Kurz: Reisewarnung

Allein schon aus Kli­ma­grün­den ist für mich klar, dass ich nicht zu Kon­fe­ren­zen in den USA oder in Aus­tra­li­en rei­se. Des­we­gen war ich so froh, dass die Sci­ence-Fic­tion-World­con letz­tes Jahr im gut erreich­ba­ren Glas­gow statt­fand. An der World­con die­ses Jahr in Seat­tle wer­de ich dem­entspre­chend nicht teil­neh­men (jeden­falls nicht vor Ort, ob ich eine vir­tu­el­le Teil­nah­me sinn­voll fin­de, muss ich mal noch sehen).

Zu den Kli­ma­grün­den ist mit dem Trump-Musk-Regime ein wei­te­rer Grund dazu gekom­men. Es häu­fen sich Berich­te über ver­wei­ger­te Ein­rei­sen (zuletzt: ein fran­zö­si­scher Wis­sen­schaft­ler, der in pri­va­ten Chats Kri­tik an Trump geübt hat­te) und Abschie­be­haft (u.a. Tourist*innen aus Deutsch­land, aus Kana­da, aus Groß­bri­tan­ni­en, die wegen kleins­ter Feh­ler in Abschie­be­la­gern lan­de­ten). Das Aus­wär­ti­ge Amt warnt in rela­tiv har­ten Wor­ten nicht nur vor Kri­mi­na­li­tät und gras­sie­ren­den Krank­hei­ten wie der Vogel­grip­pe, son­dern weist auch dar­auf hin, dass Geschlechts­iden­ti­tä­ten nicht aner­kannt wer­den, Mobil­te­le­fo­ne durch­sucht und die Ein­rei­se jeder­zeit ver­wei­gert wer­den kann. 

Ent­spre­chend stellt sich die Fra­ge, ob es über­haupt noch ange­mes­sen ist, in die­sen Zei­ten gro­ße Kon­fe­ren­zen in den USA statt­fin­den zu las­sen. Die Vor­sit­zen­de der Seat­tle World­con hat jetzt ein State­ment ver­öf­fent­licht, in dem zwar einer­seits Ver­ständ­nis dafür geäu­ßert wird, dass die aktu­el­len Bedin­gun­gen dazu füh­ren kön­nen, dass indi­vi­du­el­le Rei­se­ent­schei­dun­gen nach Seat­tle nega­tiv aus­fal­len. „The situa­ti­on ist frig­thening.“ Ander­seits soll die World­con aber wei­ter statt­fin­den – „becau­se it is even more important than ever to gather with tho­se who are able to do so to dis­cuss our the­me and cele­bra­te the power of SFF to ima­gi­ne dif­fe­rent socie­ties.“ Und zwi­schen den Zei­len scheint durch, wie macht­los es sich anfühlt, gut gemeint auf „safe spaces“ und Ver­pflich­tung zu Diver­si­ty zu set­zen, wäh­rend außen her­um die Welt zusammenbricht.

Ich kann das zwar nach­voll­zie­hen, schließ­lich ist eine Kon­fe­renz mit ein paar tau­send Teil­neh­men­den nichts, was mal so eben abge­sagt oder vir­tua­li­siert wer­den kann, auch aus finan­zi­el­ler Per­spek­ti­ve. Ich bin aber gespannt, wie sich die Lage auf die Teil­nah­me von Men­schen außer­halb der USA aus­wirkt. Und eigent­lich wäre eine Absa­ge – oder eine Ver­la­ge­rung ins Aus­land – das sehr viel stär­ke­re Zei­chen gewe­sen in einer Zeit, in der die rea­le Poli­tik SF-Dys­to­pien rechts überholt.

