Science Fiction und Fantasy im September 2025

Night clouds, Gundelfingen

Im Sep­tem­ber fand ich weni­ger Zeit zum Lesen als übli­cher­wei­se. Das hat ver­schie­de­ne Grün­de; neben einem Fokus auf Seri­en – und einem Buch, mit dem ich mich schwer getan habe – habe ich grö­ße­re Tei­le mei­ner Frei­zeit mit einem Python-Pro­jekt gefüllt. Aber genug der Vorrede:

Auf dem Bild­schirm gese­hen haben wir den Mine­craft-Movie, den ich aller­dings arg quat­schig und nicht wirk­lich über­zeu­gend fand. Ja, der Film hat den einen oder ande­ren lus­ti­gen Moment, die eine oder ande­re Figur, die Empa­thie her­vor­ruft – ins­ge­samt ähnelt der gan­ze Plot jedoch einem Schwamm. 

Ich blei­be bei den eher ent­täu­schen­den Film­erleb­nis­sen: die rest­li­chen Fol­gen der drit­ten Staf­fel von Star Trek: Stran­ge New Worlds (Para­mount+) tru­gen lei­der wei­ter zum sehr durch­wach­se­nen Ein­druck die­ser Staf­fel bei. Ohne zu viel zu ver­ra­ten, lässt sich das Staf­fel­fi­na­le doch eher als Fan­ta­sy mit einem dün­nen SF-Fir­nis beschrei­ben. Der Druck, an TOS anzu­schlie­ßen, scheint lei­der zuneh­mend den krea­ti­ven Spiel­raum hin­sicht­lich Plot und Figu­ren­ent­wick­lung ein­zu­schrän­ken – statt des­sen wer­den selt­sa­me Expe­ri­men­te gestar­tet. Bleibt zu hof­fen, dass die drit­te Staf­fel eher einen Durch­hän­ger dar­stellt und es mit der vier­ten wie­der auf­wärts geht.

Ange­fan­gen haben wir die zwei­te Wed­nes­day-Staf­fel (Net­flix). Die zwei­te Fol­ge war bes­ser als die teil­wei­se arg ober­fläch­li­che und ste­reo­ty­pe ers­te Fol­ge. (Mehr ‚Emi­ly the Stran­ge‘ als Addams-Fami­lie, falls das jemand etwas sagt …). Es soll bes­ser wer­den, habe ich gehört – mal sehen, wie es weitergeht.

Rich­tig begeis­tert bin ich dage­gen von Arca­ne (Net­flix). Viel­schich­ti­ge Figu­ren in einer eben­so viel­schich­ti­gen wie schil­lern­den Fan­ta­sy-Welt, und das alles gra­fisch und musi­ka­lisch hoch inno­va­tiv umge­setzt – sie­he https://mashable.com/article/netflix-arcane-league-of-legends-animation. Lei­der gibt es nur zwei Staf­feln, der zwei­ten (die ich zu zwei Drit­teln eben­falls bereits gese­hen habe) ist anzu­mer­ken, dass da sehr viel Geschich­te mas­siv ver­dich­tet wur­de; scha­de, dass dem nicht mehr Raum gege­ben wird. So oder so: eine Emp­feh­lung für alle, die gra­fisch umge­setz­te Fan­ta­sy ohne kla­re Gut-Böse-Dicho­to­mie mögen.

Dann zu den Büchern. Ger­ne gele­sen habe ich das Debut von Emi­ly Pax­man, Death on the Cal­de­ra (2025). Der Roman ist mehr­schich­tig, und die Beschrei­bung „Mord­fall im Ori­ent Express“ in einem Fan­ta­sy-Reich (bzw. genau­er gesagt: in einem zwi­schen meh­re­ren Fan­ta­sy-Rei­chen umkämpf­ten Gebiet) trifft es nur teil­wei­se. Es geht um Roman­zen, um Wider­stands­kämp­fe, um den Anbruch einer indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on, um alte Vul­kan­gott­hei­ten und ein Königs­haus mit inter­es­san­ten Gebräu­chen, um Hexe­rei und um diver­se, recht cle­ve­re Magie­sys­te­me. Und ja, das alles hat auch etwas mit einem Zug zu tun, und ist recht packend erzählt. 

