Ei, wie einfallslos – noch ein Foto vom Sonnwendfeuer. Das war doch letzte Woche schon dran. Stimmt, und es stimmt auch, dass ich auf meiner Festplatte auch noch eine ganze Menge anderer Bilder liegen hätte. Von Sommerabenden im Rieselfeld, vom Kunst-Projekt im Kindergarten, oder vom Kindergeburtstag – gestern mit Kindern, heute mit der Verwandschaft. Aber genau dieser Kindergeburtstag ist auch der Grund dafür, dass ich heute abend keinen Nerv mehr dafür habe, Fotos zu sichten und hochzuladen – das ist dann doch immer ein Großprojekt, so ein Kindergeburtstag. Von Aufräumen über Kuchenbacken bis Quengeligkeit ist alles dabei. Deswegen: Nochmal ein Feuerbild.
Aufwärmübung

Günther Grass und Willy Brandt, 1972 – CC‑0, Quelle
Es muss eine Zeit gegeben haben – vielleicht so zwischen 1960 und 1980, mit meinem Geburtsjahrgang 1975 bin ich ein klein wenig zu jung dafür, um das bewusst mitgekriegt zu haben – in der es total wichtig war, die führenden öffentlich-rechtlichen sozial-liberalen Großintellektuellen für SPD-Kampagnen zu gewinnen. Vielleicht ist es nur ein Gerücht, aber möglicherweise hat Willy Brandt damals so seine Wahl gewonnen, mit der breiten Unterstützung durch Vordenker und Leute wie z.B. Günther Grass. So die pfeifenrauchenden Weltdeuter (m.)., die erklärten, wie wichtig Willy wählen wäre.
Vielleicht ist das damals schon vor allem Inszenierung gewesen. Möglicherweise gab es auch einen echten Willen aus dem Wahlvolk heraus, einen Wechsel herbeizuführen. Der sich schon vor der Wahl darin gezeigt hat, den angedachten und gewollten Wechsel mit dem eigenen Namen zu unterstützen. Clicktivism, heißt das heute. Oder dafür sogar, und da kommen wir dem Bewegungsbegriff näher, auf die Straße zu gehen. Mit anderen darüber zu reden. „Überzeugungsarbeit zu leisten“.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten denken, so scheint es mir, gerne an diese Zeit zurück. Und was damals richtig war, kann heute nicht falsch sein. Das mag einer der Gründe dafür sein, warum schwarz-weiße Fotografien wichtiger Vordenker (m.) auch heute noch gerne verwendet werden, um für den Wechsel zu werben.
Kurz: Demokratie und die Union
Das Wahlprogramm von CDU und CSU wurde gestern vorgestellt – und von den Vorständen der Unionsparteien beschlossen. Letzteres klingt seltsam, auch die Wikipedia weiß, dass Wahlprogramme in der Regel von Parteitagen oder Delegiertenkonferenzen verabschiedet werden. Und bei CDU uns CSU macht’s der Vorstand. Das Programm (das übrigens schon vor Veröffentlichung durch den Faktencheck flog und den CDU-CSU-Mitgliedern von der SPD zur Verfügung gestellt wurde) enthält viele Wahlversprechen, aber wohl wenig, was Angela Merkel wirklich umsetzen will. So ganz klar ist das alles nicht. Und ob ein CDU-Parteitag das so durchgehen hätte lassen, mit einigen durchaus modernen Abschnitten – wer weiß.
Aber: War da nicht was mit der Pflicht zur innerparteilichen Willensbildung im Parteiengesetz? Wie die innerparteiliche Willensbildung in einer Partei formal stattzufinden hat, wird zwar im Parteiengesetz beschrieben (§§ 9 und 15), allerdings letztlich doch recht knapp – verglichen etwa mit den umfangreichen Ausführungen zu Buchhaltung, Spenden und Rechenschaftspflichten (§§ 18 bis 31a). Minderheiten in der Partei sollen sich beteiligen können, und für Satzung und Programm gibt es strikte Vorgaben.
