Lesarten von Science Fiction: Die dunkle Seite der Macht

Vor­be­mer­kung: ich habe die­sen Text größ­ten­teils bereits im April geschrie­ben – inzwi­schen hat sich das Ver­hält­nis zwi­schen Musk und Trump deut­lich ver­än­dert. Die Aus­sa­gen unten schei­nen mir aber wei­ter­hin Gül­tig­keit zu behalten …

Wie poli­tisch sind Sci­ence Fic­tion und Fan­ta­sy? Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­ler haben die­se Fra­ge ganz unter­schied­lich beant­wor­tet. Es gibt Wer­ke, die mit einer poli­ti­schen Agen­da geschrie­ben wur­den. Manch­mal ist das sehr sicht­bar, etwa wenn Dys­to­pien als War­nung geschrie­ben wer­den (Mar­gret Atwoods Handmaid’s Tale, um ein sehr aktu­el­les Bei­spiel zu nen­nen). Oder wenn Uto­pien zei­gen, dass es auch anders gehen kann – eini­ge der Roma­ne von Ursu­la K. Le Guin oder Kim Stan­ley Robin­son etwa; wer möch­te kann hier auch Star Trek ein­rei­hen.1 Dane­ben gibt es Autorin­nen und Autoren, die eine poli­ti­sche Agen­da haben, die aber weni­ger klar zu benen­nen ist – ein huma­nis­ti­scher Grund­ton bei John Scal­zi, eine liber­tä­re Fär­bung bei Robert Hein­lein, kon­ser­va­ti­ve Ein­spreng­sel bei Isaac Asi­mov. Und schließ­lich gibt es Wer­ke, die eigent­lich Mani­fes­te sind – Atlas Shrug­ged von Ayn Rand auf der rech­ten Sei­te, das eine oder ande­re Solar­punk-Buch und vie­le der Wer­ke von Cory Doc­to­row im pro­gres­si­ve­ren Spek­trum fal­len mir hier ein.

Wechselwirkungen zwischen Science Fiction und Gesellschaft

Hin­ter die­ser Fra­ge steckt die Idee, dass es eine Wech­sel­wir­kung zwi­schen SF und unse­rer Gesell­schaft gibt. Dass die Aus­ein­an­der­set­zun­gen und gro­ßen Fra­gen des jewei­li­gen Zeit­geists sich in SF- (und Fantasy-)Werken wie­der­fin­den, ver­wun­dert nicht. Stär­ker als ande­ren Gen­res ist Sci­ence Fic­tion mit der Erwar­tung ver­bun­den, dass umge­kehrt auch das Gen­re Ein­fluss auf die Gesell­schaft nimmt.2

Am offen­sicht­lichs­ten ist das beim Blick auf Tech­no­lo­gien. Arthur C. Clar­ke hat den Satel­li­ten erfun­den, Wil­liam Gib­son den Cyber­space, und John Brun­ner Inter­net­vi­ren – so jeden­falls die popu­lä­re Sicht der Din­ge. Und natür­lich lesen Inge­nieu­rin­nen und Inge­nieu­re Sci­ence Fic­tion und las­sen sich davon beein­flus­sen. Im Detail ist es etwas kom­pli­zier­ter. Dass es hier eine Wech­sel­wir­kung gibt, erscheint jedoch min­des­tens plau­si­bel.3

Wie sieht es nun mit poli­ti­schen Ideen aus? Nimmt Sci­ence Fic­tion einen Ein­fluss auf die Poli­tik, auf das gesell­schaft­li­che Zusammenleben?

Stär­ker noch als beim Blick auf Tech­no­lo­gien rückt nun der Leser oder die Lese­rin ins Blick­feld. Denn wie ein Werk gele­sen wird, was wahr­ge­nom­men und was gefil­tert wird – das hat nicht nur mit der Inten­ti­on des Autors oder der Autorin zu tun, son­dern eben auch damit, wer es aus was für einer Vor­prä­gung her­aus wie liest.