Überlegungen zur Hugo-Nominierungsphase

ALs Teil­neh­mer der World­con 2024 bin ich, wenn ich das rich­tig sehe, vor­schlags­be­rech­tigt für den Hugo, auch wenn ich nicht zur dies­jäh­ri­gen World­con nach Seat­tle fah­re. In rela­tiv vie­len Kate­go­rien* kann ich nicht wirk­lich etwas vor­schla­gen, weil ich mich da ein­fach nicht beson­ders gut aus­ken­ne (Kurz­ge­schich­ten etwa, oder „best edi­tor“). Bei den Roma­nen und Novel­len hät­te ich dage­gen die eine oder ande­re Idee. Nomi­nie­run­gen müs­sen bis 14.3. ein­ge­reicht werden.

Wenn ich mir die rund 20 Bücher so anschaue, die 2024 erschie­nen sind und die ich gele­sen habe, fän­de ich fol­gen­de award-wür­dig (müss­te aber noch­mal schau­en, wie es län­gen­mä­ßig aus­schaut). Und ein paar weni­ge Ideen für ande­re Kate­go­rien habe ich auch. Kommentare?

„Über­le­gun­gen zur Hugo-Nomi­nie­rungs­pha­se“ weiterlesen

Science Fiction und Fantasy im Februar 2025

Dry seeds

Auch im Febru­ar (der ja nun eh schon ein kur­zer Monat ist) bin ich auf­grund diver­ser äuße­rer Ereig­nis­se weni­ger zum Lesen / Medi­en­kon­sum gekom­men als sonst. Im Stream ange­schaut habe ich mir genau zwei Fil­me: Ers­tens Atlas (Net­flix, 2024). Der hat extrem schlech­te Kri­ti­ken bekom­men, ich fand ihn trotz­dem – beim Aus­blen­den der einen oder ande­ren Glaub­wür­dig­keits­lü­cke – ganz unter­halt­sam. Das Set­ting ist ein zeit­ge­nös­sisch bekann­tes: in Robo­ter und Haus­halts­ge­rä­te ein­ge­bau­te künst­li­che Intel­li­gen­zen haben die grö­ße­re Tei­le der Mensch­heit umge­bracht, deren Andro­iden-Anfüh­rer konn­te flie­hen. Ein paar Jahr­zehn­te spä­ter ist ihm eine Eli­te­ein­heit der ver­ei­nig­ten irdi­schen Natio­nen auf den Spu­ren – und wür­de völ­lig schei­tern, wenn nicht Atlas dabei wäre, deren Mut­ter an einem bidi­rek­tio­na­len Neu­ro­link zwi­schen Andro­iden und Men­schen geforscht hat­te, und für die der Andro­iden­ter­ro­rist lan­ge wie ein Bru­der war. Heu­te ist Atlas sozio­phob, extrem intel­li­gent, und wild ent­schlos­sen, Rache zu neh­men. Dass ein Film mit die­ser Prä­mis­se dann vor allem a. von Par­ti­sa­nen­kämp­fen auf einem außer­ir­di­schen Pla­ne­ten (in der Andro­me­da-Gala­xis) und b. von dem lang­sa­men Auf­bau von Ver­trau­en zwi­schen Atlas und der auto­no­men Mech-Kampf-Ein­heit, auf die sie sich wider Wil­len ver­las­sen muss, han­delt, kommt etwas über­ra­schend. Wie gesagt: ich fand ihn – beim Her­un­ter­dre­hen des einen oder ande­ren Anspruchs – recht unterhaltsam. 

Zwei­tens habe ich Jer­ry Sein­fields Unfros­ted (Net­flix, 2024) ange­schaut. Das ist jetzt im eigent­li­chen Sin­ne kei­ne Fan­ta­sy, son­dern eine Mischung aus völ­lig über­dreh­ter Komö­die und Doku­men­tar­film über die Kämp­fe zwi­schen kon­kur­rie­ren­den Cera­li­en-Her­stel­lern in den 1960ern. Alles sehr hübsch im Mid-cen­tu­ry-Design, völ­lig über­dreht, und ja – ich fand’s ganz amü­sant. Mag aber auch an den Zei­ten liegen.

