Grüner Zukunftskongress in Sicht

Reinhard Bütikofer IIGes­tern fand in Stutt­gart die baden-würt­tem­ber­gi­sche Regio­nal­kon­fe­renz zum grü­nen Zukunfts­kon­gress statt. Die­ser selbst wird vom 1. bis 3. Sep­tem­ber in Ber­lin ver­an­stal­tet. Die Regio­nal­kon­fe­renz in Stutt­gart hat­te ihren Fokus auf der Fra­ge nach dem Ver­hält­nis von Staat, Markt und Zivil­ge­sell­schaft. Der Tag in Stutt­gart war zwei­ge­teilt: vor­mit­tags gab es zwei Reden (Rein­hard Büti­ko­fer und Warn­fried Dett­ling) und danach noch eine inner-grü­ne Talk­run­de, der Nach­mit­tag war vier par­al­lel statt­fin­den­den Foren gewid­met. Rein­hard Büti­ko­fer kon­zen­trier­te sich in sei­ner Rede vor allem dar­auf, deut­lich zu machen, war­um ein grü­ner Zukunfts­kon­gress jetzt (Oppo­si­ti­on usw.) sinn­voll und not­wen­dig ist, und dass es sich dabei nicht um ein ein­ma­li­ges Debat­ten­event han­deln soll, son­dern um den Ver­such, Dis­kus­si­ons­pro­zes­se und kon­kre­te Pro­jek­te in der Par­tei anzu­sto­ßen. Die im Grund­satz­pro­gramm fest­ge­leg­te Wer­te­ori­en­tie­rung soll dabei nicht in Fra­ge gestellt wer­den. Büti­ko­fer plä­dier­te aber dafür, auf dem Hin­ter­grund der dort ver­an­ker­ten Wer­te eine prag­ma­ti­sche Poli­tik öko­lo­gi­scher und gesell­schaft­li­cher Moder­ni­sie­rung durch­zu­füh­ren. Dazu gehö­re es auch, sich nicht auf ein rot-grü­nes Pro­jekt fest­zu­le­gen, son­dern anzu­stre­ben, bald mög­lichst wie­der Gestal­tungs­kraft zu wer­den – so oder so.

Warn­fried Dett­ling, bekannt aus sei­nen Zei­tungs­ko­lum­nen und Büchern nahm sein Impuls­re­fe­rat zum Anlass, die Grü­nen auf­zu­for­dern, als Par­tei mit eher intel­lek­tu­el­le­ren Anhän­ge­rIn­nen und Wäh­le­rIn­nen kom­ple­xe­re Kon­zep­te auf­zu­grei­fen und nicht in die Ver­ein­fa­che­rer-Schie­ne hin­ein­zu­ge­ra­ten. Dabei sah er das 20. Jahr­hun­dert als das Jahr­hun­dert der Gegen­sät­ze (nicht nur zwi­schen Staat und Markt als unter­schied­li­chen Koor­di­na­ti­ons­for­men, son­dern auch zwi­schen Demo­kra­tie und Dik­ta­tur) und rief dazu auf, das 21. Jahr­hun­dert zum „Jahr­hun­dert der Syn­er­gien und der Balan­ce“ zu machen. Dem­entspre­chend gro­ßen Wer­te leg­te er dar­auf, deut­lich zu machen, wie wich­tig es ist, öko­no­mi­sche Logi­ken für staat­li­ches Han­deln aus­zu­nut­zen, auf zivil­ge­sell­schaft­li­che Poten­zia­le zu set­zen usw. Mir kam das alles etwas ein­sei­tig vor – zwar sprach Dett­ling auch von der „Ent­po­li­ti­sie­rung der Poli­tik“; die zukünf­ti­ge Rol­le, die Ord­nungs­po­li­tik, Recht und poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen spie­len sol­len, war jedoch etwas unter­be­lich­tet in sei­nem Vor­trag. Ande­re Stel­len in sei­nem Vor­trag gefie­len mir bes­ser: etwa im Ver­weis auf Amar­tya Sen die Defi­ni­ti­on mensch­li­cher Ent­fal­tung als staat­lich-gesell­schaft­li­cher Auf­ga­be bzw. Orientierungslinie.