Programm? Ja – allerdings meint das Parteiengesetz damit das „Parteiprogramm“, d.h. die allgemeinen politischen Grundsätze. Das grüne Grundsatzprogramm beispielsweise ist von 2002. Nur eine Minderheit dürfte es kennen, obwohl der Bundeswahlleiter alle Parteiprogramme sammelt. Wahlentscheidend – und Grundlage z.B. von Koalitionsverhandlungen – dürfte eher als die Parteiprogramme das jeweilige Wahlprogramm sein. Aber das taucht formal im Parteiengesetz überhaupt nicht auf. Formal sind CDU und CSU also wohl völlig im Recht, wenn das Wahlprogramm im Vorstand beschlossen wird und Mitglieder keine Chance haben, Änderungsanträge dazu zu stellen. Ein gutes Licht auf die demokratische Verfasstheit der Union wirft es dennoch nicht.
Vielleicht wäre es an der Zeit, das Parteiengesetz an diesem Punkt zu überarbeiten. Der Wahlakt ist zentral, und nicht zuletzt ist die Aufstellung von Kandidatinnen im Parteiengesetz geregelt. Da müsste es eigentlich logisch sein, äquivalent dazu auch Regelungen dazu zu finden, wie ein kurz- bis mittelfristiges Wahlprogramm zustande kommt – und was passiert, wenn eine Partei es nicht für nötig hält, einem Parteitag (geschweige denn allen Mitgliedern …) die Chance zu geben, an der Erstellung des Wahlprogramms mitzuwirken.
Photo of the week: Sonnwendfeuer III
Ungefähr das halbe Rieselfeld ist einmal im Jahr im Dunkeln an einem großen Feuer zu finden – nämlich dann, wenn im städtischen Tiergehege Mundenhof zur Sommersonnenwende das über ein Jahr gesammelte Holz angezündet wird. Das ist dann ziemlich hell und heiß, und bis in die Nacht hinein kann das Feuer zu Trommeln umtanzt werden. Was dann auch jedes Jahr wieder geschieht. So entstehen Traditionen.
Als symbolische Feier der Mitte nicht nur des Sommers, sondern auch des Jahres – ja, ab jetzt werden die Tage wieder kürzer – finde ich das Sonnwendfeuer auf dem Mundenhof immer wieder eine nette Sache.
Dieses Mal war’s allerdings etwas stressig, weil mein Kindergartenkind samt Kindergartenfreund ausgebüxt ist. Nachher erklärte er, das Warten auf den Fackelzug zum Feuer sei ihnen langweilig geworden, deswegen seien sie schon mal vorausgegangen. Zum Glück fielen die beiden Ausreißer Bekannten in die Hände, die sie kurzentschlossen mit zum Feuer nahmen und uns da dann wieder übergaben (Danke an Ella dafür!). Danach war’s dann noch bis nach Mitternacht schön und entspannt …
Wegen dieser Episode gibt’s von mir auch keine Fotos vom Fackelzug, sondern nur ziemlich viele von den Vorbereitungen und dann wieder vom Feuer selbst. Während des Fackelzugs war ich damit beschäftigt, mich in die Gedankenwelt von Vierjährigen hineinzuversetzen und sie mit wachsender Sorge auf den Spielplätzen rund um den Startpunkt zu suchen. Aber ist ja nochmal gut ausgegangen, und dank Mobiltelefon haben ich vom Fund der Kinder auch bereits erfahren, bevor ich das Feuer erreicht hatte. Was schön zum Thema der kleinen Ansprache zum Start der Prozession passte, die sich mit der Problematik immerwährender Erreichbarkeit auseinandersetzte.
Zen des Pendelns
Regelmäßiges Pendeln mit der Deutschen Bahn ist eine gute Übung in Gelassenheit. Zwei oder dreimal in der Woche zweieinhalb Stunden in die eine Richtung und zweieinhalb Stunden in die andere Richtung zu fahren, heißt auch, dass das oft Zeit ist, in der nichts wirklich sinnvolles geschieht. Ja, die lässt sich mit Twittern, mit dem Lesen eines Buches oder mit Arbeit überbrücken.
Manchmal. Manchmal auch nicht. Es gibt Tage, an denen im Zug sitzen einfach nur bedeutet, zu warten. Ohne etwas sinnvolles tun zu können. Und das übt die Gelassenheit und das Vertrauen darin, irgendwann anzukommen.


