Was Sarah und ihr SPD-Counterpart hier vorhaben, klingt ziemlich spannend: per rot-rot-grüner Mehrheit im neuen hessischen Landtag die wohl weiterhin geschäftsführende Koch-Regierung dazu zwingen, die Studiengebühren wieder abzuschaffen. Ich drücke die Daumen und bin – mal abgesehen vom fachpolitischen Interesse – sehr gespannt, ob das hessische Projekt „Regieren gegen die Regierung“ klappt.
Kurzeintrag: Hessenwahl
Hessen bleibt spannend, aber aus links-grüner Perspektive stellt sich doch vor allem die Frage, „Wie lange will sich die Sozialdemokratie noch in einer Koalition mit den Christdemokraten quälen, wenn es doch eine Mehrheit für eine progressive Politik gibt?“. Nachdem die FDP offensichtlich nicht regieren will, frage ich mich das auch, und meine: gerade im ja doch grün gesehen sehr realpolitischen Hessen wäre rot-rot-grün ein interessantes Experiment. Von mir aus auch – vgl. Geschichte der Grünen – als Lafontaine-Cohn-Benditsche Duldung.
Berufsverbot in Baden-Württemberg und Hessen wegen Antifa-Arbeit
Die Seite http://www.gegen-berufsverbote.de/ sammelt Unterschriften, um gegen das Berufsverbot für den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy, der dort in Heidelberg eine Antifa-Gruppe mitgegründet hatte und deswegen vom baden-württembergischen Kultusministerium nicht für schultauglich angesehen wird – auf Intervention von ganz oben durfte er auch eine schon zugesagte Stelle in Hessen nicht antreten. Das Spektrum der bisher gesammelten Unterschriften reicht von DKP und Linkspartei bis zu prominenten Grünen wie Claudia Roth und Theresia Bauer; bisher sind so knapp 600 der angestrebten „1000 Stimmen gegen Berufsverbote“ zusammengekommen. Eine Mailadresse zum digitalen Unterschreiben findet sich hier.
Altes aus Xanga, Teil V
Monday, October 07, 2002
Bahn nicht nett
In der taz von heute (07.10.2002) war ein halbseitige Farbanzeige der Deutschen Bahn AG geschaltet, in der für das neue Preissystem geworben wird. Die hat mich zu folgendem Brief an die Bahn animiert …
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der taz (die tageszeitung) von heute haben Sie auf S. 9 eine Anzeige mit dem Slogan „Seit Jahren kritisieren Sie unsere Preise. Warum machen Sie Ihre Preise nicht selbst?“ geschaltet. Nette Idee – allerdings finde ich die Anzeige dann doch ziemlich frech und möchte Ihnen auch gerne erklären, warum. Kurz gesagt: Ich mache mir schon jetzt meine Preise selbst und bin mit dem alten Preissystem samt seiner Flexibilität ziemlich zufrieden. Wie das geht? Als Besitzer einer BahnCard senke ich mir die Preise gleich mal um 50%. Und wenn ich eine längere Reise plane (meistens bin ich nur für ein oder zwei Tage weg, leider genau die Zielgruppe, die Ihr neues System nicht vorsieht), dann nutze ich z.B. den Supersparpreis.
Sie nehmen mir also die Freiheit, mir meine Preise „selbst zu machen“. Indem Sie die für mich besonders wichtige Flexibilität aus dem Bahnpreissystem nehmen, und indem Sie die BahnCard auf 25% Ermässigung reduzieren. Finde ich nicht nett, und so zu tun, als seien die Kunden bisher dumm gewesen, finde ich auch nicht nett.
Schöne Grüsse,
Till Westermayer
P.S.: Übrigens bin ich mir ganz sicher, dass die Bahnpreise auch in 2003 noch heftig in der Kritik stehen werden. Denn grade auf kürzeren Strecken und im flexiblen Nutzungsbereich sind sie konkurrenzlos hoch. Ich werde weiterhin Bahn fahren – wäre aber sehr dankbar für eine andere Preispolitik (die nicht auf Frühfrühbucher und Großgruppen setzt), und für eine Strategie, die erstmal darauf setzt, die jetzigen Kunden zu halten statt neue dazuzugewinnen.
> Presse-Information Personenverkehr
Thursday, October 03, 2002
Na sowas …
Ab und zu überkommt mich das Verlangen, mich dem Ego-Surfen (2) hinzugeben. Was ich dann meist auch tue. Dabei stößt mensch auf allerhand erstaunliches: Doppelgänger! Zitate meiner Hausarbeiten in anderen Hausarbeiten, samt ordentlicher Literaturangabe! Unterschriftensammlungen!
