Kurz: Landeshochschulgesetzeinbringung und ‑anhörung

Nach lan­gem Vor­lauf geht es jetzt rasch wei­ter mit dem Lan­des­hoch­schul­ge­setz. Am Mitt­woch wur­de die gegen­über dem ers­ten Ent­wurf an eini­gen Stel­len noch ein­mal deut­lich ver­än­der­te Ein­brin­gungs­fas­sung des Drit­ten Hoch­schul­rechts­än­de­rungs­ge­set­zes (pdf) in den Land­tag ein­ge­bracht. Wer möch­te, kann dies hier im Video anschauen.

Und am gest­ri­gen Frei­tag ging’s dann wei­ter mit der Aus­schuss­an­hö­rung zum Gesetz. Auch die­se ist im Video betracht­bar (Ach­tung: fast drei Stun­den lang). Die nächs­ten Sta­tio­nen sind dann die Aus­schuss­be­hand­lung Mit­te März und die Ver­ab­schie­dung im Land­tag, die vor­aus­sicht­lich Ende März auf der Tages­ord­nung ste­hen wird.

Inter­es­sant fand ich die gro­ße Dif­fe­renz in der Stim­mungs­la­ge zwi­schen Mitt­woch und Frei­tag. Wäh­rend am Mitt­woch die Lage eine pola­ri­sier­te war – auf der einen Sei­te v.a. Frau Kurtz von der CDU, die uns Wirt­schafts­feind­lich­keit, den Unter­gang des Hoch­schul­stand­orts und ähn­li­ches mehr vor­warf, aber nicht unbe­dingt den Ein­druck mach­te, zu wis­sen, was jetzt, nach dem lan­gen Pro­zess, tat­säch­lich im Gesetz­ent­wurf steht – auf der ande­ren Sei­te natür­lich die Minis­te­rin und die Red­ner von Grün-Rot, Kai Schmidt-Eisen­l­ohr und Mar­tin Rivoir, die die Bedeu­tung der Hoch­schu­len auch für den Wirt­schafts­stand­ort, die Frei­heits­ge­win­ne für die Hoch­schu­len und ähn­li­ches mehr beton­ten. Am Frei­tag gab es natür­lich auch Kri­tik, aber die Kri­tik fiel sehr viel sach­li­cher aus, als die der Oppo­si­ti­on – und sie war in fast allen Bei­trä­gen gerahmt in die Bewer­tung, dass sowohl das Gesetz als auch der Pro­zess der Betei­li­gung ins­ge­samt posi­tiv gese­hen wer­den. Soviel zum Unter­gang Baden-Württembergs.

Aus dem Hinterwald

Green before the storm V

Baden-Würt­tem­berg, ach je. Über die libe­ra­len Groß- und Uni­städ­te, die grü­ne Stär­ke und die vie­len span­nen­den Pro­jek­te auf dem Land gerät die die­sem Land inne­woh­nen­de Pro­vin­zia­li­tät leicht ins Ver­ges­sen. Und es ist eine dop­pel­te Pro­vin­zia­li­tät, die nicht nur aus dem tie­fen länd­li­chen Raum gespeist wird, son­dern eben­so etwas mit der vor allem im würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­teil weit zurück­rei­chen­den pie­tis­ti­schen Tra­di­ti­on zu tun hat. Die Orte, in denen 60 bis 70 Pro­zent der Bevöl­ke­rung CDU oder schlim­me­res wäh­len: klar gibt es die weiterhin. 

Das fällt viel­leicht nicht auf den ers­ten Blick auf, weil es auch dort hübsch modern aus­sieht, inklu­si­ve Pho­to­vol­ta­ik-Anla­ge auf den pro­per reno­vier­ten Häus­chen (lohnt sich schließ­lich). Aber das sind Äußer­lich­kei­ten. Sobald es dar­um geht, was „nor­mal“ ist, und was nicht, wird es fins­ter. Bes­ter Beleg dafür sind die gera­de hoch­ko­chen­den Debat­ten um die Auf­nah­me der Akzep­tanz unter­schied­li­cher Lebens­for­men (ja, inklu­si­ve sexu­el­ler Viel­falt) in den Bil­dungs­plan 2015 (Leit­prin­zi­pi­en hier als PDF abruf­bar; dazu gene­rel­le Infor­ma­tio­nen zur Reform).

