Wahlaufruf

2016headerstilfrage

Am Sonn­tag kommt’s mal wie­der auf jede Stim­me an. Das ist leicht gesagt, stimmt dies­mal aber. Auch wenn die letz­te Umfra­ge von For­sa eine grün-rote Mehr­heit aus­weist, ist die­se noch längst nicht sicher. Der­zeit sehen die Zah­len noch so aus, dass weni­ge Pro­zent­punk­te dar­über ent­schei­den, wer Minis­ter­prä­si­dent wird: Ob Win­fried Kret­sch­mann MP bleibt, oder ob Gui­do Wolf zum Ober­blin­ker gemacht wird. 

Macht das einen Unter­schied? Defi­ni­tiv. Auf den Punkt gebracht geht’s dar­um, ob der Moder­ni­sie­rungs­kurs in Baden-Würt­tem­berg fort­ge­setzt wird, oder ob das Land wie­der bei Map­pus 2011 wei­ter­macht. Das ist nicht nur so dahin­ge­sagt, son­dern steht im Prin­zip im CDU-Pro­gramm. Auch Wolfs „Sofort­pro­gramm“ (wit­zi­ger­wei­se nicht vom CDU-Par­tei­tag beschlos­sen, son­dern nur von Herrn Wolf höchst­per­sön­lich ver­kün­det …) steht der kon­ser­va­ti­ve Roll­back drin: Stra­ßen­bau über alles statt Mobi­li­täts­ga­ran­tie, Aus für die Gemein­schafts­schu­le und zurück zur har­ten Selek­ti­on im Bil­dungs­sys­tem, Ende der öko­lo­gi­schen Moder­ni­sie­rung im länd­li­chen Raum, etwa im Jagd­ge­setz, und auch ein Zurück zur „Frau am Herd“ möch­te Wolf för­dern. (Ande­res in sei­nem Sofort­pro­gramm wird von uns übri­gens längst umge­setzt – etwa die Infor­ma­tik im Schul­un­ter­richt, steht im Bil­dungs­plan­ent­wurf, oder die Auf­sto­ckung des Per­so­nals bei der Poli­zei. Und auch das mit der poli­ti­schen Betei­li­gung von Frau­en kriegt Grün-Rot doch etwas bes­ser hin als die CDU, allen wohl­fei­len Ver­spre­chen des Herrn Kan­di­da­ten zum Trotz.)

2016wolfjpgBaden-Würt­tem­berg hat sich in den letz­ten fünf Jah­ren ver­än­dert. Das Land ist inno­va­ti­ver, offe­ner, moder­ner, öko­lo­gisch gewor­den. Oder genau­er: das Land war längst so weit – nur die Map­pus-CDU woll­te es lan­ge nicht wahr­ha­ben. Das heißt: Am 13. März geht es dar­um, ob die Fens­ter wie­der geschlos­sen wer­den, die Grün-Rot in Baden-Würt­tem­berg auf­ge­ris­sen hat. Das heißt, schlicht und ein­fach: Wer den neu­en Regie­rungs­stil und den grün-roten Moder­ni­sie­rungs­kurs bei­be­hal­ten will, muss am 13. März die Kandidat*innen der Grü­nen (oder zur Not die der SPD) wäh­len.

Kurz: Fukushima-Effekt

Wenn in die­sen Tagen Wah­len für Grü­ne schlecht aus­ge­hen – wie aktu­ell bei der Kom­mu­nal­wahl in Hes­sen – wird ger­ne der „Fuku­shi­ma-Effekt“ als Begrün­dung ange­führt. Auch nächs­tes Wochen­en­de wer­den wir in Sach­sen-Anhalt und Rhein­land-Pfalz davon hören. Ich fin­de das nur bedingt über­zeu­gend. Dass gro­ße grü­ne Zuge­win­ne 2011 – fak­tisch das Erschlie­ßen neu­er Wäh­ler­mi­lieus – etwas mit der japa­ni­schen Atom­ka­ta­stro­phe zu tun haben, ist plau­si­bel. Dass die­se Zuge­win­ne jetzt wie­der weg­schmel­zen, heißt, anders aus­ge­drückt: es ist nicht gelun­gen, die­se neu­en Milieus und Wäh­ler­grup­pen nach­hal­tig zu bin­den. Und da kann kein japa­ni­scher Reak­tor und kei­ne Atom­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung etwas dafür, son­dern da liegt die Ver­ant­wor­tung zuerst ein­mal bei den jewei­li­gen grü­nen Verbänden. 

