Das Leben als Infografik
Oder hier klicken, um’s bei YouTube anzuschauen. Das Stück heißt übrigens „Remind Me“ und kommt von der norwegischen Band Röyksopp, von der ich zugegebenermaßen noch nichts gehört hatte, bis ich via Reddit auf das Video hier gestoßen bin.
Warum blogge ich das? 1. wegen der Infografiken (und dem innovativen Einsatz dieser hier), 2. wegen a. Siegfried Kracauer und b. Nicholas Baker.
Das magische Dreieck, oder: Milchkaffee
Nachdem Tina Günther mein Blog netterweise zu den soziologischen zählt, und weil mir das Grafikdesign von „Hard Bloggin‘ Scientist“ gut gefällt, und ich das überhaupt für eine gute Idee halte, möchte ich mein Blog hier doch verstärkt dazu nutzen, meinen soziologischen Schaffensprozess zu begleiten.
Derzeit schlage ich mich mit dem Problem herum, mir klar darüber werden zu wollen, wie sich das „magische Dreieck“ aus Natur, Technik und Gesellschaft sozialtheoretisch fassen lässt. Das hat zum einen ziemlich viel damit zu tun, die – in großer Zahl vorliegenden Texte zu diesem Thema – zu überblicken und zu verdauen, zum anderen aber auch viel damit, darüber nachzudenken, was ich von den verschiedenen Argumenten eigentlich halte und welche theoretische Position mir sinnvoll erscheint. Vor Jahren schon hat mich Johannes Moes mal darauf hingewiesen, dass es Technik eigentlich gar nicht gibt. Inzwischen kann ich nachvollziehen, warum das eine einleuchtende Position sein kann. Nur: wie damit umgehen, dass „die Technik“ genauso wie „die Natur“ gesellschaftliche Konstrukte sind, einerseits, dass aber, andererseits, sowohl die Grenzziehung innerhalb des Materiellen (was ist noch Natur, was schon Technik?) als auch die zwischen dem Materiellen und der Gesellschaft verschwimmen (für letzteres argumentieren beispielsweise Bruno Latour, Donna Haraway oder auch Mike Michael) und eigentlich alles nur noch als Hybrid, Cyborg, Co-Agent, verteiltes Netzwerk denkbar erscheint? Vor allem dann, wenn man gerade dabei ist, eine techniksoziologische Arbeit über im Alltagssinn durchaus dem Gefilde des Technischen zuzurechnende Dinge zu schreiben?
Vielleicht hilft ein Beispiel, die verschwimmenden Grenzen sichtbar zu machen: gerade eben war ich einen Milchkaffee trinken (um über eben diese Frage nachzudenken), und bin danach durch den Regen wieder in mein Büro gelaufen. Eine ganze Reihe von „Akteuren“ sind an dieser Szenarie beteiligt. Konstellationsanalytisch lässt sich beispielsweise nach Menschen, technischen Dingen, natürlichen Dingen und Zeichensystemen (also Diskursen, Regelwerken etc.) sowie Hybriden aus den vier Gruppen unterscheiden. Während klassisch-soziologisch genau zwei Akteure auftreten: ich und der Verkäufer des Milchkaffees, oder mit Luhmann all das beschriebene nur insofern wichtig ist, als es Teil gesellschaftlicher Kommunikation darüber ist (Finanztransaktionen, Kommunikationen innerhalb des Wissenschaftssystems, …) und Personen keine Rolle spielen, tauchen mit der von Latour u.a. inspirierten Konstellationsanalyse haufenweise Akteure auf (es sei jetzt mal dahingestellt, welche für eine Analyse der Situation wirklich relevant sind):
Dieses Netzwerk trägt die soziale Praktiken „einen Kaffee trinken gehen, um über
Es ließe sich jetzt jedoch genauso gut fast alles in die Kategorie „Hybride“ packen – und da wird dann mein Problem mit dem Dreieck deutlich. Mal abgesehen davon, dass Menschen natürlich ;-) eh hybrid sind (Körper, Bewusstsein, Brille, Kleidung, Geldbeutel, …), ist die Milchkaffeetasse zwar ein technisches Ding, aber auch kulturell aufgeladen. Dass in der Tasse Milchkaffee ist, funktioniert nur durch das Zusammenwirken von Wasser, Kaffeeplantagen und ‑händlern, den Stromwerken, dem Verkäufer hinter dem Bartresen, den zu diesen Zweck gezüchteten und manipulierten Kühen, … hinter dem einfachen Milchkaffee steckt also auch schon wieder ein hybrides Netzwerk. Und dass das mit Natur und Technik so einfach nicht ist, machen nicht nur die Kühe deutlich (klar, Natur – aber ziemlich technisierte Natur!), sondern auch der Regen: der fällt wegen Gravitation und Wetterverhältnissen, letztere haben – immerhin haben wir August! – diese Woche aber auch was mit dem anthropogenen Klimawandel zu tun.
