Grüne: Zerreißprobe – Zeit für Zusammenhalt

Grün aus Verantwortung - Die Landesdelegiertenkonferenz in Pforzheim
Foto: Bünd­nis 90/Die Grü­nen Baden-Würt­tem­berg, CC-BY-SA

Die Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz der baye­ri­schen Grü­nen hat sich ges­tern extrem knapp gegen einen Antrag aus­ge­spro­chen, der das am Frei­tag im Bun­des­rat durch­ge­wun­ke­ne „Asyl­pa­ket“ abge­lehnt hät­te. Ande­re pos­ten Aus­tritts­er­klä­run­gen, wech­seln Lan­des­ver­bän­de (aus NRW nach Thü­rin­gen) oder erklä­ren laut, nicht mehr Grün wäh­len zu wollen. 

Gegen­schnitt: Vor einer Woche, Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen, in der Pres­se als „Krö­nungs­mes­se“ bezeich­net: nach einer 75-minü­ti­gen Rede, die etwa zur Hälf­te die Flücht­lings­si­tua­ti­on und das Han­deln der Lan­des­re­gie­rung, aber in recht deut­li­cher Form auch die anste­hen­de Zustim­mung zum „Asyl­pa­ket“ behan­del­te, gibt es minu­ten­lang Bei­fall für Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann, kurz dar­auf wird er mit einem Traum­er­geb­nis von 97 Pro­zent als Spit­zen­kan­di­dat für 2016 aufgestellt.

Im Bun­des­rat mel­den sich unge­wöhn­lich vie­le Regie­rungs­chefIn­nen zum TOP Asyl­ver­fah­rens­be­schleu­ni­gungs­ge­setz zu Wort. 

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Kurz: Digitaler Wandel als Chance für Teilen und Tauschen

Was ich ja sehr gespannt beob­ach­te, ist der Wett­be­werb ShareBW, bei dem – noch eine Woche lang, bis 19.10.2015 – die bes­ten Ideen gesucht wer­den, um mit Hil­fe der Digi­ta­li­sie­rung Tau­schen und Tei­len („Share Eco­no­my“) zu erleich­tern, und so nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung und Zukunfts­fä­hig­keit in Stadt und Land vor­an­brin­gen. Oder, in der Spra­che der Aus­schrei­bung: unge­ho­be­ne Digi­ta­li­sie­rungs­po­ten­zia­le för­dern. Der vom baden-würt­tem­ber­gi­schen Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um aus­ge­lob­te Ideen­wett­be­werb ist mit einem Preis­geld von bis zu 180.000 € ver­se­hen, das dazu genutzt wer­den soll, die prä­mier­ten Ideen inner­halb der nächs­ten Mona­te zu rea­li­sie­ren. Mit­ma­chen kön­nen Pri­vat­per­so­nen, Ver­ei­ne, Unter­neh­men und Kom­mu­nen. Ein­zi­ge Vor­aus­set­zung: Wohn- bzw. Geschäfts­sitz Baden-Württemberg. 

Ich fin­de die­sen Wett­be­werb aus zwei Grün­den sehr span­nend. Hier berüh­ren sich zwei Wel­ten, die sonst nicht unbe­dingt viel mit­ein­an­der zu tun haben – Men­schen und Pro­jek­te, die „irgend­was mit Medi­en“ machen, IT-Start­ups, etc., auf der einen Sei­te, und auf der ande­ren Sei­te Umwelt­be­weg­te, lokal Enga­gier­te, Nach­hal­tig­keits­freun­dIn­nen. Die The­se – und das Risi­ko hin­ter dem Wett­be­werb – ist es, dass in der Schnitt­men­ge die­ser bei­den Berei­che Neu­es ent­ste­hen kann. Inno­va­tio­nen, die zur Zukunfts­fä­hig­keit Baden-Würt­tem­bergs bei­tra­gen kön­nen. Wenn längst klar wäre, was die zen­tra­len Pro­jek­te in die­ser Schnitt­men­ge sind, wäre der Wett­be­werb lang­wei­lig. So aber for­dert er dazu auf, Neu­es zu den­ken und dann auch tat­säch­lich umzu­set­zen – jen­seits der übli­chen Mus­ter wis­sen­schaft­li­cher Dritt­mit­tel­pro­jek­te und Businessplan-Pitches. 

