Kleiner Hinweis dazu, warum das mit dem Frauenanteil im grün-schwarzen Kabinett nicht ganz so einfach ist, und warum 2016 trotzdem ein Erfolg ist

Ges­tern hat Win­fried Kret­sch­mann mit Tho­mas Strobl die Minister*innen und Staatssekretär*innen für das ers­te grün-schwar­ze Kabi­nett vor­ge­stellt. Und gleich hieß es: die For­de­rung, die Hälf­te der Macht im Kabi­nett den Frau­en zu geben, sei mal wie­der ver­fehlt wor­den. Dabei zeigt sich, wie wich­tig es für der­ar­ti­ge Aus­sa­gen ist, vor­her die Sys­tem­gren­zen fest­zu­le­gen. Denn je nach­dem, wie hier gezählt, und wer alles berück­sich­tigt wird, sieht’s ganz unter­schied­lich aus. 

Dazu ist es zunächst ein­mal wich­tig, fest­zu­hal­ten, dass es in Baden-Würt­tem­berg eine gan­ze Rei­he unter­schied­li­cher Regie­rungs­äm­ter gibt: den Minis­ter­prä­si­den­ten bzw. die Minis­ter­prä­si­den­tin, Minister*innen, ehren­amt­li­che Staatsrät*innen, Staatssekretär*innen mit Stimm­recht im Kabi­nett, „poli­ti­sche“ Staatssekretär*innen ohne Stimm­recht im Kabi­nett, bis 2016 auch Staatsminister*innen (also Minister*innen im Staats­mi­nis­te­ri­um), den Chef (oder die Che­fin) der Staats­kanz­lei und schließ­lich die Amts­chefs der Häu­ser (Ministerialdirektor*innen, kurz: MDs). Dann gibt es wei­te­re her­aus­ge­ho­be­ne Pos­ten – die (Vize-)Präsident*innen des Land­tags und die Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den der Regie­rungs­frak­tio­nen. Die­ses Tableau – mehr oder weni­ger eng zuge­schnit­ten – ist es, um das es hier geht. Wenn nur die Minister*innen betrach­tet wer­den, fällt die Ant­wort auf die Quo­tie­rungs­fra­ge anders aus als bei einer Berück­sich­ti­gung aller Per­so­nen mit Stimm­recht im Kabi­nett oder aller Minister*innen, Staatsrät*innen und Staatssekretär*innen.

Das sieht dann so aus:

Kurz: Wozu es etwas zu sagen gäbe …

Irgend­wie bin ich nicht so recht in der Lau­ne, etwas zu blog­gen. Soll vorkommen. 

Dabei gibt es eini­ges, wozu es gera­de etwas zu sagen gäbe. Also zum Bei­spiel dazu, dass der drei­ßigs­te Jah­res­tag der Tscher­no­byl-Kata­stro­phe wohl ins­be­son­de­re in Deutsch­land ein Erin­ne­rungs­an­lass war. Oder dazu, dass es gro­ßer Quatsch ist, wenn der neu­en SINUS-Jugend­stu­die vor­ge­hal­ten wird, dass sie nichts wert ist, weil sie als qua­li­ta­ti­ve Stu­die „nur“ auf 72 Inter­views beruht (ich habe die Stu­die noch nicht gele­sen, inso­fern kann ich nichts fun­dier­tes dazu sagen, ob sie rele­van­te Aus­sa­gen trifft, aber die Kri­tik an der Metho­de auf­zu­hän­gen, hat, wie ich es bei Face­book las, etwas vom Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis aus den 1950er Jah­ren). Zu der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve und zum Stand trans­for­ma­ti­ver Wis­sen­schaft müss­te jemand was schrei­ben. Und natür­lich lie­ße sich sehr viel zu den baden-würt­tem­ber­gi­schen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen sagen. Aber solan­ge der Koali­ti­ons­ver­trag nicht steht – Mon­tag soll es soweit sein – sind Ein­schät­zun­gen dazu müs­sig. Spe­ku­la­tio­nen dar­über, wer wel­ches Minis­te­ri­um erhält, erst recht. Zum Pro­gramm­pro­zess der grü­nen Bun­des­par­tei, zum angeb­li­chen „Links­ruck“, den Jür­gen Trit­tin aus­ruft, und dazu, ob ein Kanz­ler­kan­di­dat Win­fried Kret­sch­mann sinn­voll sein könn­te, wie es Gere­on Asmuth in der taz vor­schlägt (nein, fal­sche Are­na und fal­sche Leh­re aus dem baden-würt­tem­ber­gi­schen Wahl­er­folg) – auch das könn­te bebloggt wer­den. Oder eben auch nicht. Und ein Debat­ten­bei­trag zur Debat­te, wie unnö­tig die Dop­pel­spit­zen­de­bat­te und die Debat­te über die Dop­pel­spit­zen­de­bat­te sind, muss auch nicht sein. Und auch zum Nie­der­gang der SPD, zur Bun­des­prä­si­den­ten­wahl in Öster­reich und zur AfD, die dem­nächst dann also im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tag sit­zen wird, schrei­be ich jetzt nichts, genau­so wie zum xten Ver­such der FDP, sich als coo­le­re Alter­na­ti­ve zur AfD darzustellen. 

