Photo of the week: Dreisam bridge detail III

Dreisam bridge detail III

 
Die Drei­sam, die Schnell­flie­ßen­de, führ­te die­sen Janu­ar mal wie­der Hoch­was­ser. Mei­ne Fotos sind noch vor dem Höhe­punkt der Flut­wel­le ent­stan­den, genau­er gesagt: zwi­schen zwei Höchst­stän­den. Auf eini­gen Bil­dern aus die­ser Serie ist noch das am Ufer ange­spül­te Treib­gut zu sehen, das mar­kiert, wie hoch die Drei­sam stei­gen kann – dann ist auch der Rad­ex­press­weg am Ufer gesperrt.

Inter­es­san­ter als die Flu­ten fand ich aber die­sen Blick auf die Beton-Post­mo­der­ne; die geo­me­tri­schen For­men, die die­se Brü­cke bil­det, wenn sie aus dem rich­ti­gen Win­kel betrach­tet wird, sind mir bis­her nicht auf­ge­fal­len. Zu sehr hat­ten mich die dort ger­ne gesprüh­ten Graf­fi­ti abge­lenkt. Jetzt waren die­se über­malt, und Drei­ecke und Krei­se tra­ten umso deut­li­cher hervor.

Die emanzipierte Partei

Es gibt ja zwei Geschich­ten, die über die­sen Par­tei­tag erzählt wer­den können. 

Die eine han­delt davon, wie der lin­ke Flü­gel mar­gi­na­li­siert wur­de, sich mar­gi­na­li­sie­ren las­sen hat, so dass unter Auf­kün­di­gung aller Ver­ein­ba­run­gen und Tra­di­tio­nen doch tat­säch­lich nicht ver­hin­dert wur­de, eine Rea­lo-Frau und einen Rea­lo-Mann an die Spit­ze zu wählen. 

Die ande­re Geschich­te erzählt von zwei Kandidat*innen für den Bun­des­vor­stand, die Neu­es vor­ha­ben, eine Par­tei in Bewe­gung ver­set­zen kön­nen, und die, Flü­gel hin oder her, damit die Neu­gier­de und die Empa­thie all der­je­ni­gen Dele­gier­ten geweckt haben, denen das alte Immer­glei­che nicht mehr genug war. Kata­ly­siert durch freund­li­che media­le Beglei­tung kam es zum Aufbruch.

Bei­de Geschich­ten las­sen sich gut erzäh­len, und bei­de Geschich­ten sind ein Stück weit gelogen. 

Trotz­dem ten­die­re ich dazu, die­se außer­or­dent­li­che BDK als Auf­bruch zu ver­ste­hen, als Geschich­te von Dele­gier­ten, die sich von dem star­ren, längst nicht mehr pas­sen­den Flü­gel­dua­lis­mus-Kor­sett befreit haben, und die danach gewählt haben, wer die­se Par­tei als Per­son vor­an­brin­gen kann, und nicht, wel­che Posi­ti­on reprä­sen­tiert wer­den muss.

Wenn Anna­le­na und Robert – und Micha, Bene­dikt, Gesi­ne und Jami­la, denn die­ser sechs­köp­fi­ge Bun­des­vor­stand ist eben mehr als nur zwei – wenn sie es also schaf­fen, auch nur einen Teil des­sen umzu­set­zen, was in ihren Reden ange­legt war, dann ist mir um die grü­ne Zukunft nicht bang.

Macht kommt von machen, phi­lo­so­phiert Robert; in der Zeit der Digi­ta­li­sie­rung und glo­ba­ler Mäch­te heißt das auch: Zusam­men­halt und links neu den­ken; und Anna­le­na chan­nelt die Ener­gie einer Clau­dia Roth, wenn sie über Kli­ma und Flucht und Aus­gren­zung und Men­schen, Men­schen, Men­schen redet. Bei­des sind neue Töne und neue Pro­jek­te, und wenn sie aus dem Mund von Reformer*innen kom­men, sei’s drum.

