Kurz: Der langsame Abschied von den US-Plattformen

Wäh­rend die ver­gan­ge­nen Kon­to­aus­zü­ge von Bestel­lun­gen bei Ama­zon (vie­les E‑Books, aber auch ande­res, von Kla­mot­ten und Spie­len bis hin zu Haus­halts­ge­rä­ten) nur so wim­mel­ten, fin­den sich im März nur noch zwei Ama­zon-Buchun­gen – noch nut­ze ich Ama­zon Prime und einen Video­ka­nal*. Dass das so ist, war eine halb­be­wuss­te Ent­schei­dung; ein Unter­bre­chen der ein­ge­üb­ten Prak­ti­ken beim Online-Bestel­len, in zwei­er­lei Hin­sicht: ein­mal, dar­über nach­zu­den­ken, ob ich Was-Auch-Immer wirk­lich haben will, und ein­mal, um es dann eben nicht bei Ama­zon zu bestel­len, son­dern zu gucken, ob das Ding auch anders­wo im Netz zu fin­den ist. Und meis­tens ist das so.

Schwer fällt mir die­ser Abschied von „der“ Online-Han­dels­platt­form vor allem in einem Punkt: bei digi­ta­len Büchern. Hier habe ich noch kei­nen guten Work­flow gefun­den, um eng­lisch­spra­chi­ge Wer­ke anders­wo zu bestel­len und zu lesen. Ein Ver­such, ein SF-Buch über Goog­le Books zu kau­fen, ende­te damit, dass sich das gekauf­te Buch weder auf dem PC noch auf einem der Mobil­ge­rä­te öff­nen lässt, weil irgend­wel­che Kopier­schutz­re­geln es ver­hin­dern. Und eigent­lich wür­de ich ger­ne die bei­den Kind­le-Lese­ge­rä­te, die hier rum­schwir­ren, wei­ter nut­zen. Vor­erst behel­fe ich mir, erst ein­mal kei­ne neu­en Bücher zu kau­fen (es gibt noch sehr viel unge­le­se­ne in diver­sen Sta­peln), bzw. im Zwei­fel auf auch über ande­re Platt­for­men erhält­li­che gedruck­te Fas­sun­gen aus­zu­wei­chen. Auf die Dau­er ist das aber kei­ne Lösung. Wenn also jemand einen erprob­ten Weg kennt, digi­ta­le Bücher ohne Ama­zon zu erwer­ben und zu lesen, neh­me ich hin­wei­se ger­ne ent­ge­gen (und ja, theo­re­tisch lie­ße sich Calib­re als Cli­ent-Ser­ver-Sys­tem auf­set­zen, das mir momen­tan aber noch zu kompliziert …). 

Deut­lich schwie­ri­ger als der Abschied von Ama­zon sieht es bei den ande­ren Platt­for­men aus. Na gut, Twitter/X hat mich raus­ge­wor­fen, seit­dem habe ich kei­ner­lei Lust ver­spürt, dahin noch ein­mal zurück­zu­keh­ren. Bei Meta nut­ze ich Face­book (und Insta­gram für den grü­nen Orts­ver­band, und Whats­app für ein paar weni­ge Kon­tak­te). Micro­soft wird mit Win­dows 11 und Copi­lot, mit Abo-Model­len für MS Office etc. zuneh­mend unat­trak­tiv, noch läuft auf einem mei­ner bei­den pri­va­ten Rech­ner aber Win­dows, und auf dem Dienst­lap­top eh – da habe ich aber kei­nen Ein­fluss drauf. Dito das Dienst­han­dy, das das gan­ze Apple-Öko­sys­tem hin­ter sich her­zieht. Ganz schwie­rig sieht’s bei Pay­pal und bei Goog­le aus, da sehe ich noch kei­ne wirk­lich gute Alter­na­ti­ve für die Art, wie ich deren Pro­duk­te aktu­ell nut­ze. Auch da: ger­ne Tipps in den Kommentaren!

* Es wäre groß­ar­tig, wenn Star Trek sich ent­schei­den könn­te, über eine ande­re Platt­form als Para­mount+ via Ama­zon Prime ver­füg­bar zu sein.