Gele­sen habe ich pas­send zur Wahl zum einen das Par­tei­pro­gramm der Aus­ser­ir­di­schen Inva­so­ren Par­tei Deutsch­lands (AIPD) (Teil der ZOXFR Corp.) unter dem Titel Frei­heit durch Unter­wer­fung (2023). Aus­ge­dacht hat sich das Ruben A. Fischer. Das Par­tei­pro­gramm kommt aller­dings nicht ganz an die her­vor­ra­gen­den Pla­ka­te her­an, die zur Wahl wohl in eini­gen Städ­ten zu sehen waren, son­dern trägt manch­mal etwas zu dick auf. Trotz­dem bleibt die bit­te­re Erkennt­nis: wahr­schein­lich hät­te eine real exis­tie­ren­de Par­tei, die auf frei­wil­li­ge Unter­wer­fung durch außer­ir­di­sche Inva­so­ren setzt, durch­aus Chan­cen, Pro­zen­te abzusahnen.

Eben­falls irgend­wie was mit der Wahl zu tun hat Ronald M. Hahns Social­de­mo­kra­ten auf dem Mon­de (1998), auf das ich gesto­ßen bin, weil es im Face­book-Feed des SFCD erwähnt wur­de. Das Buch – eher eine Novel­le als ein Roman, erstaun­lich, wie dünn SF&F‑Bücher mal waren – schreibt im sati­risch über­spit­zen, aber kaum gebro­che­nen, Stil der wil­hel­mi­ni­schen Zeit von der Mond­fahrt des Gra­fen Revent­low, der 1920 den Mond dem Deut­schen Kai­ser­reich über­eig­nen möch­te, bevor Sozialdemokrat*innen – oder schlim­mer noch: Kommunist*innen – ihn in die Hän­de bekom­men. Der Unter­ti­tel „Eine Welt­raum-Cla­mot­te“ ist lei­der unbe­dingt ernst zu neh­men, den gut geal­tert ist die­ses Büch­lein nicht, egal wie wild und aben­teur­lich der von social­de­mo­kra­ti­schen „Wil­den“ besie­del­te Mond und die Akteu­re aus ver­schie­de­nen irdi­schen Mäch­ten, die sich dort begeg­nen, auch gezeich­net sein mögen. Ein­zi­ger Licht­blick: der eine oder ande­re Insi­der-Witz zur SF-Geschichte. 

Sehr inter­es­sant fand ich es, zwei Bücher von Chris­to­pher Brown direkt hin­ter­ein­an­der zu lesen. Das eine ist sein SF-Thril­ler Rule of Cap­tu­re (2019), das ande­re das Sach­buch A Natu­ral Histo­ry of Emp­ty Lots (2024), in dem Brown uns in die Über­gangs­zo­nen zwi­schen Stadt und Natur im texa­ni­schen Aus­tin mit­nimmt, über zer­fal­len­de Infra­struk­tur, Wild­nis, die sich in Right-of-Way-Kor­ri­do­ren ansie­delt und Schlan­gen, die sich auf dem Weg zwi­schen Wohn­zim­mer und Schlaf­zim­mer son­nen, schreibt. Es geht hier also um oft über­se­he­ne Orte in der Stadt, die Zwi­schen­räu­me, in denen Men­schen, wenn sie genau hin­schau­en, Füch­sen, Kojo­ten, Wasch­bä­ren etc. begeg­nen, und die nur auf den ers­ten Blick wie brach­lie­gen­de Müll­ab­la­ge­run­gen aus­se­hen. Das alles ver­wo­ben mit bio­gra­fi­schen Bli­cken auf sei­nen Umzug nach Aus­tin, das Plat­zen der Dot-Com-Bla­se und die unter­schied­li­chen Wel­ten, die Brown als Rechts­an­walt dabei so ken­nen­ge­lernt hat. – All das fin­det sich als Hin­ter­grund und Set­ting in Cap­tu­re wie­der. Die­ser Roman spielt in den USA einer nahen Zukunft, gezeich­net von der Kli­ma­ka­ta­stro­phe, einem ver­lo­re­nen Krieg und den damit ver­bun­de­nen inter­nen Flucht­be­we­gun­gen. Im Set­ting des Romans ist es kurz nach einer Wahl, die ange­foch­ten wird – und die dar­über ent­schei­det, ob ein faschis­tisch gezeich­ne­ter Macht­ha­ber Prä­si­dent wird und sich durch­setzt, oder nicht. Der Prot­ago­nist, Don­ny Kimoe, ist ein ver­arm­ter und depres­si­ver Pflicht­ver­tei­di­ger, der ver­sucht, noch irgend­et­was für die angeb­li­chen „Ökoterrorist*innen“ her­aus­zu­ho­len, die er ver­tei­digt – auf recht­li­chem Weg, manch­mal aber auch außer­halb der dafür eigent­lich vor­ge­se­he­nen Wege. Nicht immer mit Erfolg. Nach und nach deckt er dabei auf, wel­che finstren Machen­schaf­ten hin­ter dem neu­en Regime ste­hen, und was die­se für Plä­ne ver­fol­gen. Span­nend und gut geschrie­ben – und lei­der an der einen oder ande­ren Stel­le heu­te aktu­el­ler als es 2019 vor­stell­bar war. 

