Irgendwie komme ich mit den August-Fotos nicht hinterher. Was zu seltsamen Flashbacks führt, weil der Lavendel längst abgeschnitten, die Birnen geerntet und der Garten allmählich herbstlich ist, während auf den Fotos noch Bienen herumschwirren, Birnen reifen und alles blüht.
Kurz: Wo sind Sie hin?
Gestern war mal wieder ein globaler Klimastreik. In Freiburg waren es so knapp 2000 Leute, deutschlandweit insgesamt 75.000, sagt die Tagesschau, in Wien waren es zwischen Hochwasser und Wahl wohl 13.000, und auch in New York, Rio und Delhi gab es den Medienberichten zufolge Klimaaktionen. Einerseits cool, dass hier deutliche Zeichen gesetzt werden – andererseits waren wir auch schon mal mehr.
Ich war in Freiburg beim Streik dabei, und fand es auffällig, wie sich die Zusammensetzung der Demonstrierenden im Vergleich zu vorherigen Streiks verändert hat: klar, weiterhin viele Jugendliche (wobei die „erste“ FFF-Generation inzwischen mitten im Studium steckt), diverse Umweltorganisationen (von BUND und NABU bis hin zu Extinction Rebellion) und auch Brot für die Welt waren mit Fahnen vertreten, an Parteien habe ich neben ein paar grünen Fahnen (eine davon meine) nur zwei Volt-Plakate wahrgenommen, die durch die Demo getragen wurden. Alter: viele sehr jung, viele grauhaarig (ich ja inzwischen auch), dazwischen wenig? Einen Redebeitrag – von einem FFF-Aktivisten – zu Frust und Motivation nach sechs Jahren Klimastreik – fand ich sehr gut, dass die Initiative „Dieti bleibt“, die sich gegen die Abholzung eines Teils des Dietenbachwaldes für den Stadtteilneubau im Freiburger Western einsetzt, großen Raum bekommen hat, fand ich nur bedingt nachvollziehbar. Und hey, „hoch die internationale Solidarität“ und „Anticapitalista“ sind möglicherweise dann doch eher allgemeintaugliche Demosprüche. Insgesamt habe ich jedenfalls eine deutliche Verengung (und damit möglicherweise auch Radikalisierung) der Protestierenden wahrgenommen. Und gleichzeitig weiß ich aus meinem Umfeld, dass viel arbeiten mussten, im Urlaub waren oder aus anderen Gründen keine Zeit/keine Priorität hatten, am Freitagmittag zu Demo und Kundgebung zu gehen.
Ich verstehe, dass die Zeiten nicht so sind. Ich habe ja auch überlegt, ob ich wirklich den Nachmittag frei nehmen soll. Ein Thema des Streiks war, dass die Regierung nicht genug tut. Kann ich nachvollziehen und befürchte gleichzeitig, dass jede andere aktuell rechnerisch mögliche Regierung noch weniger für den Klimaschutz tun würde. Damit ist aber sehr viel weniger klar als früher, gegen wen und für was demonstriert wird (siehe auch die Freiburger Debatte um Dietenbach). Und dass es frustriert, dass selbst die erste Regierung mit grüner Regierungsbeteiligung im Bund seit Jahren nicht noch sichtbar schneller ist, kann ich auch verstehen – obwohl die Ausbaukurven für Wind und PV gut aussehen und die Förderprogramme im Baubereich umgestellt wurden. Das 1,5‑Ziel wurde gerissen, zwei Grad sind machbar, aber herausfordernd. Und dann kommt Lindner und die Schuldenbremse, und dann kommt Merz und der reaktionäre Rechtsruck, und dann kommt die AfD und das frostige Meinungsklima. Und zwischendrin klebt die Letzte Generation auf der Straße und sorgt für Naserümpfen.
Trotzdem: da waren schon mal mehr Leute, und da waren schon mal Leute auch sichtbar aus anderen Parteien, aus anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Wo waren die gestern?
Oder, direkt gefragt: Wo seid ihr gestern gewesen, wenn nicht beim Streik?
Ich meine damit diejenigen, denen Klimaschutz wichtig ist, ohne tief in irgendwelchen diesbezüglichen Gruppen zu stecken. Die, die mit Kind und Kegel oder Arbeitskolleg:innen beim vorletzten Klimastreik die Straße gefüllt haben. Oder auch die, die bei den Demos Anfang des Jahres deutlich gemacht haben, dass AfD-Pläne absolut nicht mehrheitsfähig sind.
