Science Fiction im Oktober und November 2025

The Barbican, London - V

Es wird Zeit, etwas zu den in den letz­ten Wochen kon­su­mier­ten SF- und Fan­ta­sy-Medi­en zu schrei­ben, bevor alles zu einem Brei verschwimmt …

Nach­dem ich mit den ers­ten Fol­gen der zwei­ten Wed­nes­day-Staf­fel (Net­flix) nicht so ganz zufrie­den war – und die Dia­lo­ge nach wie vor stel­len­wei­se arg kunst­ge­drech­selt fin­de -, muss ich doch sagen, dass es sich gelohnt hat, dran­zu­blei­ben: gelun­ge­ne Plot­twists, sich ent­wi­ckeln­de Figu­ren, die Dyna­mik zwi­schen Wed­nes­day, Enid und Agnes – und glaub­wür­di­ge Bezü­ge zum Addams-Kanon. So, und wo bleibt Staf­fel 3?

Das mit dem har­ten Cliff­han­ger am Ende hat auch Silo (Apple TV) hin­ge­kriegt. Wenn man über die eine oder ande­re Unglaub­wür­dig­keit (Kaf­fee!) hin­weg­sieht, fin­de ich das Set­ting – 10.000 Men­schen in einem aut­ar­ken unter­ir­di­schen Bun­ker, 150 Jah­re in der Zukunft, mit Stra­ti­fi­zie­rung, Macht­dy­na­mi­ken und engi­nee­red Tabus – nach wie vor sehr brauch­bar als Hin­ter­grund, vor dem eigent­lich alle nur das Bes­te wol­len und damit gran­di­os schei­tern. In der 2. Staf­fel erfah­ren wir, dass Silo 18 nur eines von 51 ist – und sehen durch Jules Nichols Augen im schein­bar ver­las­se­nen Nach­bar­si­lo den post­re­vo­lu­tio­nä­ren Zusam­men­bruch. Auch hier bin ich gespannt auf die 3. Staf­fel, bin mir aber nicht sicher, ob die – in den letz­ten paar Minu­ten ange­deu­te­te Ori­gin-Sto­ry, Washing­ton D.C. – wirk­lich das ist, was ich sehen möchte.

Zur Unter­hal­tung zwi­schen­durch ist die ani­mier­te Serie Haun­ted Hotel (Net­flix) ganz nett.

Last but not least habe ich begon­nen, Luci­fer (Net­flix) anzu­schau­en. Die Serie ist ja schon ein paar Jah­re alt, aber wei­ter bin­ge-wür­dig. Ich weiß, dass Chris­ti­ne Nöst­lin­gers Der lie­be Herr Teu­fel nicht die Roman­vor­la­ge ist, trotz­dem fiel mir die­ses Jugend­buch unwei­ger­lich ein: der gefal­le­ne Engel Luci­fer nimmt eine Aus­zeit auf der Erde, und braucht sei­ne Zeit, um mit all den selt­sa­men mensch­li­chen Bräu­chen klar­zu­kom­men. Dar­aus ent­wi­ckelt sich dann Ver­ständ­nis und, tja, Men­schen­freund­lich­keit. Im Film: Luci­fer als Nacht­club­be­trei­ber, der mit der Poli­zis­tin Chloe und unter Zur­hil­fe­nah­me eso­te­ri­scher (und ero­ti­scher) Fähig­kei­ten Kri­mi­nal­fäl­le in LA löst. Dabei ver­schweigt er kei­nes­wegs, dass er der Teu­fel ist – nur hören will‘s nie­mand. Sehr amüsant.

Gele­sen habe ich auch was. Zum Bei­spiel A Phi­lo­so­phy of Thie­ves über eine Fami­lie, die in einem post­apo­ka­lyp­ti­schen New Washing­ton der Die­bes­kunst nach­geht. In der Enkla­ve der Rei­chen und Mäch­ti­gen sor­gen trick­rei­che Klau­vor­füh­run­gen für den rich­ti­gen Ner­ven­kit­zel bei ansons­ten drö­gen Par­tys. Doch wer sonst im Dau­er­stau der Out­skirts lebt, für den ist die Ver­lo­ckung groß, mehr als nur die ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Dieb­stäh­le zu bege­hen … Das Buch von Fran Wil­de (2025) ist unter­halt­sam, hin­ter der Ober­flä­che lau­ern ein paar tie­fer­ge­hen­de Fra­gen, erst recht, als klar wird, dass die Haupt­per­son mehr mit den Rei­chen, die sie bestiehlt, ver­bin­det, als sie es war haben möch­te. Ein biss­chen irri­tiert hat mich dage­gen die Bio­tech­no­lo­gie die­ser Zukunft; nicht per se, das wirk­te schon plau­si­bel, aber einen Plot­punkt an mys­te­riö­ser, lebens­kraft­ent­zie­hen­der DNA-Fern­wir­kung auf­zu­hän­gen, war dann doch Zuviel des Guten. 

Eine ganz ande­re Bio­tech-Zukunft zeich­net Zoë Beck in Para­di­se City (2020). Das groß­flä­chig erwei­ter­te Frank­furt am Main ist die Haupt­stadt eines durch­tech­ni­sier­ten deut­schen Über­wa­chungs­staa­tes. Algo­rith­men emp­feh­len auf­grund von Gesund­heits­da­ten, was zu tun ist. Alles smooth, soweit, High­tech­zü­ge, E‑Bikes zum Aus­lei­hen, nie­mand muss hun­gern. Aber was pas­siert mit denen, die nicht ins Gesund­heits­re­gime pas­sen? Lii­na recher­chiert in der Mega­ci­ty und im hes­si­schen Hin­ter­land, in der bran­den­bur­gi­schen Wild­nis und im über­flu­te­ten Ros­tock – und kommt einem düs­te­ren Geheim­nis auf die Spur, in das auch ihre Schul­freun­din – inzwi­schen Gesund­heits­mi­nis­te­rin – ver­wi­ckelt ist. 