Der klei­ne Sam­mel­band A Quiet After­noon (2020), her­aus­ge­ge­ben von Lia­ne Tsui und Grace Sey­bold ver­spricht das genaue Gegen­teil, und erfüllt die­ses Ver­spre­chen auch. Hier geht es um „low-fi spe­cu­la­ti­ve fic­tion“, gemeint sind damit Geschich­ten, die in einem Fan­ta­sy- oder SF-Set­ting ste­cken, aber ohne gro­ße Held*innen, welt­be­we­gen­de Ent­de­ckun­gen oder apo­ka­lyp­ti­sche Ver­schwö­run­gen aus­kom­men. In den Geschich­ten in die­ser Antho­lo­gie pas­siert durch­aus etwas, lang­wei­lig sind sie nicht – aber eben im klei­ne­ren Maß­stab, und mit freund­li­che­rem Ant­liz. Ob ich das unter Hope Punk ein­sor­tie­ren wür­de, weiß ich nicht. Aber als Aus­gleich zur Welt­la­ge habe ich A Quiet After­noon ger­ne gelesen.

Elia­ne Boey schreibt in Club Con­tan­go (2024) so eine Art Cyber­punk – nur das die Prot­ago­nis­tin Con­nie Lam eine allein­er­zie­hen­de, zu Selbst­zwei­fel nei­gen­de Mut­ter ist, die in den halb­welt­li­chen Zwi­schen­räu­men der hyper­ka­pi­ta­lis­ti­schen Aste­ro­iden­stadt Free­port am Ende des 21. Jahr­hun­derts ver­sucht, ihr Kind zu ver­sor­gen und nicht auf die von der Kli­ma­ka­ta­stro­phe gezeich­ne­te Erde depor­tiert zu wer­den. Ihre Ver­gan­gen­heit mit Finanz­spe­ku­la­tio­nen und AI-Pror­gam­men holt sie in mehr­fa­cher Hin­sicht ein, und vor dem Hin­ter­grund von Jazz und ande­ren wie­der in Mode gekom­me­nen Sti­len der Ver­gan­gen­heit spitzt sich die Sache zu. Über allem schwebt die Fra­ge, wer die/der geheim­nis­vol­le Chan­ce ist, die/der immer wie­der eingreift. 