Green discussion IDen Abschluss des Vor­mit­tags bil­de­te eine Talk-Run­de (das natür­li­che Milieu der Poli­ti­ke­rIn­nen). Wäh­rend im Pro­gramm noch eine Mode­ra­ti­on durch eine Zei­tungs­re­dak­teu­rin ange­kün­digt war, über­nah­men die Auf­ga­be dann doch die bei­den Vor­sit­zen­den Petra Selg und Andre­as Braun, die jeweils einen der Talk-Kon­tra­hen­ten – Win­fried Kret­sch­mann bzw. Fritz Kuhn – „betreu­ten“. Lei­der muss gesagt wer­den, dass sich unse­re Vor­sit­zen­den mit der Mode­ra­ti­on der bei­den grü­nen Urge­stei­ne (die ja bekann­ter­ma­ßen inzwi­schen inner­halb des real­po­li­ti­schen Flü­gels eher kon­trä­re Posi­tio­nen ver­tre­ten) schwerta­ten. Das Niveau der Dis­kus­si­on sank schnell auf die Ebe­ne per­sön­li­chen Belei­digt­seins und die Tages­po­li­tik der För­de­ra­lis­mus­re­form, statt grund­sätz­li­cher über das Ver­hält­nis von Staat und Bür­ge­rIn­nen und die Rol­le der Par­tei­en und der Poli­tik dabei zu dis­ku­tie­ren. Kuhn erwies sich dabei – unab­hän­gig von sei­nen Posi­tio­nen – als deut­lich sou­ve­rä­ner (viel­leicht hat­te er auch ein­fach nur die bes­se­re Rhetorik).

Nach­mit­tags ent­schied ich mich dann für das Forum „Sozialpolitik/Grundsicherung“ (die Alter­na­ti­ven wären der Schau­kampf Oswald Metz­ger vs. Ger­hard Schick, die Bil­dungs­po­li­tik am Bei­spiel einer Wal­dorf­schu­le, oder noch rela­tiv inter­es­sant, die Fra­ge Wirt­schaft vs. Öko­lo­gie oder Wirt­schaft und Öko­lo­gie gewe­sen – letz­te­res in der Dis­kus­si­on mit Unter­neh­mer­ver­tre­tern). Also, Sozi­al­po­li­tik. Das Forum erwies sich als gute Wahl, stell­te doch Tho­mas Pore­ski ein aus­ge­ar­bei­te­tes Kon­zept für ein Grund­si­che­rungs­mo­dell vor, das etwas weni­ger radi­kal als die Vor­schlä­ge aus der PDS oder von Götz Wer­ner gestal­tet war. In knap­pen Zügen: 500 Euro für alle (die fünf Jah­re legal in Deutsch­land leben), ohne Bedürf­tig­keits­prü­fung (damit exis­ten­zi­el­le Absi­che­rung und deut­lich gerin­ge­re „Erpes­sbar­keit“), Umwand­lung von Ren­ten- und Kran­ken­ver­si­che­rung, Bei­be­hal­tung diver­ses zusätz­li­cher staat­li­cher Leis­tun­gen, auch der Arbeits­markt­po­li­tik, Finan­zie­rung über eine Ver­än­de­rung des Ein­kom­mens­steu­er­mo­dells. Aus­führ­lich kann das unter http://www.grundsicherung.org nach­ge­le­sen wer­den. Den Gegen­part im Forum über­nahm Big­gi Ben­der als zustän­di­ge Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te, die ihre Skep­sis dar­an deut­lich zum Aus­druck brach­te, dabei jedoch rela­tiv sach­lich blieb. Ihr erschie­nen Kom­bi­lohn­mo­del­le und Ver­bes­se­run­gen bei Hartz-IV sinn­vol­ler. Auch die Forums­dis­kus­si­on ins­ge­samt war kon­tro­vers (Arbeits­an­rei­ze oder nicht, Men­schen­bild, …), wur­de aber gut mode­riert (Bea­te Mül­ler-Geme­cke) und blieb auf der sach­li­chen Ebe­ne. Inhalt­lich habe ich den Ein­druck, dass sich das vor­ge­schla­ge­ne Modell – trotz eini­ger Detail­schwä­chen – gut dazu eig­net, in eine neue grü­ne Grund­si­che­rungs­de­bat­te ein­zu­stei­gen. Und das wäre ja durch­aus auch schon was, über­wog doch bis­her der Ein­druck des Behar­rens auf dem angeb­lich machbaren.