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Kurz: Redezeitdemokratie

Da hat sich ein Par­la­ment kon­sti­tu­iert, die Frak­tio­nen haben sich gebil­det, und dann geht es um die Rede­zei­ten. Ich war ziem­lich irri­tiert davon, dass der Bun­des­tag hier strikt pro­por­tio­nal vor­geht: 10 Pro­zent der Man­da­te = 10 Pro­zent der Rede­zeit. Bei einer Stun­de also sechs Minu­ten. Das führt bei einer 80%-GroKo zu eher lang­wei­li­gen Debat­ten: Red­ne­rIn­nen der Regie­rung wie­der­ho­len und wie­der­ho­len sich, für die Oppo­si­ti­on blei­ben ein paar Gedan­ken­hap­pen. Und selbst, wenn es ein oder zwei Minu­ten dazu­gibt – eine sol­che Ver­tei­lung von Rede­zei­ten mag zwar streng mathe­ma­tisch kor­rekt, erscheint mir aber eher unpar­la­men­ta­risch, wenn denn im Par­la­ment das Prin­zip von Rede und Gegen­re­de herr­schen soll.

Muss das so sein? Muss es nicht – jeden­falls habe ich im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag ein ganz ande­res Sys­tem ken­nen­ge­lernt. Übli­cher­wei­se hat hier jede Frak­ti­on die glei­che Rede­zeit – egal, ob es um die win­zi­ge FDP oder die größ­te Frak­ti­on, CDU, geht. Das ist nicht pro­por­tio­nal, aber es führt dazu, dass tat­säch­lich Argu­men­te aus­ge­tauscht wer­den. Fak­tisch haben Regie­rungs­frak­tio­nen und Oppo­si­ti­on jeweils die glei­che Rede­zeit, dazu kommt die Regie­rung selbst, die mehr oder weni­ger unbe­grenzt reden darf*. Abwei­chun­gen gibt es bei eini­gen zen­tra­len Anträ­gen – da gilt dann „gestaf­fel­te Rede­zeit“, d.h. auf z.B. fünf Min­un­ten Basis­re­de­zeit kriegt die CDU noch zwei oder drei Minu­ten dazu, Grü­ne und SPD noch eine, und die FDP bleibt bei fünf Minuten.

Rhe­to­risch sind die Debat­ten im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag nicht unbe­dingt und in jedem Fall Glanz­lich­ter. Leb­haft sind sie jedoch meist. Und dazu trägt, glau­be ich, auch die hier eta­blier­te Rede­zeit­ord­nung zu, die statt auf mathe­ma­ti­sche Kor­rekt­heit auf Reprä­sen­ta­ti­on der ver­schie­de­nen in den Land­tag gewähl­ten Inter­es­sen setzt.

* Wenn die Ver­tre­te­rIn­nen der Regie­rung aller­dings zu lan­ge reden, lösen sie eine Geschäfts­ord­nungs­re­ge­lung aus, die eine neue Debat­ten­run­de im Par­la­ment öff­net – mit den Frak­ti­ons­chefs der Oppo­si­ti­on als ers­ten Red­nern. Wer’s nach­le­sen will, kann in die Land­tags-GO schauen.

Kurz: Dreizehenspecht, MdL

Wilder See IEs wäre über­trie­ben, zu behaup­ten, ich hät­te Bru­no Latours Das Par­la­ment der Din­ge. Für eine poli­ti­sche Öko­lo­gie (2001) tat­säch­lich ver­stan­den. Manch­mal wür­de ich sogar bezwei­feln, dass die­ser Text, der davon lebt, eine Viel­zahl an Begrif­fen neu zu defi­nie­ren, über­haupt im Gan­zen ver­ständ­lich ist. Ein zen­tra­les Ele­ment des Tex­tes ist die Fra­ge nach dem Rede­recht und der Reprä­sen­ta­ti­on nicht-mensch­li­cher Wesen im (hier dann doch eher meta­pho­ri­schen) Par­la­ment der Din­ge, der neu­en Ver­fas­sung der Welt. 

