Smarte Parteien? Um welches Problem geht es eigentlich?

Convention tools

In den Reve­la­ti­on-Space-Büchern des Sci­ence-Fic­tion-Autors Alas­ta­ir Rey­nolds tau­chen am Ran­de die „Demar­chists“ auf – eine Grup­pe von Men­schen, die das Ide­al direk­ter Demo­kra­tie ver­wirk­licht haben: Ein Implan­tat im Kopf legt jedem und jeder stän­dig Ent­schei­dun­gen zur Abstim­mung vor. Demo­gra­phie und Demo­kra­tie gehen inein­an­der über, der Wil­le des Vol­kes ist die stän­dig aktua­li­sier­te Sum­me des Wil­lens der Ein­zel­nen. Deli­be­ra­ti­on fin­det dage­gen, soweit das die­ser Fik­ti­on zu ent­neh­men ist, eher nicht statt. Aber, einem Sci­ence-Fic­tion-Buch ist das ange­mes­sen, eigent­lich erfah­ren wir auch nur etwas über das „Tool“ und wenig dar­über, wie die Prak­ti­ken, Pro­zes­se und Ver­fah­ren aus­se­hen, die die­se auf die Spit­ze getrie­be­ne Form direk­ter Demo­kra­tie so mit sich bringt.

Viel­leicht ist es die­ser Fokus auf die „Tools“, der mich bei eini­gen aktu­el­len Debat­ten an die­se Bücher den­ken ließ. Auch nach dem weit­ge­hen­den Schei­tern der – soweit das aus Außen­per­spek­ti­ve fest­zu­stel­len ist – sehr stark „tool“-zentrierten Liquid-Demo­cra­cy-Debat­ten der Pira­ten­par­tei bleibt der Ruf nach der „Smart Par­ty“ (Scho­ber et al. 2015) viru­lent. Fast drängt sich der Ein­druck auf, dass ver­zwei­felt am Glau­ben dar­an fest­ge­hal­ten wird, dass die­ser Netz­werk­tech­nik doch ein demo­kra­ti­sches Heils­ver­spre­chen zu ent­lo­cken sein muss. Jeden­falls wird nach wie vor dar­über gespro­chen, dass Par­tei­en bes­ser, schö­ner, effi­zi­en­ter und betei­li­gungs­ori­en­tier­ter wer­den könn­ten, wenn sie denn nur die rich­ti­ge Tech­nik ein­setz­ten. Bis­her haben die­se Ansät­ze den Rea­li­täts­test nicht bestan­den. Das liegt – behaup­te ich – nicht am feh­len­den Wil­len der Par­tei­en, son­dern schlicht dar­an, dass die glit­zern­den „Tools“ und die zu lösen­den Pro­ble­me nicht zuein­an­der passen.
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Kurz: IT-Wandel ist Organisationswandel, oder: warum der Wechsel von OpenOffice zurück zu Microsoft in Freiburg zwar falsch, aber nachvollziehbar ist

Fud­der hat einen Kom­men­tar von Kon­stan­tin Gör­lich zum Aus­stieg Frei­burgs aus Open­Of­fice (SPD, CDU, FW, zwei Grü­ne und der OB haben das gegen Grü­ne, UL, GAF und FDP beschlos­sen – inter­es­san­te Kon­stel­la­tio­nen, neben­bei). Kon­stan­tins Kom­men­tar igno­riert etwas, das z.B. in die­sem lesens­wer­ten Inter­view mit Timo­thy Simns durch­schim­mert: Es geht nicht um Soft­ware, iso­liert betrachtet. 

Viel­leicht über­trei­be ich, aber mein Ein­druck ist schon der, dass Tei­le der „Netz­ge­mein­de“, der Open-Source-Com­mu­ni­ty und ins­be­son­de­re der Pira­ten genau die­sem Irr­glau­ben anhän­gen. Letzt­lich ist das doch das Heils­ver­spre­chen, mit dem ger­ne für OSS gewor­ben wird: kos­ten­frei – also mit Ein­spa­run­gen gegen­über pro­prie­tä­rer Soft­ware – und ohne Auf­wand wird ein Pro­dukt wie MS Office 1 zu 1 ersetzt.

Dem ist nicht so. Ich hal­te einen Umstieg auf OSS nach wie vor für rich­tig. Aber wer dafür wirbt, muss ver­ste­hen, und muss dies auch so kom­mu­ni­zie­ren, dass ein Wech­sel des Betriebs­sys­tems und der Soft­ware nicht ein­fach ein Pro­dukt durch ein Äqui­va­lent ersetzt. Ver­än­de­run­gen der IT-Infra­struk­tur grei­fen in Arbeits­ab­läu­fe, Pro­zes­se, Work­flows ein. Sie set­zen Schnitt­stel­len vor­aus. IT-Wan­del ist damit immer, gewollt oder unge­wollt, Organisationswandel.

