das vor. „Das Gute am Jung­sein ist, dass alle gegen dich sind“ könn­te das Mot­to unse­rer Eltern­ge­nera­ti­on sein, die sich trotz all dem für uns so spa­ßig und wild Erschei­nen­den der 68er ihren Weg in die Eigen­stän­dig­keit gegen den Wil­len ihrer spie­ßi­gen, Nazi-ver­strahl­ten oder lang­wei­li­gen Eltern hart erkämp­fen muss­ten. Was aber, wenn nie­mand je gegen einen war? Uns ver­folgt die Unfä­hig­keit der Ab- oder Auf­leh­nung unser gan­zes jun­ges Leben lang. Eine Rebel­li­on gegen unse­re Eltern war nicht nötig, aber eben auch nie mög­lich. Klar könn­ten wir uns in die so oft besun­ge­ne Spaß­ge­sell­schaft stür­zen. Doch allein aus ästhe­ti­schen Grün­den kennt auch unse­re Trash-Affi­ni­tät kla­re Gren­zen; mehr als ein paar Minu­ten bil­dungs­fer­ner Sen­de­for­ma­te kön­nen wir am Stück nicht ertra­gen. Klar könn­ten wir Stei­ne schmei­ßen und alle­samt „anti­deutsch“ wer­den. Aber dass die lin­ke Radi­ka­li­tät aus­pro­biert und geschei­tert ist, dass alter­na­tiv kei­ne Alter­na­ti­ve ist, konn­ten wir nie ernst­haft anzweifeln.

Pau­er kommt zum Fazit, dass weder Welt­re­li­gio­nen (dafür sind „wir“ zu ratio­nal) noch Kon­su­mis­mus noch Spie­ßer­tum als Rebel­li­ons­al­ter­na­ti­ven in Fra­gen kom­men, endet aber irgend­wie ratlos-harmonisch.

Für mich steckt hin­ter die­sem Arti­kel noch eine ande­res The­mas, das die von Pau­er ange­spro­che­nen Fra­gen erst ermög­licht. Die Fra­ge, woge­gen „wir“ den rebel­lie­ren soll­ten, wenn wir uns mit unse­ren Eltern eigent­lich ganz gut ver­ste­hen, und deren Lebens­stil auch eher vor­bild­haft als abzu­leh­nend anse­hen, stellt sich erst dann, wenn „Jugend­re­vol­te“ als Nor­ma­li­tät ange­nom­men wird. Oder zumin­dest als stil­ty­pi­sche Normalität. 

Wenn der „post­ma­te­ria­lis­ti­sche“ Lebens­stil der 68er- und 78er-Eltern dage­gen nicht auto­ma­tisch als an Jugend­pro­test gekop­pelt ver­stan­den wird, und als per­ma­nen­te Revo­lu­ti­on, oder zumin­dest Rebel­li­on, gedacht wird, son­dern als umkämpf­te Neu­erfin­dung eines bis dato nicht wirk­lich exis­ten­ten Lebens­stil­fel­des, die Kon­sti­tu­ti­on eines Milieus? (Laut SINUS übri­gens das ein­zi­ge, das alle Alters­grup­pen umfasst). Dann gibt es auch nicht unbe­dingt die Not­wen­dig­keit zur Gene­ra­ti­ons­re­vol­te, zur Abar­bei­tung an der Eltern­ge­nera­ti­on, son­dern viel­mehr zur Ver­ste­ti­gung eines meh­re­re Gene­ra­tio­nen über­grei­fen­den Pro­jek­tes eines – letzt­lich – „rich­ti­gen Lebens“. Und dann erscheint es plötz­lich als ganz nor­mal, dass „Wir Kin­der der Rebel­li­on“, wie die taz den Arti­kel von Pau­er beti­telt hat, eigent­lich nur im Lang­frist­pro­jekt glück­lich wer­den kön­nen, den Wer­te­ho­ri­zont und die Lebens­ex­pe­ri­men­te unse­rer Eltern zum dau­er­haf­ten All­tag fortzuführen. 

War­um soll­te das auch nicht gelin­gen – auch die Söh­ne und Töch­ter des kon­ser­va­ti­ven Bür­ger­tums haben ja schein­bar kei­ner­lei Pro­ble­me damit, in der gro­ßen Mehr­zahl in die elter­li­chen Fuß­stap­fen zu treten.

War­um blog­ge ich das? Weil der taz-Arti­kel Fra­gen anspricht, denen näher nach­zu­ge­hen ich recht span­nend fin­de – und weil ich mich im „wir“ des Arti­kels wiederfinde.

Grüne Frauenquote bleibt auch an der Spitze

Angeb­lich dis­ku­tie­ren „die Grü­nen“ über die Abschaf­fung der Dop­pel­spit­ze. Schreibt jeden­falls die WELT. Und man­che grei­fen das ger­ne auf.

BDK: Claudia Roth
Es geht auch um Claudia

Aus mei­ner Sicht ist die Debat­te dop­pel­ter Blöd­sinn. Ers­tens dis­ku­tiert die Par­tei gar nicht über die Abschaf­fung der Dop­pel­spit­ze. Ein paar sub­stan­ti­ell real­po­li­ti­sche, jung­männ­li­che Nach­wuchs­hoff­nun­gen (Al-Wazir, Pal­mer) über­le­gen sich, wie sie die Par­tei ger­ne hät­ten. Dar­aus wird dann die angeb­li­che Debat­te. Mir ist aller­dings nicht bekannt, dass die­se Grup­pe ernst­haft vor hat, für den Bun­des­par­tei­tag (BDK) im Herbst einen ent­spre­chen­den Sat­zungs­än­de­rungs­an­trag zu stel­len. Der wür­de auf einer BDK auch kei­ne 2/3‑Mehrheit erhalten.

