Kreistagswahlergebnisse 2014 in Baden-Württemberg (korrigiert)

Ich habe die vor­lie­gen­den grü­nen Ergeb­nis­se zur Kreis­tags­wahl (z.T. sta­tis­ti­sches Lan­des­amt, z.T. Mel­dun­gen der ein­zel­nen Land­krei­se) und zur Kom­mu­nal­wahl in den Städ­ten mal gra­fisch auf­be­rei­tet – da nicht in allen der 1101 Gemein­den Grü­ne ange­tre­ten sind, und da zudem viel­fach grün-nahe Lis­ten auf­tre­ten, erscheint mir die­ses Bild auf­schluss­rei­cher als die lan­des­wei­te Gemein­de­sta­tis­tik. Nicht sicht­bar wird hier, dass Grü­ne im Ver­gleich zu 2009 fast über­all zuge­legt haben – das hat auch etwas damit zu tun, dass Ergeb­nis­se wie „16 Pro­zent“ inzwi­schen als „nor­mal“ erschei­nen. Sicht­bar wird in der Kar­te auch, wo bis zur Land­tags­wahl noch etwas gesche­hen muss …

Kreistagswahlen 2014: Grüne Ergebnisse in den Land- und Stadtkreisen
Zugrun­de­lie­gen­de Kar­te: Baden-Würt­tem­berg-Loca­ti­on-Map, CC-BY-SA von Ssch und Kju­nix

Neu: Die in der Kar­te dar­ge­stell­ten Zah­len für die Land­krei­se beru­hen auf Anga­ben des Sta­tis­ti­schen Lan­des­am­tes, für den Land­kreis Karls­ru­he und für den Boden­see­kreis lie­gen die­se noch nicht vor. Wäh­rend dort die Daten aus den Schnell­mel­dun­gen der Land­krei­se ange­ge­ben sind (Stim­men Grü­ne / gül­ti­ge Stim­men), ver­wen­det das Sta­tis­ti­sche Lan­des­amt „gleich­wer­ti­ge Stim­men“ und berech­net den Anteil dar­an. Das bedeu­tet, dass Ver­zer­run­gen durch unter­schied­lich gro­ße Wahl­kreis­zu­schnit­te in den ein­zel­nen Land­krei­sen her­aus­ge­rech­net wer­den. Dadurch erge­ben sich Dif­fe­ren­zen zu den Schnell­mel­dungs­er­geb­nis­sen. Bei­spiel Land­kreis Tübin­gen: Ohne die­se Kor­rek­tur liegt der Land­kreis bei 24,7 % „grün“, dies kommt u.a. dadurch zustan­de, dass die Stadt Tübin­gen als Land­kreis-Wahl­kreis über­re­prä­sen­tiert ist. Wer­den die­se unter­schied­li­chen Gewich­tun­gen her­aus­ge­rech­net, ergibt sich der hier dar­ge­stell­te Wert von 21,8 %.

Nur in den Land­krei­sen Freu­den­stadt (-0,9 Pro­zent­punk­te), Reut­lin­gen (-0,7 Pro­zent­punk­te) und Zol­lernalb (-0,2 Pro­zent­punk­te) ver­lie­ren die Grü­nen gegen­über 2009, bezo­gen auf die gleich­wer­ti­gen Stim­men, in allen ande­ren Land­krei­sen gibt es Zuge­win­ne zwi­schen 0,3 und 4,0 Pro­zent­punk­ten, letz­te­res in Sig­ma­rin­gen. In den Stadt­krei­sen Frei­burg (+0,4), Mann­heim (+0,4), Pforz­heim (+0,7), Ulm (+0,9), Baden-Baden (+2,1), Heil­bronn (+2,2) und Hei­del­berg (+4,7) gibt es Zuwäch­se, wäh­rend es in Karls­ru­he (-0,2) und Stutt­gart (-1,3) Ver­lus­te gegen­über 2009 gibt.

Kurz: Gesinnungsterrorismus eben

Noch-CDU-Chef Hauk macht jetzt also in Gesin­nungs­ter­ro­ris­mus. Also, ich mei­ne: Er wirft uns Grü­nen vor, wir sei­en wel­che. Das Spiel ist durch­sich­tig – da will jemand beim ultra­kon­ser­va­ti­ven Teil der CDU Bonus­punk­te ein­sam­meln, schließ­lich geht’s in ein paar Wochen um die Vor­ent­schei­dung für die Spit­zen­kan­di­da­tur zur Land­tags­wahl 2016. Da muss es ein biss­chen mehr Map­pus sein.