Buchpräsentation 25 Jahre Grüne

Vor kur­zem ist das von mir zusam­men mit Frank Riepl (auch vom grü­nen Kreis­vor­stand) her­aus­ge­ge­be­ne Buch Erzähl­te Geschich­te: 25 Jah­re Grü­ne im Land­kreis Breis­gau-Hoch­schwarz­wald erschie­nen, am Mitt­woch haben wir es in einer net­ten Ver­an­stal­tung in Merz­hau­sen vor­ge­stellt, und heu­te berich­tet die Badi­sche Zei­tung dar­über (lei­der nur für Abon­nen­tIn­nen les­bar: Arti­kel und Foto).

Grüne: Mitmachwahlkampf eröffnet

Der Bun­des­vor­stand der Grü­nen hat inzwi­schen das lan­ge gut gehü­te­te Geheim­nis gelüf­tet, wie denn die Pla­kat­kam­pa­gne aus­se­hen soll. Das aus mei­ner Sicht ziem­lich gelun­ge­ne Ergeb­nis heißt „MACH MIT“. Die dort abge­bil­de­ten Fotos haben zwar kei­ne ganz neu­en The­men (kein Wun­der, so unter­schied­lich ist die poli­ti­sche Lage heu­te und vor drei Jah­ren ja auch nicht), sind aber inhalt­lich und optisch gelun­gen (klei­ner Wer­muts­trop­fen: ist die Ähn­lich­keit mit den Pseu­do­po­li­tik­pla­ka­ten der Ziga­ret­ten­mar­ke WEST wirk­lich gewollt?). Das posi­tiv über­ra­schen­de Neue: die gan­ze Kam­pa­gne setzt offen­siv auf brei­te Betei­li­gung: es geht nicht nur dar­um, grü­ne The­men gut zu fin­den und des­we­gen grün zu wäh­len; jedes Pla­kat ver­linkt auf http://www.gruene-aktion.de/. Das ist eine Mit­mach­sei­te, bei der es nicht nur mög­lich ist, zu spen­den oder seine/ihre Mei­nung zu sagen, son­dern auch, sich als Wahl­kämp­fe­rIn rekru­tie­ren zu lassen. 

Altes aus Xanga, Teil XI

Wed­nes­day, Octo­ber 22, 2003

Sammelfilmkritik

Huh, lei­der gar nicht so ein­fach, so ein Web­log aktu­ell zu hal­ten. Eigent­lich wür­de ich hier & jetzt ger­ne noch was über Wha­le Rider (Eth­no­öko­kitsch, gefiel mir eini­ger­ma­ßen gut), einen indi­schen Film namens Waves sowie über Herrn Leh­mann (Genau so waren die 80er Jah­re in Ber­lin, ich – Jahr­gang 1975 – bin mir da ganz sicher!) schrei­ben, kom­me aber gra­de nicht dazu. Also bemer­ke ich ein­fach nur, dass ich neu­lichs (ist auch schon wie­der fast zwei Wochen her) im Rah­men von body.city im fast men­schen­lee­ren Haus der Kul­tu­ren der Welt in Ber­lin Reason, Deba­te and a Sto­ry von Rit­wik Ghat­ak ange­schaut habe: ein ben­ga­li­scher Schwarz­weiss-Film aus dem Jahr 1974, mit ziem­lich ver­wa­ckel­ten eng­li­schen Unter­ti­teln. Body.city schreibt dazu: 

In sei­nem Film por­trä­tiert sich Ghat­ak selbst als den trin­ken­den und aus­ge­laug­ten Intel­lek­tu­el­len Neelkan­tha. Er unter­nimmt eine Art Schel­men­rei­se durch Ben­gal, um sich mit sei­ner von ihm getrennt leben­den Frau zu ver­söh­nen. Der Regis­seur flicht unter­schied­li­che Sti­le und Bil­der inein­an­der. Sei­ne Palet­te reicht von der vul­gä­ren Kalen­der­kunst über kit­schi­ge Lie­bes­fil­me und einen abs­trak­ten moder­nen Toten­tanz bis hin zum Lied­gut der Baul.

