Der Opfinger See kann auch grün, jedenfalls dann, wenn die Blätter der Bäume am Ufer das Licht filtern.
Optimale Pfade
Das mag jetzt etwas abwegig klingen, und vielleicht geht’s nur mir so.
Ich finde das an Computer-Programmen rumbasteln sehr entspannend, das ist auch etwas, wo ich schnell die Zeit aus den Augen verliere.
Ähnlich geht es mir mit einigen Spielen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: Terraforming Mars, Cities: Skylines, Turing Complete (letzteres eine Simulation/Tutorial für den Aufbau eines PC ausgehend von AND- und OR-Schaltungen). Was diesen Spielen gemeinsam ist: es gibt – optimierbare – Pfade hin zu einem erwünschten Endzustand. Bei Terraforming Mars kommt’s dabei auch auf Glück an, die richtigen Karten zu haben. Cities: Skylines als Städtebausimulation ist manchmal opak.
Turing Complete zeigt das in Reinkultur: baue einen Schaltkreis, der genau diese Aufgabe möglichst effizient erledigt, z.B. die Multiplikation zweier Binärzahlen.
Das Schöne an diesen Spielen ist das Erfolgserlebnis, durch Nachdenken und Ausprobieren optimale Pfade zu finden. Wenn A und B, und dann C, dann auch D …
Harter Kontrast zur wirklichen Welt: die ist mit ihren großen Problemen natürlich um ein paar Größenordnungen komplexer als Programme oder Wege durch Spiele. Trotzdem lässt sich so etwas wie die große Transformation oder die Herausforderung der Klimakrise als Netzwerk von Abhängigkeiten denken, durch den es einen optimalen (oder überhaupt irgendeinen) Pfad zu finden gilt.
Neben der Größenordnung gibt es allerdings mindestens zwei wichtige Unterschiede, die die Suche nach optimalen Pfaden zu einer deutlich weniger erfreulichen Angelegenheit machen.
Zum einen fehlt die Möglichkeit des Trial und Errors; die gibt es bei politischen Lösungen der Klimakrise noch nicht einmal als Simulation. Entscheidungen sind vielfach irreversibel. Falsche Abbiegungen schließen ganze Äste aus. Gleichzeitig erscheint das, was als möglicher Pfad für eine Lösung dieser Frage denkbar ist, als sehr fragile Angelegenheit. Damit am Schluss ein Zwei-Grad-Szenario herauskommt, müssen ganz viele Entscheidungen an ganz vielen Stellen – vom Verkehrssystem bis zur Frage der Methanemissionen aus der Tierhaltung – weltweit richtig getroffen werden. „Kleinigkeiten“ wie die Frage, wann das Heizungsgesetz in Deutschland seine Wirkung entfaltet, können sich als politische Kipppunkte erweisen und anderes verunmöglichen. Alles hat Nebenwirkungen und Seiteneffekte.
Zum anderen sind, wie hier schon deutlich wurde, sehr viele Akteur*innen beteiligt, die für eine erfolgreiche Lösung kooperieren müssen. Und das macht’s nochmal deutlich schwieriger – erst recht aus einer Perspektive des minimalen Einflusses auf einige wenige „Schalter“.
Bringt mir dieser Vergleich jetzt etwas? Vielleicht die Erkenntnis, dass – ohne in soziotechnische Ingenieursträume oder Planbarkeitseuphorie zu verfallen – es gut wäre, wenn das Bewusstsein dafür, dass es sich bei den großen Herausforderungen nicht um isolierte Probleme handelt, sondern erfolgreiche Lösungen auf ein ganzes Netzwerk aus Wirkungen und Effekten angewiesen ist, samt Feedbackschleifen und Rückwirkungen.
Den einen optimalen Pfad kennt niemand. Vielleicht gibt es ihn nicht. Und vielleicht sind wenig planbare Dinge wie Märkte und exponentielle Technikdurchsetzungen – wie wir sie gerade bei PV erleben, am Ende wichtiger.
Trotzdem würde ich mir mehr Bewusstsein über all diese Abhängigkeiten wünschen. Gerade bei denen, die entscheiden.
Und, ganz anderer Punkt: löse die Klimakrise könnte jenseits aller Didaktik (an der m.E. Vesters Ökolopoly scheitert) eine gute Grundlage für ein Simulationsspiel sein.
Lasst euch nicht verhärten
Als ich vor ein paar Wochen erfahren habe, dass ich als baden-württembergischer Ersatzdelegierter für den Länderrat im hessischen Bad Vilbel einspringen soll, bin ich noch davon ausgegangen, dass das eine eher mäßig spannende Sache werden würde.
Der Länderrat – also der kleine Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen mit rund 100 Delegierten, viele davon „Funktionär*innen“ – ist üblicherweise viel weniger dynamisch als unsere großen Parteitage mit rund 800 Delegierten. Und diesmal ging es auch mit der Themensetzung – Klimaschutz in Verbindung mit Sicherheit und Wirtschaft – und dem Tagungsort in der Nähe von Frankfurt ganz offensichtlich darum, Tarek Al-Wazir und den hessischen Grünen Rückenwind für die Landtagswahl im Herbst zu geben.