Doch, da haben zwei einen Plan. Das ist schon mal wert­voll. Und der passt ins Jahr 2018. Was Anna­le­na und Robert mit der Par­tei vor­ha­ben, wird uns for­dern, wenn ich das rich­tig ver­ste­he. Da kommt Neu­es auf uns zu, und das heißt auch: Gewiss­hei­ten wer­den mög­li­cher­wei­se schräg ange­schaut. Offen­heit und Mut und eine gro­ße Gesprächs­be­reit­schaft – all das sind Din­ge, die mal weh­tu­en mögen, die wir aber drin­gend brau­chen. Denn alles ist bes­ser als sich dar­auf aus­zu­ru­hen, zu wis­sen, was rich­tig ist.

In den letz­ten Jah­ren haben Bünd­nis 90/Die Grü­nen sich ver­än­dert. Wir haben etwas gelernt. Ich möch­te das als Eman­zi­pa­ti­ons­pro­zess beschrei­ben, als Häu­tung. Streit wird es wei­ter geben, und Cha­os kön­nen wir noch immer ganz gut. Aber mit der stür­mi­schen Ent­schei­dung für Robert und für Anna­le­na hat die­se Par­tei eine Weg­mar­ke gesetzt. Da geht’s lang, Rich­tung Zukunft – und ja, hier stimmt das Par­tei­tags­mot­to: Das ist erst der Anfang, das grü­ne Pro­jekt ist noch lan­ge nicht am Ende!

War­um blog­ge ich das? Weil ich glau­be, dass die­se klu­ge Wahl eine drin­gend not­wen­di­ge Zumu­tung war.

Nachruf: Ursula K. Le Guin


Ursu­la K. Le Guin (1929–2018), Gort­hi­an -
File:Ursula K Le Guin.JPG, CC BY-SA 3.0, Link

Heu­te habe ich erfah­ren, dass Ursu­la K. Le Guin vor­ges­tern im Alter von 88 Jah­ren gestor­ben ist. Ich habe, glau­be ich, fast alles gele­sen, was von ihr erschie­nen ist, teil­wei­se in der deut­schen Über­set­zung, teil­wei­se im Ori­gi­nal, und sie war eine der Autorin­nen, die mich stark beein­flusst hat. 

Le Guin hat eth­no­lo­gi­sche Sci­ence Fic­tion geschrie­ben, manch­mal auch anthro­po­lo­gi­sche Fan­ta­sy – die Gren­zen sind da flie­ßend. Jeden­falls: eine spe­ku­la­ti­ve Lite­ra­tur, in der genau beob­ach­tet wird, egal ob es um hell oder dun­kel geht. Eine Lite­ra­tur, in der Kul­tu­ren kon­sis­tent sind und eine Rol­le spie­len – sei­en es die Gesell­schaf­ten der Erd­see-Archi­pel, sei­en es die mehr oder weni­ger fort­ge­schrit­te­nen Außer­ir­di­schen im Hai­nish-Uni­ver­sum. Vie­le Bücher Le Guins sind sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Ver­suchs­an­ord­nung: über Geschlech­ter­ver­hält­nis­se, dar­über, ob eine bes­se­re Zukunft mög­lich ist, oder auch dazu, wie Unter­drü­ckung funk­tio­niert hat und wei­ter funktioniert.

Hier wird schon deut­lich: Le Guin ist und war immer eine poli­ti­sche Schrift­stel­le­rin. Noch vor weni­gen Mona­ten erschie­nen Inter­views mit ihr, in der sie sich nicht nur klar zu Trump posi­tio­niert hat, son­dern auch klar dazu, dass Kapi­ta­lis­mus etwas men­schen­ge­mach­tes ist und mög­li­cher­wei­se nicht die bes­te aller Wel­ten dar­stellt. Dass Sci­ence Fic­tion kein Män­ner­spiel­platz mit Welt­raum­aben­teu­ern aus Kar­ton mehr ist, son­dern femi­nis­tisch sein kann, mit tief gezeich­ne­ten, emp­find­sa­men Wesen: auch da war sie eine Weg­be­rei­te­rin. Und natür­lich han­deln ihre Bücher und Geschich­ten von der gan­zen Palet­te des lin­ken, pro­gres­si­ven Lebens. Vom Kampf gegen Umwelt­zer­stö­rung und Skla­ve­rei bis hin zu den genau aus­ge­dach­ten und auf­ge­schrie­be­nen Nie­de­run­gen einer real exis­tie­ren­den syn­di­ka­lisch-anar­chi­schen Uto­pie, aber auch die Ver­su­chun­gen von Macht und Zau­be­rei: all das fin­det sich bei Le Guin, dazu noch eine Spur Taoismus. 