Selbst­ver­ständ­lich leben wir in schwie­ri­gen Zei­ten. Selbst­ver­ständ­lich gibt es ein dra­ma­ti­sches und beängs­ti­gen­des Anwach­sen der Stim­men für AfD und ande­re rechts­extre­me Par­tei­en. Es gibt einen Rechts­ruck und eine selt­sam poli­tik­mü­de Stim­mung im Land. Auch das sind Fak­to­ren, die grü­ne Ver­lus­te erklä­ren kön­nen. Letzt­lich aber blei­be ich bei der Aus­sa­ge: Wenn es stimmt, dass Fuku­shi­ma (oder hier in Baden-Würt­tem­berg: Stutt­gart 21) Men­schen dazu gebracht hat, zum ers­ten Mal in ihrem Leben grün zu wäh­len, und wenn es stimmt, dass die grü­nen Ver­lus­te zu einem gro­ßen Teil daher rüh­ren, dass die­se Wähler*innen das nicht wie­der­holt haben – dann ist das unse­re Ver­ant­wor­tung als Par­tei. Und das heißt auch, dass wir uns als grü­ne Par­tei – bun­des­weit! – die Fra­ge stel­len müs­sen, ob ein Kurs der nach­hal­ti­gen und lang­fris­tig trag­fä­hi­gen Erwei­te­rung der Wäh­ler­mi­lieus gewollt ist oder nicht.

Kurz: Noch zehn Tage bis zur Wahl

2016plakategruene

Noch zehn Tage bis zur Wahl. Die letz­te Umfra­ge sieht erst­mals wie­der eine eigen­stän­di­ge grün-rote Mehr­heit. Und Grü­ne und CDU lie­gen fast gleich­auf, in eini­gen Umfra­gen wer­den wir sogar mit 0,5 Pro­zent­punk­ten vor der CDU aus­ge­wie­sen. Ein völ­li­ges Novum in der baden-würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­po­li­tik. Kret­sch­mann zieht, inso­fern war es wohl rich­tig, im Wahl­kampf auf kla­re Per­so­na­li­sie­rung zu set­zen. Eine Wech­sel­stim­mung gibt es nicht. Das war 2011 ganz anders.

Noch zehn Tage bis zur Wahl. Die CDU begreift all­mäh­lich, dass das mit dem Wahl­sieg im Schlaf­wa­gen nicht so rich­tig klap­pen wird. Wolf ent­puppt sich als Spit­zen­kan­di­dat, der im Ver­gleich mit Kret­sch­mann kon­ser­va­ti­ve Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler eher abschreckt. In der um sich grei­fen­den Panik gehen die letz­ten Res­te an Wahr­haf­tig­keit und Anstand ver­lo­ren. Die CDU lau­ert nur dar­auf, dass Feh­ler gemacht wer­den. Und die Jun­ge Uni­on setzt auf das pefi­de Streu­en von Gerüch­ten. Angst­ma­chen – das hat schon 2011 nicht geklappt. Aber jetzt ist die Uni­on wie­der ganz bei sich, bei Map­pus. Regie­ren ist auch eine Stilfrage.

Noch zehn Tage bis zur Wahl. Ob die Umfra­gen sich in Stim­men nie­der­schla­gen, ob der grün-rote Vor­sprung hält bzw. aus­ge­baut wer­den kann – oder ob es doch ganz anders kommt: das wis­sen wir erst am Wahl­abend, am 13. März. Und dank des baden-würt­tem­ber­gi­schen Ein­stim­men­wahl­rechts wird auch erst am 13. März klar sein, wer ein­zieht, wer ein Direkt­man­dat erringt und wer aus dem Land­tag fliegt. Die Span­nung steigt – und damit auch die Ner­vo­si­tät auf allen Sei­ten. Jetzt heißt es: Ruhe bewah­ren, sou­ve­rän blei­ben und auf den let­zen Metern noch ein­mal alles geben.