So dürf­te der baye­ri­sche Minis­ter­prä­si­dent Mar­kus Söder der bekann­tes­te Star-Trek-Fan in der deut­schen Poli­tik sein. Sieht er Star Trek als Uto­pie einer post­ka­pi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft, oder sind es eher die Aben­teu­er im Welt­raum, tak­ti­sche Über­le­gun­gen und Pha­ser-Hand­ge­men­ge, die ihn begeis­tern? Auch wenn er sich mei­nes Wis­sen nicht dazu geäu­ßert hat, scheint er eher Cap­tain Kirk als Cap­tain Picard zum Vor­bild zu haben.4 Gleich­zei­tig lässt sich Söders Poli­tik eine gewis­se Tech­nik­be­geis­te­rung nicht abspre­chen – von der baye­ri­schen Raum­fahrt-Initia­ti­ve „Bava­ria One“ bis zur etwas groß­spu­ri­gen For­de­rung, der ers­te Fusi­ons­re­ak­tor welt­weit müs­se in Deutsch­land – lies: in Bay­ern – ent­ste­hen, fin­det sich da eini­ges. Viel­leicht ist das Star Trek zu verdanken.

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Kurz: Der langsame Abschied von den US-Plattformen

Wäh­rend die ver­gan­ge­nen Kon­to­aus­zü­ge von Bestel­lun­gen bei Ama­zon (vie­les E‑Books, aber auch ande­res, von Kla­mot­ten und Spie­len bis hin zu Haus­halts­ge­rä­ten) nur so wim­mel­ten, fin­den sich im März nur noch zwei Ama­zon-Buchun­gen – noch nut­ze ich Ama­zon Prime und einen Video­ka­nal*. Dass das so ist, war eine halb­be­wuss­te Ent­schei­dung; ein Unter­bre­chen der ein­ge­üb­ten Prak­ti­ken beim Online-Bestel­len, in zwei­er­lei Hin­sicht: ein­mal, dar­über nach­zu­den­ken, ob ich Was-Auch-Immer wirk­lich haben will, und ein­mal, um es dann eben nicht bei Ama­zon zu bestel­len, son­dern zu gucken, ob das Ding auch anders­wo im Netz zu fin­den ist. Und meis­tens ist das so.

Schwer fällt mir die­ser Abschied von „der“ Online-Han­dels­platt­form vor allem in einem Punkt: bei digi­ta­len Büchern. Hier habe ich noch kei­nen guten Work­flow gefun­den, um eng­lisch­spra­chi­ge Wer­ke anders­wo zu bestel­len und zu lesen. Ein Ver­such, ein SF-Buch über Goog­le Books zu kau­fen, ende­te damit, dass sich das gekauf­te Buch weder auf dem PC noch auf einem der Mobil­ge­rä­te öff­nen lässt, weil irgend­wel­che Kopier­schutz­re­geln es ver­hin­dern. Und eigent­lich wür­de ich ger­ne die bei­den Kind­le-Lese­ge­rä­te, die hier rum­schwir­ren, wei­ter nut­zen. Vor­erst behel­fe ich mir, erst ein­mal kei­ne neu­en Bücher zu kau­fen (es gibt noch sehr viel unge­le­se­ne in diver­sen Sta­peln), bzw. im Zwei­fel auf auch über ande­re Platt­for­men erhält­li­che gedruck­te Fas­sun­gen aus­zu­wei­chen. Auf die Dau­er ist das aber kei­ne Lösung. Wenn also jemand einen erprob­ten Weg kennt, digi­ta­le Bücher ohne Ama­zon zu erwer­ben und zu lesen, neh­me ich hin­wei­se ger­ne ent­ge­gen (und ja, theo­re­tisch lie­ße sich Calib­re als Cli­ent-Ser­ver-Sys­tem auf­set­zen, das mir momen­tan aber noch zu kompliziert …). 

Deut­lich schwie­ri­ger als der Abschied von Ama­zon sieht es bei den ande­ren Platt­for­men aus. Na gut, Twitter/X hat mich raus­ge­wor­fen, seit­dem habe ich kei­ner­lei Lust ver­spürt, dahin noch ein­mal zurück­zu­keh­ren. Bei Meta nut­ze ich Face­book (und Insta­gram für den grü­nen Orts­ver­band, und Whats­app für ein paar weni­ge Kon­tak­te). Micro­soft wird mit Win­dows 11 und Copi­lot, mit Abo-Model­len für MS Office etc. zuneh­mend unat­trak­tiv, noch läuft auf einem mei­ner bei­den pri­va­ten Rech­ner aber Win­dows, und auf dem Dienst­lap­top eh – da habe ich aber kei­nen Ein­fluss drauf. Dito das Dienst­han­dy, das das gan­ze Apple-Öko­sys­tem hin­ter sich her­zieht. Ganz schwie­rig sieht’s bei Pay­pal und bei Goog­le aus, da sehe ich noch kei­ne wirk­lich gute Alter­na­ti­ve für die Art, wie ich deren Pro­duk­te aktu­ell nut­ze. Auch da: ger­ne Tipps in den Kommentaren!

