Greendex: wer lebt wie grün?

Die ame­ri­ka­ni­sche Natio­nal Geo­gra­phic Socie­ty hat vor kur­zem das Ergeb­nis eines 14-Län­der-Ver­gleichs vor­ge­stellt, den Greend­ex. Dabei geht es um den Bei­trag von a. Kon­sum­entschei­dun­gen und b. Kon­text­be­din­gun­gen für den Kon­sum in unter­schied­li­chen Län­dern zu einem nach­hal­ti­gen Lebens­stil, wohl vor allem an den CO2-Emis­sio­nen festgemacht. 

Colors of green (mosaic)
Wie grün bist Du?

Befragt wur­den 14.000 Haus­hal­te in den 14 Län­dern mit einem 65 Varia­blen umfas­sen­den Sur­vey, die dann zum „Greend­ex“ – einem Punk­te­wert – zusam­men­ge­fasst wur­den. Etwa 60 % der Fra­gen bezie­hen sich dabei auf Kon­sum­entschei­dun­gen, also Berei­che, in denen unter­schied­li­ches Ver­hal­ten mög­lich ist. Prin­zi­pi­ell sind sol­che Unter­su­chun­gen nichts neu­es, auch die Umwelt­be­wusst­seins­be­fra­gun­gen des Umwelt­bun­des­am­tes gehen in die­se Rich­tung, inter­es­sant ist hier vor allem der Ländervergleich. 

Dabei kommt – bezo­gen auf das Ver­brau­cher­ver­hal­ten in den ein­zel­nen Län­dern – fol­gen­de Rei­hen­fol­ge heraus:

1. Bra­si­li­en, Indi­en (je 60 Punkte)
2. Chi­na (56,1 Punkte)
3. Mexi­ko (54,3 Punkte)
4. Ungarn (53,2 Punkte)
5. Russ­land (52,4 Punkte)
6. Groß­bri­tan­ni­en, Deutsch­land, Aus­tra­li­en (je 50,2 Punkte)
7. Spa­ni­en (50,0 Punkte)
8. Japan (49,1 Punkte)
9. Frank­reich (48,7 Punkte)
10. Kana­da (48,5 Punkte)
11. USA (44,9 Punkte)

Die nied­ri­gen Punkt­zah­len der Schwel­len­län­der sind mit einem gerin­ge­ren mate­ri­el­len Wohl­stand ver­bun­den (Zahl der Autos, Woh­nungs­grö­ße), zum Teil wohl auch vom Kli­ma abhän­gig (Hei­zungs­be­darf etc.). Dass die USA ganz hin­ten lie­gen, ist nicht beson­ders erstaun­lich – erstaun­lich ist aber der gro­ße Abstand zu den übri­gen Ländern.

Deutsch­land liegt ins­ge­samt im Mit­tel­feld, bezo­gen auf die Indus­trie­län­der rela­tiv weit vor­ne. Das mag etwas damit zu tun haben, dass „umwelt­freund­li­ches Ver­hal­ten“ hier­zu­lan­de schon ziem­lich lan­ge the­ma­ti­siert wird (vgl. Tele­po­lis-Arti­kel).

Auf der Web­site Greend­ex lässt sich – wie inzwi­schen auf vie­len ande­ren Sei­ten ähn­li­che Fuß­ab­drü­cke etc. zu fin­den sind – auch der per­sön­li­che „Greend­ex“ berech­nen.

Bis auf die Fra­ge 9, die so nur Sinn macht, wenn die ent­spre­chen­den Gerä­te vor­han­den sind, sieht der Fra­ge­bo­gen für die Berech­nung erst ein­mal ganz ver­nünf­tig aus. Bei mir kommt ein Score von 61 her­aus, was mich freut, aber nicht beson­ders über­rascht (kein Auto, rela­tiv viel Regio­na­les und Recy­cling, Niedrigenergiemietswohnung).

Eine Infor­ma­ti­on habe ich auf der Sei­te bis­her nicht gefun­den: wel­cher Score wäre tat­säch­lich nach­hal­tig? Bei ähn­li­chen Rech­nern zum „Fuß­ab­druck“ kommt dann ja meist her­aus, dass beim per­sön­li­chen Lebens­stil welt­weit zwei bis drei Pla­ne­ten not­wen­dig wären (bei mir: 1,6) – die­se Infor­ma­ti­on scheint mir hier zu fehlen.

War­um blog­ge ich das? Weil’s mich wis­sen­schaft­lich und poli­tisch inter­es­siert und hier glo­ba­le Daten mit einem per­sön­li­chen Kal­ku­la­tor ver­bun­den wer­den, was ich inter­es­sant finde.