Auch in B.L. Blan­chards The Mother (2023) hat Frank­furt einen Auf­tritt, hier als Frank­furt Free City in einem heu­ti­gen Hei­li­gen Römi­schen Reich (HRE). Der Roman wird als Nach­fol­ge­band zu The Peace­kee­per ver­mark­tet, hat damit aber nur das World­buil­ding gemein­sam. In einer Alter­na­tiv­ge­schich­te zu unse­rer Gegen­wart fand der bri­ti­sche Kolo­nia­lis­mus nicht statt. In der Neu­en Welt führt das zu einem dich­ten Netz an First-Nati­on-Staa­ten; in Euro­pa sind das bis Rom rei­chen­de HRE und Frank­reich die gro­ßen Mäch­te. Eng­land ist dage­gen als eine Art Kari­ka­tur einer Golf­mon­ar­chie gezeich­net, nur: ver­armt und iso­liert, unter dich­tem Koh­le­staub und seit Jahr­hun­der­ten in einem Krieg mit Frank­reich. In die­sem Eng­land sind Frau­en nur als Müt­ter männ­li­cher Erben etwas wert, und ansons­ten eng kon­trol­liert, so dür­fen sie bei­spiels­wei­se nur mit Erlaub­nis von Vater oder Ehe­mann ein Mobil­te­le­fon nut­zen. Marie, die Haupt­per­son, wur­de an einen Duke ver­hei­ra­tet – und fin­giert einen Sturz von den Klip­pen, um dem fürst­li­chen Gefäng­nis zu ent­kom­men. Ihr Weg führt in die Fami­li­en­ge­schich­te und über Lon­don auf den Kon­ti­nent, nach Brug­ge, in die Flücht­lings­quar­tie­re von Frank­furt und Stras­bourg. Kann sie dem lan­gen Arm der Mon­ar­chie ent­kom­men? – Nach dem ers­ten Schock dar­über, dass das Set­ting in der Alten Welt eben ein ganz ande­res ist, als The Peace­kee­per erwar­ten ließ, eine packen­de Geschich­te, die im Spie­gel des Was-wäre-wenn auch eini­ges über heu­te zu sagen hat.

Ohne das vor­her geplant zu haben, war Mother die zwei­te Alter­na­tiv­ge­schich­te, die ich in den letz­ten Wochen gele­sen habe. Die ande­re heißt Pagans, geschrie­ben von James Ali­s­ta­ir Hen­ry und ist 2025 erschie­nen. In die­sem 21. Jahr­hun­dert ist das Chris­ten­tum eine klei­ne, unbe­deu­ten­de Sek­te geblie­ben. Die Zen­tren der Welt lie­gen in Asi­en und Afri­ka. Groß­bri­tan­ni­en, wie wir es ken­nen, exis­tiert nicht. Statt­des­sen gibt es eine nor­di­sche schot­ti­sche Repu­blik, angel­säch­si­sche König­rei­che, unter einem Hoch­kö­nig ver­eint, und kel­ti­sche Ureinwohner*innen in wali­si­schen Reser­va­ten. Dazu Mobil­te­le­fo­ne, Droh­nen, ein mul­ti­kul­tu­rel­les Lon­don, das genau­so ger­ne von afri­ka­ni­schen Tourist*innen besucht wird wie die wil­den Wäl­der und Hügel. In die­sem Set­ting ver­sucht ein unglei­ches Paar einen Kri­mi­nal­fall zu lösen: die aus der angel­säch­si­schen Eli­te stam­men­de Aedith, die schräg dafür ange­schaut wird, dass sie so etwas bana­lem wie Lohn­ar­beit bei der Poli­zei nach­geht, und der ihr zuge­teil­te Inspektor(-Schamane) Dru­stan aus dem kel­ti­schen Wes­ten – denn es geht dar­um, einen Mord an einem Kel­ten auf­zu­klä­ren. Frei­heits­be­we­gun­gen, All­tags­ras­sis­mus, Mode­trends, eine pik­ti­sche Hacke­rin und Ver­schwö­run­gen, die bis zum Königs­hof rei­chen run­den den Roman ab. Hat mir gut gefal­len, hät­te jetzt ger­ne wei­te­re Roma­ne in die­sem Setting.

Von John Scal­zi habe ich The Shat­te­ring Peace (2025) gele­sen, gut gemach­te Space Ope­ra in sei­nem Old-Man‘s‑War-Universum. Beson­ders in Erin­ne­rung geblie­ben sind mir schrä­ge Ali­ens, eine unwahr­schein­li­che Hel­din und die mul­ti­ver­sa­len Geo­po­li­ti­ken zwi­schen der Con­cla­ve der Ali­ens, der iso­lier­ten Erde und der Colo­ni­al Uni­on der einst­mals von der Erde kolo­nia­li­sier­ten Planeten. 

Zuletzt ein Buch, das ich als intro­ver­tiert bezeich­nen wür­de (und bei dem ich gar nicht so sicher bin, ob eine Ein­ord­nung ins Gen­re eigent­lich stimmt) – Char­lie Jane Anders Les­sons in Magic and Dis­as­ter (2025). Eigent­lich ist das Buch vor allem eine sehr genaue Beob­ach­tung fami­liä­rer – hier: quee­rer – Dyna­mi­ken, eine Mutter-(trans) Toch­ter-Geschich­te, in der es auch um sozia­le Bewe­gun­gen und den rech­ten Back­lash geht, um die Innen­sicht des aka­de­mi­schen Betriebs und um das Trau­ma, das ein Krebs­tod bei den Ange­hö­ri­gen aus­lö­sen kann, die sich Vor­wür­fe machen, sich nicht früh genug geküm­mert zu haben. Eine zwei­te Ebe­ne des Buchs ist das aka­de­mi­sche Inter­es­se der Hel­din: die eng­li­sche Novel­le des 18. Jahr­hun­derts, bei der zwi­schen den Zei­len – in Novel­le und bege­lei­ten­dem Brief­wech­sel – gele­sen sicht­bar wird, was damals nicht offen gesagt wer­den konn­te. Im Nach­wort geht Anders dar­auf ein, wel­che Zita­te und Autor*innen erfun­den sind und wel­che nicht; auch das: durch­aus lehr­reich. Soweit rea­lis­ti­sche Lite­ra­tur at its best – wäre da nicht die drit­te Ebe­ne, ein Hauch von Magie, eine zar­te Form der Hexe­rei an limi­na­len Orten. 