Oder aber auch die Tatsache, dass im letztes Jahr im November einen Beitrag in de.rec.sf.misc geschrieben habe, in dem ich mich über die Unmöglichkeit eines Universaltranslators ausgelassen habe (so wie in StarTrek) – und dass dieser Beitrag dann im „Netdigest“ aufgenommen wurde: (Best of Netdigest – Monatlich die humorvollsten Beiträge des Usenet). Und weil’s so nett ist, wird der Beitrag hiermit von mir wiederveröffentlicht
From: till@tillwe.de (Till Westermayer)
Newsgroups: de.rec.sf.misc
Subject: Re: [Andromeda] Wer ist Trance Gemini
Date: 23 Oct 2001 18:15:00 +0200
Message-ID: <8BRS9iXdbzB@westermayer-74391.user.cis.dfn.de>[23.10.01: Ochsensepp@t‑online.de]
>Man braucht z.B. nur daran denken, daß der Text, den
>ich gerade hier tippe, nicht in dieser Form zum Server
>übertragen, sondern vorher in eine computergerechte
>Sprache digitalisiert wird. Auch eine Art von
>„Translator“. Allerdings mit der Einschränkung, daß hier
>kein bewußtes Verstehen des Textes notwendig ist.Argl. Nein. Du verwechselst verschiedene semantische Ebenen (oder, um’s informationstechnisch auszudrücken: Protokollschichten). Natürlich hast Du recht, dass es keinen Unterschied macht, ob Information jetzt per Laser an/aus oder per Schall oder per Infraschall oder wie auch immer übertragen wird. Aber mal abgesehen davon, dass unser hypothetischer Universaltranslator dann auch noch ein gigantisches Feld an möglichen bedeutungstragenden Frequenzbereichen im elektromagnetischen Spektrum abdecken müsste, gibt’s folgendes Problem:
Ebene A Inhalte, Bedeutungen
Ebene B Grammatik, Syntax und Morpheme, Wörter
Ebene C Laute, Phoneme, Töne
Ebene D Schall / Frequenzbereich
(‚bedeutungslose Information‘)So mal irgendwie adhoc. Ein Universaltranslator zwischen einer bekannten und einer unbekannten Sprache muss nun folgendes leisten:
Auf Ebene D erkennen, was Information und was ‚Rauschen‘ ist; welcher Frequenzbereich zur Informationsübertragung verwendet wird, welche Konfigurationen davon überhaupt Sinn ergeben. ((Als Beispiel, um’s deutlicher zu machen: Eine Textseite, auf der verschiedenenfarbige Schnörkel abgedruckt sind. Spielen die Farben der Schnörkel eine Rolle oder nicht? Oder geht es nur um die Form? Oder anderes Beispiel: im Chinesischen ist auch die Tonhöhe relevant, bei uns eher nicht …))
Wenn Ebene D geklärt ist, kommt Ebene C dran: Von wo bis wo geht ein Phonem („ein Buchstabe“), wo fangen neue Wörter an? ((Das ist für die maschinelle Erkennung menschlicher gesprochener Sprache bis heute ein nicht ganz einfach zu lösendes Problem, weswegen z.B. bei Diktierprogramm relativ große Pausen zwischen Wörtern notwendig sind.
Plastischesbeispielwasgehörthierzuwelchemwortdazuundwoherweisstdu, dass der Anfang dieses Satzes richtig „Plastisches Beispiel: was gehört hier …“ lautet und nicht „Plas Tisch Es bei Spielwasg! E Hörthier! …“ ist?))Wenn auch C erfolgreich entschlüsselt ist (es geht natürlich hierbei nicht wirklich immer nur in eine Richtung: schon bekanntes Wissen auf den höheren Ebenen kann umgekehrt auch helfen, die weiter unten liegenden Ebenen zu entschlüsseln – wenn Du z.B. schon weisst, dass ‚Tisch‘ und ‚Es‘ korrekte Wörter (Ebene B!) sind, dann liegt die Interpretation „Plas Tisch Es bei Spielwasg!“ natürlich nahe …), wenn also C erfolgreich entschlüsselt ist, geht es um B – einerseits um die Frage, welche Wörter und Wortbruchteile existieren, und andererseits um die Frage, nach welchen Regeln diese in welchen Formen wie aneinandergefügt werden dürfen. Wo hören Sätze auf, was sind Verben und Nomen (oder äquivalente Konzepte in anderen Denkschemata), etc. Auch dies ist ein relativ komplexes Gebiet, vor allem dann, wenn die Vermutung stimmt, dass Menschen eine genetisch verankerte Universalgrammatik verwenden, in der verankert ist, dass Dinge wie Suffixe, Präfixe, … möglich sind, und kulturelle Prägung nur noch darüber entscheidet, welcher Teil der Universalgrammatik aktiviert und welcher zurückgedrängt wird. Also, kurz gesagt, auch hier gibt es eine ganze Menge notwendiges Wissen und sehr viel Rätselraten.