Ob das gelingt? Das wird nach dem 19.10. klar wer­den. Bis dahin gilt die Auf­for­de­rung, dass alle, die Ideen haben, die in die­sen Bereich fal­len, und die auf drei bis sechs Sei­ten kon­kre­ti­siert wer­den kön­nen, unbe­dingt mit­ma­chen sollten. 

Rezension zu Stolle: Universitäten und Hochschulen in Baden-Württemberg (2015)

Stolle (2015)

Anfang des Jah­res ist in der Lan­des­kund­li­chen Schrif­ten­rei­he der Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung ein Buch erschie­nen, das ver­spricht, einen umfas­sen­den Über­blick über die Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len in Baden-Würt­tem­berg zu geben. Die­ses Ver­spre­chen wird lei­der nur teil­wei­se eingelöst. 

Der His­to­ri­ker Dr. Micha­el Stol­le glänzt immer dort, wo es um die Geschich­te der Hoch­schu­len und Uni­ver­si­tä­ten seit dem 14. Jahr­hun­dert (Uni­ver­si­tät Hei­del­berg) geht. Ins­be­son­de­re das lan­ge zwei­te Kapi­tel des Buchs, in dem es um „Die Lan­des­uni­ver­si­tä­ten in ihrer geschicht­li­chen Ent­wick­lung“ geht, über­zeugt in die­ser Hin­sicht. Aber auch im drit­ten Kapi­tel, in dem „Die ande­ren Hoch­schu­len“ behan­delt wer­den, lässt sich eini­ges Wis­sens­wer­tes dar­über erfah­ren, wie aus Inge­nieur­schu­len und Leh­rer­bil­dungs­an­stal­ten die heu­ti­gen Hoch­schu­len für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten und Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­len gewor­den sind, und was das mit der Her­aus­bil­dung moder­ner Staa­ten und Indus­trie­ge­sell­schaf­ten zu tun hat.

Weni­ger über­zeu­gend fin­de ich Stol­le dann, wenn er sich der Gegen­wart und der Zukunft des Hoch­schul­sys­tems nähert. Wäh­rend der his­to­ri­sche Teil – bis in die 1960er und z.T. 1970er Jah­re – detail­reich und sys­te­ma­tisch auf­ge­baut ist, wir­ken die Aus­füh­run­gen zur jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft der Hoch­schu­le in Baden-Würt­tem­berg belie­big. An die bei­den erwähn­ten gro­ßen Kapi­tel schlie­ßen sich fünf kür­ze­re Kapi­tel an, die sich mit dem Stu­di­um, mit der Hoch­schu­le als Ort des sozia­len Auf­stiegs, mit „Hoch­schul­leh­rern“ und „For­schern“ (trotz eines eini­gen­stän­di­gen Unter­ka­pi­tels zu Wis­sen­schaft­le­rin­nen im gene­ri­schen Mas­ku­li­num, wie auch der Rest des Buches …), mit gegen­wär­ti­gen Debat­ten und mit einem Aus­blick in die Zukunft befas­sen. Hier geht der Fokus auf Baden-Würt­tem­berg schnell ver­lo­ren, statt des­sen wer­den alle hoch­schul­po­li­ti­schen Fel­der gestreift – Finan­zie­rung, Auto­no­mie, Bolo­gna. Dazu kommt dann der eine oder ande­re Exkurs, der sich eher mit Stol­les Arbeits­feld (Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen und Kom­pe­tenz­ent­wick­lung am KIT) als mit exter­nen Rele­vanz­set­zun­gen erklä­ren lässt.

