Ausblick: So wird 2012

Looking glass

Janu­ar 2012: Trotz Kre­dit- und Anruf­be­ant­wor­ter­af­fä­re bleibt Chris­ti­an Wulff vor­erst wei­ter Bun­des­prä­si­dent. Die inter­nen Ver­hand­lun­gen zwi­schen BILD und CDU um die Nach­fol­ge lau­fen jedoch an.

Febru­ar 2012: Twit­ter, Face­book, einer­lei: der Schalt­tag bringt eini­ges durch­ein­an­der und wird zum letz­ten Aus­lö­ser dafür, dass RLing („real life social net­wor­king“) tren­det. Form­er­ly known as Kaffeeklatsch.

März 2012: Nach Kredit‑, Anruf­be­ant­wor­ter- und Brat­wurst­af­fä­re und mit Blick auf die dem­nächst schwie­ri­ge­ren Mehr­heits­ver­hält­nis­se in der Bun­des­ver­samm­lung beschlie­ßen CDU und BILD, dass das Fass jetzt voll ist und Chris­ti­an Wulff zurück­tre­ten muss. Nach­fol­ge­rin in der kurz­fris­tig ter­mi­nier­ten Bun­des­ver­samm­lung wird aus Effi­zi­enz­grün­den kur­zer­hand Ange­la Mer­kel, die vor­erst jedoch Bun­des­kanz­le­rin und CDU-Vor­sit­zen­de bleibt.

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Willkommen an Bord, Piraten!

City beach

„Will­kom­men an Bord“ – so kom­men­tier­te Clau­dia Roth das Ber­li­ner Wahl­er­geb­nis. Und in der Tat: in die­sem an Über­ra­schun­gen rei­chen Wahl­jahr ist den Pira­ten und den Ber­li­ner Wäh­le­rIn­nen eine wei­te­re Über­ra­schung gelun­gen. Nach den ers­ten Hoch­rech­nun­gen liegt die Pira­ten­par­tei zwi­schen 8 und 9 Pro­zent, und ist damit so deut­lich ins Abge­ord­ne­ten­haus ein­ge­zo­gen, dass mög­li­cher­wei­se die 15 Sit­ze, die die Pira­ten in Ber­lin auf­ge­stellt haben, nicht aus­rei­chen und Man­da­te leer blei­ben. Also ein groß­ar­ti­ger Ein­stieg in die Welt der Lan­des­par­la­men­te – und damit der „gro­ßen“ Politik.

Wenn ich es wagen wür­de, hier aus dem fer­nen Süd­wes­ten eine Ver­mu­tung dar­über abzu­ge­ben, war­um den Pira­ten die­ser Erfolg gelun­gen ist, dann wür­de ich sagen, dass es drei Fak­to­ren waren:

1. Ber­lin
2. Rena­te Kün­ast, oder die Schwä­che der Grünen
3. Kla­re Protestalternative

Zu 1.: Ber­lin ist unbe­strit­ten die Stadt der Digi­tal­sze­ne in Deutsch­land. Und auch wenn sämt­li­che ande­re Par­tei­en wich­ti­ge For­de­run­gen die­ses Milieus auf­ge­nom­men haben, ist hier der Reso­nanz­bo­den für eine neue, netz­po­li­tisch fokus­sier­te Bewe­gung (und Par­tei) grö­ßer als anders­wo. Ber­lin ist Stadt (und kein Flä­chen­land), Ber­lin ist arm (d.h. auch: Bür­ger­en­ga­ge­ment bedeu­tet hier was ande­res), Ber­lin ist inno­va­tiv – so unge­fähr könn­ten die Stich­wor­te lau­ten, die dazu die­nen, die­ses Bild festzustecken.

Zu 2.: Ich ken­ne noch kei­ne Wäh­ler­wan­de­rungs­ana­ly­sen, gehe aber davon aus, dass ein nicht klei­ner Teil der Pira­ten­wäh­le­rIn­nen vor eini­gen Mona­ten noch mit dem Gedan­ken gespielt hat, grün zu wäh­len. Die Grü­nen lie­gen in den ers­ten Hoch­rech­nun­gen bei etwa 18 bis 19 Pro­zent und auf Platz 3. Vor einem Jahr wäre das noch ein sen­sa­tio­nel­les Ergeb­nis gewe­sen, heu­te ist es fast schon eine gefühlt ver­lo­re­ne Wahl. Rena­te Kün­ast und der Ber­li­ner Wahl­kampf der Grü­nen schei­nen es nicht geschafft zu haben, Reso­nan­zen zum Vibe die­ser Stadt her­zu­stel­len – jeden­falls nicht in dem Maß, das z.B. für grün-rot not­wen­dig gewe­sen wäre. Viel­leicht ist vie­len – ganz ande­res als in Baden-Würt­tem­berg – auch ein­fach nicht klar genug gewor­den, was eine grü­ne Regie­ren­de Bür­ger­meis­te­rin an grund­sätz­lich Ande­rem mög­lich gemacht hätte. 

Rech­ne­risch besteht jetzt für Klaus Wowe­reit die Mög­lich­keit, Rot-grün oder Rot-schwarz als Koali­ti­on anzu­ge­hen – oder in Rich­tung eines Drei­er­bünd­nis­ses inkl. Pira­ten­par­tei zu schil­len. Letz­te­res hal­te ich für unwahr­schein­lich. Rot-grün erscheint mir per­sön­lich als die kla­re­re und poli­tisch sinn­vol­le­re Alter­na­ti­ve – dann muss aber in den nächs­ten Jah­ren klar wer­den, wo die grü­ne Linie steckt.

