Nächsten Sonntag ist Wahl, diesen Sonntag ist Länderrat (Update)
Für uns Grüne kommt es am 27.9. auf jede Stimme an. Ob wir bei 10 oder bei 13 Prozent rauskommen, ist für eine letztlich doch recht kleine Partei ein gewaltiger Unterschied. Da geht es nicht nur um die Frage, ob schwarz-gelb verhindert werden kann oder eine knappe (Überhang‑5%-Klausel)-Mehrheit erringt. Es geht auch darum, ob die grüne Fraktion wie derzeit die kleinste ist, oder mehr politisches Gewicht als FDP und LINKE erhält. Und nicht zuletzt geht es um jedes einzelne grüne Mandat: ob da gut 60 Grüne oder fast 80 Grüne im Parlament sitzen, macht einen gewaltigen Unterschied. Auch deswegen hier noch der Hinweis auf die Briefe zur Wahl an verschiedene potenzielle Wählergruppen.
Ein Element der letzten, heißen Phase des Wahlkampfs ist der 1. Länderrat 2009. Länderrat ist der kleine Parteitag der Grünen, und dieser Länderrat wird wohl ganz klar unter der eingangs genannten Maxime stehen, dass es jetzt auf jede Stimme ankommt. Neben diversen politischen Reden (und einem Bericht zu Afghanistan) steht auf der Tagesordnung des Länderrats v.a. ein Punkt: das Sofortprogramm für den sozialen und ökologischen Aufbruch, das inzwischen als Antrag vorliegt.
Als baden-württembergischer Delegierter werde ich am Sonntag in Berlin beim Länderrat dabei sein. Jeder Parteitag steht irgendwo zwischen medialer Inszenierung und interner Meinungsbildung. Dieser hier ist ganz klar auf einem Pol dieses Spektrums angesiedelt (beim 2. Länderrat am 3.10. wird das vielleicht anders aussehen). Trotzdem halte ich es für sinnvoll, als Delegierter hier meine Teilnahme am Länderrat transparent zu machen und damit auch die Möglichkeit zu bieten, mir Wünsche und Empfehlungen mitzugeben.
Inhaltlich macht das Sofortprogramm zum einen noch einmal deutlich, warum CDU-FDP und CDU-SPD als Regierungskonstellationen schlecht für dieses Land sind, stellt klar, was für eine grüne Stimme spricht – und definiert 18 Projekte, die eine Regierung unter grüner Beteiligung möglichst schnell umsetzen soll. Grundlage für diese Projekte ist unser Wahlprogramm.
Wenn ich sie mir so anschaue, gibt es einiges, was ich sehr gut finde (Klimaschutz, Anti-AKW, Mindestlohn, ALG-II mit höherem Satz und ohne Sanktionen, zentrale netzpolitische Vorhaben: „die Vorratsdatenspeicherung, Internetsperre und heimliche Online-Durchsuchung sofort aussetzen und ein umfassendes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz auf den Weg bringen“ sowie die Aussetzung der Wehrpflicht). Im Vergleich zum Wahlprogramm fehlt natürlich einiges – etwa die Kindergrundsicherung, aber auch der gesamte Bereich Hochschule, Wissenschaft und Forschung.
Jetzt kommt es ein bißchen drauf an, wie dieses Sofortprogramm zu bewerten ist. Der Antrag des Bundesvorstands kann vor allem als Instrument in der Wahlkampfinszenierung gelesen werden. Dann werden damit noch einmal die wichtigsten Wahlkampfthemen unterstrichen (und zu vielen Sofortprojekten gibt es auch passende Plakate). Wie schon bei den Wahlplakaten gibt es dann wichtige Themen, die nicht auftauchen, was eine – durchaus auch kritisierbare – strategische Entscheidung für den Wahlkampf ist, für die Arbeit im Parlament aber keine große Rolle spielen wird. Ich denke hier an die schon erwähnte Forschungspolitik, oder – wenn wir über Wahlplakate reden – auch an die Sozialpolitik.
In dieser Lesart ist die wichtigste Frage jedenfalls: Welche der vielen grünen Ideen und Projekte rücken wir nach vorne, um noch zweifelnde WählerInnen zu überzeugen?
