Vor einer Woche war er der Favorit, vor dem Wochenende hatte nach einer überraschenden Entscheidung der Findungskommission niemand mehr mit ihm gerechnet, dann wurde er ebenso überraschend doch noch nachnominiert und – wenn die Quellen der Badischen Zeitung stimmen – soeben als Rektorkandidat vom Universitätsrat gewählt: die Rede ist von Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer (Mediavistik und derzeit kommissarischer Rektor). Dass der Senat, der am Mittwoch die letzte Entscheidung trifft, jetzt doch noch querschießt, halte ich für unwahrscheinlich – und die historische Chance, eine Frau als Rektorin zu wählen, damit für vertan.
Die unerklärliche Anziehungskraft der Coffee-to-go-Becher
Nachdem ich relativ oft die Cafeterien des Studentenwerks frequentiere, ist mir aufgefallen, dass dort seit einiger Zeit nicht nur Kaffeemaschinen eingesetzt werden, die ganz passabel darin sind, die sogenannten „Kaffeespezialitäten“ herzustellen, sondern dass es dort seit einigen Monaten auch „Coffee-to-go-Becher“ gibt. Damit meine ich diese beschichteten Papierbecher, die von Bäckereien, der Bahn oder Bistros ausgegeben werden, wenn jemand seinen Kaffee mitnehmen möchte. Diese Becher nun wiederum sind von einem Geheimnis umgeben: einer unerklärlichen Anziehungskraft.
Betrachten wir das „EC“, da hier das Phänomen am deutlichsten sichtbar wird. Inzwischen stehen dort drei (oder sogar vier?) Selbstbedienungskaffeemaschinen, aus denen Kaffee, Cappuccino, Milchkaffee, Latte Macchiato etc. abgerufen werden kann. Die Automaten stehen im kassennahen Bereich der Selbstbedienungstheke. Die räumliche Anordnung ist hier chronologisch mediiert (soll heißen: normalerweise bewegen sich die Leute von links nach rechts an der Theke vorbei). Rechts von den Automaten sind noch ein paar Süßigkeiten und die Tasse, links ist das unterschiedliche Geschirr dafür zu finden. Es gibt dort: Schalen für Milchkaffee, Becher für Kaffee, Cappuccino etc., Latte-Gläser und Espresso-Tassen. Und die bereits erwähnten To-go-Becher.
Was ich nun seltsam finde, ist die Tatsache, dass ich immer wieder Menschen beobachte, die ganz selbstverständlich einen der roten Papierbecher mit einem Kaffeegetränk befüllen, sich damit dann aber nicht auf den Weg machen, sondern sich in der Cafeteria niederlassen – auf der Terrasse, oder sogar im Innenbereich. Dieses Verhalten ist mir in zweierlei Hinsicht unergründlich. Zum einen finde ich es ästhetisch und geschmackvoller, wenn schon Automatenkaffee, diesen dann wenigstens in einer richtigen (in dem Fall so eine Art Pseudoporzellan mit glasiger Oberfläche) Tasse bzw. in einem richtigen Becher zu trinken. Und zum anderen ist es natürlich doch ein bißchen verschwenderisch, einen Mitnahmebecher mitzunehmen, wenn es gar keinen Ort gibt, an den gegangen wird.
Spontan fallen mir für diese Praxis drei Hypothesen ein:
1. Die To-go-Becher stehen direkt neben den Kaffeemaschinen; zusammen mit der aus anderen Situationen (Bäckerei usw.) bekannten eingespielten Erwartung, schnell mitzunehmenden Kaffee in einem Papierbecher serviert zu bekommen, sind sie damit erste Wahl; es wird gar nicht erst weiter nach anderen Behältnissen gesucht. Hier könnte eine Umsortierung der Becherstapel helfen (oder der beliebte Agent „Hinweisschild“).
2. Die To-go-Becher werden von denjenigen bevorzugt, die sich nicht sicher sind, ob sie ihren Kaffee tatsächlich in der Cafeteria trinken wollen, oder nicht doch vielleicht in die Verlegenheit kommen, ihn mitnehmen zu müssen. Mit dem Papierbecher gibt es dann keine Notwendigkeit, den Kaffee in Eile auszutrinken, und sich der Gefahr von Verbrühungen auszusetzen. (Verwandt hiermit: der Weg zur Geschirrrückgabe soll vermieden werden, um wertvolle Minuten in der knappen Pausenzeit zwischen zwei Veranstaltungen zu sparen). Diese Hypothese wäre insofern überprüfbar, als dann diejenigen auch auf Tabletts, Teller und Besteck verzichten müssten: also Kaffee pur und Gebäck auf der Hand.
3. Am gravierendsten der dritte mögliche Grund: sich vorzustellen, dass es Leute gibt, in deren persönlicher Alltagsästhetik Papierbecher angemessener erscheinen – als Hommage an eine Wegwerfkultur, zur Repetition des Gefühls, sich bei Starbucks zu befinden, oder aus imaginierten hygienischen Gründen.