* Es wäre groß­ar­tig, wenn Star Trek sich ent­schei­den könn­te, über eine ande­re Platt­form als Para­mount+ via Ama­zon Prime ver­füg­bar zu sein.

Science Fiction und Fantasy im Januar 2025

Südbaden clouds

Die diver­sen Strea­ming-Abos hät­te ich mir im Janu­ar auch spa­ren kön­nen. Ange­schaut habe ich genau zwei Fil­me – zum einen, auf Drän­gen eini­ger Fami­li­en­mit­glie­der, ein Rewatch von Har­ry Pot­ter and the Goblet of Fire (von DVD), zum ande­ren mit viel gespann­ter Erwar­tung Sec­tion 31 (Para­mount+). Die­ser als Star-Trek-Spin­off ange­kün­dig­te Film war dann vor allem ent­täu­schend und wirk­te – selbst mit den Links zum eh schon action­las­to­gen ST: Dis­co­very – wie eine schlech­te Mischung aus Cow­boy Bebop , Guar­di­ans of the Gala­xy und Star Wars.

Die Ori­gin-Sto­ry der in unser Uni­ver­sum geflo­he­nen ter­res­tri­schen Impe­ra­to­rin mach­te deren Han­deln auch nicht plau­si­bler, der Geheim­auf­trag – Sec­tion 31 ist der Geheim­dienst der Star­fleet, ähn­lich Spe­cial Cir­cum­s­tances in Banks Cul­tu­re-Roma­nen – hat­te nur eine gerin­ge Plau­si­bi­li­tät, das Prot­ago­nis­ten-Team war eher humo­ris­tisch zusam­men­ge­stellt, deren Moti­va­ti­on unklar. Zeit und Raum (schnell, drin­gend, …, Tage in unter­ir­di­schen Höh­len­sys­te­men ganz woan­ders) ver­lo­ren an Bedeu­tung. Dass eine Pha­sen­ver­schie­bung auf Quan­ten­ebe­ne zwar das Durch­drin­gen von Wän­den und Kör­pern, nicht jedoch des Bodens der Raum­sta­ti­om mit sich brach­te, war dann auch nicht mehr als ein wei­te­res unlo­gi­sches Ele­ment in einer lang­wei­len­den Anein­an­der­rei­hung unlo­gi­scher Ele­men­te. Kurz: kei­ne Emp­feh­lung, jeden­falls nicht für Men­schen, die Star Trek mögen.

Gele­sen habe ich im Janu­ar, war­um auch immer sich das so erge­ben hat, vor allem Fan­ta­sy. Welt­flucht­po­ten­zi­al, möglicherweise.

Eine Aus­nah­me stellt in gewis­ser Wei­se John Dodds Oce­an of Stars (2022) dar, inso­fern der Roman in der Zukunft spielt, der Mars (und Pla­ne­ten fer­ner Ster­ne) besie­delt ist und die Prot­ago­nis­tin Cata­ri­na Solo­vi­as auf einem Raum­schiff anheu­ert – das aller­dings, soviel sei ver­ra­ten, schon kurz dar­auf von einem Pira­ten­schiff gerammt wird, mit gehiss­ten Son­nen­se­geln, Tech­no­lo­gie, die von Magie kaum zu unter­schei­den ist und kar­gen Mahl­zei­ten in der Kom­bü­se. Sag­te ich schon, dass dann auch noch Zeit­bla­sen und See­unge­heu­er Welt­raum­mons­ter gigan­ti­schen Aus­mas­ses auf­tau­chen? Dodd gelingt es, die­se wil­de Mischung plau­si­bel erschei­nen zu las­sen, und uns mit Cata­ri­na mit­fie­bern zu las­sen. Wür­de ver­mut­lich auch als Doc­tor-Who-Fol­ge funk­tio­nie­ren, wenn ich so drü­ber nachdenke.

Und auch die Kurz­ge­schich­ten­samm­lung Jamai­ca Gin­ger and Other Con­coc­tions (2024) von Nalo Hop­kin­son ent­hält neben magi­schem Rea­lis­mus mit kari­bi­schem Ein­schlag die eine oder ande­re Geschich­te, die eher unter SF (oder zumin­dest Steam­punk) ein­zu­sor­tie­ren wäre. Auf die Samm­lung bin ich durch ein Inter­view in Clar­kes­world auf­merk­sam gewor­den. Wie bei Kurz­ge­schich­ten­samm­lun­gen üblich, ist es schwie­rig, über­grei­fend etwas dazu zu sagen, ohne auf ein­zel­ne Geschich­ten ein­zu­ge­hen. Jeden­falls: fan­tas­tisch geschrie­ben, und mit einer Per­spek­ti­ve, die auf jeden Fall inter­es­sant ist. 

