Kurz: Auf in die Zukunft, Baden-Württemberg!

"Auf in die Zukunft"Im reiz­vol­len Sig­ma­rin­gen star­te­te heu­te der Pro­gramm­pro­zess der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen mit dem ers­ten von vier Zukunfts­fo­ren. Zum Auf­takt skiz­zier­te im öffent­li­chen Teil Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann Erfol­ge und zukünf­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen grü­ner Poli­tik im Länd­le. Danach bestand die Mög­lich­keit für die Bevöl­ke­rung, mit Minis­te­rIn­nen und Abge­ord­ne­ten ins Gespräch zu kom­men. Der Bil­dungs­tisch war dabei – wie immer bei sol­chen Gele­gen­hei­ten – stark umla­gert. Auch das ist Poli­tik des Gehört­wer­dens.

Nach der Mit­tags­pau­se (vegan oder vege­ta­risch, ganz nach Wahl) ging’s dann par­tei­in­tern wei­ter mit Foren (bei mir: zum einen Bil­dung, zum ande­ren Hoch­schu­le – da durf­te ich auch einen Input geben), in denen Ideen für das Wahl­pro­gramm gesam­melt und in sehr kon­struk­ti­ver Wei­se dis­ku­tiert wur­den. Wer denkt, nach vier Jah­ren grün-rot und einem zu gro­ßen Tei­len erle­dig­tem Koali­ti­ons­ver­trag sei alles getan, was zu tun ist, täusch­te sich: „5 Jah­re mehr Zukunft“, wie es auf dem Ver­an­stal­tungs­but­ton hieß, wür­den Baden-Würt­tem­berg durch­aus gut tun. Es gibt vie­les, was ange­sto­ßen wur­de, aber noch nicht zu Ende geführt ist, und es gibt – gera­de, wenn die gefragt wer­den, die sich nicht Tag für Tag mit der Umset­zung von Gesetz­ent­wür­fen und Ver­ord­nun­gen befas­sen – vie­le, vie­le Ideen dafür, wo ein Kabi­nett Kret­sch­mann II noch ganz neue Din­ge anpa­cken könnte.

Wenn auch die ande­ren drei Zukunfts­fo­ren so ver­lau­fen, dann bin ich guten Mutes, dass wir mit einem Pro­gramm in die Land­tags­wahl gehen kön­nen, das nicht nur (berech­tig­tes) Lob für das seit 2011 Erreich­te ent­hält, son­dern bunt und viel­fäl­tig gera­de auch im Hin­blick auf zukünf­ti­ge Pro­jek­te und Her­aus­for­de­run­gen sein wird, die dar­auf auf­bau­en kön­nen. Five more years!

Kurz: Sonnenfinsternis

Eclipsical

Mir ging’s wie vie­len: Als mir klar wur­de, dass es zum Früh­lings­be­ginn heu­te zu einer doch halb­wegs ein­drucks­vol­len par­ti­el­len Son­nen­fins­ter­nis kom­men wür­de, waren Schutz­bril­len dafür längst aus­ver­kauft. In der Schu­le mei­ner Toch­ter wur­de die­ses Pro­blem durch Abwech­seln beim Durch-die-Bril­le-Gucken (und nicht durch das Zuzie­hen der Vor­hän­ge) gelöst, wie es wohl über­haupt eine gan­ze Rei­he von Schu­len gab, die das Natur­spek­ta­kel als gelun­ge­ne Gele­gen­heit nutz­ten, um Erd­kun­de oder Phy­sik am Objekt zu unterrichten. 

Zuhau­se habe ich – a la citi­zen sci­ence – bei­de in den letz­ten Tagen pro­pa­gier­ten Metho­den der Beob­ach­tung aus­pro­biert. Zum einen habe ich schnell aus einem Kar­ton, einem Loch und einem Stück Back­trenn­pa­pier eine Loch­ka­me­ra (pdf) gebas­telt. Und tat­säch­lich – wur­de die­ser Kar­ton in die Son­ne gehal­ten, war die Son­nen­si­chel auf der „Matt­schei­be“ zu beob­ach­ten. Zum ande­ren gab es ja diver­se Vor­schlä­ge für „Son­nen­fins­ter­nis-Sel­fies“ und der­glei­chen mehr. Den Foto­chip der Han­dy­ka­me­ra zu ris­kie­ren fand ich dann deut­lich weni­ger pro­ble­ma­tisch als irgend­wel­che Netz­haut­ex­pe­ri­men­te anzu­stel­len, und habe des­we­gen – sie­he oben – mal so und mal so um die Ecke foto­gra­fiert. Beson­ders her­aus­ra­gen­de Fotos sind dabei nicht ent­stan­den – auch die zu über 60 Pro­zent abge­dun­kel­te Son­ne war noch viel zu hell für die Belich­tungs­kor­rek­tur des Han­dys. Was aber zu sehen ist, ist die Son­nen­si­chel im len­se fla­re, bzw. in irgend­wel­chen inter­nen Reflek­tio­nen. So media­ti­siert hat­te ich dann also doch noch was von der Son­nen­fins­ter­nis. Mal ganz abge­se­hen von der deut­li­chen Ver­dunk­lung und Ver­fär­bung des grel­len Früh­lings­lichts heu­te vormittag. 