Der Länderrat, zu dem ich heute morgen durchaus mit Sorge aufgebrochen bin, stand dann unter ganz anderen Vorzeichen. Zum einen, weil die Debatten der letzten Tage um Heizungsgesetz und Klimaschutz schwierig waren, zum anderen aber, weil das eigentlich wichtige Thema unter dem Punkt Verschiedenes noch auf die Tagesordnung gesetzt worden war: die Frage, wie wir uns als Partei zum europäischen Asylkompromiss des Rats verhalten wollen – und wie das diesbezügliche Handeln der grünen Regierungsmitglieder bewertet werden soll.
Seit Donnerstag letzter Woche hatte diese Debatte zu einer massiven Polarisierung geführt – manche sahen alte Flügelkämpfe wieder aufleben, es gab sich jeweils widersprechende Statements der entsprechenden Personen aus dem Bundesvorstand und der Fraktionsspitze, auf Sondersitzungen und in Videokonferenzen und Webinaren wurde hitzig diskutiert. Der entsprechende Antrag war letztlich mit über 50 Änderungsanträgen bestückt.
Photo of the week: Dietenbach sunset
Augmented Reality, jetzt aber wirklich?
Wer dieses Blog schon länger liest, weiß, dass ich bei Virtual-Reality-Visionen eher skeptisch bis sehr skeptisch bin. Ein bisschen anders sieht es mit „Augmented Reality“ (AR) aus, also dem Einblenden digitaler Elemente in den realen Raum. Dazu hat Apple gestern Abend den Prototyp einer Augmented-Reality-Brille vorgestellt. Sieht eher aus wie eine Skibrille (oder eine Taucherbrille), ist wohl nicht ganz leicht, und ein Kabel zum Batteriepack oder zur Steckdose hängt auch dran. In den USA soll es dieses Ding – „Vision Pro“, wie es beeindruckend visionslos heißt – ab nächstem Jahr geben, für 3500 Dollar als Startpreis. Sieht also erstmal nach einer teuren Spielerei aus.
Trotzdem: das, was da an Anwendungen vorgestellt wurde, klingt für mich durchaus interessant. Ein kompletter Computer mit beliebig großem Bildschirm zum Mitnehmen? Ein 3D-Kino, das echte Immersion erlaubt? Das Einblenden von Apps in den realen Raum? Und das nicht wie bei Google Glass in Miniauflösung, sondern mit 4K oder mehr? Und ziemlich viel Technik, um realen und digitalen Raum reibungslos ineinander übergehen zu lassen?
Das hat schon etwas und klingt ziemlich vielversprechend. Vor allem auch deshalb, weil Apple das bei den neueren iPhone- und iPad-Generationen im Ansatz schon macht. Da ist dann ein Lidar eingebaut, und so Dinge wie Entfernungsmessung oder das Einblenden von 3D-Objekten in korrekter Orientierung in Fotoaufnahmen gelingt problemlos.
Wenn die Skibrille noch leichter und eleganter wird, und statt 4000 Euro (oder was auch immer der genannte Preis am Ende bedeutet) deutlich günstiger wird, kann ich mir schon vorstellen, dass eine AR-Brille zu einem Teil unseres Alltags wird; zumindest in professionellen Kontexten, und als Ding für Menschen, die gerne Spiele oder Filme auf einem größtmöglichen Bildschirm sehen wollen – hier 180° oder mehr umfassend.
Ob das ein iPhone-Moment wird, also sowas wie 2007, als das knopflose Smartphone mit Ganzflächentouchscreen sich in die Welt begab? Keine Ahnung. Ein SF-Moment ist es jedenfalls.
„Siehste jetzt, wie das geht?“ Er klappte sie auf, einen Bügel in jeder Hand. „Links ist aus, rechts ein. Du brauchst sie nur ein bißchen zu bewegen.“ […] „Hier. Probier mal.“ Er setzte sie ihr auf.
Sie stand mit dem Gesicht zur Stadt, als er das tat. Der Finanzdistrikt, die Pyramide mit den Stützen vom Little Grande, die Hügel dahinter. „Du meine Güte!“ sagte sie, als sie die Türme sah, die dort erblühten, Gebäude, die größer waren als alles andere, ein vollkommen regelmäßiges Netz, das sich von den Hügeln hereinwälzte. […] Dann füllte sich der Himmel mit chinesischen Schriftzeichen.
„Sammy …“
Sie merkte, wie er sie packte, als sie das Gleichgewicht verlor.
Die chinesischen Schrifttzeichen verwandelten sich in englische.
S U N F L O W E R C O R P O R A T I O N
„Sammy …“
„Hm?“
„Was, zum Teufel ist das?“ Worauf sie auch den Blick richtete, immer erhellte ein anderes Etikett den Himmel, dichte Zusammenballungen technischer Worte, die sie nicht verstand.
So Chevette in William Gibsons Roman Virtual Light (dt. Virtuelles Licht), 1993. Die AR-Brille, die hier beschrieben wird, die Chevette eher zufällig geklaut hat und dann ausprobiert, ist im Buch ein Prototyp. Irrsinnig teuer (wie ein japanischer Kleinwagen). und der Schlüssel zu Gibsons Roman. Dreißig Jahre später vielleicht Wirklichkeit.