Damit zur Fan­ta­sy i.e.S. Von T. King­fi­sher (Ursu­la Ver­non) habe ich end­lich mal deren mit dem Hugo 2024 prä­mier­te Novel­le Thorn­hedge gele­sen. Hät­te ich mal frü­her tun sol­len, den die Novel­le war dann deut­lich bes­ser als das men­ta­le Bild („Neu­er­zäh­lung von Dorn­rös­chen“), das ich mir davon gemacht hat­te. Erzählt wird die Geschich­te aus der Per­spek­ti­ve der – bösen? – Fee. King­fi­sher geht nicht nur der Fra­ge nach, wie­so da plötz­lich eine Fee bei der Tau­fe der Königs­toch­ter auf­taucht (Fairy ist nicht weit) – und dann über Jahr­hun­der­te beim ver­wun­schen Schloss samt Dor­nen­he­cke bleibt, son­dern fin­den auch einen Weg, plau­si­bel zu machen, dass der ewi­ge Schlaf eine Hel­den­tat ist. Und dann taucht nach Jahr­zehn­ten der Ein­sam­keit ein wacke­rer Prinz auf, gekom­men, die Prin­zes­sin zu befrei­en. Die Fee (deren größ­ter Zau­ber ist, sich in eine Krö­te ver­wan­deln zu kön­nen), steht damit vor einer Her­aus­for­de­rung. Denn sie muss ver­hin­dern, dass der Prinz sei­nen Plan in die Tat umsetzt. Das wird recht lesens­wert beschrieben.

Im Anschluss habe ich Nett­le & Bone (2022, eben­falls von T. King­fi­sher), gele­sen. Der Titel der deut­schen Über­set­zung („Wie man einen Prin­zen tötet“), nimmt eines der Moti­ve des Romans vor­weg. Mar­ra ist die jüngs­te von drei Schwes­tern, Prin­zes­sin in einem klei­nen König­reich. Ganz real­po­li­tisch wird die ältes­te Schwes­ter mit dem Prin­zen des gro­ßen König­reichs im Nor­den ver­hei­ra­tet. Sie stirbt, der Prinz hei­ra­tet die mitt­le­re Schwes­ter. Mar­ra lan­det in einem Klos­ter, lernt Sti­cke­rei, Weben, mis­tet den Stall aus, unter­stützt die Schwes­ter Apo­the­ke­rin – und erfährt von dem Leid und der Miss­hand­lung ihrer Schwes­ter am nörd­li­chen Königs­hof. In ihr reift der Vor­satz, den Prin­zen zu töten. Sie sucht ein Dust-Wife, eine Art Hexe, auf, bit­tet die­se um Hil­fe, muss unmög­li­che Auf­ga­ben erle­di­gen – und ab hier nimmt das Aben­teu­er dann Fahrt auf. Trotz des mär­chen­haf­ten Set­tings spart King­fi­sher die Rea­li­tä­ten von Hei­rats­po­li­tik, Dynas­tik und Bünd­nis­sen – und Armut – nicht aus, son­dern guckt durch Mar­ras manch­mal nai­ven, manch­mal von Selbst­zwei­feln geplag­ten, aber immer empa­thi­schen Blick auf die Din­ge. Hat mir gut gefal­len, und ja – „bru­tal und com­pas­sio­na­te“ trifft es ganz gut.