Science Fiction und Fantasy im März 2025

Freiburg Hbf: Stadtbahnbrücke

Defi­ni­tiv kei­ne Emp­feh­lung: der Film Super­no­va aus dem Jahr 2000. Mehr Trash geht eigent­lich gar nicht – bis hin zu Din­gens mit neundi­men­sio­na­ler Mate­rie, die sich, nach­dem alle mal Sex hat­ten und fast alle umge­bracht wor­den sind, inner­halb von 50 Jah­ren über 3000 Licht­jah­re aus­brei­tet, und so der Gra­vi­ta­ti­on eines blau­en Rie­sens ent­kommt. Da trös­ten dann auch die Sei­ten­we­ge (wie etwa der zukünf­ti­ge Blick auf die arg gewalt­tä­ti­gen Zei­chen­trick­fil­me aus den 1960er Jah­ren, die Love­sto­ry mit der AI oder diver­se Film­zi­ta­te) nicht.

Defi­ni­tiv eine Emp­feh­lung ist dage­gen The Resi­dence (2025, Net­flix) – Cor­de­lia Cupp ist vor allem dar­an inter­es­siert, sel­te­ne Vögel zu betrach­ten, mit Feld­ste­cher und „Birds of the World“ in der Umhän­ge­ta­sche. Neben­bei ist sie auch noch die welt­bes­te Detek­ti­vin – und reicht in nerdi­ger Exzen­trik an Sher­lock Hol­mes oder Doc­tor Who her­an. In die­ser sehr gegen­wär­tig erzähl­ten Serie klärt sie einen Mord im Wei­ßen Haus auf – mit viel Blick hin­ter die Kulis­sen des White House, Lie­be für Details und ver­schro­be­ne Figu­ren, nur am Ran­de vor­kom­men­der Poli­tik und einer gar nicht mal so unplau­si­bel erschei­nen­den Zukunft, in der ein weit­ge­hend unfä­hi­ger Prä­si­dent es sich selbst mit Aus­tra­li­en ver­scherzt hat. Kylie Mino­gue tritt auch auf. (Ja, das ist im enge­ren Sin­ne alles kei­ne Sci­ence Fic­tion, son­dern viel­leicht Mys­tery Come­dy, hat mich dann aber doch sehr gut unter­hal­ten, gera­de in die­sen Tagen …)

Stich­wort „die­ser Tage“ – Lisa Brideau hat mit Adrift (2023) einen als Thril­ler ver­kauf­ten SF-Roman geschrie­ben, der lei­der sehr gegen­wär­tig wirkt. Der Kli­ma­wan­del hat sich in der nahen Zukunft (2039) fort­ge­setzt, Wald­brän­de und hef­tigs­te Stür­me sind lei­der nor­mal. Die Gren­zen Kana­das wer­den streng kon­trol­liert – auch die See­we­ge zu den USA, um Flücht­lin­ge abzu­hal­ten. Wirt­schaft­lich geht es alles den Bach run­ter, auch wenn die Wis­sen­schaft ein biss­chen wei­ter gekom­men ist. In die­sem Sze­na­rio fin­det sich Ess ohne Gedächt­nis auf einem Boot auf dem Meer wie­der. Ess‘ motor skills – wie etwa das Segeln – sind eben­so intakt wie ihr Gedächt­nis für alles, was neu pas­siert – nur die epi­so­dischen Erin­ne­run­gen an alles bis zum Beginn des Buches sind genau­so kom­plett gelöscht wie ihr Wis­sen über sich selbst. Das Boot ist gut aus­ge­rüs­tet, Pil­len gegen das star­ke Kopf­weh gibt es, und irgend­wann fin­det Ess auch einen Brief an sich selbst, der aber nicht wirk­lich irgend­et­was erklärt. Sie beschließt, ihren eige­nen Rat in den Wind zu schla­gen und her­aus­zu­fin­den, was eigent­lich pas­siert ist. Ach ja: neben­bei häu­fen sich Medi­en­be­rich­te über Geflüch­te­te ohne Gedächt­nis. Hat das etwas mit ihr zu tun? – Adrift hat mir gut gefal­len, auch wenn die hier ent­wor­fe­ne Zukunft rea­lis­tisch düs­ter wirkt – und die Sto­ry­line ab und zu an ein Video­spiel erin­nert, in dem das nächs­te Item gefun­den wer­den muss, um weiterzukommen.