Notizen zu Praxistheorie und Umweltverhalten, Teil II

I am a hard bloggin' scientist. Read the Manifesto.

Das hier ist der zwei­te Blog­ein­trag einer Serie, in der ich den Zusam­men­hang von Pra­xis­theo­rie und Umwelt­ver­hal­ten erläu­tern will – vor allem, um mei­ne eige­nen Gedan­ken zu ord­nen. Inso­fern bit­te ich dar­um, kei­nen glat­ten und in jedem Punkt ordent­li­chen Text zu erwar­ten, son­dern das als – viel­leicht auch für ande­re inter­es­san­tes – Roh­ma­te­ri­al zu betrach­ten. Im ers­ten Teil ging es um eine kur­ze Ein­füh­rung in die Pra­xis­theo­rie, nach dem Klick auf „Wei­ter­le­sen“ gehe ich erst ein­mal auf mensch­li­ches Umwelt­ver­hal­ten ein.

„Noti­zen zu Pra­xis­theo­rie und Umwelt­ver­hal­ten, Teil II“ weiterlesen

Notizen zu Praxistheorie und Umweltverhalten, Teil I

I am a hard bloggin' scientist. Read the Manifesto.

In die­sem Text ver­su­che ich, in meh­re­ren Blog­ein­trä­gen mei­ne Ideen zum Zusam­men­hang von Pra­xis­theo­rie und Umwelt­ver­hal­ten zu ord­nen, ohne bereits ein glat­tes und geprüf­tes „End­pro­dukt“ vor Augen zu haben. Und weil’s dann doch schnell ziem­lich lang wird, darf jetzt auf „wei­ter­le­sen“ kli­cken, wer in ver­mut­lich recht sozio­lo­gi­schem Deutsch zuerst ein­mal mehr über Pra­xis­theo­rie erfah­ren will. Das Umwelt­ver­hal­ten kommt im zwei­ten Teil dran …

„Noti­zen zu Pra­xis­theo­rie und Umwelt­ver­hal­ten, Teil I“ weiterlesen

Pilot-Forschungs-Ranking Soziologie (Update)

Wie einer Pres­se­mit­tei­lung des Wis­sen­schafts­rats zu ent­neh­men ist, lie­gen jetzt Ergeb­nis­se der Pilot­stu­die For­schungs­ran­king auch für das zwei­te Pilot­fach, die Sozio­lo­gie, vor. Dort heißt es:

Auch jen­seits der tra­di­tio­nell für ihre Sozio­lo­gie bekann­ten Stand­or­te in Deutsch­land haben sich inzwi­schen leis­tungs­star­ke Ein­rich­tun­gen her­aus­kris­tal­li­siert, an denen wich­ti­ge Bei­trä­ge zur sozio­lo­gi­schen For­schung geleis­tet wer­den. Ins­ge­samt ist die deut­sche Sozio­lo­gie hoch dif­fe­ren­ziert und weist aus­ge­präg­te Leis­tungs­un­ter­schie­de auf. Das gilt nicht nur für die Uni­ver­si­tä­ten und außer­uni­ver­si­tä­ren Insti­tu­tio­nen jeweils als Gan­zes betrach­tet, son­dern eben­so inner­halb der ein­zel­nen Ein­rich­tun­gen. Neben einer klei­nen Spit­zen­grup­pe von Ein­rich­tun­gen, die ins­ge­samt sehr gut abge­schnit­ten haben, ver­fü­gen immer­hin 60 Pro­zent aller am For­schungs­ra­ting betei­lig­ten 57 Insti­tu­tio­nen über min­des­tens eine sehr gut oder sogar exzel­lent bewer­te­te Forschungseinheit.

Ziel des gan­zen Ver­fah­rens war es, Bewer­tungs­kri­te­ri­en für ein Ran­king der For­schungs­stär­ke zu beur­tei­len, die dis­zi­pli­nen­spe­zi­fisch unter­schied­li­che Kul­tur und Qua­li­täts­kri­te­ri­en berück­sich­ti­gen. Dazu wur­den nicht qua­ni­ta­ti­ve Maß­stä­be ange­legt, son­dern qua­li­ta­ti­ve Urtei­le einer infor­mier­ten Gut­ach­ter­grup­pe ein­ge­holt. Wie weit das gelun­gen ist, mag ich nicht ohne wei­te­res beur­tei­len, inter­es­sant ist der Blick auf die Stu­die alle­mal. Inter­es­sant ist, dass die Err­geb­nis­se kei­ne Rang­fol­ge dar­stel­len sol­len, aber natür­lich trotz­dem so gele­sen wer­den – mit dem Köl­ner Max-Planck-Insti­tut, dem SOEP und den Unis HU Ber­lin, Bie­le­feld, Bre­men, Göt­tin­gen, Mann­heim und Mün­chen ganz vorne.