War­um ich das erwäh­ne? Weil – neben der inhalt­li­chen Ebe­ne – tat­säch­lich vor allem eini­ge Stil­ele­men­te span­nend waren: die hier „Toten­tanz“ genann­te abs­trak­ten Zwi­schen­blen­den, Groß­auf­nah­men, durch­cho­reo­gra­phier­te Ver­fol­gungs­jag­den und Schie­ße­rei­en im Wald, sowie in groß­for­ma­ti­ge Land­schafts­bil­der glei­ten­de Lie­bes­sze­nen. Ziem­lich viel davon lässt sich auch in neue­ren Bol­ly­wood-Fil­men fin­den. Und das fin­de ich durch­aus erwähnenswert.


Sun­day, July 13, 2003

Miscellaneous

Jede Men­ge Arbeit, des­we­gen wenig Zeit für Ein­trä­ge hier, zum Aus­gleich des­we­gen drei auf ein­mal: Die­ses Wochen­en­de habe ich in Karls­ru­he ver­bracht, und zwar vor allem des­we­gen, weil ich auf dem Linux­tag am Sams­tag den vom Netz­werk Neue Medi­en e.V. orga­ni­sier­ten Initia­ti­ven-Info­stand betreut habe, d.h. ca. 300 Leu­ten einen Fly­er mit kur­zen Tex­ten zu ver­schie­de­nen netz­po­li­ti­schen Initia­ti­ven in die Hand gedrückt, die eine oder ande­re Fra­ge beant­wor­tet und auch ein biß­chen dis­ku­tiert. War nett, und inter­es­sant, wie ver­schie­den die Reak­tio­nen des von Sun/IB­M/HP-Mit­ar­bei­te­rIn­nen bis hin zum klas­si­schen Geek-Coder rei­chen­den Publi­kums waren. Und ganz abge­se­hen davon war es ganz ein­drucks­voll, den Wirt­schafts­fak­tor „Open Source“ mal plas­tisch vor Augen zu sehen.

Da schon mal in Karls­ru­he, und da Angie auch Zeit hat­te, haben wir den Abend dann dazu genutzt, ins Kino zu gehen und uns VERSCHWENDE dei­ne JUGEND ange­schaut. 1980er Jah­re, vie­le Remi­ni­sze­nen an mei­ne jüngs­te Ver­gan­gen­heit (von den Eis­sor­ten bis zum Daten­trä­ger der Zukunft, der CD), eine schi­cke CGA-Pixel-Schrift für die Beschrif­tun­gen, net­te Musik, und eine bemit­lei­dens­wer­te, weil voll­kom­men über­for­der­te Haupt­fi­gur. Unter­hal­tung, bringt einen aber immer­hin dazu, noch­mal dar­über nach­zu­den­ken, was NDW denn jetzt eigent­lich wirk­lich war, wie­viel einem selbst davon mit 10 bis 15 Jah­ren bewusst gewe­sen und gewor­den ist, und wie Trends und Moden so funktionieren.