Auch bei Peter S. Bea­gle geht es bei I’m Afraid You’­ve Got Dra­gons (2024) – der Bea­gle von „Das letz­te Ein­horn“ – um eine Prin­zes­sin. Größ­ten­teils fol­gen wir aller­dings Robert Thrax, dem Dra­chen­be­kämp­fer (as in: Unge­zie­fer­be­kämp­fung). Denn Dra­chen sit­zen hier in alten Gemäu­ern, es gibt gro­ße und klei­ne, und über­haupt: sind sie eine Pla­ge. Die Dra­chen­be­kämp­fung hat Robert von sei­nem ver­stor­be­nen Vater über­nom­men, macht das her­vor­ra­gend – dafür gibt es Grün­de – nur: eigent­lich wür­de er lie­ber kei­ne Dra­chen töten. Prin­zes­sin Ceri­se flieht vor den um ihre Hand anhal­ten­den Prin­zen in den Wald, übt Lesen und Schrei­ben. Und dann gibt es da noch den Thron­fol­ger des gro­ßen Nach­bar­lan­des, von prin­zen­haf­ter Gestalt, mit prin­zen­haf­ten Manie­ren, auf der Suche nach einem Aben­teu­er. Ein gro­ßer Held, so scheint es jeden­falls, auch wenn sein Vater unzu­frie­den mit dem Aus­blei­ben von Rauf­lust etc. ist. Es kommt eins zum ande­ren, und Prin­zes­sin Ceri­se, Robert und Prinz Regi­nald bre­chen auf, die gefähr­li­chen Berg­dra­chen zu besie­gen. Natür­lich kommt es anders – mehr wäre zu viel ver­ra­ten. Wie, beschreibt Bea­gle mit viel Humor.

Dann habe ich noch A Fel­low­ship of Bak­ers and Magic (2023) von J. Pen­ner gele­sen. Noch­mal Mär­chen­land, eine jun­ge Frau ganz ohne magi­sche Bega­bun­gen wird aus­e­rer­wählt, am gro­ßen Back­wett­be­werb der Elfen teil­zu­neh­men. Groß­ge­zo­gen haben die jun­ge Frau nach dem Unfall­tod ihrer Eltern die bei­den Nach­barn, ein schwu­les Ork-Paar, auf dem Weg und beim Back­wett­be­werb (den eigent­lich immer Elfen gewin­nen) freun­det sie sich mit Mit­be­wer­be­rin­nen an – eine Zwer­gin und eine Füch­sin, wenn ich das rich­tig gele­sen habe. Und der Elf, der sie aus ihrer Klein­stadt zum Wett­be­werb bringt, ent­facht Fan­ta­sien. Das gan­ze wird als cozy roman­tic fan­ta­sy ver­mark­tet, das passt auch. Mein einer Ein­druck: sil­ly, aber auf die gute Art. Der ande­re: biss­chen viel Soap, und für ein Fan­ta­sy-Set­ting in den Köp­fen der Protagonist*innen doch ziem­lich viel 21. Jahr­hun­dert. Also: nicht so ganz meins, aber viel­leicht ein com­fort read. Ein wei­te­rer Band ist 2024 erschie­nen, zwei wei­te­re sind ange­kün­digt. Wer’s mag, wird hier also eini­ges zum Lesen finden. 

Last but not least: Von Charles Stross ist neu A Con­ven­tio­nal Boy (2025) erschie­ne­nen, ein kur­zer Roman im Laun­dry­ver­se, in dem wir die Hin­ter­grund­ge­schich­te des „Dun­ge­on Mas­ters“ Derek ken­nen­ler­nen (ergänzt um bereits anders­wo erschie­ne­ne Kurz­ge­schich­ten). Eine DnD-Con­ven­ti­on spielt eine Rol­le, und jemand, der tie­fer als ich mit DnD zu tun hat, dürf­te noch mehr Freu­de an der einen oder ande­ren Anspie­lung haben. Es gibt wie immer im Laun­dry­ver­se düs­te­re Kul­te und Dämo­nen­be­schwö­run­gen; wich­tig zu wis­sen – das Rol­len­spiel-Regel­werk ist turing­voll­stän­dig und eig­net sich daher für magi­sche Hand­lun­gen. Stross mixt die „sata­nic panic“ der 1980er Jah­re, einen genau­en Blick dar­auf, was pas­siert, wenn Men­schen über lan­ge Zeit insti­tu­tio­na­li­siert wer­den, eine (für sei­ne Ver­hält­nis­se erstaun­lich sweete) Lie­bes­ge­schich­te im Autis­mus-Spek­trum und ein paar Bezü­ge zu ande­ren Laun­dry-Roma­nen (hal­lo, Iris). Das ist schnell weg­ge­le­sen, aber es wird auch deut­lich, dass es Zeit wird, dass Stross sich einen ande­ren Spiel­platz sucht. 

Lesetagebuch Science Fiction und Fantasy – Juni 2023

Black forest

Vor­satz: in kür­ze­ren Abstän­den dar­über schrei­ben, was ich an SF & Fan­ta­sy gele­sen und ange­schaut habe. Mal sehen, wie lan­ge das klappt. Im Juni waren das jeden­falls zwei Fil­me, ein biss­chen Seri­en und weni­ge Bücher. 