Eben­falls sehr ger­ne gele­sen habe ich den neus­ten Roman von R.F. Kuang, Kat­aba­sis (2025), der es auch auf diver­se Best­sel­ler­lis­ten geschafft hat; samt Por­träts der Autorin bei gro­ßen Medi­en­häu­sern – erst dadurch ist mir bewusst gewor­den, dass sie nicht nur Babel geschrie­ben hat, son­dern im „Litfic“-Feld schon mit ande­ren Büchern recht erfolg­reich war. Wenn ich nach Gemein­sam­kei­ten zwi­schen bei­den Büchern suchen woll­te, dann wäre das der Innen­blick auf bri­ti­sche Uni­ver­si­tä­ten (hier Cam­bridge), eine dezi­diert post­ko­lo­nia­le Per­spek­ti­ve und Magie. Da hört es dann aber auch fast schon wie­der auf. Kat­aba­sis, der grie­chi­sche Begriff für den Abstieg in die Unter­welt, spielt in einer unde­fi­nier­ten nahen Ver­gan­gen­heit, ich wür­de auf die 1980er oder 1990er Jah­re tip­pen. Ali­ce Law, die Haupt­per­son des Buches, ist dabei, in Cam­bridge ihre Pro­mo­ti­on abzu­schlie­ßen – in dem Feld der „Ana­ly­ti­cal Magick“. Magie in Babel beruh­te auf Spra­che; für Kat­aba­sis hat sich Kuang ein Magie­sys­tem aus­ge­dacht, dass alt­ehr­wür­dig ist und bis zu grie­chi­schen (und chi­ne­si­schen) Klas­si­kern zurück­reicht, das auf mit Kalk (und der Lebens­en­er­gie von Jahr­mil­lio­nen alten Orga­nis­men) gezeich­ne­te Pen­ta­gram­me setzt, und in des­sen Kern Para­do­xa ste­hen. In die­sem Buch ist dar­aus ein typi­sches aka­de­mi­sches Feld gewor­den, mit renom­mier­ten ehr­wür­di­gen Pro­fes­so­ren und Außenseiter*innen, mit einem Kanon und apo­kry­phi­schen Tex­ten, mit Kon­fe­ren­zen und mit der Aus­beu­tung von Nachwuchswissenschaftler*innen, die bis spät abends im Labor schuf­ten, um doch noch den Dreh hin­zu­krie­gen. Getrie­ben vom Ehr­geiz, selbst zu glän­zen, getrie­ben von Neu­gier­de – und letzt­lich doch nur Aus­ge­beu­te­te in einem auf weni­ge „genia­le“ Köp­fe zulau­fen­den Sys­tem. Was Kuang hier beschreibt, klingt erst ein­mal nach einem etwas reflek­tier­te­ren Cam­pus­ro­man. Sie belässt aber nicht dabei, denn an die aka­de­mi­sche Vor­höl­le schließt sich der wort­wört­li­che Abstieg in die mit aller­hand Quer­ver­wei­sen gespick­te Höl­le an. Moti­va­ti­on bei Law (und ihrem Kol­le­gen): den kürz­lich bei einem Unfall ver­stor­be­nen Dok­tor­va­ter zurück in die Welt der Leben­den holen, damit die­ser die letz­te Prü­fung abneh­men kann, die vor dem eige­nen aka­de­mi­schen Auf­stieg steht. Es kommt anders – und Kuang zeich­net die myso­gy­ne und von Ehr­geiz zer­fress­se­ne aka­de­mi­sche Welt dabei genau­so dras­tisch wie die Tor­tu­ren, die die Höl­le als Spie­gel Cam­brid­ges bereit­hält. Ein Trip – mit einem über­ra­schen­den Ende.

Ganz pas­send zu die­sen bei­den Büchern und den oben genann­ten Fil­men der klei­ne Band Char­lie N. Holmberg’s Book of Magic (2024) – eine flott geschrie­be­ne Ein­füh­rung dazu, wie Autor*innen kon­sis­ten­te und inno­va­ti­ve Magie-Sys­te­me ent­wi­ckeln. Der Band deckt von magi­schen Gegen­stän­den über Ener­gie­quel­len und Kos­ten bis zum Blick auf die Kon­se­quen­zen (etwa auf Kriegs- und Staats­füh­rung) alles ab, was beim Schrei­ben eines auf Magie set­zen­den Buches oder einer Geschich­te zu beach­ten ist, und berei­tet Lust, genau das zu tun. Der Band eig­net sich gleich­zei­tig, um einen ana­ly­ti­schen Blick dar­auf zu wer­fen, wie Autor*innen ein­set­zen – gera­de bei Arca­ne spie­len bei­spiels­wei­se die Kos­ten, Begren­zun­gen und sozia­len Aus­wir­kun­gen der dort im Kern ste­hen­den „Hex­tech“ eine gro­ße Rol­le, und die bei­den genann­ten Bücher leben eben­falls zu einem gro­ßen Teil davon, dass die Autorin­nen sich Magie­sys­te­me aus­ge­dacht haben, die nicht iso­liert ste­hen, son­dern in ein sozio­tech­ni­sches Sys­tem ein­ge­bun­den sind. 