Der ruft in Orga­ni­sa­tio­nen Wider­stand her­vor, weil er mit Ler­nen, mit Ver­än­de­rung, mit Anpas­sungs­schwie­rig­kei­ten ver­bun­den ist. Wer eine Kom­mu­ne, eine Fir­ma (oder ein Land) auf OSS umstel­len will, muss die­sen Orga­ni­sa­ti­ons­wan­del ein­prei­sen und orga­ni­sie­ren. Das ist die Leh­re, die ich aus dem Rück­wärts­gang in Frei­burg mit­neh­me – und die all­zu­oft igno­riert wird.

Buch da!

Nach den Wald­be­sit­ze­rin­nen und den „zwei Her­zen der Forst­wirt­schaft“ kann ich stolz (und ein wenig erleich­tert* …) die drit­te** gro­ße Pro­jekt­ver­öf­fent­li­chung in die­sem Jahr ankün­di­gen – seit ges­tern ist der Abschied vom grü­nen Rock gedruckt und erhältlich.

Der Sam­mel­band infor­miert über die Ergeb­nis­se aus dem Pro­jekt­ver­bund „wa’gen“ (Wald­wis­sen und Natur­er­fah­run­gen auf dem Prüf­stand Gen­der-Ana­ly­se in der Waldinformations‑, Öffent­lich­keits- und Bil­dungs­ar­beit sowie Ent­wick­lung von Gestal­tungs­an­sät­zen, 2005–2008), einer Koope­ra­ti­on zwi­schen dem Insti­tut für Umwelt­stra­te­gien, Umwelt­pla­nung (Lüne­burg) und dem Insti­tut für Forst­be­nut­zung und Forst­li­che Arbeits­wis­sen­schaft (Frei­burg).

Über die Inhal­te infor­miert der Klap­pen­text am bes­ten, des­we­gen zitie­re ich den jetzt ein­fach, statt noch­mal neu was zu formulieren:

Forst­ver­wal­tun­gen und ihre wald­be­zo­ge­ne Bil­dungs­ar­beit befin­den sich in Deutsch­land der­zeit in einem Reform­pro­zess. Unter den Vor­zei­chen betriebs­wirt­schaft­li­cher Opti­mie­rung und der Öff­nung gegen­über neu­en Ziel­grup­pen ste­hen alte Tra­di­tio­nen zur Debat­te. Ist mit dem Abschied vom „grü­nen Rock“ der forst­li­chen Uni­form ein Auf­bruch ver­bun­den? Der For­schungs­ver­bund wa’­gen (Wald­wis­sen & Gen­der) hat im Rah­men des BMBF-Pro­gramms „Nach­hal­ti­ge Wald­wirt­schaft“ danach gefragt, wie Natur- und Geschlech­ter­bil­der im „Wald­wis­sen“ zusam­men­kom­men, wel­che Her­aus­for­de­run­gen und Chan­cen für die wald­be­zo­ge­ne Umwelt­bil­dung damit ver­bun­den sind, und wie Wald­wis­sen, Orga­ni­sa­ti­ons­re­for­men und die tra­di­tio­nel­le Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur der „Män­ner­do­mä­ne Forst­ver­wal­tung“ inein­an­der greifen.
Aus der allen AutorIn­nen gemein­sa­men Geschlech­ter­per­spek­ti­ve her­aus wer­den anhand von Fall­bei­spie­len The­men wie das Natur­ver­ständ­nis, die „unsi­che­re“ Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Umwelt­bil­dung, die his­to­ri­schen Mecha­nis­men des Frau­en­aus­schlus­ses aus dem Forst­dienst und die lau­fen­den Reor­ga­ni­sa­ti­ons­pro­zes­se beleuch­tet. Damit ver­steht sich Abschied vom grü­nen Rock als Bei­trag zur Suche der Forst­or­ga­ni­sa­tio­nen nach zukunfts­fä­hi­gen Ant­wor­ten auf die gegen­wär­ti­gen Umbrüche. 