Anders sieht es aus, wenn das Sofortprogramm wörtlich genommen wird, und als Rohentwurf einer grünen Koalitionsbeteiligung oder eines grünen parlamentarischen Arbeitsprogramms gelesen wird. Dann würde ich doch gerne an der einen oder anderen Stelle andere Prioritäten sehen.
Ich tendiere zu der ersten Lesart, möchte das – ebenso wie den Inhalt des Sofortprogramms – aber natürlich gerne hier zur Diskussion stellen.
Warum blogge ich das? Um meiner Funktion als Länderratsdelegierter auch kommunikativ gerecht zu werden.
Update: (18.09.2009) Die taz berichtet von der Vorstellung des (noch nicht vom Länderrat beschlossenen) Sofortprogramms und sieht darin vor allem eine Absage an Jamaika. Was mich etwas wundert, weil die Koalitionsoption „Jamaika“ bereits im Wahlprogramm und an x anderen Stellen ausgeschlossen wurde. Interessant jedenfalls die Deutung als „Checkliste“ für Koalitionsverhandlungen.
Kurz: Bei Twitter für grün werben (Update)
Ein kleines Element im grünen Wahlkampf ist die Nutzung der Profilbilder bei Twitter, Facebook usw. für einen Wahlaufruf. Diese Idee finde ich prinzipiell sympathisch. Mich stört allerdings, dass dann die Person überhaupt nicht mehr zu sehen ist. Deswegen habe ich für Twitter den Dienst „Twibbon“ genutzt, um einen Wahlaufruf zu basteln, der noch ein bißchen Gesicht übriglässt. Twibbon legt dazu ein transparentes Bild über den Twitter-Avatar (über Profile/History lässt’s sich wieder rückgängig machen). Ich habe ein bißchen damit rumprobiert, dabei auch ein bißchen Spam produziert, weil Twibbon bei jedem Bildwechsel eine Statusmeldung in meinem Twitter-Account produziert hat. Am besten gefällt mir letztlich (neben selbst nochmal genau angepassten Sachen) mein erster Versuch:

Wer das selbst für seinen oder ihren Twitter-Account nutzen will: Einfach hier klicken und dann „Show my support now“ auswählen. Twibbon erhält dann über die Authentizierung von Twitter Zugriff auf deinen Account, fügt das grüne Wahleck zum Bild hinzu und schreibt eine entsprechende Statusmeldung. Wie vertrauenswürdig Twibbon ist, muss jedeR mit sich selbst ausmachen.
Disclaimer: kein offizielles Wahltool der Grünen – Nutzung auf eigene Gefahr ;-)
Update: Falls jemand selbst etwas basteln will, oder für Facebook, Gravatar etc. eine größere Datei anlegen möchte: hier ein PNG mit transparentem Hintergrund im Format 250x250 Pixel mit dem Wahlaufruf als „Schild“ links unten.
Kurz: Wir haben die Atomkraft
Obige Abbildung machte vor einigen Tagen die Runde durch die sozialen Netzwerke. Passend dazu kommt jetzt ans Licht, dass Schavan eine Studie zum Thema „Neubau von AKW in Deutschland“ beauftragt hatte – und diese verschlossen hält. Mal ganz unabhängig davon, dass Open Access für alle öffentlich finanzierten Studien eigentlich selbstverständlich sein müsste: ich nehme das schon als deutliches Zeichen dafür, dass Schwarz-Gelb nicht nur eine Verlängerung der bisherigen AKW-Laufzeiten (insbesondere der in die neue Legislaturperiode getricksten AKWs), sondern eben auch den inländischen Neubau von AKWs anstrebt.
Deswegen:

Schwarz-Gelb, nein Danke!
Grüne Positionen zur Raumfahrt
Achtung: Dieser Blogpost ist aus dem Jahr 2009!
Das Blog Astrodictium simplex hatte Mitte August nach den Positionen der Parteien zur Raumfahrt gefragt – und von den Grünen scheinbar keine Antwort erhalten. Mich hat das irritiert, weswegen ich als Sprecher der BAG Wissenschaft, Hochschule, Technologiepolitik noch einmal nachgehakt habe. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Fragen zur Raumfahrtpolitik durch Peter Hettlich MdB beantwortet wurden (am 3.9.2009) – nur hat diese Antwortmail wohl Florian Freistetter von Astrodictium simplex nicht erreicht. Wie dem auch sei – hier sind nun (ohne Kommentierung meinerseits und ohne sie mir in jedem Punkt zu eigen zu machen) die grünen Antworten auf Florians Fragen zur Raumfahrtpolitik:
Wie ist die offizielle Position Ihrer Partei zur Raumfahrt? Sind die Anstrengungen Deutschlands ausreichend oder zuwenig/zuviel?