Dann habe ich noch den sehr umfang­rei­chen Fan­ta­sy-Roman Mor­dew (2020) von Alex Phe­by gele­sen. Wenn man so möch­te, eine sehr düs­te­re Coming-of-Age-Geschich­te in einer Welt, die viel­leicht in der Zukunft unse­rer liegt, und in der der jun­ge Nathan Tree­ves am Anfang in einem Slum mit leben­den Schlamm, aus dem immer wie­der Chi­mä­ren her­vor­krie­chen, vege­tiert – dann Teil einer klein­kri­mi­nel­len Ban­de wird – und schließ­lich sei­ne töd­li­chen magi­schen Fähig­kei­ten ent­deckt. Düs­ter, weil die­se gan­ze Welt – detail­liert dar­ge­stellt – von Hoff­nungs­lo­sig­keit gezeich­net ist, und Nathan eigent­lich nicht so recht weiß. wie ihm geschieht – bis zum bit­te­ren Ende. Fan­ta­sie­voll und inter­es­sant, aber eigent­lich will ich nicht noch mehr über die­se Welt wis­sen. Den zwei­ten und drit­ten Band habe ich ent­spre­chend bis­her nicht auf mei­nen Lese­sta­pel gelegt.

Apro­pos Lese­sta­pel: ange­sto­ßen durch die Ankün­di­gung, dass Ama­zon den Down­load von Titeln vom Kind­le sper­ren wird, habe ich mich näher mit Calib­re befasst und über­le­ge jetzt, ob es viel­leicht doch brauch­ba­re E‑Book-Rea­der-Alter­na­ti­ven gibt, die dazu bei­tra­gen, das Ama­zon-Öko­sys­tem zu verlassen. 

Science Fiction und Fantasy im Januar 2025

Südbaden clouds

Die diver­sen Strea­ming-Abos hät­te ich mir im Janu­ar auch spa­ren kön­nen. Ange­schaut habe ich genau zwei Fil­me – zum einen, auf Drän­gen eini­ger Fami­li­en­mit­glie­der, ein Rewatch von Har­ry Pot­ter and the Goblet of Fire (von DVD), zum ande­ren mit viel gespann­ter Erwar­tung Sec­tion 31 (Para­mount+). Die­ser als Star-Trek-Spin­off ange­kün­dig­te Film war dann vor allem ent­täu­schend und wirk­te – selbst mit den Links zum eh schon action­las­to­gen ST: Dis­co­very – wie eine schlech­te Mischung aus Cow­boy Bebop , Guar­di­ans of the Gala­xy und Star Wars.

Die Ori­gin-Sto­ry der in unser Uni­ver­sum geflo­he­nen ter­res­tri­schen Impe­ra­to­rin mach­te deren Han­deln auch nicht plau­si­bler, der Geheim­auf­trag – Sec­tion 31 ist der Geheim­dienst der Star­fleet, ähn­lich Spe­cial Cir­cum­s­tances in Banks Cul­tu­re-Roma­nen – hat­te nur eine gerin­ge Plau­si­bi­li­tät, das Prot­ago­nis­ten-Team war eher humo­ris­tisch zusam­men­ge­stellt, deren Moti­va­ti­on unklar. Zeit und Raum (schnell, drin­gend, …, Tage in unter­ir­di­schen Höh­len­sys­te­men ganz woan­ders) ver­lo­ren an Bedeu­tung. Dass eine Pha­sen­ver­schie­bung auf Quan­ten­ebe­ne zwar das Durch­drin­gen von Wän­den und Kör­pern, nicht jedoch des Bodens der Raum­sta­ti­om mit sich brach­te, war dann auch nicht mehr als ein wei­te­res unlo­gi­sches Ele­ment in einer lang­wei­len­den Anein­an­der­rei­hung unlo­gi­scher Ele­men­te. Kurz: kei­ne Emp­feh­lung, jeden­falls nicht für Men­schen, die Star Trek mögen.

Gele­sen habe ich im Janu­ar, war­um auch immer sich das so erge­ben hat, vor allem Fan­ta­sy. Welt­flucht­po­ten­zi­al, möglicherweise.