Die Black-Pan­ther-Fort­set­zung Wakan­da Fore­ver war nicht ganz so über­zeu­gend wie Black Pan­ther selbst, der Plot wirk­te ein wenig wirr und man­che Ent­schei­dung (war­um jetzt ein über­mäch­ti­ges Was­ser­volk als Haupt­geg­ner?) konn­te ich nicht so rich­tig nach­voll­zie­hen. Trotz­dem anseh­bar und unterhaltsam.

Sehr begeis­tert hat mich die Comic-Ver­fil­mung Nimo­na von ND Ste­ven­son, die – nach­dem Dis­ney+ das Stu­dio auf­ge­kauft und die Pro­duk­ti­on ein­ge­stellt hat­te, jetzt bei Net­flix zu sehen ist. Der gra­fi­sche Stil ist span­nend, es geht um Rit­ter in einem futu­ris­ti­schen König­reich, die die­ses gegen Mons­ter ver­tei­di­gen. Bei der Ver­ei­di­gung des neus­ten Rit­ter­jahr­gangs geschieht eine Kata­stro­phe, die nicht nur die Lie­bes­ge­schich­te zwi­schen Bal­lis­ter Bold­he­art – dem ers­ten Rit­ter aus der Arbei­ter­schicht – und Ambro­si­us Gol­den­lo­in jäh unter­bricht, son­dern Bold­he­art auch in die Rol­le des Schur­ken drängt. Nimo­na will sein Side­kick wer­den. Ist sie – als Gestaltwandler*in – das Mons­ter, dass das König­reich zum Unter­gang brin­gen wird?

Kurz bevor die Serie abge­setzt wur­de, habe ich mir dann mal noch Star Trek: Pro­di­gy ange­schaut – tief­grün­di­ger und näher an Star Trek dran, als die Auf­ma­chung mit bun­ter Ani­ma­ti­on etc. ver­mu­ten lässt. Soll­te sie irgend­wo mal wie­der auf­tau­chen, lohnt es sich, sie anzuschauen.

Und auch die ers­ten drei Fol­gen der zwei­ten Ses­si­on von Star Trek: Stran­ge New Worlds haben viel Poten­zi­al. Das Zurück zur epi­so­dischen Erzähl­wei­se – anders als bei Picard oder Dis­co­very – tut der Serie gut, und auch wenn die übli­chen Star-Trek-Tro­pes, etwa die Zeit­rei­se in eine par­al­le­le Zeit­li­nie oder das Gerichts­ver­fah­ren mit „rich­ti­gem“ Ende nach phi­lo­so­phi­schen Plä­doy­er, breit aus­ge­rollt wer­den, ist das kein blo­ßer Fan­ser­vice, son­dern funk­tio­niert. Etwas irri­tie­rend: Unter­ton aller drei Fol­gen ist ein Rüt­teln an der Star-Trek-Grund­über­zeu­gung, das gen­tech­ni­sche Ver­än­de­run­gen an Men­schen ein Kapi­tal­ver­bre­chen sind und mit den „euge­ni­schen Krie­gen“ gro­ßes Leid gebracht haben.

Dann zu den Büchern. Ein „rich­ti­ger“ Roman war dabei, näm­lich Sub­Or­bi­tal 7 (2023) von John Shir­ley. Der inzwi­schen 70-jäh­ri­ge Shir­ley war einer der Cyber­punk-Autoren der spä­ten 1980er, ins­be­son­de­re sei­ne Eclip­se / A Song Cal­led Youth-Tri­lo­gie und City Come a‑Walkin‘ dürf­ten eini­gen bekannt sein. Dass er außer die­sen eine gan­ze Rei­he wei­te­rer Roma­ne und Dreh­bü­cher geschrie­ben hat, war mir nicht bekannt. Vor der Erwar­tungs­hal­tung „Cyber­punk“ ent­täuscht Sub­Or­bi­tal 7 – das ist eher Mili­ta­ry SF (wobei A Song Cal­led Youth bei genau­er Hin­sicht gar kei­nen ganz unähn­li­chen Blick auf die Welt wirft), und noch dazu aus recht männ­li­cher Per­spek­ti­ve. Inhalt­lich geht es in einer nahen Zukunft um die Auf­rüs­tung des Welt­raums mit Orbi­tal­sta­tio­nen und Waf­fen, um den Kon­flikt Ame­ri­ka – Russ­land und in bei­den Fäl­len um Aus­ein­an­der­set­zun­gen inner­halb des jewei­li­gen Staats­ap­pa­rats und um Spio­na­ge, ein biss­chen James Bond, ein biss­chen Thril­ler. Vor dem Hin­ter­grund der aktu­el­len Ereig­nis­se in Russ­land (ich las den Roman, als die Wag­ner-Trup­pen Rich­tung Mos­kau fuh­ren) hat der Roman noch­mal sei­nen ganz eige­nen Gruselfaktor.

