Lesenswert: Handbuch für Zeitreisende

Wer eine Zeit­rei­se plant, kommt an die­sem unge­mein prak­ti­schen Rei­se­füh­rer – Kath­rin Pas­sigs und Aleks Scholz‘ Hand­buch für Zeit­rei­sen­de nicht vorbei.

Neben Hin­wei­sen für ein zeit­an­ge­mes­se­nes Beneh­men ent­hält das kom­pak­te Buch Ant­wor­ten etwa zur Rele­vanz des Stra­ßen­pflas­ters und der Indus­trie­ar­bei­ter­schaft für die Durch­set­zung des Fahr­rads als mög­li­cher ana­chro­nis­ti­scher Erfin­dung oder zur Fär­bung und Tem­pe­ra­tur des Son­nen­sys­tems zu unter­schied­li­chen Zeit­punk­ten, also ganz all­ge­mein nütz­li­ches Wis­sen für die Pla­nung und Durch­füh­rung gelin­gen­der Zeitreisen.

Hevor­zu­he­ben sind auch die zahl­rei­che hoch­re­le­van­ten Warn­hin­wei­se, die dazu bei­tra­gen mögen, nai­ve Zeit­ge­nos­sen vor leicht­fer­ti­gen Aus­flü­gen auf Schlacht­fel­der oder in die Urzeit zu bewah­ren. Genau genom­men wird deut­lich, dass Zeit­rei­sen jen­seits der aus­ge­tre­te­nen Pfa­de der Pau­schal­an­ge­bo­te (Rom, Grie­chen­land, Bie­der­mei­er) immer noch mit einer gan­zen Rei­he von Risi­ken und Gefah­ren ein­her­ge­hen – obwohl bekannt­lich die eige­ne Zukunft in bereis­ten Ver­gan­gen­hei­ten gar nicht geän­dert wer­den kann (dies wird von Passig/Scholz, neben­bei gesagt, viel bes­ser erklärt als in den übli­chen Hand­rei­chun­gen hier­zu). Nein: gefähr­lich sind eher uner­forsch­te Pflan­zen, Infek­ti­ons­krank­hei­ten und ande­re medi­zi­ni­sche Pro­ble­me sowie Hungersnöte.

Wer den­noch indi­vi­du­ell in die Ver­gan­gen­heit rei­sen will, fin­det in dem für 20 Euro recht güns­tig erwerb­ba­ren Hand­buch auch zu die­sen Fra­gen hilf­rei­che Hin­wei­se. Deut­lich wird dabei ganz neben­bei, wie wenig über grö­ße­re Tei­le der Ver­gan­gen­heit bekannt ist.

Photo of the week: Horizontal and vertical

Horizontal and vertical

 
Viel­leicht wäre es etwas über­trie­ben, zu behaup­ten, dass in der Natur nur senk­rech­te und ver­ti­ka­le Lini­en vor­kom­men, aber falls doch jemand die­se Behaup­tung auf­stel­len woll­te, wäre die­ses Bild ein schö­nes Beweis­fo­to dafür (auf­ge­nom­men am Opfin­ger See).

Lesenswert: Die vier Bände der Nine-Realms-Reihe

 

 
„Ceru­lean“ ist im Eng­li­schen der Begriff für einen bestimm­ten Blau­ton. Ich wür­de ihn als dunk­les Him­mel­blau bezeich­nen, ein sehr kla­res Blau jeden­falls. Die­ser Blau­ton ist zugleich die Haar­far­be der Köni­gin­nen von Wei­ran­da­le – einem der neun Rei­che in Sarah Koz­l­off vor kur­zem in rascher Fol­ge erschie­nen vier­bän­di­gem Epos. In den Bän­den „A Queen in Hiding“, „The Queen of Rai­ders“, „A Bro­ken Queen“ und „The Ceru­lean Queen“ beglei­ten wir Ceru­lia, begin­nend mit der Flucht ihrer Mut­ter vom Hof von Wei­ran­da­le, quer durch die neun Rei­che. Im vier­ten Band kehrt Ceru­lia nach Jah­ren des Exils, in denen sie in ganz unter­schied­li­che Rol­len gera­ten und dar­an gewach­sen ist, nach Wei­ran­da­le zurück. Doch nur weil sie blaue Haa­re hat, weil sie wie alle ihre Vor­fah­rin­nen ein magi­sches Talent hat, und weil sie Anspruch auf den Thron erhebt, ist sie noch längst nicht als Köni­gin akzep­tiert und anerkannt.