Kurz und knapp: Der Erfolg der Pira­ten hat auch etwas damit zu tun, dass vie­le poten­zi­el­le Wäh­le­rIn­nen letzt­lich den Pira­ten eher als uns Grü­nen den Hoff­nungs­schim­mer des neu­en und ande­rern zuge­traut haben. Da fehl­te es Rena­te Kün­ast schlicht und ein­fach an Aura und Charisma.

Zu 3.: Als drit­ten Punkt, der aus mei­ner geo­gra­phisch fer­nen Sicht den Erfolg der Pira­ten mög­lich gemacht hat, ist das brei­te Pro­gramm zu nen­nen. Die Par­tei ist nicht nur mit Netz­po­li­tik und Über­wa­chung, son­dern auch mit The­men wie Mindestlohn/Grundeinkommen, Bil­dung und quee­rer Bür­ger­rech­te in den Wahl­kampf gezo­gen – und hat sich damit als breit auf­ge­stell­te Alter­na­ti­ve prä­sen­tiert. Das scheint ange­kom­men zu sein.

Damit bleibt mir, den Pira­ten viel Erfolg im Ber­li­ner Abge­ord­ne­ten­haus zu wün­schen. Ich bin sehr neu­gie­rig dar­auf, was die Pro­fes­sio­na­li­täts- und Kon­for­mi­täts­er­war­tun­gen des poli­ti­schen Nor­mal­be­triebs mit die­ser Par­tei machen. Auch das wird ent­schei­dend dafür sein, ob es bei einem Ber­li­ner Kurio­sum bleibt, oder ob sich die Pira­ten mit dem 18.9.2011 als Start­schuss bun­des­weit auf­ma­chen, die FDP als unmo­ra­li­sche Bür­ger­rechts­par­tei abzu­lö­sen (im Gegen­satz zum bür­ger­recht­li­chen Mora­lis­mus mei­ner Partei).

War­um blog­ge ich das? Weil ich (sie­he letz­ten Blog­ein­trag) zwar mit einem Ein­zug der Pira­ten ins Abge­ord­ne­ten­haus gerech­net habe, aber nicht mit einem so ful­mi­nan­ten Einzug.

Wie geht die Berlin-Wahl aus?

Mein Tipp: SPD 31%, GRÜNE 21%, CDU 19%, LINKE 13%, PIRATEN 5,01%, FDP 4%, Sons­ti­ge Rest.

Und letzt­lich ent­schei­det sich Wowe­reit trotz­dem für die knap­pe rot-schwar­ze Mehrheit.

Was meint ihr? Und warum?

Kurz: Zur Gemeinnützigkeit des BUND

Random euro coin collection VII„Klei­ne Anfra­gen“ sind das Grau­brot der Par­la­men­te. Trotz­dem oder gera­de des­we­gen las­sen sich beim Stö­bern im Druck­sa­chen­ein­gang des Land­tags manch­mal span­nen­de Din­ge fin­den. So hat­te der Ulmer SPD-MdL Mar­tin Rivoir, ein glü­hen­der Stutt­gart-21-Fan, im Juni für media­le Auf­re­gung gesorgt, weil er öffent­lich die Gemein­nüt­zig­keit des BUND in Fra­ge gestellt hat. War­um? Weil die­ser poli­tisch agiert und Gel­der für den S21-Wider­stand ein­sam­melt. In einer klei­nen Anfra­ge woll­te Rivoir wis­sen, ob die Lan­des­re­gie­rung es für ver­ein­bar mit der Gemein­nüt­zig­keit des BUND hält, dass im Rah­men des Akti­ons­bünd­nis­ses gegen Stutt­gart 21 auch dazu auf­ge­ru­fen wur­de, Gel­der an den BUND zu spen­den. Jetzt liegt die Ant­wort des Finanz­mi­nis­te­ri­ums vor, und sie fällt deut­lich aus:

Das Han­deln des BUND inner­halb des losen Zusam­men­schlus­ses „Akti­ons­bünd­nis­ses gegen Stutt­gart 21« ist auf­grund des Mit­wir­kens an der Bau­leit- und Ver­kehrs­pla­nung (ggf. auch mit­tels Demons­tra­tio­nen) und der öko­lo­gi­schen Dimen­si­on des Pro­jek­tes Stutt­gart 21 für die Regi­on Stutt­gart noch vom Sat­zungs­zweck des BUND und dem gemein­nüt­zi­gen Zweck „För­de­rung des Umwelt­schut­zes“ gedeckt.

Soweit in die­sem Rah­men auch eine poli­ti­sche Tätig­keit ent­fal­tet wird, ist die­se unschäd­lich für die Gemein­nüt­zig­keit, wenn eine gemein­nüt­zi­ge Tätig­keit nach den Ver­hält­nis­sen des Ein­zel­falls zwangs­läu­fig mit einer poli­ti­schen Ziel­set­zung ver­bun­den ist und die unmit­tel­ba­re Ein­wir­kung auf die poli­ti­schen Par­tei­en und
die staat­li­che Wil­lens­bil­dung gegen­über der För­de­rung des gemein­nüt­zi­gen Zwecks in den Hin­ter­grund tritt. Dies ist im Fall des BUND eben­falls noch zu bejahen.

Kurz: Gemein, dass nicht jede klei­ne Anfra­ge dem vom Fra­ge­stel­ler erwünsch­ten Ergeb­nis nutzt!