Karls­ru­he stand auch am Sonn­tag noch, da gab’s dann sci­ence + fic­tion im ZKM. Auch wenn der Name erst­mal ande­res ver­mu­ten lässt, geht’s bei sci­ence + fic­tion nur am Ran­de um Sci­ence Fic­tion, haupt­säch­lich aber um das Wech­sel­spiel zwi­schen Science/Wissenschaft auf der einen und Fiction/Kunst/Gesellschaft/Diskursivität auf der ande­ren Sei­te. Und das in einem ziem­lich span­nen­den Aus­stel­lungs­kon­zept, gespons­ort und ins Leben geru­fen von der Volks­wa­gen­stif­tung. Auf den ers­ten Blick sieht die Aus­stel­lung win­zig aus (vgl. Aus­tel­lungs­kon­zept): drei, vier grö­ße­re Instal­la­tio­nen, ein paar Vir­tri­nen, ein paar selt­sa­me oran­ge­ne For­men mit Tele­fon­mu­scheln dran. Aber trotz­dem waren zwei Stun­den fast zu knapp, um sich damit zu beschäf­ti­gen. Im Unter­ti­tel der Aus­stel­lun­gen geht’s um Nano­tech und kul­tu­rel­le Glo­ba­li­sie­rung – dazwi­schen lie­gen vor allem Neu­ro­wis­sen­schaf­ten, Ful­le­re­ne und die Zukunfts­for­schung. Beson­ders ein­drucks­voll fand ich eigent­lich fast alles, nen­nen möch­te ich die Wild­Card-Instal­la­ti­on von Dell­brüg­ge und de Moll, bei der auf gro­ßen her­aus­zieh­ba­ren Kar­ten State­ments von Künst­le­rIn­nen und Wis­sen­schaft­le­rIn­nen zu The­men der Zukunft ver­ar­bei­tet wur­den. Wis­sen­schaft und Kunst gehen hier flie­ßend inei­anan­der über. Der spie­geln­de Eth­no­ex­pe­di­ti­ons­bus von Chris­toph Kel­ler war mir dage­gen etwas zu sophisti­ca­ted begrün­det, Lacan muss nicht sein. Die flie­ßen­den Über­gän­ge zwi­schen Kunst und Wis­sen­schaft waren auch sehr schön zu sehen in der Wand­pro­jek­ti­on von hand­schrift­li­chen Skiz­zen und Noti­zen zu wis­sen­schaft­li­chen und künst­le­ri­schen Pro­jek­ten. Wäre eine eige­ne Arbeit wert, sich damit zu beschäf­ti­gen! Rund­her­um Vitri­nen – pla­ka­ti­ves Aus­stel­lungs­stück oben in der Vitri­ne, z.B. Joda aus Star Wars oder auch ein ein­ge­leg­tes Gehirn – aus dem Vitri­nen­schrank raus­zieh­bar dann span­nen­de Erläu­te­rungs­schub­la­den. Net­tes Inter­face! Was gibt’s noch: zum Bei­spiel die Links und Essays zum theo­re­ti­schen Hin­ter­grund der Aus­stel­lung. Hat mir gefal­len, schö­nes Kon­zept, und auch die Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Wis­sen­schaft und gesell­schaft­li­chen Dis­kur­sen (ob Sci­ence Fic­tion, Kunst oder Feul­lie­ton) sind etwas, was ich sicher­lich wei­ter im Auge behal­ten wer­de. Die Aus­stel­lung sci­ence + fic­tion läuft noch bis zum 17.08. in Karls­ru­he und wan­dert dann weiter. 

Und Bücher gibt’s übri­gens auch zu sci­ence + fic­tion: den Aus­stel­lungs­ka­ta­log mit Inter­views mit den betei­lig­ten Künst­le­rIn­nen, und die Essays.

P.S.: Und ganz zum Schluss noch der Hin­weis auf einen kwei­te­ren kürz­lich ange­se­he­nen Film: Bollywood/Hollywood von Deepa Meh­ta wer­den Kli­schees aus indi­schem und ame­ri­ka­ni­schem Film gut durch­mixt und gera­ten zu mei­ner Mei­nung nach sehr humor­voll gewor­de­nen Mischung, die aber wahr­schein­lich nicht bei jeder und jedem auf Anklang stößt. Jeden­falls gab’s eini­ge schlech­te Kri­ti­ken, von wegen ein­falls­los etc. – ich hab eher Selbst­iro­nie und ein ziem­lich gelun­ge­nes Spiel mit Ste­reo­ty­pen gefun­den, das zu einem sicher­lich über­dreh­ten, für Som­mer­näch­te aber wun­der­voll geeig­ne­ten Film gewor­den ist.


Tues­day, June 17, 2003

Google-Kunst

Goog­le hat sei­ne Logo zur Abwechs­lung mal im Stil von MC Escher gestal­tet – und ver­linkt auf die Bil­der­su­che, die allen Copy­right­fra­gen zum trotz recht erfolg­reich ist.

> escher.gif (GIF-Gra­fik, 276x110 Pixel)

> Bil­der­su­che


Tues­day, June 10, 2003

Menschen zu Pixeln?

In Bar­ce­lo­na foto­gra­fiert Spen­cer Tunick 7.000 nack­te Men­schen auf öffent­li­chen Plät­zen (sie­he Spie­gel-Arti­kel unten). Aller­dings fra­ge ich mich, ob das gan­ze nicht viel­leicht noch ein Stück ein­drucks­vol­ler gewe­sen wäre, wenn – dank Com­pu­ter­un­ter­stüt­zung ist sowas heu­te ja rela­tiv ein­fach mög­lich – nicht amor­phe Men­schen­men­gen foto­gra­fiert wor­den wären, son­dern Bil­der? 7000 Leu­te sind recht­eckig ange­ord­net immer­hin 70 x 100 Pixel, und wenn Han­dy­dis­plays mit sowas klar­kom­men, war­um dann nicht auch Künst­ler? Auf die­sem Pixel­ras­ter hät­ten dann mit Haut- bzw. Haar­far­be Figu­ren ange­ord­net wer­den kön­nen – z.B. die Wör­ter LOVE und HATE. Oder viel­leicht sogar (hier wür­de es schon etwas kniff­li­ger) Grau­stu­fen­bil­der. Men­schen zu Pixeln? 