Abge­se­hen davon habe ich im Juni Ursu­la K. LeGu­ins Essay-Samm­lung Words Are My Mat­ter: Wri­tin­gs on Life and Books (2016) gele­sen – zur Hälf­te sind das Buch­re­zen­sio­nen von ihr, eini­ge haben mich auch noch­mal auf ande­re Wer­ke auf­merk­sam gemacht, zur ande­ren Hälf­te essay­is­ti­sche Tex­te, die sich mit Lite­ra­tur und Schrei­ben, um die Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen SF als „Gen­re“ und „rich­ti­ger Lite­ra­tur“ und um einen femi­nis­ti­schen Blick auf den Betrieb richten. 

The Best of Greg Egan (2021) trägt die­sen Namen völ­lig zu recht. Das ist eine dicke Samm­lung sei­ner Kurz­ge­schich­ten und Novel­len; eini­ge davon bil­den über meh­re­re Geschich­ten hin­weg einen Hand­lungs­bo­gen. Und fast jede die­ser Geschich­ten setzt sich mit tie­fen Fra­gen aus­ein­an­der – also (durch­aus span­nen­de und span­nend geschrie­be­ne) SF als Medi­um des Nach­den­kens dar­über, was die Fol­gen davon sein könn­ten, wenn Bewusst­seins­frag­men­te dazu genutzt wer­den, KIs zu trai­nie­ren, die in Spie­le­wel­ten NPC dar­stel­len sol­len. Was pas­siert, wenn Ein­grif­fe in das Gehirn unse­re Wahr­neh­mung ver­än­dern. Wie Reli­gio­nen ent­ste­hen. Etc. Sehr emp­feh­lens­wert und ein guter Ein­stieg in Egans Werk.

Eine zwei­te dicke Kurz­ge­schich­ten­samm­lung, die ich im Juni gele­sen habe, trägt den Titel Life bey­ond us (2023) – eine vom Euro­pean Astro­bio­lo­gy Insti­tu­te her­aus­ge­ge­be­ne Antho­lo­gie. Die­ses Insti­tut war mir bis­her kein Begriff, es scheint eine der Platt­for­men der Euro­pean Sci­ence Foun­da­ti­on (ESF) in Stras­bourg zu sein, das ist ein Dach­ver­band von Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen wie Helm­holtz-Gesell­schaft und Max-Planck-Gesell­schaft. Life bey­ond us jeden­falls ent­hält zahl­rei­che Kurz­ge­schich­ten, teil­wei­se von bekann­ten Autor*innen wie Mal­ka Older oder Gre­go­ry Ben­ford, teil­wei­se von mir bis­her unbe­kann­ten Verfasser*innen, wohl zum Teil direkt aus der wis­sen­schaft­li­chen Com­mu­ni­ty. Gemein­sa­mes The­ma sind Kon­tak­te mit außer­ir­di­schen Lebens­for­men und die Fra­ge, was eigent­lich Leben ist, und wie wir Leben fin­den kön­nen, das ganz anders als unse­res ist. Eine Beson­der­heit an die­sem Band – der ja schließ­lich auch wis­sen­schaft­li­ches „out­reach“ dar­stellt – ist, dass jede Geschich­te mit einem Kom­men­tar aus der Wis­sen­schaft ver­se­hen ist, samt Fuß­no­ten und Quel­len. Die­se Tex­te gehen teil­wei­se direkt auf die Geschich­ten ein, teil­wei­se sind es eher all­ge­mei­ne Erläu­te­run­gen zum Stand des Wis­sens, wie Leben ent­steht, wie Exo­pla­ne­ten ent­deckt wer­den usw. Die Mischung aus Kurz­ge­schich­ten und Wis­sen­schafts­jour­na­lis­mus fand ich anre­gend und lehr­reich – jeden­falls mal was anderes.

Science Fiction und Fantasy im Vorfrühling 2023 (Teil I)

Fairy lights

Die Lis­te der Sci­ence-Fic­tion- und Fan­ta­sy-Wer­ke, die ich gele­sen bzw. ange­schaut habe, ist schon wie­der recht lang. Bevor sie noch län­ger wird, schrei­be ich mal lie­ber was dazu.