Bündnis 90/Die Grünen stehen der Raumfahrt grundsätzlich positiv gegenüber, sehen aber auf lange Sicht keine Möglichkeit, den finanziellen Rahmen – wenn dies mit „Anstrengungen“ gemeint ist – auszuweiten. Wir bewerten dagegen die bemannte Raumfahrt überaus kritisch, denn ihr Nutzen ist im Vergleich zu den sehr hohen Kosten viel zu gering und sie verschlingt die Mittel für wichtigere Projekte der Raumfahrt. Ein Negativbeleg hierfür ist die internationale Raumstation ISS, die sowohl beim Zeit‑, Budget‑, Ausbau- als auch beim Wissenschaftsplan viele der gesteckten Ziele verfehlt hat. Daher lehnen wir auch eine deutsche Beteiligung an einer geplanten US-amerikanischen bemannten Mondmission ab.
Soll Deutschland verstärkt international Kooperationen (z.B. mit NASA oder ESA) suchen oder auch alleine Projekte in Angriff nehmen?
Bereits heute ist Deutschland gern gesehener Kooperationspartner (z.B. bei den Mars-Rovern Spirit und Opportunity) oder gar wesentlicher Missionspartner (z.B. bei Mars-EXPRESS) bei vielen internationalen Wissenschaftsmissionen. Angesichts der hohen Kosten plädieren wir aber verstärkt für internationale Kooperationen, dann aber nicht nur mit der NASA und der ESA sondern auch mit Roskosmos (Russland), ISRO (Indien), CNSA (China), JAXA (Japan) oder anderen Nationen.
Glauben Sie, dass eine Investition in die Raumfahrt einen positiven Effekt auf die Wirtschaft in Deutschland haben kann?
Investitionen in die Raumfahrt haben bereits bewiesen, dass sie einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben können. Beste Beispiele sind Wetter‑, Telekommunikation- und Fernsehsatelliten, ohne die ein Leben im 21. Jahrhundert schwer vorstellbar wäre. Viele dieser Satelliten werden schon heute kommerziell betrieben, offensichtlich scheinen sich derartige Investitionen zu lohnen. Negativbeispiele sind das ökonomisch gescheiterte Satellitentelefonsystem IRIDIUM oder aktuell das Desaster um das europäische Satellitennavigationssystem Galileo, bei der die europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmen bewiesen haben, dass es um ihre Kompetenz besonders bezüglich der Einhaltung von Kosten- und Zeitplänen nicht zum Besten bestellt ist. Denn die Zeche darf hier wieder einmal der europäische Steuerzahler begleichen.
Sind Investitionen in Raumfahrt Luxus oder notwendig?
Nichtkommerzielle Raumfahrt wie z.B. Erderkundungsmissionen sind kein Luxus sondern bereits heute für die Menschheit wichtig, da sie wichtige Erkenntnisse über das Ökosystem Erde gewinnen und uns drastisch vor Augen führen, wie sehr wir bereits an unserem Planeten Raubbau betrieben haben. Diese Erkenntnisse sind unersetzlich um z.B. dem Klimawandel und der Umweltzerstörung begegnen zu können. Wissenschaftsmissionen wie z.B. zu Sonne, Mond, Kleinplaneten, Kometen, Planeten oder zur Erkundung des Weltalls (wie z.B. die aktuellen Missionen Herschel und Planck) sind für die Grundlagenwissenschaften unerlässlich, sie gehören zu einem unverzichtbaren Bestandteil heutiger Forschung.
Sind Sie der Meinung, dass das Geld für die Raumfahrt für andere Projekte verwendet werden sollte? Wenn ja, welche?
Gelder für Raumfahrtmissionen sollten ausschließlich in unbemannte Missionen investiert werden. – Begründung siehe oben.
Halten Sie die Entscheidung, die deutsche Mondmission LEO zu streichen, für richtig?