Der zwei­te Grund, war­um die­se angeb­li­che Debat­te Blöd­sinn ist, besteht dar­in, dass in der Pal­mer-Al-Wazir-Vari­an­te aus der gen­der­po­li­ti­schen Dop­pel­spit­ze (Quo­te etc.) eine flü­gel­po­li­ti­sche Dop­pel­spit­ze wird. Und gegen die kann dann ja auch wun­der­bar argu­men­tiert wer­den, Stich­wort: Über­win­dung des Lager­den­kens, usw. Sagt zumin­dest das eine Lager. Nur: dass die Dop­pel­spit­ze fak­tisch ger­ne auch zur Strö­mungs­in­te­gra­ti­on ver­wen­det wird, ist nir­gend­wo fest­ge­schrie­ben – und muss auch nicht so sein. (Neben­bei bemerkt: ande­re Par­tei­en, z.B. die LINKE, schei­nen sogar eige­ne Dele­gier­te auf Par­tei­ta­gen für Strö­mun­gen zu haben – ganz so ist das bei uns nicht, auch wenn ger­ne mal in Flü­gel­netz­wer­ken geklün­gelt wird). 

War­um dann die­ser media­le Ver­suchs­bal­lon? Ich ver­mu­te, dass dahin­ter eine gan­ze Rei­he von Zie­len ste­cken: neben der bereits erwähn­ten Umdeu­tung der Dop­pel­spit­ze, die dann nicht mehr als Gleich­be­rech­ti­gungs­in­stru­ment begrif­fen wird – also der Erlan­gung von dis­kur­si­ver Hege­mo­nie – geht es ver­mut­lich vor allem um die Vor­be­rei­tung des Par­tei­tags. Ich könn­te mir sogar vor­stel­len, dass hin­ter die­sen Äuße­run­gen letzt­lich z.B. der Ver­such steht, eine Dop­pel-Kan­di­da­tur Kat­rin Göring-Eck­art / Cem Özd­emir vor­zu­be­rei­ten. Und zusam­men mit der Umdeu­tung von der Gen­der- zur Flü­gel­quo­te könn­te gleich­zei­tig ver­sucht wer­den, eine lin­ke Kan­di­da­tur für den männ­li­chen Vor­sit­zen­den (bzw. die zwei­te weib­li­che Vor­sit­zen­de) zu ver­hin­dern. Bei der aktu­el­len Kan­di­da­ten­la­ge wäre der m.E. ein gewis­ser Erfolg zuzu­spre­chen. Und schließ­lich geht es über den Par­tei­tag hin­aus auch dar­um, einen infor­mel­len Füh­rungs­an­spruch (die „Josch­ka-Nach­fol­ge“) zu eta­blie­ren: die Par­tei­soll gefäl­ligst so tun, als wären Pal­mer und Al-Wazir, die bei­de gera­de nicht kan­di­die­ren kön­nen, das eigent­li­che Füh­rungs­zen­trum der Partei. 

Das wird sich die Par­tei nicht gefal­len las­sen, und wenn die Medi­en ein rea­lis­tisch Bild der Poli­tik von Bünd­nis 90/Die Grü­nen behal­ten wol­len, soll­ten sie sich auch nicht dar­auf einlassen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich – ganz unab­hän­gig von der Per­son Clau­dia Roth – es ärger­lich fin­de, wie hier ver­sucht wird, über Ban­de die eman­zi­pa­to­ri­schen Grund­struk­tu­ren der Grü­nen zu erschüttern.

Kurz: Kreistagswahlen im schwarzen Sachsen

In Sach­sen fan­den Kom­mu­nal­wah­len statt; genau­er gesagt wur­den die Land­krei­se neu gebil­det und dort Kreis­ta­ge und Land­rä­tIn­nen gewählt. Außer­dem fan­den Bür­ger­meis­ter­wah­len statt. Beson­ders span­nend erschei­nen mir die Ergeb­nis­se nicht. Aus grü­ner Per­spek­ti­ve depri­mie­rend ist sowohl das schlech­te Abschnei­den der Grü­nen (3,2% nach dem Aus­zähl­stand 23:34, beim letz­ten Mal im Jahr 2004 waren’s je nach Quel­le noch 3,4 % (SpOn) bzw. 5,2% (Mit­tel­deut­sche Zei­tung, Säch­si­sche Zei­tung)) als auch das flä­chen­de­ckend gute Abschnei­den der CDU (das in sei­ner Per­ma­nenz an die länd­li­che­ren Tei­le Baden-Würt­tem­bergs erin­nert) und der NPD. Als Licht­blick erscheint – war­um auch immer – der Land­kreis Mei­ßen: hier liegt das grü­ne Land­kreis­er­geb­nis immer­hin bei für Ost­deutsch­land guten 5,0% (gegen­über 2004 aller­dings ein Ver­lust von 1,6 Prozentpunkten).

P.S.: Im öster­rei­chi­schen Bun­des­land Tirol wur­de heu­te auch gewählt – mit mas­si­ven Ver­lus­ten von SPÖ (-10%) und Grü­nen (-5%) zuguns­ten einer Protestliste.