Letzten Samstag fand die Jahrestagung der Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg statt, die diese freundlicherweise dem Thema „Politik im Netz – Wie das Internet politische Kommunikation und Kultur verändert“ gewidmet hatte. Im Folgenden also ein paar Streiflichter aus der Konferenz. Das Publikum wirkte übrigens sehr viel weniger nerdig, als das Thema es hätte vermuten lassen.
Kurz: Ein Jahr Ländle-Wahlkampf steht bevor
Programme gibt es noch keine (unseres entsteht in einem mehrstufigen Prozess bis Herbst 2015), so stehen doch die Personen fest, die im Frühjahr 2016 Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden wollen: Winfried Kretschmann hat angekündigt, wieder anzutreten (und ist ja auch recht beliebt). Die SPD wird wohl Finanzminister und Landesvorsitzenden Nils Schmid ins Feld führen. Und die CDU-Basis hat unlängst, ein bisschen überraschend, den Noch-Landtagspräsidenten Guido Wolf, demnächst Fraktionsvorsitzender der CDU, demnächst evtl. auch Parteivorsitzender der CDU, zum designierten Kandidaten gekürt. Im Januar wird ein CDU-Parteitag das Basisvotum dann aller Wahrscheinlichkeit nach bestätigen.
Einer dieser drei Männer – grüner Landesvater, kühler Finanzer oder Maxi-Landrat – wird also im Frühjahr 2016 Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden. Bis dahin ist es noch etwas hin, die Wahl wird wohl im März 2016 stattfinden. Und obwohl Winfried Kretschmann dafür geworben hat, nicht jetzt schon in den Wahlkampf zu starten, wird es wohl darauf hinauslaufen. Die CDU wird sich noch weniger als in den letzten dreieinhalb Jahren auf konstruktive Oppositionspolitik einlassen, sondern noch einen Zahn Fundamentalkritik zulegen (und sei es auch in Gedichte verpackt). Bisher sind’s die Nebensätze, die verräterisch sind – so hat Guido Wolf angekündigt, dass die jetzigen GemeinschaftsschülerInnen noch ihren Abschluss machen dürfen. Klingt erst mal nett, heißt im Klartext, dass die CDU die über 200 neuen Gemeinschaftsschulen im Land auslaufen lassen möchte, wenn sie denn die Chance dazu bekommt. Gleichzeitig wird – auch das war in den Haushaltsreden der CDU schon zu hören – das Blauen vom Himmel versprochen, beispielsweise die Rücknahme von Kürzungen und Verschiebungen bei den Beamtengehältern bei gleichzeitig striktem Sparkurs. Passt irgendwie nicht zusammen, interessiert aber keine WahlkämpferIn am Landtagsredepult.
Aber auch in der Koalition wird das Klima 2015 vermutlich rauer werden. Bisher liegen wir in den Wahlumfragen vor der SPD und das soll auch so bleiben. Selbstverständlich sieht der kleinere Koalitionspartner das anders und wird noch stärker versuchen, sich zu profilieren. Auch hier dürfte die Bildungspolitik ein Themenfeld werden, in dem 2015 interessant wird – und dass in der Innenpolitik grüne Projekte aus dem Koalitionsvertrag nicht mit Priorität 1 bearbeitet worden sind, ist auch kein Geheimnis. Ich vermute, dass 2015 keine neuen großen Vorhaben mehr aufs Landesgleis gesetzt werden, dass aber bei allem Profilierungswillen beiden Parteien auch klar ist, dass Streit in der Koalition beiden schadet. Auch insofern wird 2015 ein landespolitisch interessantes Jahr werden.
Die SPD-Wahlwoche würde das Problem nicht lösen
WELT und Spiegel online ist zu entnehmen, dass SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sich einige Gedanken dazu gemacht hat, wie die Wahlbeteiligung gesteigert werden kann. Mit Blick auf den Kern von Demokratie ist eine hohe Wahlbeteiligung ein sinnvolles Ziel, auch wenn z.B. die PEGIDA-Märsche Menschen anlocken, bei denen ich mir gar nicht so sicher bin, ob ich mich über deren Wahlrecht freuen soll – und obwohl taktisch gesehen eine geringere Wahlbeteiligung durchaus auch gut für kleinere Parteien (wie Bündnis 90/Die Grünen) sein kann.
