Machtblindheit, oder: ist Law Code?

Petrikirche interior I

I. Deutungshoheit und die Wirkung von Texten

Das eine ist die unglaub­li­che Nai­vi­tät, mit der man­che Men­schen an Posi­ti­ons­pa­pie­re, Sat­zun­gen und Geset­ze her­an­tre­ten. Viel­leicht schlägt da bei mir der Sozio­lo­ge durch, aber wer glaubt, dass ein Text, nur weil in die­sem Text etwas steht, allei­ne Wir­kung ent­fal­tet, lei­det aus mei­ner Sicht an einer Wahr­neh­mungs­stö­rung. Eine Wahr­neh­mungs­stö­rung, die sich viel­leicht am tref­fends­ten als „Macht­blind­heit“ bezeich­nen lässt.

Macht­blind­heit meint hier nicht, blind vor Macht zu sein, son­dern nicht zu sehen, dass jeder Text deu­tungs- und inter­pre­ta­ti­ons­of­fen ist. Dass jeder zu einem Werk­zeug in einem Akteurs­netz­werk gemacht wer­den kann, um bestimm­te Zie­le zu errei­chen und ande­re Zie­le zu verhindern. 

Die Deu­tungs­mög­lich­kei­ten sind dabei nicht belie­big, aber sie sind sehr viel grö­ßer, als vie­le sich das vor­stel­len. Wer sich letzt­lich mit sei­ner Deu­tung durch­setzt, hat etwas mit dis­kur­si­ver Hege­mo­nie zu tun, aber eben auch damit, wer am sprich­wört­li­chen län­ge­ren Hebel sitzt.

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Kurz: Feedback zum Fiskalpakt, bitte

Zumeist ist der grü­ne Län­der­rat ja eine nicht son­der­lich span­nen­de Ange­le­gen­heit. Am Sonn­tag ist das anders – da fin­det ein außer­or­dent­li­cher grü­ner Län­der­rat statt. Auf der Tages­ord­nung steht ein ein­zi­ges The­ma: Euro­pa; kon­kre­ter wird es um die Kri­se, ESM und den Fis­kal­pakt gehen. 

Der Son­der­län­der­rat fin­det statt, weil der­zeit Ver­hand­lun­gen zwi­schen den Par­tei­en dar­über lau­fen, ob bzw. unter wel­chen Bedin­gun­gen die Oppo­si­ti­on im Bund zustimmt. Da geht es bei­spiels­wei­se um ein har­tes Com­mit­ment zu einer Finanz­trans­ak­ti­ons­steu­er oder um einen euro­päi­schen Altschuldenfonds.

Inner­halb der Grü­nen ist ziem­lich strit­tig, ob ein Ja zum Fis­kal­pakt über­haupt Sinn machen kann. Auch des­we­gen haben über 30 Kreis­ver­bän­de einen „gro­ßen“ Son­der­par­tei­tag bean­tragt. Den sehe ich der­zeit nicht. Aber zumin­dest der „klei­ne“ Par­tei­tag, der Län­der­rat, wird eine Ent­schei­dung tref­fen. Mei­ne Mei­nungs­bil­dung als Dele­gier­ter dafür ist noch nicht abge­schlos­sen – inso­fern bin ich an Feed­back zum Fis­kal­pakt sehr interessiert.

P.S.: Zum Län­der­rat wird es einen Live­stream geben.

P.P.S.: Anträ­ge und Tagesordnung

Nachtgedanken gegen das habituelle Misstrauen der Linken

Journey of waiting XLVII: Single biker

Viel­leicht ist es kei­ne gute Idee, eher über­mü­det noch etwas in mein Blog zu schrei­ben. Ich mache das jetzt aber trotz­dem, weil mir das The­ma schon seit letz­tem Wochen­en­de durch den Kopf geis­tert. Da war der Kon­gress grün.links.denken, der mir sehr gut gefal­len hat. Ande­ren nicht. Oder viel­leicht noch eine Woche zuvor, da war die­ser Bun­des­par­tei­tag der Linkspartei.