Damit kom­me ich zum Schluss zu dem Buch, das ich nicht zu Ende gele­sen habe, son­dern nach zwei Drit­teln abge­bro­chen habe – zu zäh war es, zu sehr war das Feh­len eines ordent­li­chen Lek­to­rats spür­bar. Dabei ist die Grund­idee von Cir­cle for the Earth (2025) von Daph­ne Sin­ging­tree durch­aus inter­es­sant: ein 30-Mei­len-Kreis rund um ein im Mit­tel­punkt ste­hen­des Casino/Tagungshotel auf Lako­ta-Stam­mes­land in South Dako­ta wird mit allem drum und dran aus unse­rer Gegen­wart in die Ver­gan­gen­heit ver­setzt, genau­er gesagt ins Jahr 1791. Rund 10.000 Men­schen müs­sen sich in die­ser Situa­ti­on zurecht­fin­den – aus zwei Coun­ties und zwei Reser­va­ten ent­steht Chan­g­les­ka, ein aus Sicht der Autorin an Solar­punk-Ideen ori­en­tier­ter Staat, der die Geschich­te der Ver­ei­nig­ten Staa­ten ändern könn­te. Das Buch bie­tet sehr aus­führ­li­che Beschrei­bun­gen nicht nur der Gefühls­zu­stän­de eines dut­zend Fokus­per­so­nen, son­dern auch der tech­ni­schen und poli­ti­schen Grund­la­gen von Chan­g­les­ka. Was bis zu dem Punkt, wo ich abge­bro­chen habe, aber so gut wie nicht statt­fin­det, sind Begeg­nun­gen zwi­schen den Men­schen aus unse­rer Zeit und der Welt der Ver­gan­gen­heit – es wer­den nach zwei Drit­teln des Buches gera­de ein­mal ers­te Füh­ler hin zu den in der Nähe leben­den Lako­ta aus dem Jahr 1791 und die dar­aus ent­ste­hen­den Miss­ver­ständ­nis­se beschrie­ben. Dafür sind bis dahin schon meh­re­re Mor­de, Atten­ta­te, Raub­über­fäl­le etc. pas­siert; die 10.000 Men­schen schaf­fen es, hart gegen­ein­an­der zu arbei­ten. Mög­li­cher­wei­se beschreibt das die Gegen­wart South Dako­tas ganz gut, mir erschien es ein biss­chen viel. Der Zufall bringt vie­le Ärzt*innen und ein paar klu­ge Leu­te mit in die Ver­gan­gen­heit; mit das ers­te, was sie tun, ist ein neu­es, zen­sier­tes Inter­net auf­zu­bau­en, das prak­ti­scher­wei­se vor­han­de­ne Geo­ther­mie-Kraft­werk des Res­sorts wird eine gro­ße Rol­le spie­len, und aus­führ­lich wird auch beschrie­ben, wie so schnell wie mög­lich ein neu­es Geld­sys­tem auf­ge­baut wird. Ach so: Alte und Kran­ke ster­ben lei­der, lei­der, weil es nicht genug Medi­ka­men­te gibt. Aber dadurch wer­den Plät­ze in Hei­men frei – Unter­kunfts­pro­blem gelöst. Wie schnell wel­che Tech­no­lo­gie fehl­schlägt, und wie schnell – ohne jeden Kon­takt – das Mind­set des 18. Jahr­hun­derts über­nom­men wird, über­rascht eben­so wie die Tat­sa­che, dass für ein Buch, das sich selbst Solar­punk zuord­net, Geld, Waf­fen und eher abschät­zi­ge Beschrei­bun­gen vega­ner Ernäh­rungs­sti­le eine gro­ße Rol­le spie­len. Irgend­wann war mein Ärger dar­über dann grö­ßer als mei­ne Neu­gier­de dar­an, wie die Autorin denn die tat­säch­li­che Begeg­nung mit der Welt des 18. Jahr­hun­derts beschrei­ben würde.

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