Aber mal abge­se­hen von der Hau­ruck­rhe­to­rik: Ab und zu habe ich den Ein­druck, dass die CDU es als feh­ler­haft ansieht, dass die Regie­rungs­frak­tio­nen im Land­tag poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen tref­fen. Um das zu bele­gen, müss­te mal die Pres­se­ar­beit der CDU der letz­ten Mona­te durch­ge­fors­tet wer­den – ich bin mir ziem­lich sicher, dass sowas wie Akzep­tanz für demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Mehr­hei­ten dabei nicht die Haupt­rol­le spielt. Dass CDU und FDP im Land­tag oft für ande­re Posi­tio­nen ste­hen als Grün-Rot, ist nicht ver­wun­der­lich. Aber das kann so oder so rüber­ge­bracht wer­den. Mein Gefühl: All­zu­oft klingt bei der CDU, bewusst oder unbe­wusst, durch, dass aus ihrer Sicht alles, was von Grün-Rot kommt, per se ille­gi­tim ist. Auch fast drei Jah­re nach der Land­tags­wahl noch.

Oder anders gesagt: Was nicht den Wer­ten der CDU ent­spricht, darf nicht sein. Gesin­nungs­ter­ro­ris­mus eben.

Kurz: Landeshochschulgesetzeinbringung und ‑anhörung

Nach lan­gem Vor­lauf geht es jetzt rasch wei­ter mit dem Lan­des­hoch­schul­ge­setz. Am Mitt­woch wur­de die gegen­über dem ers­ten Ent­wurf an eini­gen Stel­len noch ein­mal deut­lich ver­än­der­te Ein­brin­gungs­fas­sung des Drit­ten Hoch­schul­rechts­än­de­rungs­ge­set­zes (pdf) in den Land­tag ein­ge­bracht. Wer möch­te, kann dies hier im Video anschauen.

Und am gest­ri­gen Frei­tag ging’s dann wei­ter mit der Aus­schuss­an­hö­rung zum Gesetz. Auch die­se ist im Video betracht­bar (Ach­tung: fast drei Stun­den lang). Die nächs­ten Sta­tio­nen sind dann die Aus­schuss­be­hand­lung Mit­te März und die Ver­ab­schie­dung im Land­tag, die vor­aus­sicht­lich Ende März auf der Tages­ord­nung ste­hen wird.

Inter­es­sant fand ich die gro­ße Dif­fe­renz in der Stim­mungs­la­ge zwi­schen Mitt­woch und Frei­tag. Wäh­rend am Mitt­woch die Lage eine pola­ri­sier­te war – auf der einen Sei­te v.a. Frau Kurtz von der CDU, die uns Wirt­schafts­feind­lich­keit, den Unter­gang des Hoch­schul­stand­orts und ähn­li­ches mehr vor­warf, aber nicht unbe­dingt den Ein­druck mach­te, zu wis­sen, was jetzt, nach dem lan­gen Pro­zess, tat­säch­lich im Gesetz­ent­wurf steht – auf der ande­ren Sei­te natür­lich die Minis­te­rin und die Red­ner von Grün-Rot, Kai Schmidt-Eisen­l­ohr und Mar­tin Rivoir, die die Bedeu­tung der Hoch­schu­len auch für den Wirt­schafts­stand­ort, die Frei­heits­ge­win­ne für die Hoch­schu­len und ähn­li­ches mehr beton­ten. Am Frei­tag gab es natür­lich auch Kri­tik, aber die Kri­tik fiel sehr viel sach­li­cher aus, als die der Oppo­si­ti­on – und sie war in fast allen Bei­trä­gen gerahmt in die Bewer­tung, dass sowohl das Gesetz als auch der Pro­zess der Betei­li­gung ins­ge­samt posi­tiv gese­hen wer­den. Soviel zum Unter­gang Baden-Württembergs.

Aus dem Hinterwald

Green before the storm V

Baden-Würt­tem­berg, ach je. Über die libe­ra­len Groß- und Uni­städ­te, die grü­ne Stär­ke und die vie­len span­nen­den Pro­jek­te auf dem Land gerät die die­sem Land inne­woh­nen­de Pro­vin­zia­li­tät leicht ins Ver­ges­sen. Und es ist eine dop­pel­te Pro­vin­zia­li­tät, die nicht nur aus dem tie­fen länd­li­chen Raum gespeist wird, son­dern eben­so etwas mit der vor allem im würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­teil weit zurück­rei­chen­den pie­tis­ti­schen Tra­di­ti­on zu tun hat. Die Orte, in denen 60 bis 70 Pro­zent der Bevöl­ke­rung CDU oder schlim­me­res wäh­len: klar gibt es die weiterhin. 

