Plädoyer für eine Präsidentin

Gesine Schwan I

Jetzt ist Chris­ti­an Wulff also doch gegan­gen. Anfang des Jah­res hat­te ich noch rum­ge­spot­tet, dass er das erst im März tun wird, und dass Ange­la Mer­kel als Prä­si­dal­kanz­le­rin dann sei­ne Nach­fol­ge­rin wer­den wird. Noch wis­sen wir – abge­se­hen von aller­lei Spe­ku­la­tio­nen – nicht, wer die (mög­li­cher­wei­se dann tat­säch­lich über­par­tei­li­che) Per­son sein wird, die am 18. März zum Bun­des­prä­si­den­ten oder zur Bun­des­prä­si­den­tin gewählt wer­den wird. 

Ich per­sön­lich wür­de es begrü­ßen, wenn es eine Bun­des­prä­si­den­tin wird. Bis­her gab es zwar schon eini­ge Kan­di­da­tin­nen – aber immer nur dann, wenn rela­tiv klar war, dass sie kei­ne Chan­cen hat­ten. Eine Bun­des­prä­si­den­tin – bzw. zunächst ein­mal eine tat­säch­lich aus­sichts­rei­che Kan­di­da­tin – erscheint mir jetzt über­fäl­lig. Ein ent­spre­chen­der Tweet lös­te auf Face­book eine grö­ße­re Debat­te dar­über aus, ob den Geschlecht ein Kri­te­ri­um sein könn­te. Dort, aber auch auf Twit­ter, wur­de die Befürch­tung geäu­ßert, dass dann „irgend­ei­ne“ Frau genom­men wer­den wür­de, und damit einer der unzäh­li­gen Män­ner mit For­mat nicht Bun­des­prä­si­dent wer­den wird. Ande­re fan­den es prin­zi­pi­ell falsch, über­haupt über Geschlecht zu reden.

„Plä­doy­er für eine Prä­si­den­tin“ weiterlesen

Kurz: Politische Scheidelinien, 2042

Einer mei­ner SF-Lieb­lings­au­toren, Charles Stross, bloggt ger­ne und aus­führ­lich. Sein neus­ter Blog­bei­trag dient letzt­lich dazu, die Fra­ge zu stel­len, wie sich die poli­ti­schen Gewich­te und Ori­en­tie­run­gen in der nächs­ten Gene­ra­ti­on ver­scho­ben haben wer­den. Was vor hun­dert Jah­ren als rand­stän­di­ge, radi­ka­le Mei­nung galt (z.B. das Frau­en­wahl­recht) ist heu­te Main­stream – und umgekehrt. 

Ich fin­de das durch­aus span­nend, und grei­fe des­we­gen Charles Stross Fra­ge auf: Was wer­den in einer Gene­ra­ti­on, also z.B. im Jahr 2042, die gro­ßen Fra­gen sein, an denen sich die poli­ti­schen Lager schei­den? Das wür­de ich ger­ne mit euch diskutieren.

Um das noch mit ein paar Daten aus­zu­schmü­cken: Ange­la Mer­kel wäre dann 88 Jah­re alt, Josch­ka Fischer 94 und Sig­mar Gabri­el 83. Selbst Cem Özd­emir wäre bereits 77. Die deut­sche Ein­heit ist dann über ein hal­bes Jahr­hun­dert her, der Atom­aus­stieg seit mehr als einer Deka­de Rea­li­tät, und die Ter­ror­an­schlä­ge vom 11. Sep­tem­ber 2011 2001 lie­gen für vie­le der 2042 poli­ti­sche Akti­ven in einer Zeit vor ihrer Geburt. Die Pira­ten­par­tei – wenn es sie dann noch gibt – exis­tiert seit 36 Jahren. 

Wor­an und wor­in also unter­schei­den sich – wenn es die­se Ach­sen 2042 über­haupt noch gibt – dann rechts und links, libe­ral und kon­ser­va­tiv? Wel­che heu­te radi­ka­len Hal­tun­gen (spon­tan fällt mir das Grund­ein­kom­men ein) sind 2042 im Main­stream ange­langt, was von dem, was uns heu­te poli­tisch selbst­ver­ständ­lich erscheint, wird dem „gesun­den Men­schen­ver­stand“ in einer Gene­ra­ti­on ganz komisch erschei­nen? Büh­ne frei!

Die Kinder der digitalen Revolution

Ganz ehr­lich: Ich kann mich nicht mehr dar­an erin­nern, wel­ches die ers­te Demo war, an der ich teil­ge­nom­men habe. Asyl­recht, Golf­krieg, hier in Frei­burg die Pro­tes­te gegen die Abhol­zung des Kon­rad-Gün­ther-Parks oder eine Akti­on zum Cas­tor oder zu Fes­sen­heim – irgend­et­was davon wird es gewe­sen sein, Anfang der 1990er Jah­re. Bei der heu­ti­gen Demo gegen das ACTA-Abkom­men kam ich mir dage­gen rich­tig alt vor. Ganz vie­le Schü­le­rIn­nen, ver­mut­lich war es für einen gro­ßen Teil davon die ers­te Demo. 

Ins­ge­samt, so wür­de ich schät­zen, gut 1000 Men­schen, die in Frei­burg den Minus­gra­den zum Trotz „Stop ACTA“ gebrüllt haben, und diver­sen Red­nern – der jüngs­te davon 14 Jah­re alt – zuge­hört haben. Für uns Grü­ne hat Stadt­rat Timo­thy Simms gere­det, mir hat’s gut gefal­len, was er gesagt hat. 

„Die Kin­der der digi­ta­len Revo­lu­ti­on“ weiterlesen

Mona Lisa überzeichnet

Wenn sie spä­ter danach gefragt wur­de, wie alles ange­fan­gen hat­te, rück­te Rita Klein erst zu fort­ge­schrit­te­ner Stun­de damit her­aus, wenn über­haupt. Es war der Kunst­his­to­ri­ke­rin zuge­ge­be­ner­ma­ßen pein­lich, dass sie damals, zu Anfang des Jah­res 2012, den Beginn der Epi­de­mie fast ver­passt hat­te. Wer sie nach dem drit­ten oder vier­ten Glas Rot­wein danach fragt, konn­te dage­gen erfah­ren, dass es einer der hip­pen jun­gen Insti­tuts­as­sis­ten­ten gewe­sen war, mit stan­des­ge­mä­ßer schwar­zer Horn­bril­le, der ihr den Aus­druck einer Inter­net­sei­te in die Hand gedrückt hatte. 

„Mona Lisa über­zeich­net“ weiterlesen