Ach ja: 1999 bin ich, so erin­ne­re ich mich, extra zusam­men mit mei­ner Mut­ter hoch in den Schwarz­wald gefah­ren, weil unten in Frei­burg alles mit Wol­ken zuge­zo­gen war. Aber auch in St. Peter war dann trotz ordent­li­cher Son­nen­fins­ter­nis­bril­le nicht wirk­lich viel zu sehen (ähn­lich wie hier …).

2015 war die Son­nen­fins­ter­nis dann vor allem auch eines: neben dem gro­ßen Spek­ta­kel wur­de sie zum Risi­ko auf­ge­bla­sen – für die Augen, für die Strom­net­ze (die den Ein­bruch der PV-Pro­duk­ti­on gut ver­kraf­tet haben), und über­haupt. Da hat sich was geän­dert – nicht unbe­dingt zum Besseren. 

Photo of the week: Door of perception

Door of perception

 
Manch­mal reicht es schon aus, (Glas-)Türen nicht von vor­ne oder hin­ten, son­dern seit­lich anzu­schau­en, um unge­ahn­te opti­sche Effek­te zu erle­ben. Und wer mehr will, fin­det im Kata­log der wahr­neh­mungs­psy­cho­lo­gi­schen Phä­no­me­ne eine gan­ze Rei­he wei­te­rer Aha-Erlebnisse. 

Jetzt fehlt mir, da bewusst­seins­ver­än­dern­de Sub­stan­zen nicht so mein Ding sind, die ele­gan­te Über­lei­tung zum Can­na­bis­kon­troll­ge­setz, das die grü­ne Bun­des­tags­frak­ti­on vor eini­gen Tagen vor­ge­stellt hat. Wie gesagt: Can­na­bis ist nicht mei­nes, aber den Schritt, Dro­gen wie hier eben Can­na­bis im Hin­blick auf Erwerb und z.B. Alters­gren­zen zu regu­lie­ren, statt Ver­bo­te und maxi­mal unsi­che­re Dul­dun­gen aus­zu­spre­chen, hal­te ich für den rich­ti­gen Weg, damit umzu­ge­hen. Auch wenn das viel­leicht am einen oder ande­ren Stamm­tisch, Wein­fest oder Bier­zelt noch nicht so gut ankommt. Der Schwarz­markt fragt nicht nach dem Ausweis.

Zum Andenken an Terry Pratchett

RIP Terry Pratchett

Es hat eine Wei­le gedau­ert, bis sich mir erschlos­sen hat, dass die Schei­ben­welt-Serie von Ter­ry Prat­chett mehr ist als ein Mas­sen­pro­dukt. Die unglaub­li­che Pro­duk­ti­vi­tät (gera­de auch im Ver­gleich zu Dou­glas Adams, des­sen Bücher ich frü­her ent­deck­te) und die „lus­ti­ge“ Ober­flä­che täusch­te – dahin­ter steck­te, wie ich schnell fest­stell­te, als ich mich dann doch her­an­trau­te, weit mehr: ein fun­keln­der, tief­grün­di­ger und hin­ter­sin­ni­ger Humor. Der huma­nis­ti­sche Ärger dar­über, wie die Welt ein­ge­rich­tet ist, der Prat­chetts Schrei­ben antrieb. Lebens­weis­hei­ten in Fuß­no­ten und phi­lo­so­phi­sche Über­le­gun­gen, nur hin­ter dem dün­nen Vor­hang des schnör­kel­los-ver­schro­be­nen Fan­ta­sy-Set­tings ver­steckt. Kurz: Bücher, die es sich zu lesen lohnt, um nicht nur unter­hal­ten zu wer­den, son­dern auch, um sich beim Lesen aktiv mit der Welt – unse­rer Welt – auseianderzusetzen.

Nicht jedes sei­ner zahl­rei­chen Bücher begeis­ter­te mich, und ich habe nicht jedes gele­sen (aber doch vie­le, eini­ge auch des­we­gen, weil sie bei Freun­den stan­den, oder weil es das ein­zig brauch­ba­re war, was es in Bahn­hofs­buch­hand­lun­gen zu kau­fen gab). Mit Long Earth konn­te ich nicht so rich­tig etwas anfangen. 

Aber es gibt doch mehr als eine Hand­voll Bücher, die mir ganz beson­ders ans Herz gewach­sen sind, dazu zählt an vor­ders­ter Stel­le die Serie um Tif­fa­ny Aching. 