Eben­falls sehr rea­lis­tisch (und nur in einem wei­ter gefass­ten Sin­ne als SF zu bezeich­nen) ist Cory Doc­to­rows neus­ter Band sei­ner Mar­ty-Hench-Serie, die mit Red Team Blues star­te­te. In Picks and Sho­vels (2025) sprin­gen wir in die 1980er Jah­re – Mar­tin Hench stu­diert am MIT, jeden­falls ist das der Plan. Dann kommt er in Berüh­rung mit den ers­ten Heim­com­pu­tern, wird Teil eines Com­pu­ter-Clubs und lernt Visi­calc lie­ben. Eine geschei­ter­te Fir­men­grün­dung spä­ter lan­det Hench als foren­sic accoun­tant in San Fran­cis­co, das sich gera­de neu erfin­det. Zwi­schen Dead Ken­ne­dys und PC-Nerd-Nost­al­gie erfah­ren wir nicht nur viel über Henchs bio­gra­fi­sche Ent­wick­lung und Lokal­ko­lo­rit der Ost- wie der West­küs­te. Ganz neben­bei erzählt Doc­to­row mit­rei­ßend wie immer – so selt­sam das klin­gen mag – über Tech­nik-Mono­po­le, schei­tern­de Revol­ten und die Ursprün­ge frei­er Soft­ware. Viel­leicht funk­tio­niert das Buch nur, wenn man selbst die PC-Revo­lu­ti­on (zumin­dest aus der Fer­ne einer Kind­heit in Deutsch­land) mit­be­kom­men hat – aber eigent­lich müss­te es auch ohne Vor­wis­sen und Nost­al­gie­kern lesens­wert sein. 

Chron­lo­gisch wei­ter zurück geht es in den ande­ren drei Roma­nen, die ich im März gele­sen habe. 

Emi­ly Wilde’s Com­pen­di­um of Lost Tales (2025) ist der drit­te Band von Hea­ther Faw­cetts Cozy-Fan­ta­sy-Rei­he rund um Emi­ly Wil­de, die in Cam­bridge die Welt der Feen­rei­che erforscht. In die­sem drit­ten Band, der mit dem Ende des Jah­res 1910 beginnt, folgt sie ihrem Part­ner Wen­dell Bam­ble­by in des­sen Feen-König­reich, Sil­va Lupi. Sein Ziel: den ver­wais­ten Thron ein­neh­men – ihr Ziel: eine Feld­stu­die über die Poli­tik der Feen­rei­che zu ver­fas­sen. Mit Nadel und Faden, enzy­klo­pä­di­schem Wis­sen über Mär­chen und Sagen und einer gehö­ri­gen Por­ti­on Stur­heit gelingt am Ende nicht nur das – auch dank einer Tür, die nach Irland führt. Es emp­fiehlt sich, die ers­ten bei­den Bän­de gele­sen zu haben, nicht zuletzt des­halb, weil eine gan­ze Rei­he Figu­ren wie­der auf­tau­chen. Dann hält das Com­pen­di­um, was es ver­spricht, und Hea­ther Faw­cett ent­führt eine*n in eine detail­rei­che und in sich bei allen Selt­sam­kei­ten kon­sis­ten­te Anders­welt. Die For­sche­rin Emi­ly Wil­de als Hel­din wider Wil­len eig­net sich dabei wun­der­bar als Identifikationsfigur.