Lesarten von Science Fiction: Die dunkle Seite der Macht

Vor­be­mer­kung: ich habe die­sen Text größ­ten­teils bereits im April geschrie­ben – inzwi­schen hat sich das Ver­hält­nis zwi­schen Musk und Trump deut­lich ver­än­dert. Die Aus­sa­gen unten schei­nen mir aber wei­ter­hin Gül­tig­keit zu behalten …

Wie poli­tisch sind Sci­ence Fic­tion und Fan­ta­sy? Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­ler haben die­se Fra­ge ganz unter­schied­lich beant­wor­tet. Es gibt Wer­ke, die mit einer poli­ti­schen Agen­da geschrie­ben wur­den. Manch­mal ist das sehr sicht­bar, etwa wenn Dys­to­pien als War­nung geschrie­ben wer­den (Mar­gret Atwoods Handmaid’s Tale, um ein sehr aktu­el­les Bei­spiel zu nen­nen). Oder wenn Uto­pien zei­gen, dass es auch anders gehen kann – eini­ge der Roma­ne von Ursu­la K. Le Guin oder Kim Stan­ley Robin­son etwa; wer möch­te kann hier auch Star Trek ein­rei­hen.1 Dane­ben gibt es Autorin­nen und Autoren, die eine poli­ti­sche Agen­da haben, die aber weni­ger klar zu benen­nen ist – ein huma­nis­ti­scher Grund­ton bei John Scal­zi, eine liber­tä­re Fär­bung bei Robert Hein­lein, kon­ser­va­ti­ve Ein­spreng­sel bei Isaac Asi­mov. Und schließ­lich gibt es Wer­ke, die eigent­lich Mani­fes­te sind – Atlas Shrug­ged von Ayn Rand auf der rech­ten Sei­te, das eine oder ande­re Solar­punk-Buch und vie­le der Wer­ke von Cory Doc­to­row im pro­gres­si­ve­ren Spek­trum fal­len mir hier ein.

Wechselwirkungen zwischen Science Fiction und Gesellschaft

Hin­ter die­ser Fra­ge steckt die Idee, dass es eine Wech­sel­wir­kung zwi­schen SF und unse­rer Gesell­schaft gibt. Dass die Aus­ein­an­der­set­zun­gen und gro­ßen Fra­gen des jewei­li­gen Zeit­geists sich in SF- (und Fantasy-)Werken wie­der­fin­den, ver­wun­dert nicht. Stär­ker als ande­ren Gen­res ist Sci­ence Fic­tion mit der Erwar­tung ver­bun­den, dass umge­kehrt auch das Gen­re Ein­fluss auf die Gesell­schaft nimmt.2

Am offen­sicht­lichs­ten ist das beim Blick auf Tech­no­lo­gien. Arthur C. Clar­ke hat den Satel­li­ten erfun­den, Wil­liam Gib­son den Cyber­space, und John Brun­ner Inter­net­vi­ren – so jeden­falls die popu­lä­re Sicht der Din­ge. Und natür­lich lesen Inge­nieu­rin­nen und Inge­nieu­re Sci­ence Fic­tion und las­sen sich davon beein­flus­sen. Im Detail ist es etwas kom­pli­zier­ter. Dass es hier eine Wech­sel­wir­kung gibt, erscheint jedoch min­des­tens plau­si­bel.3

Wie sieht es nun mit poli­ti­schen Ideen aus? Nimmt Sci­ence Fic­tion einen Ein­fluss auf die Poli­tik, auf das gesell­schaft­li­che Zusammenleben?

Stär­ker noch als beim Blick auf Tech­no­lo­gien rückt nun der Leser oder die Lese­rin ins Blick­feld. Denn wie ein Werk gele­sen wird, was wahr­ge­nom­men und was gefil­tert wird – das hat nicht nur mit der Inten­ti­on des Autors oder der Autorin zu tun, son­dern eben auch damit, wer es aus was für einer Vor­prä­gung her­aus wie liest.

So dürf­te der baye­ri­sche Minis­ter­prä­si­dent Mar­kus Söder der bekann­tes­te Star-Trek-Fan in der deut­schen Poli­tik sein. Sieht er Star Trek als Uto­pie einer post­ka­pi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft, oder sind es eher die Aben­teu­er im Welt­raum, tak­ti­sche Über­le­gun­gen und Pha­ser-Hand­ge­men­ge, die ihn begeis­tern? Auch wenn er sich mei­nes Wis­sen nicht dazu geäu­ßert hat, scheint er eher Cap­tain Kirk als Cap­tain Picard zum Vor­bild zu haben.4 Gleich­zei­tig lässt sich Söders Poli­tik eine gewis­se Tech­nik­be­geis­te­rung nicht abspre­chen – von der baye­ri­schen Raum­fahrt-Initia­ti­ve „Bava­ria One“ bis zur etwas groß­spu­ri­gen For­de­rung, der ers­te Fusi­ons­re­ak­tor welt­weit müs­se in Deutsch­land – lies: in Bay­ern – ent­ste­hen, fin­det sich da eini­ges. Viel­leicht ist das Star Trek zu verdanken.

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Lesetagebuch – Science Fiction und Fantasy im Dezember 2023

Sky on fire, Gundelfingen

Der aktu­el­le Dis­ney-Weih­nachts­film Wish fällt sicher­lich in die Kate­go­rie Fan­ta­sy. Die Sto­ry ist aller­dings trotz inter­es­san­ter Cha­rak­te­re weni­ger beein­dru­ckend, und die Anspie­lun­gen auf „100 Jah­re Dis­ney“ waren an der einen oder ande­ren Stel­le (Peter Pan!) eher ner­vig. Im Kino trotz­dem ein­drucks­voll. Bemer­kens­wer­ter als den Inhalt fand ich den Stil - ver­mut­lich zum größ­ten Teil ger­en­dert, aber in der Dar­stel­lung eher an klas­si­sche Kin­der­buch­il­lus­tra­tio­nen („water­co­lor“) erin­nernd. Trotz­dem ins­ge­samt nichts, was in Erin­ne­rung bleibt. 

Ansons­ten habe ich eini­ge Seri­en begonnen/weitergeschaut – die ers­ten bei­den neu­en Doc­tor-Who-Epi­so­den waren, wie ich beim gemein­sa­men Gucken mit mei­nen Kin­dern gemerkt habe, ohne Kennt­nis der Hin­ter­grund­ge­schich­te eher selt­sam und unver­ständ­lich. Die zwei­te Staf­fel von The Wheel of Time ist gut pro­du­zier­te Fan­ta­sy – aus­nahms­wei­se etwas, wo ich die Buch­vor­la­ge nicht gele­sen habe, zur Genau­ig­keit der Über­tra­gung kann ich also nichts sagen. 