Eine Aus­nah­me stellt in gewis­ser Wei­se John Dodds Oce­an of Stars (2022) dar, inso­fern der Roman in der Zukunft spielt, der Mars (und Pla­ne­ten fer­ner Ster­ne) besie­delt ist und die Prot­ago­nis­tin Cata­ri­na Solo­vi­as auf einem Raum­schiff anheu­ert – das aller­dings, soviel sei ver­ra­ten, schon kurz dar­auf von einem Pira­ten­schiff gerammt wird, mit gehiss­ten Son­nen­se­geln, Tech­no­lo­gie, die von Magie kaum zu unter­schei­den ist und kar­gen Mahl­zei­ten in der Kom­bü­se. Sag­te ich schon, dass dann auch noch Zeit­bla­sen und See­unge­heu­er Welt­raum­mons­ter gigan­ti­schen Aus­mas­ses auf­tau­chen? Dodd gelingt es, die­se wil­de Mischung plau­si­bel erschei­nen zu las­sen, und uns mit Cata­ri­na mit­fie­bern zu las­sen. Wür­de ver­mut­lich auch als Doc­tor-Who-Fol­ge funk­tio­nie­ren, wenn ich so drü­ber nachdenke.

Und auch die Kurz­ge­schich­ten­samm­lung Jamai­ca Gin­ger and Other Con­coc­tions (2024) von Nalo Hop­kin­son ent­hält neben magi­schem Rea­lis­mus mit kari­bi­schem Ein­schlag die eine oder ande­re Geschich­te, die eher unter SF (oder zumin­dest Steam­punk) ein­zu­sor­tie­ren wäre. Auf die Samm­lung bin ich durch ein Inter­view in Clar­kes­world auf­merk­sam gewor­den. Wie bei Kurz­ge­schich­ten­samm­lun­gen üblich, ist es schwie­rig, über­grei­fend etwas dazu zu sagen, ohne auf ein­zel­ne Geschich­ten ein­zu­ge­hen. Jeden­falls: fan­tas­tisch geschrie­ben, und mit einer Per­spek­ti­ve, die auf jeden Fall inter­es­sant ist. 

Damit zur Fan­ta­sy i.e.S. Von T. King­fi­sher (Ursu­la Ver­non) habe ich end­lich mal deren mit dem Hugo 2024 prä­mier­te Novel­le Thorn­hedge gele­sen. Hät­te ich mal frü­her tun sol­len, den die Novel­le war dann deut­lich bes­ser als das men­ta­le Bild („Neu­er­zäh­lung von Dorn­rös­chen“), das ich mir davon gemacht hat­te. Erzählt wird die Geschich­te aus der Per­spek­ti­ve der – bösen? – Fee. King­fi­sher geht nicht nur der Fra­ge nach, wie­so da plötz­lich eine Fee bei der Tau­fe der Königs­toch­ter auf­taucht (Fairy ist nicht weit) – und dann über Jahr­hun­der­te beim ver­wun­schen Schloss samt Dor­nen­he­cke bleibt, son­dern fin­den auch einen Weg, plau­si­bel zu machen, dass der ewi­ge Schlaf eine Hel­den­tat ist. Und dann taucht nach Jahr­zehn­ten der Ein­sam­keit ein wacke­rer Prinz auf, gekom­men, die Prin­zes­sin zu befrei­en. Die Fee (deren größ­ter Zau­ber ist, sich in eine Krö­te ver­wan­deln zu kön­nen), steht damit vor einer Her­aus­for­de­rung. Denn sie muss ver­hin­dern, dass der Prinz sei­nen Plan in die Tat umsetzt. Das wird recht lesens­wert beschrieben.