Und wenn ich mich so umschaue, wer aus wel­chen Grün­den sich seit ges­tern alles geäu­ßert hat, dann sind da sehr vie­le dabei, die in den Büchern von Ter­ry Prat­chett Halt und Vor­bil­der fan­den, die dar­aus etwas gelernt haben, wie die Welt, wie Gesell­schaft, wie Poli­tik, wie Reli­gi­on funk­tio­niert. Ein sati­ri­sches Zerr­bild der Wirk­lich­keit, das eben nicht bei­ßend und zynisch ist, son­dern zeigt, dass eine gelas­se­ne, freund­lich-amü­sier­te Mensch­lich­keit (ja, den­noch: eine Mensch­lich­keit mit einem gewis­sen Biss und mit einer poli­ti­schen Agen­da) durch­aus auf Trol­le und Vam­pi­re aus­ge­wei­tet wer­den kann, und dass Din­ge sich ändern können. 

Es wird kei­ne neu­en Bücher von Ter­ry Prat­chett mehr geben. TOD lau­er­te schon seit eini­gen Jah­ren im Hin­ter­grund, seit er sei­ne Ear­ly-Alz­hei­mer-Dia­gno­se vor eini­gen Jah­ren öffent­lich gemacht hat­te. Das macht es nicht weni­ger trau­rig, dass Prat­chett ges­tern im Alter von 66 Jah­ren gestor­ben ist. So selt­sam das klin­gen mag: in sei­nen Büchern wird er als Weg­wei­ser auch für neue Gene­ra­tio­nen wei­ter wir­ken. Prat­chetts Disc­world hat das Gesche­hen auf der run­den Kugel ver­än­dert, auf der wir leben. Und was mehr als das könn­te ein Autor erreichen?

Kurz: Schatten der Landtagswahl

Gewählt wird in Baden-Würt­tem­berg erst in einem Jahr, doch die Land­tags­wahl ist längst prä­sent. Das betrifft nicht nur Spit­zen­kan­di­da­ten, die Fra­ge, wel­che Pro­jek­te letzt­lich in der Schluss­bi­lanz der ers­ten grün-roten Legis­la­tur lan­den wer­den, und den in den Par­tei­en anlau­fen­den Pro­gramm­pro­zess. Nein, was die Land­tags­wahl 2016 jetzt schon so sicht­bar macht, ist ins­be­son­de­re die Auf­stel­lung der WahlkreiskandidatInnen.

Dar­an ist das baden-würt­tem­ber­gi­sche Wahl­recht schuld: Wer in den Land­tag kom­men will, braucht einen Wahl­kreis, und gera­de für mit­tel­gro­ße und klei­ne Par­tei­en heißt das: einen guten Wahl­kreis. Kurz erläu­tert: Von den min­des­tens 120 Abge­ord­ne­ten zie­hen 70 direkt über die ein­fa­che Mehr­heit im Wahl­kreis ein. Die rest­li­chen Man­da­te wer­den in einer Zweit­aus­zäh­lung auf die vier Regie­rungs­prä­si­di­en Regie­rungs­be­zir­ke her­un­ter­ge­bro­chen und dann nach pro­zen­tua­ler Stär­ke je Par­tei ver­teilt. Anders gesagt: Wer ein Direkt­man­dat erhält, ist sicher drin – danach geht es dar­um, wie gut eine Kan­di­da­tIn im Ver­gleich zu den ande­ren Kan­di­da­tIn­nen ihrer Par­tei im Regie­rungs­prä­si­di­um Regie­rungs­be­zirk abschnei­det. Und: ohne zumin­dest eine Hand­voll Direkt­man­da­te kei­ne Mehr­heit im Landtag!

Das Wahl­recht hat – neben dem ambi­va­len­ten Aspekt der star­ken loka­len Bin­dung – durch­aus Tücken. Ins­be­son­de­re ist kei­ne (Geschlechter-)quotierung mög­lich, da lokal ent­schie­den wird. Ver­su­che, das Wahl­recht zu ändern (Rich­tung Liste(n) oder Rich­tung Mehr­per­so­nen­wahl­krei­se), schei­ter­ten bis­her ins­be­son­de­re am Wider­stand von CDU und SPD. Die Lan­des­par­tei­en blei­ben hier also rela­tiv bedeu­tungs­los, die Wahl­kreis­ver­samm­lun­gen – in Wahl­krei­sen, die oft quer zu Land­krei­sen und damit Kreis­ver­bän­den lie­gen – haben ein umso grö­ße­res Gewicht. Und so wird seit eini­gen Wochen bis zum Herbst nach und nach in den 70 Wahl­krei­sen auf­ge­stellt. Zum Teil ent­spannt, vie­ler­orts aber auch als öffent­lich gebannt ver­folg­tes Dra­ma, bei dem Abge­ord­ne­te um ihre Wie­der­auf­stel­lung ban­gen. Das fühlt sich anders an als die Auf­stel­lung einer Lan­des­lis­te an einem Par­tei­tags­wo­chen­en­de – und sorgt für Prä­senz der Land­tags­wahl schon jetzt, ein Jahr vor dem Wahltermin.