Was sich gut zum gemein­sa­men Schau­en mit Teen­agern eig­ne­te, war dann Net­flix One Pie­ce (na gut, auch da ken­ne ich das zugrun­de­lie­gen­de Ani­me nicht): Eine völ­li­ge über­dreh­te Pira­ten­ge­schich­te mit einer inter­es­sant ana­chro­nis­ti­schen Welt im Hin­ter­grund. Und wie schon bei Cow­boy Bebop ist das zwar Real­ver­fil­mung, der Comic- bzw. hier Ani­me-Hin­ter­grund färbt aber deut­lich durch und sorgt dafür, dass alles bun­ter, lau­ter, knal­li­ger ist. Nicht unbe­dingt logisch, aber unterhaltsam.

Auch krank­heits­be­dingt gehör­ten neben Roma­nen im Dezem­ber auch zwei Comics zu mei­nem Lese­buf­fet. Das eine war Soon (2020) von Ben­ja­min Adam und Cadè­ne Tho­mas. Das ist eine Coming-of-Age-Geschich­te, in der zugleich der Hin­ter­grund einer post­apo­ka­lyp­ti­schen Zukunft erläu­tert wird. Was hat eine Welt­raum­mis­si­on mit einer Welt zu tun, die sich nach Kata­stro­phen und Seu­chen in sie­ben sehr unter­schied­li­che urba­ne Zonen zurück­ge­zo­gen hat? Das gan­ze gra­fisch span­nend umge­setzt und inso­fern durch­aus eine Empfehlung.

Eben­falls angeschaut/gelesen habe ich end­lich mal die ers­ten neun (bzw. beim Blick in die Wiki­pe­dia: eigent­lich die ers­ten 54) Bän­de von Saga (seit 2012). Die­ser inzwi­schen schon klas­si­sche Comic von Bri­an K. Vaug­han und Fio­na Stap­les mischt eine Romeo-und-Julia-Geschich­te (ein Lie­bes­paar aus zwei seit ewi­gen Zei­ten im Krieg lie­gen­de Spe­zi­es – die einen mit Flü­geln und an Tech­nik inter­es­siert, die ande­ren mit Hör­nern und zau­ber­kräf­tig) mit star-wars-arti­gem World­buil­ding. Wir fol­gen Ala­na, Mar­ko und deren hybri­der Toch­ter Hazel durch Flucht, poli­ti­sche Intri­gen bei­der Sei­ten genau­so wie dem Klein-Klein des Auf­wach­sens und der kom­pli­zier­ten Dyna­mik die­ser Fami­lie. Mir an der einen oder ande­ren Stel­le fast ein biss­chen zu blu­tig, ins­ge­samt aber gut gemacht. Und die nächs­ten 54 Kapi­tel sol­len schon in der Ent­ste­hung sein.

Ganz ohne Bil­der kommt dage­gen der SF-Roman Neon­grau (2022) von Aiki Mira aus, ist aber trotz­dem bild­ge­wal­tig. Ich lese ja sel­ten deutsch­spra­chi­ge SF. Die­ser Roman zeigt, dass ich damit auch das eine oder ande­re ver­pas­se. Aiki Mira zeich­net hier ein cyber­pun­ki­ges Bild eines etwa 100 Jah­re in der Zukunft lie­gen­den Ham­burgs, mit allem, was dazu­ge­hört: die all­ge­gen­wär­ti­ge Flut­ge­fahr und der nach dem Kampf um den Kli­ma­wan­del ver­düs­ter­te Him­mel; neue Dro­gen und neu­ro­na­le Implan­ta­te; einen White-Trash-Unter­grund in den Con­tai­ner­sied­lun­gen von „Blank“ jen­seits der Als­ter; gro­ße Kon­zer­ne, die alles bestim­men; eine Gamer-Sze­ne mit eige­nem Slang – und nicht zuletzt inter­es­san­te Figu­ren wie ELLL und die geschlech­te­flui­de Haupt­per­son Go [Stunt­boi] Kazu­mi. Gut gemacht, und neben dem einen oder ande­ren Echo aus Rich­tung der 1980er-Cyber­punk-Lite­ra­tur lässt sich Neon­grau auch als Gegen­warts­kom­men­tar lesen. 

Nicht so rich­tig warm gewor­den bin ich mit Nophex Gloss (2020) von Essa Han­sen, und habe die Fol­ge­bän­de erst­mal bei Sei­te gelegt. Auch hier „Coming of Age“, aber tech­no­lo­gisch super-beschleu­nigt. Der jun­ge Cai­den ent­kommt der Skla­ve­rei (und erfährt dabei erst, unter wel­chen Umstän­den er bis­her exis­tiert hat), tritt eine wil­de Rei­se durch das instru­men­tell gezähm­te Mul­ti­ver­sum – beschrie­ben als eine Art rie­si­ge Sei­fen­bla­sen – an, trifft auf eine Fire­fly-arti­ge Crew bunt gemisch­ter Exis­ten­zen, ver­irrt sich in außer­ir­di­schen Mega­struk­tu­ren und muss am Schluss gegen eine geheim­nis­vol­le Herr­sche­rin (samt deren tele­pa­ti­scher Fähig­kei­ten) kämp­fen. Und natür­lich lernt er dabei eini­ges über sich selbst, dar­über, dass sei­ne Som­mer­spros­sen auf ein ris­kan­tes Gen­ex­pe­ri­ment hin­deu­ten usw. Das titel­ge­ben­de Nophex Gloss ist das Mate­ri­al, das alles antreibt, und das aus Quan­ten­kris­tal­len gewon­nen wird, die im Kopf von ein biss­chen ver­klei­de­ten Tyran­no­sau­rus Rex gefun­den wer­den, sobald die­se alt genug sind. Alles sehr wild, und durch­aus span­nend. Aber über­zeugt hat es mich nicht – viel­leicht liegt’s auch dar­an, dass die beson­de­re Fähig­keit der ande­ren geheim­nis­vol­len Herr­sche­rin als „Astro­lo­gie“ bezeich­net wird. 