Aber gehen wir mal davon aus, dass eine höhere Wahlbeteiligung für eine Demokratie grundsätzlich etwas Gutes ist. Heute liegt sie bei Bundestagswahlen bei rund 70 Prozent, bei Landtags- und Kommunalwahlen oft noch einmal deutlich darunter. Wikipedia visualisiert schön, wie die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik angeklettert auf ein Niveau von 86–87 Prozent angestiegen ist, dann 1972 einen Spitzenwert von über 90 Prozent erreicht hat und sich seitdem – mit einigen Schwankungen – im Rückgang auf das heutige Niveau von rund 70 Prozent befindet. Der erste deutliche Einbruch erfolgte dabei von 1987 auf 1990 – die erste Wahl, in der auch in der ehemaligen DDR (die bei der „Volkskammerwahl“ von 93 Prozent Wahlbeteiligung erreichte) der Bundestag gewählt wurde.
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Digitalisierung als Baustein einer grünen Innovationspolitik
„Unterm Strich würde ich gerne in dem Baden-Württemberg leben, das Kretschmann da grade entwirft.“, schrieb ich bei Twitter als Fazit zur „Heimat, Hightech, Highspeed“-Regierungserklärung, und das ist vielleicht erklärungsbedürftig.
Um ganz vorne anzufangen: eine Regierungserklärung im baden-württembergischen Landtag funktioniert so, dass der Ministerpräsident (oder eine andere VertreterIn der Landesregierung) sich ausführlich, grundsätzlich und übergreifend äußert, und – üblicherweise – die Fraktionsvorsitzenden darauf reagieren. Und zwar in „Debatte mit freier Redezeit“, was ganz schön lang sein kann. In dieser Regierungserklärung ging es um „Digitalisierung“, und um die (insbesondere auch wirtschaftlichen) Chancen von Dingen, die mit so schönen Buzzwords wie „Induschdrie 4.0«, „digitaler Wandel“, „Cloud“ oder „Cybersecurity“ umreißen lassen.
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Kommunalwahl 2014: Freiwilligkeit hilft Geschlechtergerechtigkeit nicht
Baden-Württemberg ist, was den Frauenanteil in den politischen Gremien betrifft, ein klares Rote-Laterne-Land. Bei der Kommunalwahl 2014 gab es – nachdem weitergehende Parité-Ideen nicht mehrheitsfähig waren – zum ersten Mal eine Soll-Vorschrift, dass die Parteien und Listen gleich viele Frauen wie Männer aufstellen sollen. Bei Verstößen dagegen waren allerdings keinerlei Sanktionen zu befürchten; nachdem das rheinland-pfälzische Verfassungsgericht eine Dokumentation der Frauenanteile auf den Stimmzetteln verboten hat, wurde auch dieses Mittel nicht herangezogen.
Diese Soll-Vorschrift hat, wie das Statistische Landesamt in einer ausführlichen Pressemitteilung darstellt, nicht so richtig funktioniert. Bereits der erste Schritt – die Aufstellung von gleich vielen Frauen wie Männern – fand nicht statt. Nur 30,5 Prozent der BewerberInnen für die Gemeinderatswahlen waren Frauen (+1,8 Prozentpunkte ggü. 2009). Dabei ist noch nicht berücksichtigt, wo auf den Stimmzetteln Frauen platziert waren. Bei den Kreistagswahlen waren 30,2 Prozent der BewerberInnen Frauen (+3,4 Prozentpunkte ggü. 2009).
Die Umsetzung der Soll-Vorschrift wurde in den einzelnen Parteien sehr unterschiedlich ernst genommen, wie das Statistische Landesamt schreibt. Dies betrifft sowohl die Kreistage als auch die Gemeinderäte.
| Partei/Liste | Gemeinderäte Frauenanteil (vgl. 2009) |
Kreistage Frauenanteil (vgl. 2009) |
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| Kand. | Gewählte | Kand. | Gewählte | |
| GRÜNE | 46,6 % | 44,8 % (+1,0) | 43,9 % | 43,3 % (+2,4) |
| SPD | 35,7 % | 33,3 % (+1,2) | 34,8 % | 24,1 % (+1,7) |
| FDP | 30,1 % | 17,7 % (+1,5) | 22,8 % | 15,0 % (+3,4) |
| Wählerverein. | 29,6 % | 22,7 % (+1,0) | 26,3 % | 14,6 % (+3,0) |
| Gem. Wahlv. | 28,7 % | 21,7 % (+2,3) | 32,6 % | 22,0 % (+11,4) |
| and. Parteien | 28,6 % | 27,1 % (+6,2) | 28,5 % | 10,4 % (+3,3) |
| CDU | ca. 25 % | 18,9 % (+2,2) | 25,1 % | 12,0 % (+1,3) |
Dabei ist zu berücksichtigen, dass unter den Wählervereinigungen auch grün-nahe Listen und Frauenlisten zu finden sind.
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