Was mir zuneh­mend auf­fällt, da wie dort: Es gibt so einen typi­schen Habi­tus des oder der lin­ken Lin­ken. (Das ist jetzt vor­nehm aus­ge­drückt für: Es gibt Vor­ur­tei­le, die sich ger­ne bestä­ti­gen). Ich zäh­le mich ja selbst dazu, also zum lin­ken Flü­gel mei­ner Par­tei. Und bin froh dar­über, dass, unter ande­rem mit die­sem Kon­gress, ver­sucht wird, sich als Lin­ke in der grü­nen Par­tei, als Grü­ne Lin­ke, selbst­be­wuss­ter zu geben und – wie ich mei­ne – zugleich offe­ner auf­zu­tre­ten. Sich neu zusam­men­zu­fin­den. Ich bin über­zeugt davon, dass das der Par­tei gut tut, dass ein kla­rer lin­ker Flü­gel hilft, wie­der ver­stärkt Debat­ten in der grü­nen Par­tei zu füh­ren, und da, wo es not­wen­dig ist, auch mal eine kla­re­re Kan­te zu zeigen.

„Nacht­ge­dan­ken gegen das habi­tu­el­le Miss­trau­en der Lin­ken“ weiterlesen

Work in progress: Für eine linke, grüne Netzpolitik (Version 0.1)

Vorbemerkung

Der fol­gen­de Text ist ein Ent­wurf. Teils Blog­ein­trag, teils ers­te Fas­sung eines Mani­fests für eine grü­ne, lin­ke Netz­po­li­tik, beruht der Text maß­geb­lich auf den Dis­kus­sio­nen des Work­shops „Netz­po­li­tik“ beim Kon­gress „grün.links.denken“. In die­sem Pad* kann an die­sem Text wei­ter­ge­ar­bei­tet wer­den. Ich bin gespannt – auch auf Kom­men­ta­re der­je­ni­gen, die die Aus­gangs­the­sen nicht teilen.

[Ergän­zung 0:08 Und weil es dazu auf Twit­ter noch einen hef­ti­gen Schlag­ab­tausch gab: Das Papier ist nicht als Angriff auf den ande­ren grü­nen Flü­gel gemeint. Klar ist vie­les von dem, was ich anhand lin­ker grü­ner Grund­wer­te (also nicht allei­nig links­grü­ner oder „flü­gel­lin­ker“ Grund­wer­te!) an Posi­tio­nen ablei­te, in der Par­tei Kon­sens. Oder es scheint zumin­dest so zu sein. Ich bin über­zeugt davon, dass es gut ist, wenn wir uns gera­de in einer Zukunfts­fra­ge wie der Netz­po­li­tik auch in unse­rer Par­tei in eine pro­gram­ma­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung bege­ben – zwi­schen den Flü­geln und über die­se hin­weg, aber vor allem auch mit denen, die Netz­po­li­tik als viel­leicht gera­de modi­sches Nischen­the­ma abtun. Ich glau­be, dass bei die­ser über den Zir­kel der Netzpolitiker_innen hin­aus­ge­hen­den Debat­te durch­aus Dif­fe­ren­zen und unter­schied­li­che Gewich­tun­gen sicht­bar wer­den. Dar­über müs­sen wir reden – und da sind die Flü­gel als Dis­kurs­ge­ne­ra­to­ren ein rich­ti­ger Ort, um so eine Aus­ein­an­der­set­zung anzufangen!]

I. Das politische Feld und sein Gegenstand

In den letz­ten Jah­ren hat sich Netz­po­li­tik zu einem aus­ge­wach­se­nen poli­ti­schen Feld ent­wi­ckelt. Das Netz, die zen­tra­le Infra­struk­tur unse­rer glo­ba­len Netz­werk­ge­sell­schaft, und alle damit ver­bun­de­nen Ent­wick­lun­gen sind durch und durch politisch. 

Am Netz hän­gen Fra­gen wie die nach gesell­schaft­li­cher Teil­ha­be und nach der Art und Wei­se, wie Arbeit, Bil­dung und Demo­kra­tie in Zukunft aus­ge­stal­tet sein sol­len. Das Netz ist ein trans­na­tio­na­ler Raum – gleich­zei­tig ist es weder imma­te­ri­ell noch extra­ter­ri­to­ri­al. Unter allen Apps und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­strö­men lie­gen Kabel und Rechen­zen­tren. Grün gedacht: Ener­gie und Roh­stof­fe. Und klar: die Geset­ze, ob sie jetzt pas­sen oder nicht, gel­ten auch dann, wenn Kom­mu­ni­ka­tio­nen und Trans­ak­tio­nen im Inter­net stattfinden. 