Als Mate­ri­al­samm­lung ist das ganz nett, für eine Lan­des­zeit­ge­schich­te oder einen Bei­trag zur Bewer­tung und Sys­te­ma­ti­sie­rung der Lan­des­po­li­tik greift Stol­le hier aller­dings zu kurz. Sym­pto­ma­tisch dafür: der Ende der 1960er Jah­re täti­ge Kul­tus­mi­nis­ter Wil­helm Hahn wird aus­führ­lich gewür­digt und sein Wir­ken dar­ge­stellt. Die Rei­he der Wis­sen­schafts­mi­nis­ter bis zur heu­ti­gen Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin tau­chen dage­gen nur noch als „die Lan­des­re­gie­rung“, „das Minis­te­ri­um“ oder „das Par­la­ment beschloss“ auf. Nament­lich wer­den sie, wenn ich das recht sehe, ein Regis­ter gibt es lei­der nicht, nicht genannt, näher gewür­digt erst recht nicht. Dabei wäre es durch­aus loh­nend, sich inten­si­ver damit aus­ein­an­der­zu­set­zen, wie von Tro­tha, Fran­ken­berg und Bau­er jeweils unter­schied­li­che Leit­bil­der von Hoch­schu­le poli­tisch umge­setzt haben, wo es hier so etwas wie baden-würt­tem­ber­gi­sche Kon­ti­nui­tä­ten und lan­ge Fäden gibt, und wo es zu Brü­chen kommt. 

Ähn­li­ches lie­ße sich über die Pro­test­er­eig­nis­se nach 1968 sagen – dass es immer mal wie­der lan­des­wei­te Stu­die­ren­den­pro­tes­te gege­ben hat, in den 1980er Jah­ren, 1998, 2005 – all das scheint Stol­le nicht zu inter­es­sie­ren. Viel­mehr wir­ken die gegen­warts­nä­he­ren Tei­le des Buches oft so, als sei­en halt die aktu­el­len Pres­se­ver­laut­ba­run­gen und Hoch­schul­selbst­dar­stel­lun­gen zusam­men­ge­stellt wor­den, ohne sich groß um Ein­ord­nung und Bewer­tung zu küm­mern. Has­tig sind noch die Ände­run­gen der Lan­des­hoch­schul­ge­setz­no­vel­le 2014 ein­ge­baut wor­den, bei der Dar­stel­lung der Wei­ter­ent­wick­lung der Musik­hoch­schu­len, bei der Reform der Leh­rer­bil­dung der auch bei der Wei­ter­ent­wick­lung der Hoch­schul­fi­nan­zie­rung stim­men die Aus­sa­gen nicht, weil Stol­le hier jeweils den Beginn poli­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen für bare Mün­ze genom­men hat und als Fak­ten dar­stellt, aber deren tat­säch­li­chen Aus­gang dann nicht mehr auf­neh­men konnte. 

Und die Zukunft? Die Digi­ta­li­sie­rung der Leh­re taucht nur als MOOC-Kri­tik auf, und die Fra­ge, ob und in wel­cher Wei­se Hoch­schu­len zur Lösung gro­ßer gesell­schaft­li­cher Pro­ble­me bei­tra­gen kön­nen und sol­len, fehlt eben­so fast voll­stän­dig (im Zukunfts­ka­pi­tel wird sie kurz gestreift). Ansons­ten greift Stol­le auf vier OECD-Sze­na­ri­en zur Zukunft der Hoch­schu­le zurück, und bleibt in Bezug auf Baden-Würt­tem­berg bei Allgemeinplätzen. 

Ins­ge­samt fällt mei­ne Bilanz durch­mischt aus: Als Ein­füh­rung in die Geschich­te der baden-würt­tem­ber­gi­schen Hoch­schul­land­schaft bis etwa Mit­te des 20. Jahr­hun­derts ist Stol­les Buch zu emp­feh­len. Für eine zeit­ge­schicht­li­che Auf­ar­bei­tung der baden-würt­tem­ber­gi­schen Hoch­schul­po­li­tik seit den 1960er oder 1970er Jah­ren – oft ja auch mit dem Anspruch, bun­des­weit Vor­rei­ter zu sein! – greift das Buch dage­gen deut­lich zu kurz. Hier hät­te ich mir mehr erhofft. Ärger­lich auch, dass an vie­le Stel­len sicht­bar wird, dass das Lek­to­rat hät­te bes­ser sein kön­nen – Tipp­feh­ler („NSADP“), dop­pel­te Sät­ze, Redi­gier­res­te und the­ma­ti­sche Wie­der­ho­lun­gen tau­chen lei­der all zu oft auf. 

Stol­le, Micha­el (2015): Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len in Baden-Würt­tem­berg. Tra­di­ti­on – Viel­falt – Wan­del. Stutt­gart: W. Kohl­ham­mer, 263 Sei­ten. Bestellung/Download über die LpB Baden-Würt­tem­berg.