Und nach D, C und B bleibt immer noch Ebene A. Du hast also als Universaltranslator erfolgreich erkannt, dass die Tonhöhe irrelevant ist, die Lautstärke aber sehr wichtig und dass auch die Geschwindigkeit, mit der etwas gesprochen wird (Frequenzbereich bis 140 KHz …) informationshaltig ist. Die in vage Symbole übersetzte Lautfolge „Plastischesbeispielwasgehörthier …“ hast Du ebenfalls erfolgreich in die richtigen Wortbestandteile zerlegt und auch erkannt, was grammatikalisch was für eine Funktion hat. Als Ergebnis des DCB- Analyseprozess stehst Du jetzt als vor folgender Information:
„Plas (Verb, Vergangenheitsform weiblich) Tisch (Verweis auf) Es (Höflichkeitspartikel, weiblich) Bei (Namensbestandteil) Spielwasg (Amtsbezeichnung, weiblich)! E (Verb, Vergangenheitsform, plural) Hörthier (Amtsbezeichnung, männlich)!“
Jetzt musst Du nur erraten, dass „Plas“ die Vergangenheit eines Verbs „plutschig“ ist, was soviel wie „grüssen, küssen, umarmen, Sex haben mit, aufs innigste hassen“ bedeutet, dass „Tisch“ immer auf eine untergeordnete Person bezogen ist, die aber trotzdem („Es“!) höflich behandelt wird, dass „Bei“ ein häufiger Vorname ist und das „Spielwasg“ ein Amt in der Religionsregierungsform dieser Wesen ist, dass ungefähr mit „Mätresse der zöibatär lebenden Hohenpriester/in“ übersetzbar wäre, was natürlich nichts über die immense Bedeutung dieses Amtes aussagt.
Außerdem musst Du erraten, dass ‚Ich‘ immer weggelassen werden kann beziehungsweise schon in der Vergangenheitsform „Plas“ von „Plutschig“ enthalten ist. Wenn Du dann noch errätst, dass „E“ soviel wie „Bedauern, Sympathie haben mit, Verachten“ bedeutet (eine Form des Verbs ‚etschig‘), und dass „Hörthier“ wörtlich zwar „Wasserträger der Mätresse“ übersetzt wäre, aber seit zweihundert Jahren die Bezeichnung für einen Kreis von hohen Würdenträgern ist, die über den Umweg von platonischen oder auch andere Beziehungen mit der Mätresse der jeweils herrschenden Hohenpriester/in großen Einfluss auf die Regierungspolitik haben. Außerdem musst Du noch wissen, dass Gegenüberstellungen wie „so dass“, „aber“, … meistens einfach weggelassen werden – „das Gute und das Böse spricht für sich“
Sobald als die DCB-Anaylse vorliegt und die einfachen Ratespiele auf A gelöst worden sind (was dummerweise z.T. tiefreichende ethnographische und sozialwissenschaftliche Studien erfordert ), kann der Universaltranslator sich dranmachen, und folgenden Output generieren:
„(Ich) hatte (den auf Haßliebe aufbauenden selbstzerstörerischen) Sex, (der für die Arbeiterkaste unserer Spezies typisch ist,) mit der eigentlich verachtenswerten, aber natürlich sehr zu ehrenden Mätresse Bei, (aber) (ich) (bin jetzt in der Lage, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass) mein (mitleidig-verachtende) Mitgefühl dem Rat der Wasserträger zu gelten gehabt hätte.“
((Und jetzt musst Du natürlich noch wissen, dass die Dir gegenüberstehende Person eigentlich nur damit prahlen will, dass sie in einem relativ nahen, aber in der politischen Struktur diese Leute eher unwichtigen Verwandtschaftsverhältnis mit einem der Wasserträger steht, und dass sie das tut, weil damit traditionell Verkaufsgespräche begonnen werden. Und dass die richtige Antwort wäre: „(Ich) bedauere (aber bin eigentlich neidisch) zutiefst das schreckliche Schicksal des eigentlich verachtenswerten, aber natürlich sehr zu ehrenden Mitgeschöpfes, dessen Namen zu erfahren ich nicht würdig bin (obwohl) mein eigener Onkel einen der Wasserträger aufgefressen gehabt hätte (wenn er den jemals in der Hauptstadt Kramsnbdta gewesen wäre)“))
(((Also viel Spaß dabei, diesen Leuten zu erklären, warum sie sich in der nächsten halben Stunde der Förderation anschliessen müssen, wenn sie nicht ihren Planeten verlieren wollen und zu elendig behandelten Sklaven der Keineahnungwer werden)))