Ange­guckt habe ich mir v.a. Seri­en. Andor (Dis­ney+) spielt im Star-Wars-Uni­ver­sum, ist aber eigent­lich ein Film über prä­re­vo­lu­tio­nä­re Umstän­de und (proto-)faschistische Herr­schaft. Sehr gut gemacht und sehens­wert und ganz anders, als es das Label Star Wars ver­mu­ten hät­te las­sen. Ähn­li­ches gilt für den Ani­ma­ti­ons­film Guil­ler­mo del Toros Pinoc­chio (Net­flix), der nicht nur eine Umset­zung der Pinoc­chio-Geschich­te ist, son­dern die­se sehr detail­ge­treu ins faschis­ti­schen Ita­li­en der 1930er Jah­re ver­setzt. Auch das sehr gut gemacht.

Mehr Unter­hal­tung und weni­ger poli­ti­scher Kom­men­tar dage­gen die bei­den Star-Trek-Seri­en, die ich ange­schaut habe bzw. noch anschaue: Stran­ge New Worlds (Para­mount+ – habe sie über ein Prime-Pro­bier-Ange­bot ange­schaut, bin aber immer noch genervt davon, dass Star Trek auf ein eige­nen Strea­ming-Kanal wan­dert …) – also, Stran­ge New Worlds ist ein biss­chen Zurück zu den Wur­zeln, eine zeit­ge­mä­ße Neu­auf­la­ge von TOS, mit ähn­li­ches Ästhe­tik, abge­schlos­se­nen Geschich­ten und einem Ver­zicht auf die Düs­ter­nis­von DS9 oder Dis­co­very. Die drit­te Staf­fel von Picard (Prime) holt mehr oder weni­ger alle TNG-Stars plus Seven ins Boot, bleibt in einem Set­ting, in dem die Fede­ra­ti­on kor­rupt gewor­den ist, und setzt auf eine über­grei­fen­de Geschich­te, mys­te­riö­se Rät­sel und Ver­wick­lun­gen und einen über­aus mäch­ti­gen Gegen­spie­ler. Funk­tio­niert trotz­dem bes­ser als die zwei­te Staf­fel, wür­de ich sagen.

Ange­schaut habe ich mir auch die zwei­te Staf­fel von Shadow & Bone (Net­flix) – sie spielt in einer Welt, die unse­rer recht ähn­lich ist, irgend­wo zwi­schen frü­her Neu­zeit und Früh­mo­der­ne, nur dass es hier Magie gibt, die bekämpft, als Waf­fe ein­ge­setzt, ver­heim­licht oder ganz offen gelebt wird, je nach kul­tu­rel­lem Set­ting. Die zugrun­de­lie­gen­den Bücher von Leigh Bard­u­go lau­fen unter „Young Adult“ – und, naja, neben dem Kampf zwi­schen Gut und Böse und inter­es­san­tem Wel­ten­buil­ding usw. ist halt auf­fäl­lig, dass so gut wie alle Per­so­nen (auch, wenn sie hun­der­te Jah­re alt sind) von hüb­schen Mitt­zwan­zi­gern gespielt werden. 

Gele­sen habe ich auch eini­ges, neben SF und Fan­ta­sy auch den his­to­ri­schen Roman Mon­tai­gnes Kat­ze von Nils Mink­mar (2022) – jetzt weiß ich sehr viel mehr über Mon­tai­gne und über Frank­reich und Euro­pa in den 1580er Jah­ren, von Mink­mar leben­dig erzählt – und das Sach­buch Im Mit­tel­al­ter: Hand­buch für Zeit­rei­sen­de von Ian Mor­ti­mer (2008), das aus­führ­lich und les­bar auf All­tags­le­ben, Gebräu­che, Ernäh­rung, Klei­dung, Gewalt und Kul­tur im Eng­land des 14. Jahr­hun­derts ein­geht, und es schafft, die Fremd­heit unse­rer Ver­gan­gen­heit anschau­lich zu machen.

In Fol­gen­den geht es mir um die Fan­ta­sy-Bücher, die ich gele­sen habe – zum The­ma Sci­ence Fic­tion kom­me ich dann in einem zwei­ten Teil.

„Sci­ence Fic­tion und Fan­ta­sy im Vor­früh­ling 2023 (Teil I)“ weiterlesen