Wer sich für die Zukunft der Forst­ver­wal­tun­gen aus einer der beschrie­be­nen zwei Per­spek­ti­ven – Geschlech­ter­ver­hält­nis­se in Forst­or­ga­ni­sa­tio­nen bzw. in der wald­be­zo­ge­nen Umwelt­bil­dung – inter­es­siert, wird dem Band auf jeden Fall was abge­win­nen kön­nen. Eini­ges dürf­te aber auch dar­über hin­aus inter­es­sant sein.

Von mir sind (neben der Mit­ar­beit an der Ein­lei­tung) drei Tex­te, an denen ich betei­ligt war – da geht es um das Inein­an­der­grei­fen von forst­li­chen Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen und orga­ni­sa­to­ri­schem Wan­del gene­rell („Staat­li­che Forst­ver­wal­tun­gen im Wan­del: Orga­ni­sa­ti­ons­re­form und Geschlecht“) bzw. am Fall­bei­spiel Rhein­land-Pfalz („Fall­bei­spiel: Geschlech­ter­ver­hält­nis­se in einer deut­schen Forst­ver­wal­tung“, mit Sabi­ne Blum) bzw. in einem Zwi­schen­ruf*** um die Zusam­men­hän­ge zwi­schen Geschlecht, Orga­ni­sa­ti­on und Pro­fes­si­on (mit Mari­on Mayer).

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen beim Ver­lag (oekom), bestell­bar u.a. bei ama­zon.

Biblio­gra­phi­sche Anga­ben: Maria Hehn, Chris­ti­ne Katz, Mari­on May­er, Till Wes­ter­may­er (Hrsg.): Abschied vom grü­nen Rock. Forst­ver­wal­tun­gen, wald­be­zo­ge­ne Umwelt­bil­dung und Geschlech­ter­ver­hält­nis­se im Wan­del. Mün­chen: oekom. 230 Sei­ten, 34,90 Euro. ISBN 978–3‑86581–131‑8.

* Erleich­tert vor allem des­we­gen, weil mit dem Abschluss­band ein letz­ter gro­ßer Bro­cken ande­rer Akti­vi­tä­ten aus dem Weg zu mei­ner Diss. geräumt ist …

** Es gibt auch noch ein Buch­ma­nu­skript zu einem Pro­jekt, das von 2002 bis 2005 gelau­fen ist, und an dem ich betei­ligt war … mal schau­en, ob und wann das dann tat­säch­lich sei­nen Weg in die Öffent­lich­keit findet.

*** Zwi­schen­ruf: eine aus mei­ner Sicht inno­va­ti­ve Form, die wir zwei­mal in das Buch gepackt haben – jeweils zwei AutorIn­nen unter­hal­ten sich dar­in über ihre Buch­tex­te und arbei­ten Quer­be­zü­ge heraus.

Wie Akkreditierungen Studiengänge bürokratisieren

Rutschbahn
Nicht alles, was im Stu­di­um gelernt wird, lässt sich in Büchern nie­der­schrei­ben und ordent­lich ordnen.

Ich war ja ges­tern im Land­tag. Sogar rich­tig im Ple­num. Und im „Ple­num“, mit­tags. Genau­er gesagt: bei der Öffent­li­chen Anhö­rung „Plan B(achelor) 2012“ (pdf) von The­re­sia Bau­er MdL (hoch­schul­pol. Spre­che­rin und stlv. Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de) und der grü­nen Land­tags­frak­ti­on Baden-Würt­tem­berg. The­re­sia will den Bache­lor refor­mie­ren und damit Baden-Würt­tem­berg zum Vor­rei­ter­land machen. Und wie das geht, dar­um ging es bei der – übri­gens recht gut und breit besuch­ten – Anhörung.

Neben­bei bemerkt: Waren wir als Stu­die­ren­de eigent­lich auch pene­trant dar­in, eine ver­fass­te Stu­die­ren­den­schaft und mehr stu­den­ti­sche Mit­be­stim­mung als All­heil­mit­tel zu verkaufen?

Inhalt­lich ging es um die eigent­lich recht sin­ni­gen und heh­ren Zie­le der Bolo­gna-Reform, um die Schwä­chen ihrer tat­säch­li­chen Umset­zung in natio­na­le bzw. baden-würt­tem­ber­gi­sche Gesetz­ge­bung und Stu­di­en­ord­nun­gen, und um Ideen, Bache­lor und Mas­ter bes­ser zu gestal­ten. Let­ze­res kam mir aller­dings etwas zu kurz.

Hier möch­te ich jetzt ein The­ma auf­grei­fen, das wie­der­holt zu Tage trat. Als Fra­ge for­mu­liert: Ist es in Deutsch­land über­haupt mög­lich, eine „Ermög­li­chungs­kul­tur“ umzusetzen?
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