Im Anschluss habe ich Nett­le & Bone (2022, eben­falls von T. King­fi­sher), gele­sen. Der Titel der deut­schen Über­set­zung („Wie man einen Prin­zen tötet“), nimmt eines der Moti­ve des Romans vor­weg. Mar­ra ist die jüngs­te von drei Schwes­tern, Prin­zes­sin in einem klei­nen König­reich. Ganz real­po­li­tisch wird die ältes­te Schwes­ter mit dem Prin­zen des gro­ßen König­reichs im Nor­den ver­hei­ra­tet. Sie stirbt, der Prinz hei­ra­tet die mitt­le­re Schwes­ter. Mar­ra lan­det in einem Klos­ter, lernt Sti­cke­rei, Weben, mis­tet den Stall aus, unter­stützt die Schwes­ter Apo­the­ke­rin – und erfährt von dem Leid und der Miss­hand­lung ihrer Schwes­ter am nörd­li­chen Königs­hof. In ihr reift der Vor­satz, den Prin­zen zu töten. Sie sucht ein Dust-Wife, eine Art Hexe, auf, bit­tet die­se um Hil­fe, muss unmög­li­che Auf­ga­ben erle­di­gen – und ab hier nimmt das Aben­teu­er dann Fahrt auf. Trotz des mär­chen­haf­ten Set­tings spart King­fi­sher die Rea­li­tä­ten von Hei­rats­po­li­tik, Dynas­tik und Bünd­nis­sen – und Armut – nicht aus, son­dern guckt durch Mar­ras manch­mal nai­ven, manch­mal von Selbst­zwei­feln geplag­ten, aber immer empa­thi­schen Blick auf die Din­ge. Hat mir gut gefal­len, und ja – „bru­tal und com­pas­sio­na­te“ trifft es ganz gut.

Auch bei Peter S. Bea­gle geht es bei I’m Afraid You’­ve Got Dra­gons (2024) – der Bea­gle von „Das letz­te Ein­horn“ – um eine Prin­zes­sin. Größ­ten­teils fol­gen wir aller­dings Robert Thrax, dem Dra­chen­be­kämp­fer (as in: Unge­zie­fer­be­kämp­fung). Denn Dra­chen sit­zen hier in alten Gemäu­ern, es gibt gro­ße und klei­ne, und über­haupt: sind sie eine Pla­ge. Die Dra­chen­be­kämp­fung hat Robert von sei­nem ver­stor­be­nen Vater über­nom­men, macht das her­vor­ra­gend – dafür gibt es Grün­de – nur: eigent­lich wür­de er lie­ber kei­ne Dra­chen töten. Prin­zes­sin Ceri­se flieht vor den um ihre Hand anhal­ten­den Prin­zen in den Wald, übt Lesen und Schrei­ben. Und dann gibt es da noch den Thron­fol­ger des gro­ßen Nach­bar­lan­des, von prin­zen­haf­ter Gestalt, mit prin­zen­haf­ten Manie­ren, auf der Suche nach einem Aben­teu­er. Ein gro­ßer Held, so scheint es jeden­falls, auch wenn sein Vater unzu­frie­den mit dem Aus­blei­ben von Rauf­lust etc. ist. Es kommt eins zum ande­ren, und Prin­zes­sin Ceri­se, Robert und Prinz Regi­nald bre­chen auf, die gefähr­li­chen Berg­dra­chen zu besie­gen. Natür­lich kommt es anders – mehr wäre zu viel ver­ra­ten. Wie, beschreibt Bea­gle mit viel Humor.

Dann habe ich noch A Fel­low­ship of Bak­ers and Magic (2023) von J. Pen­ner gele­sen. Noch­mal Mär­chen­land, eine jun­ge Frau ganz ohne magi­sche Bega­bun­gen wird aus­e­rer­wählt, am gro­ßen Back­wett­be­werb der Elfen teil­zu­neh­men. Groß­ge­zo­gen haben die jun­ge Frau nach dem Unfall­tod ihrer Eltern die bei­den Nach­barn, ein schwu­les Ork-Paar, auf dem Weg und beim Back­wett­be­werb (den eigent­lich immer Elfen gewin­nen) freun­det sie sich mit Mit­be­wer­be­rin­nen an – eine Zwer­gin und eine Füch­sin, wenn ich das rich­tig gele­sen habe. Und der Elf, der sie aus ihrer Klein­stadt zum Wett­be­werb bringt, ent­facht Fan­ta­sien. Das gan­ze wird als cozy roman­tic fan­ta­sy ver­mark­tet, das passt auch. Mein einer Ein­druck: sil­ly, aber auf die gute Art. Der ande­re: biss­chen viel Soap, und für ein Fan­ta­sy-Set­ting in den Köp­fen der Protagonist*innen doch ziem­lich viel 21. Jahr­hun­dert. Also: nicht so ganz meins, aber viel­leicht ein com­fort read. Ein wei­te­rer Band ist 2024 erschie­nen, zwei wei­te­re sind ange­kün­digt. Wer’s mag, wird hier also eini­ges zum Lesen finden. 

