Ein Vorteil daran, früh aufzustehen, zum Beispiel, um zu verreisen, ist die Gelegenheit, dann wunderbare herbstlich vernebelte Sonnenaufgangsstimmungen wie hier am Freiburger Hauptbahnhof einfangen zu können. Mit der Uhrenumstellung heute eher nicht mehr, aber auch Sonnenuntergänge können hübsch sein.
Photo of the week: Werkbund, Berlin
Ende September war ich kurz in Berlin, vor allem, um an der Konferenz „Mut macht Zukunft“ der grünen Bundestagsfraktion teilzunehmen. Etwas Zeit am Tag davor konnte ich bei schönstem Herbstwetter zum Spazierengehen nutzen – von der East Side Gallery zur Spreeinsel. Neben den letzten Resten des Berlin Marathons und dem „Holzmarkt“ (der mich sehr an bestimmte Ecken in Freiburg erinnerte) habe ich die Zeit genutzt, ins Werkbundarchiv („Museum der Dinge“) zu gehen. Bzw.: ich hatte das vor, richtig viel zu sehen gab es allerdings nicht, weil das Museum nach einem zwangsweisen Umzug gerade umgebaut wird. Ich konnte einen kurzen Blick auf die Frankfurter Küche erhaschen und mir die kleine Ausstellung „Profitopolis oder der Zustand der Stadt“ angucken.
Die war insofern interessant, weil sie die heutige Debatte über Miethöhen, Bodenspekulation und Städteplanung in den Kontext ähnlicher Diskussionen zum einen in den 1920er und 1930er Jahren, zum anderen – wie im Foto oben zu sehen – in den 1970er und 1980er Jahren stellte. Mindestens drei der hier abgebildeten Bücher finden sich auch in unserem häuslichen Bestand, ich bin mit diesen Debatten aufgewachsen. Insofern: interessant zu sehen, wie die Umgestaltung der Stadt vor fünfzig Jahren diskutiert wurde, samt Originalmitschnitten aus damaligen Fernsehsendungen etc. Haben wir was daraus gelernt? Oder sind wir im Pendelausschlag der Geschichte wieder an einem ähnlichen Punkt angekommen?
Kurz: Atomkraft-Intelligenz
Bisher überzeugen die ganzen Konzepte für kleine modulare Atomkraftwerke nicht so richtig. Ich habe jedenfalls nur Meldungen wahrgenommen, dass diese teurer werden, doch nicht gebaut werden, konzeptionell zwar überzeugen, aber …
Jetzt kommen neue Player ins Spiel. Nachdem Microsoft angekündigt hat, einen der Three-Miles-Island-Reaktoren wieder anzufahren, um den steigenden Strombedarf zu decken, gab es in den letzten Tagen Meldungen, dass Google und Amazon jeweils in Klein-AKW investieren wollen. Der Microsoft-Plan klang recht konkret, die Vorhaben der anderen beiden Tech-Konzerne wirkte noch etwas wolkiger. Ich würde nicht drauf wetten, dass diese AKW tatsächlich gebaut werden.
All das weißt allerdings auf etwas hin, das sich schon angedeutet hatte. Der AI-Hype hat ganz reale Folgen. Während OpenAI und Co. noch um tragfähige Geschäftsmodelle ringen, wagt kaum jemand, kein Large-Language-Model einzusetzen, keine kleinen GPTs irgendwo einzubauen. Google, Windows, Adobe, der Acrobat-Reader, WordPress, Chatfenster und so weiter … Obwohl die Textverarbeitung eindrucksvoll ist, und der künstliche Schimmer KI-generierter Bilderwelten sich wohl genauso in den Zeitgeist der 2020er Jahre einbrennen wird wie die Tatsache, dass Suchergebnisse und Websites mehr und mehr unglaubwürdige, „halluzinierte“ Fakes darstellen – ich bin immer noch nicht überzeugt davon, dass die schöne neue Welt stochastischer Intelligenzen nachhaltig ist. Nicht im Sinne von „dauerhaft stabil“, und erst recht nicht mit Blick auf die ökologischen Folgen. Blockchain lässt grüßen.
Mit Blick auf den Klimawandel können wir uns das Ausrollen einer weiteren energiehungrigen Technologie nicht leisten. Bisher bekommen wir als Endverbraucher:innen von der Energieseite des Ganzen wenig mit – das betrifft ja OpenAI, Google, Meta usw. Das ändert sich zum einen dann, wenn die Kosten dafür in zukünftige AI-Geschäftsmodelle eingepreist werden (nach der Anfix-Phase), und dürfte zum anderen da spürbar werden, wo neue Hardware gefordert ist. Win 11 mit Co-Pilot, die neusten mobilen Flaggschiffe – all die wollen Rechenleistung, um auch lokal AI-Rätsel lösen zu können. Den Preis zahlen wir.
