Um vom am Rand der Merchant City in Glasgow gelegenen Hotel zum Scottish Event Campus zu kommen, auf dem die Worldcon stattfand, gab es zwei Möglichkeiten: zu Fuß, so 30 bis 40 Minuten, entlang der Clyde, oder – zumindest zu den abends dann nicht mehr gegebenen Betriebszeiten – mit der S‑Bahn. Hier bin ich zu Fuß zurückgelaufen, und – wie auf späteren Fotos vom selben Abend zu sehen ist – gerade noch rechtzeitig angekommen, bevor der große Regen losging. Zu diesem Zeitpunkt war aber allenfalls ein Nieseln in der Luft zu spüren, der Abend färbte die regungslose Clyde schwarz, und vom gegenüberliegenden Ufer schienen bunte Lichter.
Hoffnung am Ende der Welt
Die Welt draußen ist mal wieder ziemlich am Ende. Zeitgenössische Science Fiction reagiert darauf auf drei Arten: sie setzt sich erstens direkt damit auseinander – da sind wir dann bei „CliFi“, Climate Fiction und Verwandtem, sei es Kim Stanley Robinson, sei es T.C. Boyle, sei es mit anderer Perspektive Neal Stephenson. Oder bei Werken, die andere Probleme, die wir gerade haben, direkt literarisch verarbeiten. Ausgrenzung und Inklusion beispielsweise.
Die zweite Reaktion ist Eskapismus. Das muss nichts schlechtes sein. Science Fiction landet dann beispielweise bei der neusten Form der Space Opera. Einen sehr guten Überblick darüber, was da alles drunter passt, gibt Jonathan Strahan in seiner gerade erschienenen Anthologie New Adventures in Space Opera. Mit Norman Spinrad spricht er davon, dass es sich bei Space Opera nach wie vor um „straight fantasy in science fiction drag“ handelt. Das gilt auch für das, was in den 2020er Jahren passiert, nach dem Höhepunkt der „new space opera“. Nur dass diese Texte diverser und multiperspektivischer sind, und sich kritischer mit den Politiken und Machtverhältnissen in den jeweils imaginierten Welten auseinandersetzen, als dies davor der Fall war.
Drittens, und damit sind wir beim Thema dieses Textes, erscheinen eine Vielzahl von Geschichten und Büchern, die irgendwo zwischen „cozy“, Hopepunk und Solarpunk einsortiert werden können. Obwohl es Überschneidungen gibt, ist Solarpunk doch noch einmal etwas anderes als Climate Fiction, und ist „cozy“ SF&F nicht identisch mit der 2020er-Fassung von Space Opera. Wir kommen gleich zu Definitionen – hier sei allerdings schon einmal gesagt, dass diese Grenzziehungen weniger hart sind, als sie manchmal erscheinen, und teilweise noch im Entstehen befindlich sind. Mir geht es vor allem darum, einen Blick auf etwas zu werfen, was ich als aktuellen Trend in Science Fiction (und eingeschränkt: Fantasy) wahrnehme.
Photo of the week: Balloch / Whinny Hill Wood – XXII
Ein zweites Foto von meiner Glasgow-London-Straßburg-Reise. Leider hatten wir nur einen Tag, um einen Blick auf Loch Lomond zu werfen. Dazu sind wir mit dem Zug von Glasgow nach Balloch gefahren (etwa eine Stunde, gut angebunden) und waren dann bei Balloch Castle – das derzeit wegen Renovierung geschlossen ist – am Ufer des Lochs und sind durch den sehr schönen Whinny Hill Wood spaziert, um in der Mitte des Rundgangs von oben einen Blick auf Loch Lomond und die Highlands werfen zu können. Trotz Nieselregens sehr schön.
Entfernte Verwandte im Stadtbild
Unlängst war ich in Leutkirch, der Heimatstadt meines Vaters. Beim Gang durch die Stadt sind mir einige Namen aufgefallen – die (leider leerstehende) Konditorei Albrecht, Stör und Wagenseil, das prominent in der Marktstraße stehende Spielwarengeschäft Zorn. Bekannt kamen mir diese Namen vor, weil sie auch immer wieder auf der Allgäuer Seite meines eigenen Stammbaums vorkommen. Das hat mich neugierig gemacht, ob denn da eine Verwandtschaftsbeziehung besteht.
Konkret habe ich dazu geguckt, wie es mit Spielwaren Zorn ausschaut. Um die Spannung rauszunehmen: ja, es gibt eine Beziehung, aber um einen gemeinsamen Vorfahren zu finden, muss man bis ins 17. Jahrhundert zurück gehen.
Dass es überhaupt möglich ist, diese Verbindung zu finden, hat vor allem etwas damit zu tun, dass der Stammbaum der Familie Zorn bis Mitte des 20. Jahrhundert akribisch dokumentiert ist. Auf der Website der Familie Leiprecht finden sich die Bücher zur Familiengeschichte der Familie Zorn aus Kempten, die Rudolf Schonger zusammengestellt hat. Auf rund 1500 als JPEG eingescannten Schreibmaschinenseiten werden hier mit vielen Quellenabschrieben und Nachweisen die (männlichen) Äste der Familie Zorn seit dem 13. Jahrhundert ausgebreitet. Auf S. 724 finden wir dann den 1929 geborenen Paul Zorn, bei dessen Tanten Käthe und Elise jeweils der Hinweis „Korb- und Spielwarengeschäft Leutkirch“ eingetragen ist. Auch in der Zorn-Chronik (S. 725) steht ein bisschen mehr zu diesem Geschäft und dem Haus in der Marktstraße.