Fazit: Bisher ist es der KI nicht gelungen, einen wirklich funktionsfähigen Simultanübersetzer zwischen zwei bekannten gesprochenen Sprachen, die letztlich auf identischen biologischen Grundlagen beruhen, zu konstruieren. Durch fremde und unbekannte biologische und soziokulturelle Grundlagen ohne jede Vorarbeit wird dieses Problem nicht wirklich einfacher. Es wird also noch etwas dauern …
Gruss, Till
Wednesday, October 02, 2002
Drama im Kino: Nackt
Wer bei Namen wie Doris Dörrie oder Heike Makatsch eine Komödie erwartet, dürfte von Nackt enttäuscht sein. Statt dessen gibt es klassisches Drama, theaterlike. Wunderbar einprägsame Monologe und toll gedrechselte Wortspiele inklusive (habe mir leider keins gemerkt). Die Zahl der Darsteller ist relativ begrenzt, bis auf gelegentliche Wackelvideoerinnerungsrückblenden ist die Handlung ordentlich chronologisch und findet an – Bushaltestelle mitgezählt – drei Schauplätzen bzw. in drei Wohnungen (Hippieschick mit Zeltbett, IKEA-Brigitte-Buntheit a la junge Familie, nur ohne Kind, zurückhaltend-protziger Palast inkl. flächendeckendem Flachbildfernseher und toll in Szene zu setzenden Buntglastüren) statt. Sechs Freunde mit unterschiedlichen und unterschiedlich erfolgreichen Ideen, darunter zwei Paare und ein Ex-Paar, sechs Charaktereigenschaften von chaotisch-lieb bis kaltherzig und aufgedreht (und natürlich gilt: Geld verdirbt den Charakter), und eine Einladung zu einem Abendessen, zu dem eigentlich niemand will. Das Gespräch kommt auf Glück (nee, eigentlich nicht), Liebe und die Tatsache, dass angeblich Partner die Hände (und Körper) des anderen blind nicht erkennen können. Nach einigem Hin- und Her wird das ausprobiert, kriegt einen dramatischen Dreh und endet in menschlichen Abgründen. Und dann doch wieder beim Happy-End. Vordergründig jedenfalls.
> Nackt
Saturday, September 28, 2002
Wahlwerbung ist Wahlwerbung
Was lese ich heute in meiner Lieblingstageszeitung? Einen netten Kommentar zum Phänomen der Wahlwerbung – also der Werbung für was auch immer mit der Bundestagswahl –, der doch einige Gedanken aufnimmt, die ich mir da auch schon mal drüber gemacht habe. Neben den im Artikel zitierten Beispielen (klar, Lucky Strike lebt davon, auf aktuelle Ereignisse einzugehen) fand ich besonders die Lexus-Werbung auf Spiegel-Online faszinierend.
Allerdings würde ich dem taz-Artikel nicht in allen Punkten zustimmen. Nicht in der eher genervten Grundstimmung, und nicht in der Analyse der Sinnlosigkeit einer solchen Werbung. Vielmehr scheint mir grade die Tatsache, dass Werbung Dinge wie Fußball-WMs, Bundestagswahlen etc. aufnimmt, dafür zu sprechen, dass Werbung selbst eben auch ein (etwas verkorkstes) Massenmedium ist, das nicht umhin kommt, neben längerfristigen gesellschaftlichen Trends und Grundstimmungen auch aktuelle Großereignisse als Rohmaterial für die eigene Aufmerksamkeitsmaximierung heranzuziehen. Und uns damit auch etwas über unsere Gesellschaft zu erzählen.
> taz 28.9.02 Schwarzkirsche Stoiber
Tuesday, September 24, 2002
Zur Bundestagswahl
Rot-grün hat in einer Zitterpartie gesiegt – und statt mit einer kleineren Fraktion wegen kleinerem Bundestag sind die Grünen sogar besser als beim letzten Mal vertreten. Jetzt hoffe ich nur, dass sich dieses neue grüne Gewicht auch in mehr grün in der Regierungspolitik äußert.
Was gibt’s noch zu sagen? Erstaunlich finde ich, dass unter den vielen Neulingen in der grünen Fraktion jetzt doch einige sind, die aus der Grünen Jugend (bzw. der Grün-Alternativen Jugend) kommen. Grietje Bettin und Matthias Berninger sind ja schon länger dabei – aber auch Kerstin Andreae (die hier in Freiburg 25% der Zweitstimmen geholt hat, das bundesweit beste Ergebnis, im Stadtgebiet sind’s sogar 28%), Alex Bonde (BaWü, Listenplatz 10) und natürlich Anna Lührmann (Hessen, Listenplatz 5, 19 Jahre) kommen aus der Grünen Jugend.
> Junge Abgeordnete bei Bündnis 90/Die Grünen im Überblick
> Zahlen zur Wahl
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