Fast die glei­che Zeit, aber eine anders gear­te­te Abwei­chung von unse­rer Ver­gan­gen­heit fin­det sich in The Cau­tious Traveller’s Gui­de to The Was­te­lands (2024) von Sarah Brooks. Die­ser Roman spielt 1899 und zeich­net aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven (dem im Zug auf­ge­wach­se­nen Wai­sen­kind – dem Natur­for­scher – der ver­meint­li­chen jun­gen Wit­we) die Rei­se mit der trans­si­bi­ri­schen Eisen­bahn von Bei­jing nach Mos­kau nach – nur das Sibi­ri­en die sorg­sam mit einer Mau­er abge­schot­te­ten Was­te­lands sind, in denen jeff­van­der­meer­sche Trans­for­ma­tio­nen von sich gehen, Far­ben zu sehen sind, die nicht für das mensch­li­che Auge gemacht sind, Wesen inein­an­der über­ge­hen und man bes­ser nicht genau hin­sieht, weil die Was­te­lands zurück­schau­en. Nur der spe­zi­ell gesi­cher­te Zug der Com­pa­ny – mit sei­ner ers­ten und sei­ner drit­ten Klas­se, mit Vor­rä­ten für die lan­ge Rei­se, einer exqui­si­ten Küche und Stahl­bal­ken vor allen Fens­tern – schafft die­se Rei­se. Meis­tens jeden­falls. Brooks‘ Rei­se­be­richt ist zugleich die Geschich­te einer Trans­for­ma­ti­on, an des­sen Ende längst nicht mehr klar ist, was innen und außen ist. 

Und auch T. King­fi­shers What Moves The Dead (2022), noch stär­ker als der Traveller’s Gui­de eher Hor­ror als Fan­ta­sy, spielt in einem 19. Jahr­hun­dert, das da und dort unse­rem gleicht, dann aber doch wie­der ganz anders ist. So ist die erzäh­len­de Haupt­per­son – die einem düs­te­ren Geheim­nis auf die Spur kom­men muss – ein*e nonbinäre*r „sworn sol­dier“ ist, was mit der Tra­di­ti­on des klei­nen Lan­des Gal­la­cia begrün­det wird. Die Novel­le nimmt Moti­ve von Poes The Fall of the House of Usher auf, spielt mit die­sen und fügt eine Men­ge Pilz­kun­de und Natur­ge­schich­te hin­zu. Und Zom­bie-Hasen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich die­se Art Buch mag, der Ton­fall der Erzähler*in war jeden­falls stim­mig und mach­te neu­gie­rig auf den Folgeband. 

Noch wei­ter zurück geht es dann in dem rund 700 Sei­ten umfas­sen­den neus­ten Werk von Ada Pal­mer. Inven­ting the Renais­sance: Myths of a Gol­den Age (2025) ist ein Sach­buch, oder viel­leicht auch ein sehr lan­ger Blog­post. Pal­mer schreibt hier (meis­tens) nicht als SF-Autorin, son­dern als Geschichts­pro­fes­so­rin und Exper­tin für die ita­lie­ni­sche Renais­sance. Der Fokus liegt dabei auf Flo­renz. Machia­vel­li tritt in die­sem Buch eben­so auf wie die Medi­cis – und in bei­den Fäl­len, wie auch in vie­len ande­ren in das Werk gefloch­te­nen Bio­gra­fien, legt Pal­mer sich bewusst nicht fest, wie deren Han­deln mora­lisch zu bewer­ten ist. Eigent­lich geht es Pal­mer um Ideen­ge­schich­te – wie ent­stand über­haupt das Pro­jekt Renais­sance, was hat es mit dem Huma­nis­mus auf sich, und wie weit las­sen sich „moder­ne“ Vor­stel­lun­gen im Flo­renz des 15. und 16. Jahr­hun­derts fin­den. Oder ist es über­haupt eine dum­me Idee, in die­ser fremd-ver­trau­ten Kul­tur nach Split­tern und Vor­for­men der Moder­ne zu suchen? Neben­bei wird deut­lich, wie sehr selbst die „Repu­blik“ Flo­renz nicht pro­to-demo­kra­tisch orga­ni­siert war, son­dern anhand von Patro­na­ge-Bezie­hun­gen und der Gunst mäch­ti­ger Per­so­nen – womit sich dann der Kreis zu die­sen Tagen schließt. 

Kurz: Reisewarnung

Allein schon aus Kli­ma­grün­den ist für mich klar, dass ich nicht zu Kon­fe­ren­zen in den USA oder in Aus­tra­li­en rei­se. Des­we­gen war ich so froh, dass die Sci­ence-Fic­tion-World­con letz­tes Jahr im gut erreich­ba­ren Glas­gow statt­fand. An der World­con die­ses Jahr in Seat­tle wer­de ich dem­entspre­chend nicht teil­neh­men (jeden­falls nicht vor Ort, ob ich eine vir­tu­el­le Teil­nah­me sinn­voll fin­de, muss ich mal noch sehen).