Last but not least: Von Charles Stross ist neu A Con­ven­tio­nal Boy (2025) erschie­ne­nen, ein kur­zer Roman im Laun­dry­ver­se, in dem wir die Hin­ter­grund­ge­schich­te des „Dun­ge­on Mas­ters“ Derek ken­nen­ler­nen (ergänzt um bereits anders­wo erschie­ne­ne Kurz­ge­schich­ten). Eine DnD-Con­ven­ti­on spielt eine Rol­le, und jemand, der tie­fer als ich mit DnD zu tun hat, dürf­te noch mehr Freu­de an der einen oder ande­ren Anspie­lung haben. Es gibt wie immer im Laun­dry­ver­se düs­te­re Kul­te und Dämo­nen­be­schwö­run­gen; wich­tig zu wis­sen – das Rol­len­spiel-Regel­werk ist turing­voll­stän­dig und eig­net sich daher für magi­sche Hand­lun­gen. Stross mixt die „sata­nic panic“ der 1980er Jah­re, einen genau­en Blick dar­auf, was pas­siert, wenn Men­schen über lan­ge Zeit insti­tu­tio­na­li­siert wer­den, eine (für sei­ne Ver­hält­nis­se erstaun­lich sweete) Lie­bes­ge­schich­te im Autis­mus-Spek­trum und ein paar Bezü­ge zu ande­ren Laun­dry-Roma­nen (hal­lo, Iris). Das ist schnell weg­ge­le­sen, aber es wird auch deut­lich, dass es Zeit wird, dass Stross sich einen ande­ren Spiel­platz sucht. 

Teil des organisierten Fandoms

Jetzt habe ich es doch getan. Also, viel­leicht war’s ein Neu­jahrs­vor­satz, viel­leicht hat’s auch eher was damit zu tun, dass ich dem­nächst fünf­zig wer­de und mit­tel­al­te wei­ße Män­ner – jeden­falls bin ich jetzt Teil des orga­ni­sier­ten Sci­ence-Fic­tion-Fan­doms in Deutsch­land, sprich: Mit­glied im SFCD e.V. geworden. 

Dem Ver­ein bin ich auf der World­con in Glas­gow das ers­te Mal begeg­net, war da aller­dings nicht so ganz über­zeugt. Ver­ein halt. Braucht’s einen Ver­ein, um Fan zu sein? Ande­rer­seits: war­um eigent­lich nicht. 

Ges­tern kam Merch und die aktu­el­le Aus­ga­be der Ver­eins­zeit­schrift Andro­me­da Nach­rich­ten, und damit ist das Gan­ze dann wohl offi­zi­ell. Auf das Buch­pa­ket aus „geret­te­ten“ Alt­be­stän­den, das neue Mit­glie­der bekom­men, habe ich dan­kend ver­zich­tet, Bücher gibt es hier leider/glücklicherweise mehr als genug. Dann also mal schau­en, was dar­aus wird. 

In der aktu­el­len Aus­ga­be 287 der Andro­me­da Nach­rich­ten steht schon mal ein Bei­trag von mir (eine über­ar­bei­te­te Form mei­nes Blog-Tex­tes zu Solar­punk). Das ist eine Sache, die ich mir auch zukünf­tig gut vor­stel­len kann, also über SF jen­seits von Rezen­sio­nen zu schrei­ben. Abge­se­hen davon pla­ne ich aktu­ell nicht, mich grö­ßer zu enga­gie­ren. Da reicht mir eigent­lich das Innen­le­ben mei­ner Partei.