Dabei war Le Guin immer Schrift­stel­le­rin mit lite­ra­ri­schem Anspruch. Ihre Tex­te sind nie­mals plump, son­dern höchst leben­dig, mit einem eige­nen Humor. Auch dazu, wie Spra­che ein­ge­setzt wer­den kann, dass Rhyth­men und Flüs­se etwas mit Text­ar­beit zu tun haben, konn­te von Le Guin gelernt werden.

Ursu­la K. Le Guin hat­te eine Wir­kung. Das ist viel­leicht das stärks­te, was über einen Schrift­stel­ler oder eine Schrift­stel­le­rin gesagt wer­den kann. Ich bin nicht der ein­zi­ge, den sie dazu ver­führt hat, ima­gi­nä­ren Wel­ten treu zu blei­ben und des­sen poli­ti­sche Hal­tung und Welt­sicht gleich­zei­tig von ihren Büchern deut­lich geprägt wur­de – obwohl ich sie nie per­sön­lich getrof­fen habe. Ich wün­sche uns, dass ihre Bücher und Geschich­ten – auch das, dem die 1970er Jah­re so deut­lich anzu­mer­ken sind – wei­ter gele­sen wer­den und auch über ihren Tod hin­aus die­sen Effekt haben werden.

Kurz: Infrastrukturabhängigkeit

Ich fin­de es immer wie­der erstaun­lich, fest­zu­stel­len, wie abhän­gig ich vom rei­bungs­lo­sen Funk­tio­nie­ren von Infra­struk­tu­ren (oder „Gro­ßen Tech­ni­schen Sys­te­men“) bin, Ten­denz zuneh­mend. Sicht­bar wird das immer dann, wenn ein Sys­tem aus­fällt. Das pas­sier­te in den letz­ten Tagen gleich zweimal.

Bei­spiel 1: Als ich von der Frak­ti­ons­klau­sur nach Hau­se kam, leuch­te­ten am DSL-Rou­ter nur zwei statt fünf LEDs. Kein Inter­net, damit – IP-Tele­fo­nie – auch kein Tele­fon, und an Strea­ming von Unter­hal­tungs­me­di­en war erst recht nicht zu den­ken. Rück­zug­li­nie: das Han­dy. Am nächs­ten Mor­gen dann Anruf bei der Tele­kom; der ers­te Ter­min für einen Tech­ni­ker, an dem ich auch konn­te: eine Woche spä­ter. Ges­tern wur­de der Defekt, ein Feh­ler im Schalt­kas­ten, dann repa­riert. Eine Sache von weni­gen Minu­ten. Seit­dem läuft’s wie­der, aber bis dahin ging vie­les nicht.

Bei­spiel 2: Der Sturm Frie­de­ri­ke brach­te die Bahn dazu, den Fern­ver­kehr abzu­schal­ten. Ob das in jedem Fall gerecht­fer­tigt war, weiß ich nicht – für mich kon­kret hieß es erst­mal: sit­ze ich jetzt in Stutt­gart fest? Dank der wei­ter fah­ren­den Regio­nal­zü­ge, die dann ent­spre­chend über­füllt waren, kam ich doch noch nach Frei­burg. Dau­er­te aller­dings vier Stun­den statt zwei, was kon­kret bedeu­te­te, dass mei­ne Kin­der abends nicht zu mir konn­ten, son­dern län­ger als geplant von ihrer Mut­ter betreut wer­den muss­ten, die dan­kens­wer­ter­wei­se gelas­sen dar­auf reagier­te. Auch wenn’s bei mir halb­wegs klapp­te mit der Rück­fall­op­ti­on RE: ein paar mehr Red­un­dan­zen im Bahn­ver­kehr wären nicht schlecht.