Zu den Kli­ma­grün­den ist mit dem Trump-Musk-Regime ein wei­te­rer Grund dazu gekom­men. Es häu­fen sich Berich­te über ver­wei­ger­te Ein­rei­sen (zuletzt: ein fran­zö­si­scher Wis­sen­schaft­ler, der in pri­va­ten Chats Kri­tik an Trump geübt hat­te) und Abschie­be­haft (u.a. Tourist*innen aus Deutsch­land, aus Kana­da, aus Groß­bri­tan­ni­en, die wegen kleins­ter Feh­ler in Abschie­be­la­gern lan­de­ten). Das Aus­wär­ti­ge Amt warnt in rela­tiv har­ten Wor­ten nicht nur vor Kri­mi­na­li­tät und gras­sie­ren­den Krank­hei­ten wie der Vogel­grip­pe, son­dern weist auch dar­auf hin, dass Geschlechts­iden­ti­tä­ten nicht aner­kannt wer­den, Mobil­te­le­fo­ne durch­sucht und die Ein­rei­se jeder­zeit ver­wei­gert wer­den kann. 

Ent­spre­chend stellt sich die Fra­ge, ob es über­haupt noch ange­mes­sen ist, in die­sen Zei­ten gro­ße Kon­fe­ren­zen in den USA statt­fin­den zu las­sen. Die Vor­sit­zen­de der Seat­tle World­con hat jetzt ein State­ment ver­öf­fent­licht, in dem zwar einer­seits Ver­ständ­nis dafür geäu­ßert wird, dass die aktu­el­len Bedin­gun­gen dazu füh­ren kön­nen, dass indi­vi­du­el­le Rei­se­ent­schei­dun­gen nach Seat­tle nega­tiv aus­fal­len. „The situa­ti­on ist frig­thening.“ Ander­seits soll die World­con aber wei­ter statt­fin­den – „becau­se it is even more important than ever to gather with tho­se who are able to do so to dis­cuss our the­me and cele­bra­te the power of SFF to ima­gi­ne dif­fe­rent socie­ties.“ Und zwi­schen den Zei­len scheint durch, wie macht­los es sich anfühlt, gut gemeint auf „safe spaces“ und Ver­pflich­tung zu Diver­si­ty zu set­zen, wäh­rend außen her­um die Welt zusammenbricht.

Ich kann das zwar nach­voll­zie­hen, schließ­lich ist eine Kon­fe­renz mit ein paar tau­send Teil­neh­men­den nichts, was mal so eben abge­sagt oder vir­tua­li­siert wer­den kann, auch aus finan­zi­el­ler Per­spek­ti­ve. Ich bin aber gespannt, wie sich die Lage auf die Teil­nah­me von Men­schen außer­halb der USA aus­wirkt. Und eigent­lich wäre eine Absa­ge – oder eine Ver­la­ge­rung ins Aus­land – das sehr viel stär­ke­re Zei­chen gewe­sen in einer Zeit, in der die rea­le Poli­tik SF-Dys­to­pien rechts überholt.

Überlegungen zur Hugo-Nominierungsphase

ALs Teil­neh­mer der World­con 2024 bin ich, wenn ich das rich­tig sehe, vor­schlags­be­rech­tigt für den Hugo, auch wenn ich nicht zur dies­jäh­ri­gen World­con nach Seat­tle fah­re. In rela­tiv vie­len Kate­go­rien* kann ich nicht wirk­lich etwas vor­schla­gen, weil ich mich da ein­fach nicht beson­ders gut aus­ken­ne (Kurz­ge­schich­ten etwa, oder „best edi­tor“). Bei den Roma­nen und Novel­len hät­te ich dage­gen die eine oder ande­re Idee. Nomi­nie­run­gen müs­sen bis 14.3. ein­ge­reicht werden.