Gele­sen habe ich auch die von Ama­zon als „The Far Rea­ches“ (2023) gebün­del­ten Geschichten/Novellen („How it unfolds“, James S.A. Corey, „Void“ von Vero­ni­ca Roth, „Fal­ling Bodies“ von Rebec­ca Roan­horse, „The Long Game“ von Ann Leckie, „Just out of Jupiter’s Reach“ von Nne­di Oko­ra­for und „Slow Time Bet­ween the Stars“ von John Scal­zi). Gro­ße Namen also. Die Geschich­ten haben alle das The­ma „Rei­sen über gro­ße kos­mi­sche Ent­fer­nun­gen“ und sind eher Hard-SF. Beson­ders inter­es­sant fand ich „How it unfolds“ über eine kos­mi­sche Mensch­heits­ge­schich­te im Modus der Kopie. Aber auch die ande­ren Geschich­ten spie­len mir inter­es­san­ten Ideen – in „Void“ geht es um Zeit­un­ter­schie­de für die Besat­zung einer zwi­schen der Erde und Pro­xi­ma Cen­tau­ri pen­deln­den Luxus­raum­fäh­re, in „Fal­ling Bodies“ um die ver­lo­re­ne Hei­mat nach einer Adap­ti­on durch eine außer­ir­di­sche Kolo­ni­sa­to­ren-Spe­zi­es, „The Long Game“ ist aus der Per­spek­ti­ve einer von Men­schen ent­deck­ten tin­ten­fisch­ar­ti­gen Zivil­sa­ti­on geschrie­ben, „Just out of Jupiter’s Reach“ bringt leben­de Raum­schif­fe und dar­auf genau ange­pass­te Astronaut*innen aus der Peri­phe­rie als Lang­zeit­mis­si­on ins Spiel, und „Slow Time“ nimmt die Per­spek­ti­ve einer intel­li­gen­ten Raum­son­de ein, die nach und nach ihre eige­ne Mis­si­on findet.

Dann habe ich noch zwei „leich­te­re“ Tri­lo­gien durch­pflügt. Das eine ist die „Edin­burgh Night“-Reihe von T.L. (Ten­dai) Huchu mit The Libra­ry of the Dead (2021), Our Lady of Mys­te­rious Ailm­ents (2022) und The Mys­tery at Dun­ve­gan Cast­le (2023). Ropa lebt mit ihrer Schwes­ter und ihrer Groß­mutter aus Sim­bab­we in einem Trai­ler am Rand eines post­apo­ka­lyp­ti­schen Edin­burghs. Sie hat die Schu­le geschmis­sen, um jetzt als „Ghost­tal­ker“ Bot­schaf­ten zwi­schen den Toten und den Leben­den zu ver­mit­teln, und so zum Lebens­un­ter­halt bei­zu­tra­gen. In den drei Bän­den gerät sie immer tie­fer in die Machen­schaf­ten einer Zau­be­rei-Geheim­ge­sell­schaft. Unter der Ober­flä­che geht es um schot­ti­sche Unab­hän­gig­keit und eng­li­sche Herr­schaft und um Exklu­si­on, Armut und Reich­tum. Das ver­webt Huchu durch­aus ein­drucks­voll zu einem auf den ers­ten Blick schnell les­ba­ren Buch, das sich mög­li­cher­wei­se pri­mär an Jugend­li­che wen­det. Wenn es so etwas wie das Gen­re der Zau­be­rei-Schul-Bücher gibt, dann ist das hier eines mit viel Rea­li­täts­sinn. Ein vier­ter Band ist angekündigt. 

Die zwei­te „leich­te­re“ Tri­lo­gie han­delt von Zoey Ashe – auch sie lebt in einem Trai­ler­park (hier in Colo­ra­do) – und sie erbt das kri­mi­nel­le Impe­ri­um ihres Vaters, den sie vor­her nur zwei­mal gese­hen hat. Zu die­sem gehö­ren grö­ße­re Tei­le der neu errich­te­ten regel­lo­sen Stadt „Tabu­la Ra$a“ in der Wüs­te Utahs, ein hoch­po­ten­zier­tes Las Vegas. In der nahen Zukunft, in der die­se Tri­lo­gie spielt, ist „Blink“ ein all­ge­gen­wär­ti­ges sozia­les Medi­um, es gibt so gut wie kei­ne Pri­vat­sphä­re, und alles, was Auf­merk­sam­keit erweckt, wird von „Blink“ zum Medi­en­er­eig­nis gemacht. Big-Crime-High-Tech-Unter­welt und eine dar­ein gewor­fe­ne Haupt­fi­gur gibt es als Text­sor­te auch immer mal wie­der (sei es Scal­zis Star­ter Vil­lain, sei es der Film Glass Oni­on). Jason Par­gin (teil­wei­se unter dem Pseud­onym David Wong) nimmt die­ses Sze­na­rio in den Zoey-Ashe-Roma­nen, um die Gegen­wart sati­risch aufs Korn zu neh­men. An der einen oder ande­ren Stel­le erin­nert das an Dou­glas Adams, an ande­ren Stel­len ist der Humor eher juve­nil (und sehr male gaze für eine weib­li­che Haupt­fi­gur, ins­be­son­de­re im ers­ten der drei Roma­ne – eini­ge Reviewe­rin­nen spre­chen von einer miso­gy­nem Cha­rak­te­ri­sie­rung). Futu­ristic Vio­lence and Fan­cy Suits (2015), Zoey Pun­ches the Future in the Dick (2020) und Zoey Is Too Drunk for This Dys­to­pia (2023) – ja, der Autor hat eine Vor­lie­be für sehr wort­wört­li­che Roman­ti­tel – bil­den mit den genann­ten Vor­be­hal­ten eine durch­aus unter­halt­sa­me Tri­lo­gie. Kat­zen kom­men auch vor.

Science Fiction und Fantasy im August und September 2023

Book The tough guide to FantasylandDen August habe ich weit­ge­hend damit zuge­bracht, die Temer­ai­re-Serie von Nao­mi Novik wei­ter­zu­le­sen – Band neun bil­det dann auch einen guten Schluss­punkt, bis dahin war’s manch­mal etwas zäh. Trotz­dem: sehr intel­li­gen­te Fan­ta­sy! Wie im Juli mit Blick auf die ers­ten vier Bän­de bereits beschrie­ben, geht es hier um eine im Duk­tus und Set­ting zeit­ge­nös­si­schen Tex­ten nach­emp­fun­de­ne Alter­na­tiv­ge­schich­te der ers­ten Hälf­te des 19. Jahrhunderts. 