Gerade in der Situation jetzt, in der die öffentliche Meinung von Rechts gemacht wird, in der der physikalisch unaufhaltsame und mit Hochwasser und Hitze spürbare Klimawandel eigentlich Top-Thema sein müsste, bräuchte es eine Million Menschen auf der Straße. Wäre schön, wenn das jemand in die Hand nehmen würde. Auch wenn’s sich gerade nicht nach Volksfest anfühlt.
Kurz: Merz von Gestern
Trotz der Wird-er’s‑oder-wird-er’s‑nicht-Berichterstattung war es eigentlich absehbar. Der Kanzlerkandidat der Union heißt demnach wohl Friedrich Merz. Der der SPD wird nach jetzigem Stand der jetzige Kanzler sein, wenn da nicht noch ein Biden-Harris-Manöver folgt. Und mal ehrlich: beide sind eigentlich keine so gute Wahl für unser Land. Merz setzt auf Krawall, auf das Gestern, auf einen weitgehend nahtlosen Anschluss an Helmut Kohl. Geht’s nur mir so, oder passt das wirklich nicht mehr in die Zeit? (Mal ganz abgesehen, dass mir aktuell nicht klar ist, mit wem die CDU eigentlich regieren will – mit dem BSW?)
Scholz hatte jetzt drei Jahre Zeit, zu zeigen, dass er für Respekt steht, dass er Führung liefert, dass er’s kann. Auch das sehe ich nicht so richtig. 2021 war er noch Projektionsfläche. Das ist jetzt weg. Wir kennen ihn.
Theoretisch – und mit etwas Optimismus: auch praktisch – öffnet das den Möglichkeitsraum für einen dritten Kandidaten. Aus grüner Perspektive läuft’s dabei wohl auf Robert Habeck hinaus. Klar, das ist eine Außenseiterchance, auch wenn das Jahr vor der Wahl 2021 gezeigt hat, dass ein Jahr in der Politik lang ist, dass sich noch vieles bewegen kann. Habeck als Kanzler? Why not? Wenn Merz über seine eigenen Füße fällt, wenn Scholz den Moment verpasst, von Buchhalter auf Statthalter der Normalität zu schalten – und wenn Habeck es schafft, in den kommenden Monaten nicht als sich klein machender Vizekanzler der missliebigen Ampel zu erscheinen, für diese ungeliebte Trias zu stehen, sondern für grün, als Vorahnung dessen das zum Leuchten zu bringen, was in diesem Land möglich ist: dann könnte es klappen.
2011 hatten wir Grünen in Baden-Württemberg 24,2 Prozent, die SPD 23,1 Prozent – das reichte, der Rest ist Geschichte. Und ganz unähnlich zum damaligen CDU-Ministerpräsidenten Mappus ist Merz nicht, bei Lichte betrachtet.
Photo of the week: Tower bridge, London – III
Und noch ein (letztes?) Foto der Reise nach Glasgow – auf der Rückreise hatten wir noch einen halben Tag in London und haben mal schnell eben alle wichtigen Sehenswürdigkeiten betrachtet – Tower und Tower Bridge, die Themse, das Globe Theatre, St. Paul’s Cathedral, The Barbican, Paddington Station, Westminster und Buckingham Palace. Abgesehen von der Zeitfrage haben uns auch die inzwischen doch recht horrenden Eintrittspreise davon abgehalten, mehr zu tun, als diese Orte von außen anzugucken. Aber immerhin: wir haben sie mal gesehen!
Alle Fotos von der Reise gibt es hier.
Science Fiction und Fantasy im August 2024
Ich fange mal, weil es einfacher ist, mit den beide Serien an, die ich im August angeguckt habe: Witcher Blood Origin (2022, Netflix) – eine solide gemachte Miniserie als Prequel zum Witcher, die viel Hintergrund einführt und erklärt.
Und die vierte und letzte Staffel der Umbrella Academy (2024, Netflix). Hier sind die Superheld:innen erst einmal ganz normale Menschen mit einem ganz normalen Leben, und erst nach und nach taucht „Marigold“ als Stoff, der ihnen spezielle Fähigkeiten verleiht, wieder auf. Diese schließende Staffel erklärt einiges, und endet dann (ohne jetzt zu viel zu verraten) außergewöhnlich und anders, als das bei Superheldencomicverfilmungen sonst der Fall ist. Wie schon in den Staffel davor: gut umgesetzt, leider teilweise ziemlich blutrünstig, großartiger Soundtrack und Szenen und Bilder, die in Erinnerung bleiben – etwa das U‑Bahn-Netz und auch das dortige Bistro, in dem Fünf Fünf und Fünf trifft. Die Teenager waren mit dem Ende unzufrieden – das sei auch noch dazu gesagt.
Dann zu den sieben Büchern, die ich im August gelesen habe. „Science Fiction und Fantasy im August 2024“ weiterlesen