Wenn ich mir die rund 20 Bücher so anschaue, die 2024 erschie­nen sind und die ich gele­sen habe, fän­de ich fol­gen­de award-wür­dig (müss­te aber noch­mal schau­en, wie es län­gen­mä­ßig aus­schaut). Und ein paar weni­ge Ideen für ande­re Kate­go­rien habe ich auch. Kommentare?

„Über­le­gun­gen zur Hugo-Nomi­nie­rungs­pha­se“ weiterlesen

Science Fiction und Fantasy im Februar 2025

Dry seeds

Auch im Febru­ar (der ja nun eh schon ein kur­zer Monat ist) bin ich auf­grund diver­ser äuße­rer Ereig­nis­se weni­ger zum Lesen / Medi­en­kon­sum gekom­men als sonst. Im Stream ange­schaut habe ich mir genau zwei Fil­me: Ers­tens Atlas (Net­flix, 2024). Der hat extrem schlech­te Kri­ti­ken bekom­men, ich fand ihn trotz­dem – beim Aus­blen­den der einen oder ande­ren Glaub­wür­dig­keits­lü­cke – ganz unter­halt­sam. Das Set­ting ist ein zeit­ge­nös­sisch bekann­tes: in Robo­ter und Haus­halts­ge­rä­te ein­ge­bau­te künst­li­che Intel­li­gen­zen haben die grö­ße­re Tei­le der Mensch­heit umge­bracht, deren Andro­iden-Anfüh­rer konn­te flie­hen. Ein paar Jahr­zehn­te spä­ter ist ihm eine Eli­te­ein­heit der ver­ei­nig­ten irdi­schen Natio­nen auf den Spu­ren – und wür­de völ­lig schei­tern, wenn nicht Atlas dabei wäre, deren Mut­ter an einem bidi­rek­tio­na­len Neu­ro­link zwi­schen Andro­iden und Men­schen geforscht hat­te, und für die der Andro­iden­ter­ro­rist lan­ge wie ein Bru­der war. Heu­te ist Atlas sozio­phob, extrem intel­li­gent, und wild ent­schlos­sen, Rache zu neh­men. Dass ein Film mit die­ser Prä­mis­se dann vor allem a. von Par­ti­sa­nen­kämp­fen auf einem außer­ir­di­schen Pla­ne­ten (in der Andro­me­da-Gala­xis) und b. von dem lang­sa­men Auf­bau von Ver­trau­en zwi­schen Atlas und der auto­no­men Mech-Kampf-Ein­heit, auf die sie sich wider Wil­len ver­las­sen muss, han­delt, kommt etwas über­ra­schend. Wie gesagt: ich fand ihn – beim Her­un­ter­dre­hen des einen oder ande­ren Anspruchs – recht unterhaltsam. 

Zwei­tens habe ich Jer­ry Sein­fields Unfros­ted (Net­flix, 2024) ange­schaut. Das ist jetzt im eigent­li­chen Sin­ne kei­ne Fan­ta­sy, son­dern eine Mischung aus völ­lig über­dreh­ter Komö­die und Doku­men­tar­film über die Kämp­fe zwi­schen kon­kur­rie­ren­den Cera­li­en-Her­stel­lern in den 1960ern. Alles sehr hübsch im Mid-cen­tu­ry-Design, völ­lig über­dreht, und ja – ich fand’s ganz amü­sant. Mag aber auch an den Zei­ten liegen.

Gele­sen habe ich pas­send zur Wahl zum einen das Par­tei­pro­gramm der Aus­ser­ir­di­schen Inva­so­ren Par­tei Deutsch­lands (AIPD) (Teil der ZOXFR Corp.) unter dem Titel Frei­heit durch Unter­wer­fung (2023). Aus­ge­dacht hat sich das Ruben A. Fischer. Das Par­tei­pro­gramm kommt aller­dings nicht ganz an die her­vor­ra­gen­den Pla­ka­te her­an, die zur Wahl wohl in eini­gen Städ­ten zu sehen waren, son­dern trägt manch­mal etwas zu dick auf. Trotz­dem bleibt die bit­te­re Erkennt­nis: wahr­schein­lich hät­te eine real exis­tie­ren­de Par­tei, die auf frei­wil­li­ge Unter­wer­fung durch außer­ir­di­sche Inva­so­ren setzt, durch­aus Chan­cen, Pro­zen­te abzusahnen.