Prä­mis­se in Noviks Temer­ai­re ist die Exis­tenz von Dra­chen – abge­se­hen davon ist vie­les erst ein­mal ähn­lich. Napo­le­on erobert nach und nach den Kon­ti­nent, Groß­bri­tan­ni­en ist auf sei­ne Navy und sei­ne Kolo­nien stolz, Chi­na und Japan sind weit­ge­hend abge­schot­tet usw. Im Lauf des Erzäh­lung tau­chen dann aber auch mehr und mehr Unter­schie­de auf. Zuerst nur sol­che, die sich „mili­tär­tech­nisch“ durch Dra­chen als eine Art Pro­to-Luft­waf­fe erklä­ren las­sen – spä­ter zeigt sich nach und nach immer deut­li­cher, dass Dra­chen intel­li­gen­te Lebe­we­sen sind, die kei­nes­wegs nur als Reit­tie­re behan­delt wer­den wol­len. In Chi­na erschei­nen sie als eben­bür­ti­ge Mitbürger*innen, und in Afri­ka und Süd­ame­ri­ka – auch dahin ver­schlägt es unse­re Held*innen – sind es eher die Dra­chen, die sich Men­schen hal­ten und eifer­süch­tig bewa­chen. Ent­spre­chend weicht der Erzähl­ver­lauf mehr und mehr von unse­rer rea­len Geschich­te ab. Am Schluss geht es um die Fra­ge, wer die Dra­chen aller Län­der auf sei­ne Sei­te zie­hen kann – und wie ernst gemeint die Ver­spre­chen von Bür­ger­rech­ten und Frei­heit sind. Defi­ni­tiv ein inter­es­san­tes Gedankenspiel.

Nor­ma­ler­wei­se schrei­be ich eher nichts zu Kurz­ge­schich­ten, wie sie inzwi­schen oft kos­ten­frei im Netz ver­öf­fent­licht wer­den, aber „Bet­ter Living Through Algo­rith­ms“ (Nao­mi Krit­zer, Clar­kes­world 200, May 2023) muss ich dann doch emp­feh­len. Viel ver­ra­ten kann ich aber trotz­dem nicht dazu – es geht um eine App mit Lebens­hil­fe­tipps, die Men­schen glück­lich macht – bis zu einer tat­säch­lich über­ra­schen­den Wendung. 

The Tough Gui­de to Fan­tasy­land von Dia­na Wyn­ne Jones ist alles ande­re als neu, die Aus­ga­be, die ich nach einem Hin­weis im Netz kur­zer­hand anti­qua­risch gekauft habe, ist von 2006, das Buch gab es aber auch zehn Jah­re davor schon. Bei die­sem „Tough Gui­de“ han­delt es sich um ein ziem­lich lus­ti­ges Aus­ein­an­der­neh­men all der Kli­schees und Tro­pes, die in Fan­ta­sy-Roma­nen immer und immer wie­der ver­wen­det wer­den, hier in Form eines alpha­be­tisch sor­tier­ten Rei­se­füh­rers. Neben­wir­kung dürf­te sein, dass einem danach ein Groß­teil der Sword-and-irgend­was-Fan­ta­sy belang­los und for­mel­haft vor­kom­men dürf­te. Hel­den­rei­se, auf­ein­an­der auf­bau­en­de und immer schlim­mer wer­den­de Vor­fäl­le, die bunt­ge­scheck­te Trup­pe rund um die Haupt­per­son, der Boss­kampf am Ende des Buchs, und in Band zwei die Wie­der­ho­lung, bei der es dann dar­um geht, den dunk­len Fürs­ten oder die dunk­le Fürs­tin zu besie­gen – das fin­det sich tat­säch­lich immer noch sehr oft. Inso­fern: mit Vor­sicht zu genießen ;)

Dann habe ich noch drei kürz­lich erschie­ne­ne Bücher gele­sen. Star­ter Vil­lain von John Scal­zi (2023) ist schnell run­ter­ge­le­sen, humor­voll und ok, aber nichts beson­de­res. Leit­mo­tiv ist der fern­seh­be­kann­te Bond-Böse­wicht mit Kat­ze auf dem Arm. Die Haupt­per­son sieht sich nach dem Tod eines ent­frem­de­ten Onkels mir­nichts dir­nichts in die­se Rol­le rein­ver­setzt. Ein Glück, dass unser Held vor­her mal Wirt­schafts­re­por­ter war und Scams erken­nen kann. Intel­li­gen­te Kat­zen und flu­chen­de Del­fi­ne kom­men neben all den Böse­wich­tern auch vor.

Mit Span­nung erwar­tet habe ich Ann Leckies Trans­la­ti­on Sta­te (2023) – und das Buch ent­täuscht nicht. Es ist im sel­ben Uni­ver­sum wie ihre Ancil­la­ry-Jus­ti­ce-Rei­he ange­sie­delt, aber kei­ne direk­te Fort­set­zung. Auch hier gerät die Haupt­per­son unge­wollt und von heu­te auf mor­gen in eine neue Rol­le und wird von der Pfle­ge­rin ihres Haus-Ober­haupts zu einer Detek­tiv im Dienst des diplo­ma­ti­schen Ser­vices. In die­ser Funk­ti­on soll sie den Fall eines vor vie­len Jahr­zehn­ten ver­schwun­de­nen Pres­ger Trans­la­tors – einer spe­zi­ell zur Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Men­schen geschaf­fe­nen Unter­art der sagen­um­wo­be­nen kan­ni­ba­li­schen Pres­ger – fin­den, und stürzt mit­ten hin­ein in Bür­ger­krie­ge und deren Fol­gen, die lang­rei­chen­den poli­ti­schen Über­le­gun­gen der Rad­ch und die gro­ße Fra­ge, was Mensch­sein aus­macht. Gut gemacht und mit Ali­ens (und AIs), die defi­ni­tiv kei­ne Men­schen mit Latex-Mas­ken sind.

