Vorteil am Pendeln ist es, immer mal wieder an derselben Stelle mit dem Zug vorbeizukommen, und zu sehen, wie sich die Landschaft im Lauf der Jahreszeiten wandelt – sofern keine Tunnel oder Lärmschutzwände die Sicht versperren. Hier kurz vor Stuttgart im regnerischen Septemberausklang.
Kurz: Queere, bunte, progressive Science Fiction
Teile der deutschen SF- und Fantasy-Szene bleiben mir fremd. Das mag auch mit Aktionen einer umtriebigen Autor*innen etc. – na gut, es sind vor allem Männer – zu tun haben, die sich bemüssigt fühlen, ein „Wuppertaler Manifest“ aufzusetzen um die „Unterwanderung“ der deutschsprachigen Science Fiction und Fantasy durch „Gender-Extremisten“ an den Pranger zu stellen. Unter einem „Aktionsbündnis Fantastik und Gesellschaft“ (und dem möglicherweise nicht ironisch gemeintem Motto ‚Wider die Empörungsindustrie‘) tut diese empörte Riege es nicht. Nun ja. Irgendwie wiederholt sich als Farce, was vor ein paar Jahren rund um die Hugo-Verleihung global passierte.
Mitbekommen von dieser ganzen Sache habe ich tatsächlich nur, weil einige der progressiven deutschsprachigen Autor*innen, denen ich auf Mastodon folge, darauf reagiert haben. Und zwar letztlich auf eine Art und Weise, die mir gut gefallen hat – nämlich, indem sie dazu aufgerufen haben, mal zusammenzustellen, was es so an lesenswerten bunten, queeren, progressiven Romanen und Kurzgeschichten aus SF und Fantasy gibt.
- Wer nach Lektüreempfehlungen sucht, wird unser diesem Posting von Lena Richter („Dies ist mein letztes Lied“) fündig. (Neben Originalveröffentlichungen auch viel internationales, ins Deutsche übersetzte).
- Auch Amalia’s Haunted House hat einige Empfehlungen, auch zu engagierten Kleinverlagen.
- Jasper Nicolaisen verweist gleich auf eine ganze Liste „sehr guter deutschsprachiger Phantastik der letzten 100 Jahre“.
- Schon etwas älter (2023): eine Übersicht über progressive Phantastik von Judith C. Vogt („Anarchie Déco“).
- [Update 4.10.2025] Generell eine gute Quelle: die monatliche Phantastik-Bestenliste (Danke an Nils für den Hinweis!).
Photo of the week: Heidelberg (view from the 13th floor)
Unsere Herbstfraktionsklausur fand dieses Jahr in Heidelberg statt. Passende Orte für eine solche Veranstaltung, an der bei 57 Abgeordneten, dem Stab der Fraktion und Menschen aus der Regierung letztlich deutlich über 100 Leute teilnehmen, sind gar nicht so einfach zu finden. In Heidelberg haben wir jedenfalls im Hotel Atlantic getagt: das erste Mal, dass der Weg zum Klausurhotel vom Gleis her aus ungefähr einer Treppe und einer Wandelhalle bestand – dann war man da. Der Tagungssaal im Hotel war im 11. Stock, gefrühstückt wurde sogar noch zwei Stockwerke höher, also im Stockwerk … „R“. Ob ich das Foto hier aus dem 13. Stock, wie oben angegeben, oder doch aus dem 11. Stock gemacht habe, weiß ich nicht mehr. So oder so: eine gute Gelegenheit, einen Blick auf Heidelberg zu werfen. Diverse Wahrzeichen sind auch im Bild.
Kurz: In der Blase
Es gibt viele Gründe, „AI“ zu kritisieren – das reicht von Bias in den zugrundeliegenden Daten über Umweltaspekte bis hin zu der Tatsache, dass große Sprachmodelle prinzipienbedingt eher plausibel klingende „Fakten“ erfinden als keine Antwort zu geben. Nichtsdestotrotz scheint eine größere Zahl an Menschen in ChatGPT, Gemini, Perplexity etc. so etwas wie allwissende Antwortmaschinen zu sehen. Und ja: die Textverarbeitung (und die Bildgenerierung) wirkt erst einmal sehr beeindruckend. Die realen Anwendungsfälle sind dann aber viel kleiner, als der Hype vermuten lässt.
Aber selbst wer von „AI“ begeistert ist, sollte die Frage des Geschäftsmodells zur Kenntnis nehmen. Hinter der Oberfläche stecken die selben paar großen Modelle – trainiert auf dem Internet und Raubkopien des gesamten Buchmarkts. Immer neue, noch größere Modelle werden angekündigt, die noch mehr Daten in einen komprimierten Suchraum verwandeln, noch mehr Strom und noch mehr Grafikkarten als Rechenbasis benötigen. Profitabel sind die Firmen hinter den großen Modellen nicht. Und die investierten Summen stehen in keinem Verhältnis zu den Einnahmen; auch dann nicht, wenn Abo-Modelle etc. berücksichtigt werden. Zudem sind, anders als bei anderen Anwendungen, zusätzliche Nutzer*innen teuer.
Cory Doctorow geht auf die Frage der „AI“-Blase tiefer und pointierter ein, als ich das könnte. Typisch für eine solche ökonomische Blase: alle wollen dabei sein, egal, ob es im konkreten Fall Sinn ergibt oder nicht. Und zu oft treffen Manager*innen die Entscheidung, darauf zu wetten, dass Schreibtischarbeit durch „AI“ ersetzt werden kann – ohne zu bedenken, dass damit letztlich nur Arbeit verschoben wird, hin zu Nacharbeit und Kontrolle, die (wo auch immer erworbene) menschliche Expertise voraussetzt. Vibe Coding mag für Projektchen funktionieren – für produktive Software eher nicht. Das ist schlicht eine Risikorechnung mit Blick auf Sicherheitslücken und ähnliches.
Bisher wabbelt die Blase – die nicht nur Doctorow diagnostiziert, sondern auch die Deutsche Bank beim Blick auf den US-Markt – munter vor sich hin. Wenn sie platzt, wenn dann beispielsweise OpenAI von heute auf morgen den Betrieb einstellt, wird das ziemlich düster werden. Die Erwartung, dann „told you so“ sagen zu können, mag zwar persönlich befriedigend sein – so richtig glücklich macht mich das jedoch nicht.
Photo of the week: Autumn comes II
Und nochmal ein Herbstbild (vom letzten Augusttag) – ich bin noch nicht dazu gekommen, die Septemberbilder hochzuladen, aber das ist jedes Jahr so, dass der September steil von „Ende der Sommerferien“ zu „mitten im Betrieb“ wechselt, auch aufgrund der Fraktionsklausur, die jedes Jahr direkt nach den Sommerferien stattfindet.