Wenn aber, und das ist mein letzter Schlenker für heute, eigentlich eh alles Hybride sind: wie dann hingehen, und die einzelnen Bestandteile, die da zusammenwirken, in ihren Wirkungen und Beeinflussbarkeiten voneinander trennen? Orthodoxe Latour-AnhängerInnen werden jetzt erklären, dass das halt der große Fehler der Moderne ist, der Versuch, dies zu trennen, und ich das halt lassen soll; um darüber zu reden – und um analytische Aussagen treffen zu können – muss ich hier aber trennen, Netzwerke auseinandernehmen und (nicht zuletzt der disziplinären Anschlussfähigkeit in Richtung a. Techniksoziologie und b. Umweltsoziologie zuliebe) Unterscheidungen treffen. Und da stehe ich jetzt.
Warum blogge ich das? Um zum Nachdenken über diesen Umstand heute nicht noch eine dritte Tasse Kaffee trinken zu müssen.
Gelbe Gefahr
Diverse Blogs sind ihr bereits erlegen. Dieses hier jetzt auch – das zusammengebastelte traute Familienbild sieht dann so aus:
V.l.n.r.: Zora, Till, Angela
Wer’s selbst machen will, kann sein Glück entweder bei der von einem Fastfoodkonzern gesponserten Site Simpsonize Me (nimmt ein Portraitfoto und versucht, die passende Comiczeichnung zu entwickeln) oder bei der offiziellen Seite zum Simpsons-Film (Menüpunkt Avatar basteln) versuchen. Die erstgenannte Site lässt einen das fertige Bild als transparentes PNG herunterladen, bei der zweitgenannten ist ein Screenshot (Windows: auf „Druck“ drücken) hilfreich.
Warum blogge ich das? Gruppenzwang, siehe hier …
Ein Dossier zum Ende der Freiburger Linie, und ein paar Fragen zur Forschungsfreiheit im Sicherheitsstaat (Update 6: offene Briefe zum Fall Andrej H.)
Eindrücke, wonach eine vermeintliche „Freiburger Linie“ nicht mehr eingehalten werde, polizeiliche Verhaltensweisen sich geändert haben oder durch Wechsel von Führungspersonen nicht mehr Anwendung finden, sind subjektive Eindrücke.
So steht’s in einer Pressevorlage der Freiburger Polizei. Ich glaube derzeit eher den subjektiven Eindrücken, und bin da auch nicht der einzige. Mit dem neuen Polizeichef Amann hat sich ganz klar etwas verändert. Was, lässt sich zum Beispiel einem umfangreichen Dossier bei Indymedia entnehmen. Da wollte ich einfach mal drauf hinweisen.
Warum blogge ich das?
Eigentlich hatte ich nur „Andrej“ und „Stadtsoziologie“ in Google eingegeben, um herauszufinden, wer denn der im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die angebliche militante Gruppe verhaftete Berliner Soziologe ist, der in der Presse immer nur als „Andrej H.“ bezeichnet wird. Also aus Neugierde. Die Suchmaschinentreffer ergeben dann das Bild eines engagierten, politisch sicherlich links stehenden Akademikers, der sich am Lehrstuhl von Prof Häußermann an der HU mit Gentrification, Privatisierungen und Hartz IV auseinandersetzt (wenn das inzwischen ausreicht, um des Terrorismus verdächtigt zu werden, sollte die Deutsche Gesellschaft für Soziologie mal lieber schnell ihre Mitgliederliste vernichten).
Da u.a. Spiegel Online auch auf eine Debatte bei Indymedia verwiesen, habe ich dann auch dort mal wieder reingeschaut – und zwar ein paar Solidaritätsdemoankündigungen und ‑berichte gefunden, aber nicht die große Debatte. Dafür dann das oben angesprochene Dossier zum Ende der Freiburger Linie, auf das ich hiermit hinweise. Was ich damit anfangen soll, dass die intellektuelle Fähigkeit zum Verfassen kapitalismuskritischer Analysen inzwischen ausreicht, um als Mitglied einer angeblichen terroristischen Vereinigung identifiziert zu werden, weiss ich dagegen grade noch nicht so genau. Volker Ratzmann von den Berliner Grünen sagt dazu:
Das hieße, dass zukünftig jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin, die sich im politischen Bereich und mit gesellschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzt, aufpassen muss, dass niemand gegen ihren Willen ihre Ausführungen zur Begründung seiner eigenen und strafrechtlich relevanten Handlungen heranzieht. Wenn sie dann vielleicht noch in Seminaren Kontakt hatten, werden sie gleich zum Bestandteil einer konstruierten terroristischen Vereinigung.