Schließ­lich Exa­de­lic von Jon Evans (2023). Mir war da ein biss­chen zu viel rein­ge­stopft – Zeit­rei­sen, Eso­te­rik, Start-ups und welt­be­herr­schen­de Tech-Kon­zer­ne, noch mehr Zeit­rei­sen, sich aus Tech-Kon­zer­nen her­aus ent­wi­ckeln­de Super­in­tel­li­gen­zen, und der gro­ße Fil­ter, der genau das ver­hin­dern möch­te. Block­chains tau­chen auch irgend­wo auf. Und eine ratio­na­lis­ti­sche Erklä­rung für Magie. Es pas­siert viel, das gan­ze Buch ist rasant und span­nend, und die etwas nai­ve Haupt­per­son Adri­an Ross kommt bei allen Zeit­sprün­gen sym­pa­thisch rüber. Dass am Schluss dann aber eine ganz klas­si­sche Lie­bes­ge­schich­te steht, bei aller Beschwö­rung des­sen, dass wir doch so viel wei­ter sind, was Bezie­hun­gen und Sexua­li­tät angeht, passt dann nur so halb dazu. Und über­haupt: die semi­trans­hu­ma­nis­ti­sche Auf­lö­sung im letz­ten Vier­tel des Buchs war auch nicht meins. Inso­fern: nur so eine hal­be Emp­feh­lung, mag ande­ren damit anders ergehen.

Und sonst? Ich habe (in Unkennt­nis des Com­pu­ter­spiels) die ers­te Staf­fel der Halo-Ver­fil­mung (2022) ange­schaut und fand das etwas gewalttätig/blutrünstig, aber ganz gut gemacht. Wenn ich Micro­soft wäre, hät­te ich mei­ne „KI“ aller­dings nicht nach Cort­a­na benannt. 

Die letz­ten Fol­gen der aktu­el­len Staf­fel von Star Trek: Stran­ge New Worlds waren teil­wei­se eben­falls hart, aber gut gemacht. Und Star Trek: Lower Decks ent­deckt die Ernst­haf­tig­keit – was der Serie gut tut.

Mit der zwei­ten Staf­fel von Good Omens konn­te ich mich nach und nach anfreun­den; die ers­ten bei­den Epi­so­den fand ich eher schwie­rig, und an die ers­te Staf­fel kommt die zwei­te nicht heran. 

Nicht anfreun­den konn­te ich mich dage­gen mit Mul­ligan, zu viel Kla­mauk macht das eigent­lich inter­es­san­te Set­ting kaputt. Sehr viel bes­ser gefal­len hat mir die letz­te Staf­fel Disen­chant­ment – mit einem rüh­ren­den und befrie­di­gen­den Schluss, der alle losen Fäden zusammenknotet.

Und auch wenn’s eher 1950er-Jah­re-Kam­mer­schau­spiel als Sci­ence Fic­tion ist – Aste­ro­id City von Wes Ander­son, ange­schaut im Frei­bur­ger Som­mer­nachts­ki­no, blieb zwar rät­sel­haft, hat­te aber doch sei­nen ganz eige­nen Reiz. 

Lesetagebuch Science Fiction und Fantasy – Mai 2023

Clouds, Freiburg-Rieselfeld

Ein schnel­ler Rück­blick auf mei­ne Sci­ence-Fic­tion- und Fan­ta­sy-Lek­tü­re bzw. mei­nen dies­be­züg­li­chen Medi­en­kon­sum im Mai 2023. 

Auf dem Bild­schirm habe ich ein paar Seri­en ange­schaut – die drit­te Staf­fel von Picard (Prime) hat mir weit­ge­hend gut gefal­len, auch die Tat­sa­che, dass es einen umfas­sen­den Hand­lungs­bo­gen und trotz­dem in sich abge­schlos­se­ne Epi­so­den gab. Das eine oder ande­re war aller­dings ein biss­chen viel Fan­ser­vice. Mal schau­en, wie das am Schluss ange­teaser­te Spin-off des Spin-offs rund um Cap­tain Seven of Nine wer­den wird …

Die zwei­te Staf­fel von Car­ni­val Row (Prime) – die Serie spielt in einer zu Beginn der Indus­tria­li­sie­rung ste­hen­den Gesell­schaft, in der Men­schen und Fey zusam­men­le­ben – war bild­ge­wal­tig, mit der einer guten Mischung aus per­sön­li­chen Ent­wick­lungs­ge­schich­ten, poli­ti­schen Intri­gen und den gro­ßen The­men. Aller­dings war sie für mei­nen Geschmack etwas zu blu­tig und zu voll ent­täusch­ter Hoff­nun­gen; aber wie schon in der ers­ten Staf­fel: dafür mit einem durch­aus über­zeu­gen­den Ende. Eine Fort­set­zung soll es lei­der nicht geben, obwohl der Schluss dazu eigent­lich einlädt.

Unter­halt­sam, für eine mit Gothik und Außen­sei­ter­tum spie­len­de Serie teil­wei­se ein biss­chen zu über­zu­ckert emp­fand ich die Seri­en­ver­fil­mung Wed­nes­day (Net­flix), die ich mir jetzt auch mal ange­schaut habe. Und die durch­aus anschau­bar ist.

Nicht auf dem Bild­schirm, son­dern im Kino ange­guckt haben wir Guar­di­ans of the Gala­xy Vol. 3. Hübsch anzu­se­hen, mit einer ziem­lich herz­zer­rei­ßen­den Back­story für den Wasch­bä­ren Rocket, aber in der Sum­me nicht so ganz logisch. Naja, also: Unterhaltungskino.

Zu den Büchern: Ziem­lich viel Zeit ver­bracht habe ich mit At the Feet of the Sun (2022), dem zwei­ten Teil der Serie rund um Clio­pher Mdang und den Kai­ser­hof der Autorin Vic­to­ria God­dard (zum ers­ten Teil hat­te ich hier etwas geschrie­ben). Auch At the Feet of the Sun ist lang­sam erzählt und braucht sei­ne Zeit. Wäh­rend der ers­te Teil der Auf­stieg Clipher Mdangs am kai­ser­li­chen Hof als roten Faden hat­te, geht es hier um die – hm – platonische/asexuelle Lie­bes­be­zie­hung zwi­schen Mdang und dem Kai­ser, und um deren gemein­sa­me Rei­sen durch mehr oder weni­ger mythi­sche Wel­ten. Gleich­zei­tig erfah­ren wir eini­ges dar­über, wer der im ers­ten Band schein­bar unnah­ba­re Kai­ser tat­säch­lich ist, und wie Mdangs Kar­rie­re auch hät­te ver­lau­fen kön­nen. Ein gro­ßes Buch, um sich dar­in zu ver­lie­ren – geer­det durch all­täg­li­che Details und Ange­wohn­hei­ten, die zei­gen, dass auch die Held*innen gro­ßer Sagen letzt­lich nur Men­schen sind. 