Eben­falls irgend­wie was mit der Wahl zu tun hat Ronald M. Hahns Social­de­mo­kra­ten auf dem Mon­de (1998), auf das ich gesto­ßen bin, weil es im Face­book-Feed des SFCD erwähnt wur­de. Das Buch – eher eine Novel­le als ein Roman, erstaun­lich, wie dünn SF&F‑Bücher mal waren – schreibt im sati­risch über­spit­zen, aber kaum gebro­che­nen, Stil der wil­hel­mi­ni­schen Zeit von der Mond­fahrt des Gra­fen Revent­low, der 1920 den Mond dem Deut­schen Kai­ser­reich über­eig­nen möch­te, bevor Sozialdemokrat*innen – oder schlim­mer noch: Kommunist*innen – ihn in die Hän­de bekom­men. Der Unter­ti­tel „Eine Welt­raum-Cla­mot­te“ ist lei­der unbe­dingt ernst zu neh­men, den gut geal­tert ist die­ses Büch­lein nicht, egal wie wild und aben­teur­lich der von social­de­mo­kra­ti­schen „Wil­den“ besie­del­te Mond und die Akteu­re aus ver­schie­de­nen irdi­schen Mäch­ten, die sich dort begeg­nen, auch gezeich­net sein mögen. Ein­zi­ger Licht­blick: der eine oder ande­re Insi­der-Witz zur SF-Geschichte. 

Sehr inter­es­sant fand ich es, zwei Bücher von Chris­to­pher Brown direkt hin­ter­ein­an­der zu lesen. Das eine ist sein SF-Thril­ler Rule of Cap­tu­re (2019), das ande­re das Sach­buch A Natu­ral Histo­ry of Emp­ty Lots (2024), in dem Brown uns in die Über­gangs­zo­nen zwi­schen Stadt und Natur im texa­ni­schen Aus­tin mit­nimmt, über zer­fal­len­de Infra­struk­tur, Wild­nis, die sich in Right-of-Way-Kor­ri­do­ren ansie­delt und Schlan­gen, die sich auf dem Weg zwi­schen Wohn­zim­mer und Schlaf­zim­mer son­nen, schreibt. Es geht hier also um oft über­se­he­ne Orte in der Stadt, die Zwi­schen­räu­me, in denen Men­schen, wenn sie genau hin­schau­en, Füch­sen, Kojo­ten, Wasch­bä­ren etc. begeg­nen, und die nur auf den ers­ten Blick wie brach­lie­gen­de Müll­ab­la­ge­run­gen aus­se­hen. Das alles ver­wo­ben mit bio­gra­fi­schen Bli­cken auf sei­nen Umzug nach Aus­tin, das Plat­zen der Dot-Com-Bla­se und die unter­schied­li­chen Wel­ten, die Brown als Rechts­an­walt dabei so ken­nen­ge­lernt hat. – All das fin­det sich als Hin­ter­grund und Set­ting in Cap­tu­re wie­der. Die­ser Roman spielt in den USA einer nahen Zukunft, gezeich­net von der Kli­ma­ka­ta­stro­phe, einem ver­lo­re­nen Krieg und den damit ver­bun­de­nen inter­nen Flucht­be­we­gun­gen. Im Set­ting des Romans ist es kurz nach einer Wahl, die ange­foch­ten wird – und die dar­über ent­schei­det, ob ein faschis­tisch gezeich­ne­ter Macht­ha­ber Prä­si­dent wird und sich durch­setzt, oder nicht. Der Prot­ago­nist, Don­ny Kimoe, ist ein ver­arm­ter und depres­si­ver Pflicht­ver­tei­di­ger, der ver­sucht, noch irgend­et­was für die angeb­li­chen „Ökoterrorist*innen“ her­aus­zu­ho­len, die er ver­tei­digt – auf recht­li­chem Weg, manch­mal aber auch außer­halb der dafür eigent­lich vor­ge­se­he­nen Wege. Nicht immer mit Erfolg. Nach und nach deckt er dabei auf, wel­che finstren Machen­schaf­ten hin­ter dem neu­en Regime ste­hen, und was die­se für Plä­ne ver­fol­gen. Span­nend und gut geschrie­ben – und lei­der an der einen oder ande­ren Stel­le heu­te aktu­el­ler als es 2019 vor­stell­bar war. 