Ja, in diesem Falle stimmen wir der Entscheidung der Bundesregierung vom Juli 2008 ausdrücklich zu. Allerdings scheint diese Position nach den jüngsten Verlautbarungen des zuständigen Staatssekretärs Peter Hintze möglicherweise revidiert zu werden. Wir halten allerdings einen nationalen Alleingang und gar einen zweiten „Wettlauf“ zum Mond für überflüssig und eher für eine Idee aus der Mottenkiste des Kalten Krieges. Mit der Mondsonde SMART‑1 gab es bereits bis 2006 ein sehr erfolgreiches Projekt der ESA, das leider von der Öffentlichkeit wenig bis gar nicht verfolgt wurde. Wir können daher nicht verstehen, warum die dabei gesammelten Erfahrungen bislang nicht zu einer neuen europäischen Mondmission geführt haben.
Halten Sie die Pläne für eine neue deutsche Mondmission für sinnvoll?
Wir halten sie aus den oben beschriebenen Gründen für überflüssig. Im übrigen sei darauf verwiesen, dass diese Pläne insbesondere vom deutschen Quasi-Monopolisten EADS-Astrium gefördert und gefordert werden. Wir verweisen nochmals darauf, daß sich auch EADS als Konsortialteilnehmer beim Galileo-Desaster nicht mit Ruhm bekleckert hat, als es darum ging, dieses System privatwirtschaftlich als ÖPP zu realisieren. Es kann aber nicht sein, dass die Steuerzahler immer dann zur Kasse gebeten werden, wenn die Raumfahrtindustrie nicht mehr weiter weiß bzw. mit ihren Kostenstrukturen – wie z.B.
bei der Ariane 5 – nicht mehr klar kommt.
Welche Ziele sollen in der Raumfahrt künftig verfolgt werden?
Anstatt Gelder sinnlos in Prestigeprojekte wie bemannte Missionen zur ISS oder zum Mond zu stecken, sollten weiterhin unbemannte Missionen z.B. zu den inneren und äußeren Planeten, zur Sonne und vor allem zu Mond und zur Erkundung des Weltalls verfolgt werden. Wir brauchen aufgrund der langen Planungs- und Ausführungsvorläufe von z.T. 10 Jahren und mehr, eine größere Verlässlichkeit bei politischen Entscheidungen, damit Forschung und Wissenschaft darauf aufbauen können. Negativbeispiel ist wiederum die NASA, die nach der Vorentscheidung der Bush-Administration für eine bemannte Mondmission viele lang geplante Wissenschaftsmissionen streichen mußte.
Braucht Europa einen eigenen bemannten Zugang zum All – zum Beispiel in Form einer für bemannten Flüge ausgebauten Ariane-Rakete und eines erweiterten ATV?
Wir brauchen keinen eigenen bemannten Zugang zum All. Im 21. Jahrhundert ist Kooperation mit den beiden Nationen angesagt, die diese Technologie mehr oder weniger gut beherrschen. Rußland verfügt zwar über das mit Abstand zuverlässigste und preiswerteste System, aber es ist wenig komfortabel und hat eine relativ geringe Reichweite. Die USA müssen sich demnächst vom Space Shuttle verabschieden und wissen trotz ihrer hohen Kompetenz noch nicht, wann und zu welchen Kosten ihr Nachfolgesystem startklar sein wird. Wieso sollte sich Europa mit seinen deutlich geringeren Kenntnissen in einen absurden Wettlauf um einen eigenen bemannten Zugang zum All begeben?
Halten Sie bemannte Raumfahrt für sinnvoll oder sollte sich Deutschland nur an Bau, Entwicklung und Betrieb von Raumsonden und Satelliten beteiligen?
Deutschland hat hohe Kompetenzen beim Bau, bei der Entwicklung und beim Betrieb von Raumsonden und Satelliten, die von internationalen Partnern gerne in Anspruch genommen werden. Und gerade bei diesen Satellitenmissionen haben auch die (nur noch wenigen) deutschen mittelständischen Raumfahrtunternehmen wie z.B. OHB eine Chance, als Hauptunternehmen beauftragt zu werden. Solange die bemannte Raumfahrt ein kostspieliges, relativ nutzloses und zudem hochriskantes Unterfangen ist und solange es von weltweiten Quasi-Monopolstrukturen seitens der Industrie dominiert wird, darf sich Deutschland daran nicht mit Steuergeldern beteiligen.