Randbemerkung zum neuen Auftritt Baden-Württembergs
Seit einigen Tagen ist das neue „Corporate Design“ für das Land Baden-Württemberg live, und ich fremdle noch sehr damit. Ein bisschen was zu den Hintergründen des „CD“ steht beim Designtagebuch. Im Kern wurde der Schritt, der mit der LÄND-Kampagne 2021 gestartet wurde, weiter umgesetzt: Konzentration auf ein knalliges Zitronengelb plus Schwarz (als Zitat der Landesfarben Gold und Schwarz), Reduzierung der grafischen Elemente, vereinfachte Typografie, Knalleffekte. Was mit „LÄND“ und ähnlichen Kampagnen (wie dem sehr schönen THENERDLAEND.COM des Wissenschaftsministeriums) begonnen hat, wird jetzt auf die Landesverwaltung insgesamt ausgerollt.
Bisher verwendeten die Websites und Publikationen des Landes eine Serifenschrift (eine Garamond, glaube ich), ein pastelliges Gelb (von dem ich irgendwann mal gehört habe, dass es von der Wandfarbe der badischen Finanzämter kommt, ob das stimmt, weiß ich nicht) und das Landeswappen mit Zierrat, wie es im Wappengesetz festgelegt ist. Neben den drei Löwen (staufischen Pantern) finden sich da ein Greif für Baden und ein Hirsch für Württemberg sowie klein in der Krone des Wappens Verweise auf unterschiedliche Landesteile. Das Wappen wird so seit 1954 verwendet, der landesweit einheitliche Auftritt seit den 2000ern, wenn mich nicht alles täuscht. Davor finde ich vor allem das Landeswappen in schwarz-weiß mit dem Serifenschriftzug „Baden-Württemberg“.
Jetzt wurde das Wappen im Auftritt des Landes in Web und Print radikal auf die drei Löwen – in stilisierter Form – reduziert, dazu kommt in serifenloser Schrift der Name der jeweiligen Behörde. Im Beispiel oben das Verkehrsministerium. Zudem hat jedes Ministerium noch eine sehr reduzierte, fast schon typografische Grafik bekommen, die den jeweiligen Gegenstandsbereich darstellt (hier: Flugzeuge und Elektroautos). Bei der Deutschen Bahn habe ich unlängst ähnliches gesehen, das scheint gerade Mode zu sein.
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bisheriges Logo | neues Logo |
Ich fremdle noch mit diesem neuen Auftritt. Zum einen finde ich die Farbgebung sehr grell. Das mag modern wirken (dazu gleich mehr), nimmt aber auch Bezüge zu „Heimeligkeit“ weg, die eben auch zu diesem immerhin seit 1954 bestehenden Bundesland gehören. Ähnliches lässt sich über den Wegfall von Wappen und Serifenschrift sagen. Neben dem etwas altbackenen, aber auch gemütlichen Aspekt, der dadurch ausgestrahlt wurde, hat das Wappen als Hoheitszeichen immer auch „das hier ist ein Staat“ signalisiert, also Bezüge zu einer langen Traditionslinie der Eigenständigkeit – und einer gewisse Amtsautorität – aufgemacht. Das fällt jetzt eher weg.
Jetzt also: drei Löwen und ein Schriftzug. Das könnte auch ein Konzern sein. Mich erinnert es an die Gestaltungssprache der 1970er Jahre. Grafisch reduzierte Formen, starke Kontraste, keine Details, eine serifenlose Schrift (damals gerne die Helevetica) – München 1972, reduzierte Logos etwa der Deutschen Bank, von Beiersdorf oder der DLR. Und auch die Bundesrepublik Deutschland verwendete in den 1970ern einen stilisierten Adler plus serifenloser Schriftzug als „Absender“. Das passt eher zu Lothar Späth als zu Winfried Kretschmann. Oder täusche ich mich da?
(P.S.: Grafisch ganz furchtbar finde ich das neue „reduzierte Wappen“ / „extended Logo“)
Und gleichzeitig fällt mir das Niedersachsen-Pferd ein. Das weiße Pferd auf rotem Wappenschild ist bis heute – bzw. heute wieder – auf dem Webauftritt etc. der Landesregierung Niedersachsens zu finden. 1990 gab es einen Versuch, den Auftritt zu modernisieren. Aus dem Pferdewappen wurde ein stilisiertes Logo – im Netz finde ich leider kein Beispielbild dafür. Das blieb aber nur wenige Jahre in Verwendung. Mit dem Regierungswechsel von der SPD zur CDU wurde wieder das alte Landeswappen im Auftritt des Landes eingeführt.
Mal schauen, ob es dem grellgelb-schwarzen Auftritt Baden-Württembergs anderes ergeht. Oder ob sich durchsetzt, dass Baden-Württemberg das „gelbe“ Land ist. Was auch immer das politisch bedeutet.
Photo of the week: Fog near Offenburg
Auch wenn die Strecke die selbe ist, und leider (aus der Sicht des Zugfahrenden, für die Menschen an der Strecke ist’s natürlich anders zu bewerten) mehr und mehr Sichtschutzwände den Blick versperren, so gibt es doch aus dem Zugfenster immer mal wieder was zu sehen. Wie hier beispielsweise irgendwo zwischen Freiburg und Offenburg – nichts. Also, so viel morgendlicher Nebel, dass der Baum fast verschwindet. (In anderen Worten: ja, es ist jetzt wirklich Herbst.)