Das Zitat bringt es auf den Punkt.
Zusammengenommen zeigt beides – die Erkenntnisse, wie sehr die badische Deeskalation an einer Person hing, und die Tatsache, dass der Staat mal eben wieder Methoden aus den 1970er Jahren ins Spiel bringt – wie schwierig es ist, Freiräume des Denkens und Handelns aufrecht zu erhalten. Sich darauf zu verlassen, dass sicher geglaubte Freiheiten bestand haben, könnte fatal sein.
Update: Inzwischen gibt es laut WordPress-Statistik ironischerweise Leute, die nach „Andrej H.“ und „Soziologie“ (u.ä.) suchen – und dann hier bei einem Bericht über eine solche Suche landen. Dass es tatsächlich möglich ist, über eine derartige Suche umfangreiche Infos über Andrej H. zu finden, ist, nebenbei gesagt, ein Hinweis darauf, dass bestimmte mediale Anonymisierungsstrategien (wir nennen den „Verdächtigen“ nicht mit vollem Namen, sondern nur mit Vornamen und Initial) nicht funktionieren, wenn 1. der Vorname hinreichend selten ist, und 2. weitere Infos („Berliner Stadtsoziologe“) vorliegen, die die Menge möglicher Personen deutlich einschränken. Anders gesagt: der Versuch der Anonymisierung funktioniert in diesem Fall überhaupt nicht …
Update 2: Bei Telepolis gibt’s ein Interview mit Prof. Rainer Rilling (Uni Marburg und Rosa-Luxemburg-Stiftung) zum Fall Andrej H. und den Konsequenzen daraus.
Update 3: Rilling sitzt auch im wissenschaftlichen Beirat von Attac, der sich ebenfalls dazu äußert (via).
Update 4: (15.08.2007) Wie die ZEIT berichtet, gibt es inzwischen einen offenen Brief einer ganzen Reihe WissenschaftlerInnen, in dem die Generalbundesanwältin aufgefordert wird, die Ermittlungen gegen Andrej H. einzustellen und – meine Paraphrase – in Zukunft etwas genauer hinzusehen, statt sozialwissenschaftliche Arbeit als Verdachtsmoment zu nehmen. Unterzeichnet haben den unterstützenswerten Brief u.a. Hartmut Häußermann, Wilhelm Heitmeyer, Claus Offe, Helmuth Wiesenthal, Franz Schultheis, Michael Schumann, Susanne Frank, Wolfgang Kaschuba, Ralf Fücks (Böll-Stiftung) und 52 weitere WissenschaftlerInnen. Ich bin mir sicher, dass noch eine ganze Reihe mehr diesen Brief unterschreiben würden, wenn dafür im weiteren Kreis Unterschriften gesammelt würden. Hoffen wir, dass es was hilft.
Update 5: Der erwähnte offene Brief kann doch durch weitere Menschen unterstützt werden [via] – ich habe gerade unterschrieben (und gleich mal dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine Mail mit der Frage geschickt, ob die Fachgesellschaft nicht ihre Mitglieder auf diesen Brief aufmerksam machen möchte).
Update 6: Der Fall Andrej H. zieht weitere Kreise – das Blog Kulturwissenschaftliche Technikforschung berichtet von der Tagung der American Sociological Association
Auf der Jahrestagung der American Sociology Association (Vereinigung der US-amerikanischen Soziologen, vgl. http://www.asanet.org/), wo seit Samstag rund 4.000 Sozialwissenschaftler in New York tagen, wird der Fall in mehreren Veranstaltungen diskutiert, kursieren Petitionen, insbesondere Stadtsoziologen zeigen sich sehr besorgt über die deutsche Entwicklung.
Auch ein weiterer offener Brief mit Unterstützung namhafter ausländischer WissenschaftlerInnen wird erwähnt – u.a. sind da (neben Elmar Altvater, Dieter Rucht und Roland Roth aus Deutschland) auch Mike Davis, Saskia Sassen, Richard Sennett und John Urry zu finden, um nur die bekanntesten zu nennen.