Nicht zu Ende gele­sen habe ich dage­gen A Woman of the Sword (2023) von Anna Smith Spark. Nicht unbe­dingt, weil es ein schlech­tes Buch ist – die Prä­mis­se ist, dass hier epi­sche Fan­ta­sy durch die Augen ganz nor­ma­ler Men­schen dar­ge­stellt wird. Die Haupt­per­son war Sol­da­tin einer Armee, die im Auf­trag eines Herr­schers Län­der befreit und das Impe­ri­um wie­der her­ge­stellt hat. Danach hat sie sich auf einer Farm nie­der­ge­las­sen; die Bezie­hung zu ihren bei­den Kin­dern ist schwie­rig, sie fühlt sich über­for­dert von allem. Und dann kommt der Krieg zurück, mit Dra­chen und Magie. Brand­schat­zung und Flucht wer­den recht rea­lis­tisch geschil­dert – und das war dann der Punkt, wo ich das Buch zur Sei­te gelegt habe. Mir war es für die­se Zei­ten – ver­bun­den mit dem sehr nahen Blick auf den All­tag mit klei­nen Kin­dern – schlicht zu düster.

Meru (2023) von S.B. Divya spielt in einer Zukunft, in der im offe­nen Welt­all leben­de Cyborg-Kon­struk­te (Alloys) die Macht über­nom­men haben. Die Erde ist eine Art Reser­vat für nicht modi­fi­zier­te Men­schen. Ambi­tio­nen sind eine Krank­heit, die heil­bar ist. Die jun­ge Haupt­fi­gur will trotz­dem mit eini­gen Freund*innen Gro­ßes errei­chen. Die Chan­ce, das umzu­set­zen, ergibt sich, als der Pla­net Meru ent­deckt wird und sich her­aus­stellt, dass ihre Sichel­zel­len­an­ämie hier von Vor­teil sein könn­te. Zusam­men mit einer Kon­strukt-Raum­schiff-Per­son soll sie zei­gen, dass Men­schen auf einem Pla­ne­ten jen­seits der Erde über­le­ben kön­nen – ohne Ter­ra­forming, und ohne Ein­grif­fe in die Umwelt. Erst nach und nach stellt sich her­aus, dass sie nur als Spiel­ball in poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen der Cyborg-Kon­struk­te gese­hen wird. Aus die­sem Set­ting ent­wi­ckelt Divya eine span­nend zu lesen­de Geschich­te, die sich auch gro­ßen Fra­gen stellt. 

Blei­ben wir bei Kon­struk­ten: Mar­tha Wells Mur­der­bot Dia­ries (2017–2021) ist aus der Per­spek­ti­ve eines Kon­strukts erzählt. Ein als Waffe/Sicherheitssystem ein­ge­setz­ter Cyborg („SecU­nit“) hat das Kon­troll­mo­dul über­lis­tet und agiert jetzt frei, muss dies aller­dings geheim­hal­ten. Der „Mur­der­bot“ – so die Eigen­be­zeich­nung – ist men­schen­scheu, redet nicht ger­ne über Gefüh­le, will nicht berührt wer­den und schaut am liebs­ten, auch zur inne­ren Beru­hi­gung, his­to­ri­sche und SF-End­los­se­ri­en. Gleich­zei­tig nimmt die­se SecU­nit ihre Auf­ga­be ernst: ihre Klient*innen zu beschüt­zen. Das kann dann auch mal blu­tig wer­den. Die Klient*innen sind zu Beginn der Serie Wissenschaftler*innen, die einen Pla­ne­ten erkun­den; spä­ter wer­den sie Freund*innen des Cyborg. Die Serie beginnt im Cor­po­ra­te Rim – neo­li­be­ra­le, nur auf Pro­fit aus­ge­rich­te­te Pla­ne­ten und Raum­sta­tio­nen, die von unter­schied­li­chen Kon­zer­nen beherrscht wer­den. Men­schen und Bots sind hier Leib­ei­ge­ne. Nach und nach ler­nen wir, dass es außer­halb des Cor­po­ra­te Rim ande­re Gesell­schaf­ten gibt, die eben­falls detail­liert beschrie­ben wer­den – etwa die eher an Solar­punk erin­nern­de, uto­pisch dar­ge­stell­te Pre­ser­va­ti­on. Der sar­kas­ti­sche Ton­fall der erzäh­len­den SecU­nit (samt Neben­be­mer­kun­gen) trägt eben­so wie der schnel­le Plot dazu bei, dass es sich dann doch emp­fiehlt, gleich die gan­ze Serie zu kau­fen; lei­der ein recht teu­res Ver­gnü­gen. Ein wei­te­rer Band ist für Ende des Jah­res angekündigt.

Noch­mal Space Ope­ra, dies­mal als, hm, Komö­die: John Scal­zis The Android’s Dream (2006) hat wenig mit Phil­ip K. Dick zu tun, son­dern han­delt v.a. von unfä­hi­gen Diplomat*innen, den Com­pu­tern der Wet­ter­be­ob­ach­tung, Ali­ens, die unbe­dingt ein tief­blau­es Schaf haben wol­len, einer am unte­ren Ende der galak­ti­schen Hack­ord­nung ste­hen­den Erde und den Veteran*innen eines unnö­ti­gen Krie­ges. Schnell und teil­wei­se sehr lus­tig, teil­wei­se auch bit­ter, weil es da und dort eben nicht nur Slap­stick, son­dern gute Sati­re ist. Eher Red­shirts als Old Mans‘ War, und irgend­wie typisch Scalzi.

Charles Stross Sea­sons of Skulls (2023) ist typisch Laundry/New Manage­ment, lässt sich eben­so schlecht beschrei­ben und war mir ein biss­chen zu viel more of the same. Wer die Mischung aus Hor­ror, Pas­ti­ches zu Klas­si­kern der Welt­li­te­ra­tur (hier: Rich­tung Jane Aus­ten, wür­de ich sagen), genau­er Beob­ach­tung von Büro­kra­tie und Manage­ment und Groß­bri­tan­ni­en mag, wird hier fündig. 

Schließ­lich habe ich noch Cory Doc­to­rows Red Team Blues (2023) gele­sen, das eher ein Thriller/Krimi als Sci­ence Fic­tion ist, schnell und aktio­nen­reich, mit schar­fem Blick auf die IT-Kul­tur der ame­ri­ka­ni­schen West­küs­te, halb-lega­le Cryp­to-Geschäf­te und ähn­li­ches mehr, ver­bun­den mit einer durch­aus sym­pa­thi­schen Hauptperson.