Kurz: Munition

In der grü­nen BAG Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik haben wir über einen län­ge­ren Zeit­raum die Fra­ge des Ver­hält­nis­ses von Wis­sen­schaft und Poli­tik dis­ku­tiert. In Baden-Würt­tem­berg lässt sich die­se Pro­ble­ma­tik gera­de mus­ter­gül­tig bestau­nen: zu den neu ein­ge­führ­ten Gemein­schafts­schu­len gibt es eine wis­sen­schaft­li­che Begleit­for­schung. Ein Gut­ach­ten aus die­ser Begleit­for­schung zu einer Schu­le, das wohl – ich ken­ne es nicht – eine Rei­he von Schwach­punk­ten und Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten auf­lis­tet, war dann ges­tern für die FAZ Grund­la­ge genug für einen Mehr­spal­ter, in dem die Gemein­schafts­schu­le in Grund und Boden ver­teu­felt wur­de. Und natür­lich gefun­de­nes Fres­sen für den Oppo­si­ti­ons-Wolf. Den inter­es­siert nicht, dass es ein Gut­ach­ten zu einer Schu­le ist, und die kom­plet­te Stu­die erst im Janu­ar abge­schlos­sen ist. Den inter­es­siert nicht, dass die Logik wis­sen­schaft­li­cher Arbei­ten und Bewer­tun­gen eine ande­re ist als die der Poli­tik. Der sieht nur einen wei­te­ren Stroh­halm, um sein liebs­tes Vor­ur­teil zu bestä­ti­gen, das in der so pein­li­chen wie bekann­ten For­de­rung mün­det, Gemein­schafts­schu­len aller­höchs­tens zu dul­den, aber auf kei­nen Fall wei­ter aus­zu­bau­en. So wird aus Wis­sen­schaft Muni­ti­on – was kei­ner Sei­te gerecht wird.

Kurz: Fast auf Kretschmanns Spuren

Der Minis­ter­prä­si­dent macht Som­mer­wan­de­run­gen durchs Länd­le – letz­te Woche in Würt­tem­berg, die­se Woche im badi­schen Lan­des­teil. Den Auf­takt mach­te Wald­kirch – Emmen­din­gen, und weil das ganz in der Nähe von Frei­burg liegt, woll­te ich mir mal anschau­en, wie das mit der Bür­ger­be­tei­li­gungs­form „zusam­men wan­dern und reden“ so funktioniert.

Lei­der woll­te ich ganz klug in Wald­kirch den Weg Bahn­hof – Stadt­park – Bahn­hof ver­mei­den, und war­te­te des­we­gen am Bahn­hof, Ein­stieg zum Vier­bur­gen­weg und zur Kas­tel­burg, auf die Wan­der­grup­pe Kret­sch­mann. Und war­te­te, und war­te­te – und bin dann ein­fach allei­ne los­ge­gan­gen. Was ein sehr schö­ner Aus­flug wur­de, mit den bes­ten Brom­bee­ren, die ich je gefun­den habe. Kurz vor Emmen­din­gen, bei der Rui­ne Hoch­burg, traf ich dann auf die etwa 70 Per­so­nen umfas­sen­de Wan­der­grup­pe; vie­le Grü­ne, aber auch eine gan­ze Rei­he von Bür­ge­rIn­nen mit poli­ti­schen Anlie­gen. (Des Rät­sels Lösung: die Grup­pe war über Buch­holz statt über die Kas­tel­burg gelau­fen – und kam des­we­gen gar nicht am Bahn­hof Wald­kirch vorbei).

Was neh­me ich mit? 12 bis 15 km Weg­stre­cke sind gegen Ende hin ziem­lich anstren­gend. Respekt allen, die regel­mä­ßig auf sol­chen Stre­cken unter­wegs sind. Auch der MP ist ganz schön tough – dass er Aus­dau­er und Zuhö­ren ver­bin­den kann, zeigt er ja auch sonst. Und auch wenn ich mich bezüg­lich des Mit­wan­derns selbst über­lis­tet habe: schön, dass ich end­lich mal einen nähe­ren Blick auf einen Teil der Regi­on wer­fen konn­te, den ich sonst immer nur vom Zug aus bestau­ne. Kas­tel­burg und Hoch­burg neh­me ich mir auf jeden Fall als Kin­der-Aus­flugs­ziel mit (aber nicht bei­de auf einmal!)