Falls es jemand gibt, der oder die sich inten­si­ver mit die­sen Ideen aus­ein­an­der­ge­setzt hat, und noch nach einem Bei­spiel jen­seits des von Latour ange­führ­ten Rin­der­wahn­sinns sucht, um die Phi­lo­so­phie der poli­ti­schen Öko­lo­gie zu kon­kre­ti­sie­ren, dann wür­de ich dem oder der die Debat­ten im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag rund um den Natio­nal­park als Mate­ri­al emp­feh­len. Der Natio­nal­park wur­de heu­te im Land­tag beschlos­sen, und sowohl in der Spra­che als auch in Form mit­ge­brach­ter Foto­gra­fien wur­den immer wie­der die Rech­te von Drei­ze­hen­spech­ten, Bart­flech­ten und Auer­hüh­nern ange­spro­chen, ins­be­son­de­re (aber nicht nur) von den Regie­rungs­par­tei­en und den Bewe­gun­gen für den Natio­nal­park. Auf der ande­ren Sei­te kamen dann häu­fig die Rech­te von den in der Natio­nal­park­re­gi­on leben­den Men­schen zur Spra­che, ins­be­son­de­re (aber nicht nur) von der Oppo­si­ti­on und den Natio­nal­park­geg­nern ins Feld geführt. Oder die öffent­li­che Aus­schuss­an­hö­rung: die einen saßen in Form eines Ver­tre­ters der Natio­nal­park­geg­ner im Raum, die ande­ren wur­den ver­tre­ten durch Exper­ten etwa des Naturschutzbundes. 

Viel­leicht lie­ge ich auch falsch, und der Blick auf die Natio­nal­park­de­bat­te mit Latours poli­ti­scher Öko­lo­gie ist ent­we­der lang­wei­lig (weil evi­dent), oder fehl am Platz (weil Natur, Reprä­sen­ta­ti­on und nicht-mensch­li­ches Wesen hier per se eine Rol­le zuge­wie­sen bekom­men) – aber ich glau­be, es wür­de sich loh­nen, die­se Debat­ten, von den par­la­men­ta­ri­schen Reden bis zu den Zei­tungs­be­rich­ten, mal genau­er zu untersuchen. 

2013kretschmannmitbaumpilzP.S.: Sowas wie das hier mei­ne ich: Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann spricht in sei­ner Rede hier die „zitro­nen­gel­be Tra­me­te“, einen sel­te­nen Pilz, an – und bringt ihn zumin­dest als Bild gleich mit ans Redepult.

Kurz: Halbzeitumfrage in Baden-Württemberg

Zur Halb­zeit haben SWR und Stutt­gar­ter Zei­tung etwa 1000 Men­schen in Baden-Würt­tem­berg befragt, wo die Lan­des­re­gie­rung steht. Minis­ter­prä­si­dent Kret­sch­mann ist und bleibt beliebt, und die Detail­da­ten zei­gen, dass ein gro­ßer Teil der Bevöl­ke­rung (u.a. 88 Pro­zent der Grü­nen-Anhän­ge­rIn­nen) der Mei­nung sind, dass es in die rich­ti­ge Rich­tung geht. 

Die Sonn­tags­fra­ge-Zah­len sind nicht berau­schend, ange­sichts der all­ge­mei­nen Groß­wet­ter­la­ge aber auch nicht so schlecht: 43 Pro­zent CDU, 22 Pro­zent GRÜNE, 19 Pro­zent SPD, 5 Pro­zent AFD und 4 Pro­zent FDP. Bis zur nächs­ten Land­tags­wahl kann sich da noch was tun. Wir lie­gen ein Tor zurück, das kön­nen wir aufholen.

Oder anders aus­ge­drückt, und ganz grob (mit der Wahl­be­tei­li­gung der letz­ten Land­tags­wahl) gerech­net, sind das ca. 1,1 Mio Wäh­le­rIn­nen. Davon wäh­len ca. 500.000 Men­schen uns im Land, aber nicht im Bund. Viel­leicht wegen Kret­sch­mann, viel­leicht aus ganz ande­ren Grün­den. Bis zur nächs­ten Land­tags­wahl ist es damit unse­re Her­aus­for­de­rung, die ca. 600.000 Stamm­wäh­le­rIn­nen der Bun­des­tags­wahl und die 500.000 Kret­sch­mann-Wäh­le­rIn­nen zu hal­ten – und wei­te­re, min­des­tens 250.000 Wäh­le­rIn­nen davon zu über­zeu­gen, dass es dem Land gut tut, wenn Grün in der Regie­rung vor­ne steht. Dann kann es 2016 mit der zwei­ten Legis­la­tur klappen.