Frei­burg (S. 68) liegt übri­gens bei allen Dimen­sio­nen im „guten“ Durch­schnitt – unter­sucht wur­den zwei For­schungs­ein­hei­ten, ob damit das Insti­tut für Sozio­lo­gie sowie ein ande­res sozio­lo­gie­na­hes Insti­tut (da gibt’s ein paar an der Uni Frei­burg) gemeint sind, oder zwei Pro­fes­su­ren am Insti­tut für Sozio­lo­gie, lässt sich der Stu­die aller­dings nicht ent­neh­men. Als über­durch­schnitt­lich wird der Trans­fer in ande­re gesell­schaft­li­che Berei­che bewer­tet, in den Dimen­sio­nen Impact, Effi­zi­enz und Nach­wuchs­för­de­rung kommt jeweils ein „gut“ her­aus, und die Dimen­si­on „Wis­sens­ver­mitt­lung“ wird als durch­schnitt­lich bewertet.

Die­se Ergeb­nis­se sind inso­fern inter­es­sant, als sie nur teil­wei­se mit bei­spiels­wei­se dem CHE-For­schungs­ran­king über­ein­stim­men (da liegt z.B. die Frei­bur­ger Sozio­lo­gie ganz vorne).

Gene­rell wird als Fazit der Stu­die fest­ge­hal­ten, dass die Sozio­lo­gie in Deutsch­land sehr hete­ro­gen auf­ge­stellt ist, dass sie sehr klein­tei­lig orga­ni­siert ist, und dass die Publi­ka­ti­ons­kul­tur oft eigen­wil­li­gen Qua­li­täts­kri­te­ri­en folgt, sprich, sich viel­fach nicht an Maß­stab der Ver­öf­fent­li­chung pri­mär in aner­kann­ten Peer-review-Zeit­schrif­ten mes­sen lässt. Zudem wird wenig inter­na­tio­nal publi­ziert – eine Beob­ach­tung, die ich anders­her­um auch schon machen muss­te, als ich ver­sucht habe, aktu­el­le Tex­te deutsch­spra­chi­ger Sozio­lo­gIn­nen zum The­ma Glo­ba­li­sie­rung für eine eng­lisch­spra­chi­ge Lehr­ver­an­stal­tung zusammenzustellen.

Eine Stel­lung­nah­me der DGS liegt noch nicht vor.

War­um blog­ge ich das? Weil mich die­se Stu­die sowohl fach­lich als auch wis­sen­schafts­po­li­tisch inter­es­siert.

Update: (15.5.2008) In der FAZ fin­det sich eine sehr kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Pilot-For­schungs-Ran­kingRating, und die DGS setzt sich zwar ehren­wer­ter­wei­se gegen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung ein, nimmt aber, soweit ich das sehe, inhalt­lich nicht Stel­lung zum For­schungsran­king-Rating, son­dern ver­weist nur auf ein Forum beim Kon­gress im Oktober.

Sind die Grünen reif für Männer, die „Frauenthemen“ ernst nehmen?

Bei den Grü­nen wird ja der­zeit wei­ter­hin ein/e Nachfolger/in für Rein­hard Büti­ko­fer gesucht. Neben all­ge­mei­ner Unlust und ande­ren Kar­rie­re­plä­nen gibt es ein inter­es­san­tes Phä­no­men bei den der­zeit für die Bewer­bung um die­sen Pos­ten absa­gen­den – eine ernst genom­me­ne ega­li­tä­re Fami­li­en­kon­zep­ti­on. Ulri­ke Win­kel­mann schreibt in der taz dazu:

Her­men­au ist dabei nicht die Ein­zi­ge, die auf ein Kind ver­weist. Die Män­ner tun dies meist nicht ganz so offen – ein­mal abge­se­hen vom schles­wig-hol­stei­ni­schen Lan­des­chef Robert Habeck (sie­he Inter­view). Es stellt sich her­aus, dass die jün­ge­ren grü­nen Män­ner mit der Eman­zi­pa­ti­on jeden­falls inso­weit Ernst machen, als Sie sich auch an die Lebens­plä­ne ihrer Part­ne­rin gebun­den füh­len – da ist ein Umzug nach Ber­lin mit allem, was der Bun­des­vor­sitz an fami­li­en­feind­li­chen Stra­pa­zen ver­spricht, nicht selbstverständlich.