„Work in pro­gress: Für eine lin­ke, grü­ne Netz­po­li­tik (Ver­si­on 0.1)“ weiterlesen

Wir machen’s offline

Vor eini­gen Tagen hat die grü­ne Bun­des­ge­schäfts­füh­re­rin Stef­fi Lem­ke ange­kün­digt, wie das bereits seit län­ge­rem ange­deu­te­te Betei­li­gungs­ver­fah­ren zum Bun­des­tags­wahl­pro­gramm aus­se­hen soll. 

Das Wahl­pro­gramm selbst wird wie bis­her auch von einer Schreib­grup­pe ent­wor­fen. BAGen lie­fe­ren Input dazu, als Antrag auf die Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) wird der Ent­wurf vom Bun­des­vor­stand ein­ge­bracht. Auf der BDK wird dann über – wahr­schein­lich auch dies­mal wie­der – meh­re­re hun­dert Ände­rungs­an­trä­ge ent­schie­den, mit Über­nah­men durch die Antrags­kom­mis­si­on und eini­gen weni­gen kon­tro­ver­sen Abstim­mun­gen je Themenblock.

Neu ist die Mög­lich­keit, dass alle knapp 60.000 grü­nen Mit­glie­der über das Pro­gramm mit­ent­schei­den kön­nen sol­len. Dabei geht es zum Glück nicht um ein sym­bo­li­sches Abni­cken per Brief­wahl. Viel­mehr sol­len im Juni 2013 zeit­gleich Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lun­gen statt­fin­den, auf denen über das dann beschlos­se­ne Pro­gramm dis­ku­tiert wird. Vor­ge­schal­tet ist eine bun­des­wei­te Online­de­bat­te. Auf den Ver­samm­lun­gen soll dann jeweils (per Wahl­zet­tel) über ein Ran­king der The­men ent­schie­den wer­den. Am Ende des Tages steht dann fest, was die aus Sicht der grü­nen Basis wich­tigs­ten The­men im Pro­gramm sind – rele­vant bei­spiels­wei­se für die Fra­ge, wel­che The­men pla­ka­tiert werden.

Mir gefällt die­se Idee ganz gut – gera­de in der Ver­bin­dung aus Online-Debat­te und syn­chro­ner, ver­teil­ter Off­line-Ent­schei­dung. Es kann sein, dass vor allem die übli­chen akti­ven Mit­glie­der zu die­sen Ver­samm­lun­gen kom­men. Aber war­um auch nicht – davon lebt die Par­tei! Gleich­zei­tig kann ich mir vor­stel­len, dass die vor­ge­schal­te­te Online-Debat­te eher vir­tu­ell akti­ve Mit­glie­der dazu bringt, dann doch zur jewei­li­gen Ver­samm­lung zu kom­men. Viel­leicht gibt’s ja auch Briefwahloptionen.

Das Gan­ze ver­knüpft ver­schie­de­ne For­men des Enga­ge­ments und bringt loka­le und Bun­des­po­li­tik zusam­men. Dabei wird, wenn’s gut läuft, der grü­ne Wert der Basis­de­mo­kra­tie voll zur Gel­tung kom­men: Der Pro­zess ist zwar von oben gesteu­ert, das Ergeb­nis wächst aber von unten. 

Nicht zuletzt ist die Ereig­nis­haf­tig­keit die­ses Vor­schlags eine Stär­ke: Dass über Par­tei­ta­ge inten­siv berich­tet wird, hat auch damit zu tun, dass sie – anders als digi­ta­le Feed­back­pro­zes­se – zu einem Ereig­nis, einem „hap­pe­ning“ kon­zen­triert statt­fin­den und wahr­ge­nom­men wer­den. Die­ses media­le Auf­merk­sam­keit gene­rie­ren­de Moment ist hier eben­falls gege­ben – der Par­tei­tag fin­det gleich­zei­tig, aber auf vie­le „Wahl­lo­ka­le“ in der gan­zen Repu­blik ver­teilt statt. 

War­um blog­ge ich das? Weil mir die­ser Vor­schlag sehr grün und vita­li­sie­rend vor­kommt – und intel­li­gent zeigt, wo grü­ne Stär­ken lie­gen. Ob wir es schaf­fen, 300+ Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lun­gen mit einem syn­chro­nen Video­stream einer Rede des oder der Spit­zen­kan­di­da­tIn oder des Bun­des­vor­stand zu star­ten? Fän­de das jeden­falls eine gute Vorstellung.