> Foto­kunst: „Bar­ce­lo­na legt die Klei­der ab“ – Pan­ora­ma – SPIEGEL ONLINE


Sun­day, May 25, 2003

Matrix zwei

Einer der im in der letz­ten Zeit im Vor­feld sicher­lich mit am meis­ten gehyp­te Film ist sicher­lich der zwei­te Teil der Matrix-Tri­lo­gie, Matrix Rel­oa­ded. Und eigent­lich macht es fast kei­nen Sinn, noch eine wei­te­re Bespre­chung dazu zu schrei­ben, weil so gut wie jede Kul­tur­sei­te jeder Zei­tung das schon getan hat. Sich den all­ge­mein doch eher zwie­späl­tig aus­ge­fal­le­nen Bewer­tun­gen anzu­schlie­ßen, fällt nicht schwer: guter Action­film, aber dafür zu viel Phi­lo­so­phie, schlech­te Fort­set­zung, selt­sa­me Wen­dung, eigent­lich nur eine Masche, um Video­spie­le und Mer­chan­di­se zu ver­kau­fen. Usw. usf.

Des­we­gen hier nur ein paar höchst sub­jek­tiv gefärb­te Ein­drü­cke aus der Dop­pel­vor­stel­lung Matrix + Matrix Rel­oa­ded im Fried­richs­bau. Vol­les Haus, gute Stim­mung, bei Matrix eins waren mir eini­ge der grau­sa­me­ren Sze­nen gar nicht mehr in Erin­ne­rung gewe­sen. Dafür fällt mir jetzt auch der poten­ti­ell sys­tem­kri­ti­sche Cha­rak­ter auf: der Film lässt sich nicht nur radi­kal­kon­struk­ti­vis­tisch als Meta­pher auf unse­re ein­ge­schränk­te Wahr­neh­mung der Wirk­lich­keit lesen, son­dern auch sozi­al­kon­struk­ti­vis­tisch als Meta­pher auf den unsicht­ba­ren Käfig aus Nor­men und Insti­tu­tio­nen, den wir nicht wahr­neh­men kön­nen, weil wir dar­in auf­ge­wach­sen sind.

Der Film endet, kur­ze Pau­se, die Mög­lich­keit, noch mal etwas fri­sche Luft zu schnap­pen. Drau­ßen sieht alles unwirk­lich aus, die visu­el­le und musi­ka­li­sche Geschwin­dig­keit des Films steckt einem in den Glie­dern. Dann Teil II: Der Vor­spann sieht pro­fes­sio­nel­ler, glat­ter aus, damit aber auch weni­ger authen­tisch. In den letz­ten paar Jah­ren schei­nen Com­pu­ter­buch­sta­ben gro­ße Fort­schrit­te gemacht zu haben. Scha­de eigent­lich. Die Unix-Befeh­le sind aber dafür gleich geblie­ben. Unklar­heit dar­über, wann in der Hand­lungs­zeit Teil II ein­setzt. Wochen oder Jah­re nach dem ers­ten Teil? Aus den rebel­li­schen Out­cast-Cyber­punks sind jeden­falls kaum noch rebel­li­sche (oder wenn, dann in dem Sin­ne, in dem sich Cpt. Picard der ers­ten Direk­ti­ve wider­setzt) Tei­le der Star­fleet, par­don, Zion-Flot­te gewor­den. Sol­da­ten, ein­ge­bun­den in die Chain of Com­mand. Die Nebu­kad­ne­zar ist nur eines von vie­len Schif­fen (war das nicht ursprüng­lich mal ein Hover­craft, sehen Hover­crafts nicht eigent­lich ganz anders aus?). Die optisch ein­drucks­volls­te Sze­ne: eine sehr rea­lis­ti­sche Dar­stel­lung der Matrix, par­don, des visua­li­sier­ten, imersi­ven Cyber­space a la Gib­son ist die „Gate Vir­tu­al Ope­ra­tor“; im weiß der Zukunfts­vi­si­on aus 2001 wer­den per inter­ak­ti­ver imersi­ver Group­ware Lan­de­plä­ne wie Bau­klöt­ze ver­scho­ben. Der Büro­ar­beits­platz der Zukunft?