In der Frank­fur­ter Rund­schau beschreibt Vera Gas­e­row das Phä­no­men als „Gene­ra­ti­on Kann-gera­de-nicht“ – und sagt zwar, „dass die Grü­nen-Nach­wuchs­ge­ne­ra­ti­on auf die Unver­ein­bar­keit von Fami­lie und Poli­tik hin­weist, dass sie durch ihr Selbst­ver­ständ­nis inner­fa­mi­liä­rer Rol­len­ver­tei­lung dafür emp­find­li­cher ist als ande­re, das macht sie sym­pa­thisch“, geht aber dann doch von eigent­lich vor­ge­scho­be­nen Grün­den aus. Ich glau­be das nicht. In die­ser – mehr oder weni­ger auch mei­ner – Gene­ra­ti­on gibt es (sicher­lich unter­schied­lich aus­ge­prägt) tat­säch­lich ein ande­res Ver­ständ­nis von Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit, fami­liä­rer Arbeits­tei­lung und Ega­li­tät als noch bei Fischer oder gar Gedöns-Schrö­der. Zumin­dest in bestimm­ten Krei­sen ist Eman­zi­pa­ti­on tat­säch­lich zu einem Selbst­ver­ständ­lich­keits­an­spruch gefordern.

Das ist auch gut so, aber damit ste­hen Bünd­nis 90/Die Grü­nen gleich­zei­tig vor einer Her­aus­for­de­rung, die etwas mit der eige­nen Pro­gram­ma­tik zu tun hat, die aber – wenn ich die Zei­chen der Zeit rich­tig deu­te – auch ganz ande­re Orga­ni­sa­tio­nen, etwa in der Wirt­schaft, betrifft: an die Stel­le von Man­n/­Kar­rie­re-Frau/­zu­hau­se mit Kind und Dou­ble-Inco­me-No-Kids sind heu­te in mei­ner Gene­ra­ti­on viel­fach Fami­li­en­grün­dungs­wün­sche getre­ten, die ega­li­tä­re gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung, Kar­rie­re- und Kin­der­wün­sche zusam­men­brin­gen. Anders gesagt: auch jün­ge­re Män­ner ste­hen jetzt vor dem „Frau­en­pro­blem“, Kind und Kar­rie­re unter einen Hut zu brin­gen. Mit 60-Stun­den-Jobs ist das offen­sicht­lich nicht mög­lich. Einen – ich benut­ze jetzt bewusst die männ­li­chen For­men – Teil­zeit­bun­des­vor­sit­zen­den, Teil­zeit­mi­nis­ter, Teil­zeit­bür­ger­meis­ter, Teil­zeit­kon­zern­chef oder auch Teil­zeit­ab­tei­lungs­lei­ter sieht unse­re Gesell­schaft aller­dings bis­her nicht vor. Genau die­ses Dilem­ma wer­den auch die Grü­nen so schnell nicht lösen kön­nen; ver­mut­lich wird’s dann doch wie­der ein Mann oder eine Frau ohne fami­liä­re Ver­pflich­tun­gen (oder mit einer nicht­e­ga­li­tä­ren Fami­l­ein­vor­stel­lung). Aber dass es jetzt im Raum steht, und dass damit ein Pro­blem umris­sen wird, das eben auch zur Imple­men­ta­ti­on des post­bür­ger­li­chen grü­nen Wer­te­spek­trums dazu­ge­hört, ist wich­tig. Ein Bei­spiel dafür, dass eine Par­tei durch­aus Vor­rei­ter­funk­tio­nen in der­lei Belan­gen ein­neh­men kann, ist die Quo­te: in den 1980er Jah­ren bei den Grü­nen ein­ge­führt, gibt es jetzt zuneh­mend ernst­haf­te­re Über­le­gun­gen, sie auch anders­wo zu über­neh­men. Nor­we­gen mit sei­ner 40%-Quote für Auf­sichts­rä­te (im übri­gen: eine Quo­te für Män­ner und für Frau­en!) ist hier nur die Spit­ze eines in den nächs­ten Jah­ren auf­tau­chen­den Eisbergs.

War­um blog­ge ich das? Weil das Bei­spiel ein schö­nes Schlag­licht auf ein The­ma wirft, das mir sowohl poli­tisch als auch wis­sen­schaft­lich wich­tig ist. Und das zeigt, dass „Gen­der“ schon längst kei­ne Frau­en­fra­ge mehr ist.