Der klei­ne Sam­mel­band A Quiet After­noon (2020), her­aus­ge­ge­ben von Lia­ne Tsui und Grace Sey­bold ver­spricht das genaue Gegen­teil, und erfüllt die­ses Ver­spre­chen auch. Hier geht es um „low-fi spe­cu­la­ti­ve fic­tion“, gemeint sind damit Geschich­ten, die in einem Fan­ta­sy- oder SF-Set­ting ste­cken, aber ohne gro­ße Held*innen, welt­be­we­gen­de Ent­de­ckun­gen oder apo­ka­lyp­ti­sche Ver­schwö­run­gen aus­kom­men. In den Geschich­ten in die­ser Antho­lo­gie pas­siert durch­aus etwas, lang­wei­lig sind sie nicht – aber eben im klei­ne­ren Maß­stab, und mit freund­li­che­rem Ant­liz. Ob ich das unter Hope Punk ein­sor­tie­ren wür­de, weiß ich nicht. Aber als Aus­gleich zur Welt­la­ge habe ich A Quiet After­noon ger­ne gelesen.

Elia­ne Boey schreibt in Club Con­tan­go (2024) so eine Art Cyber­punk – nur das die Prot­ago­nis­tin Con­nie Lam eine allein­er­zie­hen­de, zu Selbst­zwei­fel nei­gen­de Mut­ter ist, die in den halb­welt­li­chen Zwi­schen­räu­men der hyper­ka­pi­ta­lis­ti­schen Aste­ro­iden­stadt Free­port am Ende des 21. Jahr­hun­derts ver­sucht, ihr Kind zu ver­sor­gen und nicht auf die von der Kli­ma­ka­ta­stro­phe gezeich­ne­te Erde depor­tiert zu wer­den. Ihre Ver­gan­gen­heit mit Finanz­spe­ku­la­tio­nen und AI-Pror­gam­men holt sie in mehr­fa­cher Hin­sicht ein, und vor dem Hin­ter­grund von Jazz und ande­ren wie­der in Mode gekom­me­nen Sti­len der Ver­gan­gen­heit spitzt sich die Sache zu. Über allem schwebt die Fra­ge, wer die/der geheim­nis­vol­le Chan­ce ist, die/der immer wie­der eingreift. 

Dann habe ich noch den sehr umfang­rei­chen Fan­ta­sy-Roman Mor­dew (2020) von Alex Phe­by gele­sen. Wenn man so möch­te, eine sehr düs­te­re Coming-of-Age-Geschich­te in einer Welt, die viel­leicht in der Zukunft unse­rer liegt, und in der der jun­ge Nathan Tree­ves am Anfang in einem Slum mit leben­den Schlamm, aus dem immer wie­der Chi­mä­ren her­vor­krie­chen, vege­tiert – dann Teil einer klein­kri­mi­nel­len Ban­de wird – und schließ­lich sei­ne töd­li­chen magi­schen Fähig­kei­ten ent­deckt. Düs­ter, weil die­se gan­ze Welt – detail­liert dar­ge­stellt – von Hoff­nungs­lo­sig­keit gezeich­net ist, und Nathan eigent­lich nicht so recht weiß. wie ihm geschieht – bis zum bit­te­ren Ende. Fan­ta­sie­voll und inter­es­sant, aber eigent­lich will ich nicht noch mehr über die­se Welt wis­sen. Den zwei­ten und drit­ten Band habe ich ent­spre­chend bis­her nicht auf mei­nen Lese­sta­pel gelegt.

Apro­pos Lese­sta­pel: ange­sto­ßen durch die Ankün­di­gung, dass Ama­zon den Down­load von Titeln vom Kind­le sper­ren wird, habe ich mich näher mit Calib­re befasst und über­le­ge jetzt, ob es viel­leicht doch brauch­ba­re E‑Book-Rea­der-Alter­na­ti­ven gibt, die dazu bei­tra­gen, das Ama­zon-Öko­sys­tem zu verlassen.