Wir sind in Zion ange­kom­men: was alles in eine stark auf Tech­nik basie­ren­de unter­ir­di­sche Stadt rein passt, ist schon erstaun­lich. Die Geo­me­trie bleibt unklar und der Ster­nen­him­mel besteht aus Schein­wer­fern. Abge­se­hen von der God-is-a-DJ-Anspra­che von Mor­pheus gefällt die sich anschlie­ßen­de Tanz-und-Sex­ein­la­ge durch­aus. Ob es Absicht ist, jeweils so irgend­wo im ers­ten Drit­tel der Fil­me aktu­el­le Musik unter­zu­brin­gen? An der Stel­le lässt sich viel­leicht auch anmer­ken, dass das Pro­dukt­pla­ce­ment lei­der auch dazu geführt hat, das klas­sisch-stil­bil­den­de Nokia in schwarz durch irgend­wel­chen Out­door­han­dys zu ersetzen.

Lie­bes­ge­schich­ten­kitsch, Der-auf­rich­ti­ge-wah­re-Über­zeug­te-setzt-sich-poli­tisch-durch-Kitsch, zurück in die Matrix. Neo-ist-Super­man-Kitsch (aber erst nach der Prü­ge­lei), mit Dank an den Comic­ver­lag im Abspann. Eigent­lich könn­ten Tri­ni­ty und Neo in dem Film auch gleich­star­ke Figu­ren ver­kör­pern; sym­me­trisch genug ange­legt (Wie­der­be­le­bung!) ist die Rol­le ja. Aber sie bleibt sein Side­kick, der wah­re ech­te Aus­er­wähl­te ist er. Oder dann doch nicht.

Die zwei­te ein­drucks­voll in Erin­ne­rung geblie­be­ne Sze­ne ist nicht die Auto­ver­fol­gungs­jagd (wie­so soviel Phy­sik in einem Com­pu­ter­sys­tem?), son­dern die Begeg­nung zwi­schen Neo und dem Archi­tek­ten: zwei pro­gam­ma­ti­sche Agen­ten tref­fen sich, und – die ein­zig gro­ße Leis­tung des Fil­mes – alles, was wir über Neo wuss­ten, ver­än­dert sei­ne Bedeu­tung. Out­cast, Hacker, Ret­ter der Mensch­heit? Von wegen – das Sys­tem denkt in grö­ße­ren Zusam­men­hän­gen und Zeit­ein­hei­ten und schafft sich regel­mä­ßig sei­ne eige­ne Oppo­si­ti­on, um den aus hygie­nisch-mathe­ma­ti­schen Grün­den not­wen­di­gen Reboot ein­zu­lei­ten, samt Keim­zel­le für die nächs­te Revo­lu­ti­on. Uner­find­li­cher­wei­se kom­men gewis­se hor­mo­nel­le Ungleich­ge­wichts­zu­stän­de dazwi­schen, und der Zuschau­er bleibt bis in den Herbst allei­ne mit der Fra­ge, ob dass den nun wirk­lich die rich­ti­ge Tür gewe­sen ist.

Pro­gno­sen für Matrix III: Wenn’s schlecht läuft, noch mehr Akti­on, noch weni­ger Sinn hin­ter den Phi­lo­so­phie­lek­tio­nen, ein wun­der­sa­mer Wan­del des Musik­stils fürs ers­te Drit­tel und ein Mensch und Mensch gewor­de­ne Maschi­ne (Smith als Virus) beglü­cken­des Hap­py End. Oder noch schlim­mer: alles nur ein böser Traum oder (eXis­tenz) nur ein Com­pu­ter­spiel. Wenn’s gut läuft, kommt in der Syn­the­se alles anders, Cybor­gi­sie­rung, Macht­kämp­fe in der Matrix und Macht­kämp­fe in Zion, die zu neu­en Alli­an­zen füh­ren. Die Ent­schei­dun­gen sind längst gefallen.