Soweit die Hypothesen zur ohne weitere Prüfung weiterhin unerklärlichen Anziehungskraft der Coffee-to-go-Becher.
Handelt es sich dabei um ein auf Freiburgs Studierende beschränktes Phänomen? Oder gibt es weitere Fallbeispiele, wo die Einführung von Papierbechern die Nutzung von mehrfach verwendbarem Geschirr sinnlos reduziert hat?
Warum blogge ich das? Weil ich mich schon mehrfach drüber geärgert bzw. gewundert habe, und das jetzt mal loswerden wollte.
Vor der Entscheidung: Drei-Rektoren-Jahr oder erste Frau im Amt?
Die Badische Zeitung (Hinweis via GrünesFreiburg) berichtet, dass das Feld der dreizehn BewerberInnen um die Rektoratsnachfolge für die Universität Freiburg nach der Entscheidung der Findungskommission auf eine Zweierliste geschrumpft ist. Auf der stehen jetzt noch die Dekanin der Philologischen Fakultät und langjährige Gleichstellungsbeauftragte der Uni, Prof. Dr. Elisabeth Cheauré (Slawistik) und der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Christoph Peters (Molekularmedizin).
Wenn das so stimmt, handelt es sich hier tatsächlich um eine sehr spannende Konstellation: langjähriges politisches Engagement in der Uni vs. Profilierung in der Exzellenzinitiative, Geisteswissenschaft vs. technische Naturwissenschaft, und nicht zuletzt natürlich auch die erste Frau vs. ein weiterer Mann in der langen Reihe der Freiburger Rektoren.
Die Entscheidung über diese Fragen trifft am Montag der Universitätsrat, der aus sechs externen und fünf internen Mitgliedern besteht. Je nachdem, wer gefragt wird, wird hier eine – die Teilung nach intern/extern übergreifende – Prognose von 5:6 für den Kandidaten oder für die Kandidatin abgegeben; jedenfalls sieht niemand mehr als eine knappe Mehrheit. Die Entscheidung des Universitätsrats wird dann am Mittwoch dem Senat zur Annahme oder Ablehnung vorgelegt.
Ich bin gespannt, ob die Universität den Schritt wagt, nach der Entscheidung der Findungskommission noch einmal zu überraschen und tatsächlich Frau Cheauré zu wählen – und damit ein deutliches Signal auch für eine interne Modernisierung und ein Klima der Zusammenarbeit zu setzen. Wenn, wie z.B. von der grünen Landtagsabgeordneten Theresia Bauer (anlässlich der letztmaligen Wahl von Altrektor Jäger) gefordert, alle Hochschulmitglieder wählen dürften, statt die eigentliche Entscheidung einem kleinen aufsichtsratähnlichen Gremien zu überlassen, hätte Frau Cheauré auf jeden Fall meine Stimme.
Warum blogge ich das? Weil in der baden-württembergischen Hochschulgesetzgebung der Einfluss der RektorInnen doch ziemlich groß ist – und es deswegen für die weitere Entwicklung der Universität Freiburg ziemlich wichtig ist, wer am Montag vorgeschlagen wird.
Photo of the week: Waldsee 45
Gedankenexperiment: zwei grüne Listen
Kurz hatte ich ja schon darauf hingewiesen, dass es hier in Freiburg durch den Austritt von Coinneach McCabe und Monika Stein aus der grünen Fraktion gerade turbulent hergeht. Etwas schief angeguckt wurde ich, weil ich diesen Austritt u.a. damit kommentiert habe, dass das beste Ergebnis wohl zwei grüne Listen wären. Was meine ich damit?

Einen Haken für jeden politischen Mantel?
Derzeit ist das Verständnis der Situation ja folgendes: zwei „Abtrünnige“ treten aus der Fraktion aus, die letztlich auf die Wahlversammlung der grünen Parteimitglieder zurückgeht, und machen eine eigene Gruppe im Gemeinderat auf, mit der Ankündigung, vielleicht auch bei den Wahlen 2009 anzutreten. Der erste Gedanke eines guten Parteimitglieds muss jetzt natürlich sein: das geht nicht, jedenfalls nicht, solange die Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen bleiben, denn dann gäbe es eine konkurrierende Liste und damit ein parteischädigendes Verhalten. Das ganze wäre auch insofern paradox, als ja beispielsweise alle in Freiburg wohnenden grünen Parteimitglieder (so sie generell wahlberechtigt sind) die Kommunalwahlliste aufstellen. Dann könnten auch auf konkurrierenden Listen antretende Parteimitglieder mitentscheiden, wer denn da gegen sie aufgestellt wird. Ist schräg und zurecht durch Satzungen gedeckelt.