In einem Tweet habe ich die vier Bän­de (die ich bis auf einen klei­nen Moment ver­schlun­gen habe, dazu gleich mehr) mit „Game of Thro­nes“ bzw. dem „Song of Ice and Fire“ ver­gli­chen. Gemein­sam ist bei­den ein spät­mit­tel­al­ter­lich bis früh­neu­zeit­li­ches Set­ting, in das ein wenig Magie ein­dringt, gemein­sam ist die Mischung aus Intri­ge und Sinn­su­che, blu­ti­gen Kämp­fen und rea­lis­ti­scher Grau­sam­keit. Wo Game of Thro­nes fast schon voy­eu­ris­tisch hin­schaut, ist der Blick in Koz­l­off Epos aber ein zutiefst huma­ner, viel­leicht auch huma­nis­ti­scher: Poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen haben Fol­gen, Schlach­ten wer­den geschla­gen und brin­gen auf allen Sei­ten Leid und Wun­den mit sich, Grau­tö­ne und nach­voll­zieh­ba­re Moti­ve durch­zie­hen alle Figu­ren, egal ob „gut“ oder „böse“, und das magi­sche Talent von Ceru­lia (und das ihrer Mut­ter) kann zwar hel­fen, hat aber eben­so kla­re Gren­zen und Kon­se­quen­zen. Zudem gibt es Sub­tex­te über gutes Regie­ren, über Diver­si­tät und über Geschlechterrollen.

Der ein­zi­ge klei­ne Moment, wo ich das vier­te Buch dann ein paar Tage zur Sei­te gelegt hat­te, war der, als die natür­lich auch vor­han­de­ne – und auch rea­lis­tisch gezeich­ne­te – Lie­bes­ge­schich­te end­lich ihr Hap­py End fand, das Buch aber noch gut 200 Sei­ten vor sich hat­te. Da hat­te ich dann einen Moment die Befürch­tung, dass – kill your dar­lings – das nicht gut aus­ge­hen kann. Ist es dann aber doch, und in sofern hat es sich gelohnt, wei­ter­zu­le­sen, wie auch die gan­ze Geschich­te gut geschrie­ben und auf jeden Fall eine Lese­emp­feh­lung wert ist.

Zeit des Virus, Update IV

May

Aus Lan­ge­wei­le bin ich heu­te ein­mal um das Rie­sel­feld, also den Stadt­teil Frei­burgs, in dem ich woh­ne, her­um spa­ziert. Was mir neu war: Das ist fast kom­plett jen­seits von Stra­ßen mög­lich; das, was ich bis­her als Stra­ßen­be­gleit­grün wahr­ge­nom­men habe, sind in Wirk­lich­keit auch am süd­öst­li­chen Rand des Stadt­teils klei­ne licht­durch­flu­te­te Wäld­chen mit viel Holun­der und Robi­nie, durch die sich sanf­te Wege schlängeln.

Anders gesagt: all­mäh­lich gehen mir die Spa­zier­we­ge aus. Das soll nicht hei­ßen, dass mei­ne Tage nicht gut gefüllt wären. Wenn die Kin­der da sind, ist es ein ziem­li­cher Kampf, Home-Office, Unter­stüt­zung der Kin­der und Din­ge wie Essen für alle Kochen unter einen Hut zu brin­gen. Wenn sie nicht da sind, ist der Tag mit Video­kon­fe­ren­zen, Mails und Tele­fo­na­ten (und am Ran­de noch ein biss­chen Par­tei­ar­beit) gut aus­ge­füllt. Über­haupt: dass jetzt auch Men­schen, bei denen ich das gar nicht erwar­tet hät­te – wie etwa unser Minis­ter­prä­si­dent – die Vor­tei­le von Video­kon­fe­ren­zen ent­de­cken, hin­ter­lässt bei mir eine gewis­se Hoff­nung, dass es auch in der Zeit nach Coro­na nicht mehr für jeden Zwei­stun­den­ter­min ein Deutsch­land­rei­se braucht. Oder, etwas loka­ler: vie­le Teilnehmer*innen des grü­nen Kreis­mit­glie­der­tref­fens im Flä­chen­land­kreis Breis­gau-Hoch­schwarz­wald stell­ten am Ende fest: geht so auch, und spart lan­ge Anfahr­ten aus dem Hoch­schwarz­wald oder dem Kai­ser­stuhl. (Und auch die Kin­der haben inzwi­schen ihre regel­mä­ßi­gen Video-Ter­mi­ne: die Pfad­fin­der machen eine Grup­pen­stun­de per Zoom, die Schu­le setzt auf Mood­le beim Lan­des­netz­werk bel­wue, dort ist Big­BlueBut­ton als Video­kon­fe­renz­sys­tem integriert.)

Also, die Tage sind gut gefüllt. Trotz­dem wird die Rou­ti­ne so ganz ohne Abwechs­lun­gen per Orts­wech­sel all­mäh­lich lang­wei­lig. Und ich mache mir Gedan­ken, ob ich mei­ne Bahn­card 100 ver­län­gern soll oder doch noch war­te. Denn auf abseh­ba­re Zeit sind wir, allen Locke­rungs­de­bat­ten zum Trotz, noch in einer vom Virus bestimm­ten Zeit, nicht in der Zeit des Danach. 

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