Das fällt viel­leicht nicht auf den ers­ten Blick auf, weil es auch dort hübsch modern aus­sieht, inklu­si­ve Pho­to­vol­ta­ik-Anla­ge auf den pro­per reno­vier­ten Häus­chen (lohnt sich schließ­lich). Aber das sind Äußer­lich­kei­ten. Sobald es dar­um geht, was „nor­mal“ ist, und was nicht, wird es fins­ter. Bes­ter Beleg dafür sind die gera­de hoch­ko­chen­den Debat­ten um die Auf­nah­me der Akzep­tanz unter­schied­li­cher Lebens­for­men (ja, inklu­si­ve sexu­el­ler Viel­falt) in den Bil­dungs­plan 2015 (Leit­prin­zi­pi­en hier als PDF abruf­bar; dazu gene­rel­le Infor­ma­tio­nen zur Reform).

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Kurz: Redezeitdemokratie

Da hat sich ein Par­la­ment kon­sti­tu­iert, die Frak­tio­nen haben sich gebil­det, und dann geht es um die Rede­zei­ten. Ich war ziem­lich irri­tiert davon, dass der Bun­des­tag hier strikt pro­por­tio­nal vor­geht: 10 Pro­zent der Man­da­te = 10 Pro­zent der Rede­zeit. Bei einer Stun­de also sechs Minu­ten. Das führt bei einer 80%-GroKo zu eher lang­wei­li­gen Debat­ten: Red­ne­rIn­nen der Regie­rung wie­der­ho­len und wie­der­ho­len sich, für die Oppo­si­ti­on blei­ben ein paar Gedan­ken­hap­pen. Und selbst, wenn es ein oder zwei Minu­ten dazu­gibt – eine sol­che Ver­tei­lung von Rede­zei­ten mag zwar streng mathe­ma­tisch kor­rekt, erscheint mir aber eher unpar­la­men­ta­risch, wenn denn im Par­la­ment das Prin­zip von Rede und Gegen­re­de herr­schen soll.

Muss das so sein? Muss es nicht – jeden­falls habe ich im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag ein ganz ande­res Sys­tem ken­nen­ge­lernt. Übli­cher­wei­se hat hier jede Frak­ti­on die glei­che Rede­zeit – egal, ob es um die win­zi­ge FDP oder die größ­te Frak­ti­on, CDU, geht. Das ist nicht pro­por­tio­nal, aber es führt dazu, dass tat­säch­lich Argu­men­te aus­ge­tauscht wer­den. Fak­tisch haben Regie­rungs­frak­tio­nen und Oppo­si­ti­on jeweils die glei­che Rede­zeit, dazu kommt die Regie­rung selbst, die mehr oder weni­ger unbe­grenzt reden darf*. Abwei­chun­gen gibt es bei eini­gen zen­tra­len Anträ­gen – da gilt dann „gestaf­fel­te Rede­zeit“, d.h. auf z.B. fünf Min­un­ten Basis­re­de­zeit kriegt die CDU noch zwei oder drei Minu­ten dazu, Grü­ne und SPD noch eine, und die FDP bleibt bei fünf Minuten.

Rhe­to­risch sind die Debat­ten im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag nicht unbe­dingt und in jedem Fall Glanz­lich­ter. Leb­haft sind sie jedoch meist. Und dazu trägt, glau­be ich, auch die hier eta­blier­te Rede­zeit­ord­nung zu, die statt auf mathe­ma­ti­sche Kor­rekt­heit auf Reprä­sen­ta­ti­on der ver­schie­de­nen in den Land­tag gewähl­ten Inter­es­sen setzt.

* Wenn die Ver­tre­te­rIn­nen der Regie­rung aller­dings zu lan­ge reden, lösen sie eine Geschäfts­ord­nungs­re­ge­lung aus, die eine neue Debat­ten­run­de im Par­la­ment öff­net – mit den Frak­ti­ons­chefs der Oppo­si­ti­on als ers­ten Red­nern. Wer’s nach­le­sen will, kann in die Land­tags-GO schauen.