Das ganze ließe sich aber auch noch aus einem ganz anderen Blickwinkel anschauen. Bei der letzten Kommunalwahl haben die Freiburger Grünen – als Volkspartei, die sie hier sind – 25,8 Prozent und damit 13 Sitze erhalten (Quelle). Möglicherweise liegt das kommunale WählerInnen-Potenzial für grüne Politik im weiteren Sinne jedoch noch deutlich höher. Eine Volkspartei hat immer das Problem, relativ kompromisshaltige Programme schreiben und umsetzen zu müssen. Je stärker die Ausrichtung in eine Richtung (das muss jetzt nicht mal unbedingt das klassische Schema links-rechts sein, sondern kann auch z.B. heißen Kulturpolitik vs. Umweltschutz) geht, und je eher das über die tatsächliche WählerInnenschaft hinausgehende Potenzial in dieser Richtung „abgeschöpft“ wird, desto größer ist das Risiko von Verlusten am entgegengesetzten Rand des Spektrums der Partei. Entsprechend kommt es zu Wanderungen zu anderen Listen oder ins Lager der NichtwählerInnen.
Die derzeitige Fraktion in Freiburg besteht aus den Grünen und aus der Liste Junges Freiburg, die eigenständig angetreten ist. Auch diese Konstellation ist nicht ohne Schwierigkeiten, zuletzt gab es ja auch hier Ausschlüsse, Übertritte, und so weiter. Trotzdem ist zu vermuten, dass die von zwei getrennten Listen „Junges Freiburg“ einerseits und „Die Grünen“ andererseits erreichte Prozent- und Sitzzahl höher ist als die einer gemeinsamen Liste, die sich von vorneherein auf Kompromisse einigen hätte müssen. Das Wahlsystem setzt dem Prinzip „getrennt antreten, vereint schlagen“ enge Grenzen; auch das Auszählungsverfahren nach d’Hondt begünstigt tendenziell größere Listen.
Jetzt ganz hypothetisch gesprochen: was würde passieren, wenn die Freiburger Grünen feststellen, dass ein bestmögliches Angebot für relevante und politisch nahestehende WählerInnen-Zielgruppen darin bestehen würde, nicht mit einer Liste anzutreten, sondern mit zwei Listen, die beide von der Partei Bündnis 90/Die Grünen unterstützt und – vielleicht proportional zu einem Abstimmungsergebnis – mit Geldern für den Wahlkampf versehen werden? Einmal abgesehen davon, dass das ein solches Vorgehen möglicherweise rechtlich problematisch ist (Darf eine Partei überhaupt zwei Listen ins Rennen schicken? Wer stellt dann wen auf?) könnte ich mir vorstellen, dass unter der Rahmenbedingung „Volkspartei mit großem WählerInnen-Potenzial“ ein Antreten mit zwei Listen zu einem besseren Gesamtergebnis führt als eine Liste. Beide Listen müssten dann natürlich programmatisch klar von einander abgegrenzt sein und jeweils ein eigenes Profil haben – vielleicht einen Kern von gemeinsamen Forderungen, und dann jeweils eine differenzierende Akzentsetzung. Damit würden zielgruppenspezifische Produkte auf den Wahlmarkt geworfen, die – so die jeweiligen Versprechen dann auch gehalten werden – insgesamt zu einer größeren Akzeptanz führen könnten als eine gemeinsame Liste.
Um es klar zu sagen: bei einem Potenzial im einstelligen Bereich bietet sich so ein Vorgehen genauso wenig an wie z.B. bei Bürgermeisterwahlen, wo ja letztlich nur eine Person gewählt werden kann. Aber wenn es darum geht, mehr als ein Viertel der Bevölkerung mit angemessener Politik zu versorgen, könnten zwei profilierte Listen eine interessante Lösung sein.
Soweit das Gedankenexperiment – die rechtlichen Möglichkeiten und die politischen Realitäten sehen vermutlich anders aus. Und auch die kleine Lösung, also eine gemeinsame Liste, aber eine klare Identifikation von einzelnen Gruppen auf dieser Liste, um die in Baden-Württemberg vorgesehene Möglichkeit des Kumulierens mit Leben zu füllen, erscheint mir leider recht unwahrscheinlich.
Trotzdem ist es vielleicht gar nicht so falsch, eben gerade auch angesichts der relativ verfahrenen aktuellen Situation darüber nachzudenken, ob mit innovativen Strategien nicht doch letztlich mehr daraus werden kann als eine große Schlammschlacht kurz vor der Wahl. Querzudenken (beliebte grüne Fähigkeit, außer, sie wird eingesetzt) kann hier vielleicht mehr gewinnen als der Rückgriff auf scheinbar bewährte Handlungsrollen.
Warum blogge ich das? Weil kurze schnippische Kommentare leicht missverstanden werden.