Gleichzeitig gibt es in der Schwäbischen Zeitung anlässlich des 175-jährigen Bestehen des Spielwarengeschäfts einen recht ausführliche Artikel, in dem er heutige Inhaber von „Spielwaren Paul Zorn“, Burkhard Zorn, zu Wort kommt, und in dem auch die Anzeige eines Jakob Zorn, Drechslermeister, aus dem Jahr 1847 dokumentiert ist, in dem dieser dafür wirbt, Pfeifenköpfe, Kinderspielwaren u.ä. herzustellen. In der Zorn-Chronik dürfte dies Jacob Christoph Zorn (geb. 1816) sein (ebenfalls auf S. 724 zu finden), also der Ur-Ur-Großvater des heutigen Inhabers des Spielwarengeschäfts.
Um eine gemeinsame Verbindung zu finden, müssen wir allerdings noch fünf weitere Generationen zurückgehen. Dann landen wir bei Balthasar Zorn (1666–1714). Näheres zu ihm finden wir ab S. 700 der Zorn-Chronik. Dieser Balthasar Zorn war Bierbrauer und „Sackpfeiffer“-Wirt in Kempten; seine Gerichtsakten füllen einige Seiten der Chronik. Sein Sohn Johann Zorn (1691–1739) war zwischenzeitlich Wirt in Leutkirch, ging aber später wieder – als Wirt – nach Kempten zurück. Balthasar Zorns Enkel Abraham Zorn (geb. 1730) blieb schließlich als Wirt des „Weißen Ochsen“ in Leutkirch, sein Sohn, Balthasar Zorns Ur-Enkel Christoph Zorn (geb. 1762) wird als Drechsler in Leutkirch benannt. Auch dessen Sohn Abraham Zorn (geb. 1786) führt dieses Handwerk fort – und gibt es an seinen Sohn, den bereits genannten Jacob Christoph Zorn weiter.
Bei Balthasars Eltern, dem Kemptener Metzger Hans Zorn (1625–1670) und seiner Frau Euphrosine, geb. Bockh (1629–1691) kommen nun die beiden Linien zusammen. Balthasar hat einen Bruder, den Jacob Zorn (1651–1724, Kempten). Auch dessen Kinder gehen nach Leutkirch (vgl. Zorn-Chronik, S. 448 ff.). Das war damals allerdings gar nicht so einfach – sein Sohn Johannes Zorn (1679–1744) erhält die Bürgerrechte von Leutkirch erst, nachdem er (im Jahr 1700) zusagt, die Leutkircherin Rosina Mendler zu heiraten. Er wird später zum Mitglied des Gerichts und des Rates und zum Zunftmeister der Cramerzunft. Johannes Zorns Enkel heißt wiederum Johannes Zorn (1731–1815), ist Nadler und wird zum Stadtammann Leutkirchs; dessen Sohn, Paul Zorn (1766–1839) wird Wirt des „Rößle“ in Leutkirch. Die Urenkelin von diesem Paul Zorn wiederum ist Euphrosine (1852–1938), die den „Rad“-Wirt Gottlieb Friedrich Weixler heiratet (meine Ur-Ur-Großeltern).
Da die Leutkircher Handwerkerfamilien bis ins 19. Jahrhundert hinein immer wieder untereinander geheiratet haben, kann es sein, dass es auch noch jüngere Verbindungen gibt.
Photo of the week: London Euston – III
Wie bei jeder Reise: gar nicht so einfach, zu entscheiden, welche wenige Fotos ich jetzt hier und nächste (und vielleicht auch noch übernächste) Woche präsentiere. Die gesamte Auswahl gibt es wie immer auf Flickr, bzw. bisher etwa die Hälfte der Fotos, die ich auf der Reise nach Glasgow zur Worldcon gemacht habe (Route: Freiburg – Paris – London – Glasgow – London (mit ein paar Stunden Aufenthalt) – Paris – Straßburg (ungewollterweise) – Freiburg).
Hier ist ein ortstypisch verregneter Blick auf die Baustelle hinter dem Bahnhof London Euston zu sehen – einer der drei Londoner Bahnhöfe, die in Laufweite zu einander liegen. Der Eurostar aus Paris kommt in St. Pancras an, direkt daneben befindet sich King’s Cross samt dem aus Harry Potter bekannten und inzwischen in eine Touristenfalle verwandelten Gleis 9 3/4, und rund zehn Minuten davon entfernt findet sich Euston – hier fahren u.a. die Avanti-Westcoast-Züge in den Norden Englands und nach Schottland ab. Interessant, wie unterschiedliche Informationssysteme auf Bahnhöfen gestaltet sein können – und auch interessant, wie unterschiedlich Zugfahren gehandhabt wird. Das fängt bei der Ebene der Warnhinweise und Hilfestellungen an (kostenfreie Toiletten, Mobilitätshilfen, … und überall „mind the gap“) und endet nicht bei der Zugangskontrolle – die Fahrkarte, die jede Gesellschaft selbst verkauft, wird vor Eintritt ans Gleis kontrolliert, erst danach wird man überhaupt zum Zug gelassen, in diesem Fall ein Pendolino, der von einer Tochter der italienischen Staatsbahn, Trenitalia betrieben wird. In englischer Aussprache wird aus Avanti-Westcoast dann „no fancy west coast“ – warum auch immer. Der Zug fährt in London los, fährt auf der West Coast Main Line, die in der Tat extrem intensiv befahren wird – zumindest auf den ersten paar hundert Kilometern fahren nahezu ständig andere Züge auf Nachbargleisen zu sehen – und hält dann erst im Nordwesten auf der Höhe von Manchester das erste Mal.