Und ja – auch die ganz gro­ßen Welt­pro­ble­me blei­ben heu­te mal außen vor. Viel­leicht ein ande­res Mal.

P.S.: Und die re:publica zehn igno­rie­re ich auch.

Kurz: Ein wenig mehr Gelassenheit, bitte – auch bei Doppelspitzenfragen

In der Süd­deut­schen Zei­tung ist heu­te – lei­der hin­ter einer Pay­wall – ein lan­ges Inter­view mit Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann erschie­nen. In die­sem Inter­view wird er – neben vie­len ande­ren Din­gen – auch zum The­ma Dop­pel­spit­ze gefragt, und zwar in Bezug auf die anste­hen­de Nomi­nie­rung von Spitzenkandidat*innen auf Bun­des­ebe­ne. Er ant­wor­tet dar­auf, dass er seit 30 Jah­ren gegen Dop­pel­spit­zen gekämpft habe, und „[man] in man­chen Din­gen […] als Poli­ti­ker auch mal resi­gnie­ren [muss]“. Zudem macht er deut­lich, dass er durch­aus die femi­nis­ti­sche Begrün­dung für die Dop­pel­spit­ze nach­voll­zie­hen kann („inso­fern ein ver­nünf­tig­tes Prin­zip“), dass er aber den aus­ta­rier­ten Flü­gel­dua­lis­mus ablehnt. Da sei es bes­ser, „sich für den einen oder den ande­ren Weg zu entscheiden“.

Eigent­lich ist der Nach­rich­ten­wert die­ser Aus­sa­ge gering. Dass Kret­sch­mann wenig von Dop­pel­spit­zen hält, ist seit län­ge­rem bekannt, und dass er in Inter­views nicht unbe­dingt ein Blatt vor den Mund nimmt, auch. Auch dafür wird er übri­gens geschätzt. Ver­fah­rens­fra­gen zur Urwahl ste­hen akut nicht zu Dis­kus­si­on. Den­noch tobt seit heu­te mor­gen ein Sturm der Empö­rung durch die Online­me­di­en­welt. Die jour­na­lis­ti­schen Spür­na­sen wit­tern, dass sich hier ein Keil zwi­schen grü­ne Par­tei, ins­be­son­de­re grü­ne Bun­des­par­tei, und den baden-würt­tem­ber­gi­schen Wahl­sie­ger trei­ben las­sen könn­te. Und gehen voll drauf, nut­zen jeden Reflex aus, und die Reak­tio­nen sind die erwart­ba­ren. Pro­fes­sio­nell ist das nicht, und den Ein­druck einer sou­ve­rä­nen Par­tei erweckt das Gesamt­bild auch nicht gerade.

Ich hal­te es, um das deut­lich zu sagen, und obwohl ich für eine Frak­ti­on mit nur einer Vor­sit­zen­den arbei­te, für falsch, das grü­ne Dop­pel­spit­zen­prin­zip abzu­schaf­fen. Aus geschlech­ter­po­li­ti­schen Über­le­gun­gen her­aus, weni­ger wegen der Flü­gel­pa­ri­tät. Bei­spiel lau­fen­de Urwahl: da kann durch­aus ein Rea­la-Rea­lo-Duo her­aus­kom­men. Ich sehe ein gewis­ses Pro­blem, wenn der grü­ne Anspruch der Min­dest­quo­tie­rung auf n=1‑Posten prallt, wenn es also dar­um geht, z.B. eine Ober­bür­ger­meis­te­rin oder einen Ober­bür­ger­meis­ter zu nomi­nie­ren. Oder eine Kanz­ler­in­kan­di­da­tin oder einen Kanz­ler­kan­di­da­ten. Oder Direktkandidat*innen im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tags­wahl­recht. Anders als bei Gre­mi­en und Wahl­lis­ten greift hier das grü­ne Frau­en­sta­tut nicht, und dem­entspre­chend soll­ten wir uns viel­leicht doch noch­mal Gedan­ken dar­über machen, wie grü­ne Geschlech­ter­po­li­tik hier sinn­voll umsetz­bar ist. Denn bis­her, das zeigt der Blick auf grü­ne Bürgermeister*innen repu­blik­weit, haben wir da doch einen deut­li­chen Män­ner­über­hang. Für Par­tei­vor­sit­zen­de (und eigent­lich auch für Frak­ti­ons­vor­stän­de) spricht aus mei­ner Sicht jedoch nach wie vor viel für Dop­pel­spit­zen. Und das wird auch dadurch nicht in Fra­ge gestellt, dass ein Minis­ter­prä­si­dent dazu eine ande­re Mei­nung hat. Darf er, darf er mei­ner Mei­nung nach auch äußern, zum heim­li­chen Vor­sit­zen­den und Leit­wolf wird er dadurch nicht. Letzt­lich ent­schei­det hier aus guten Grün­den die Par­tei. Und die steht bis­her fest – und ganz unauf­ge­regt – zum Frauenstatut.

P.S.: Poli­tisch viel rele­van­ter ist aus mei­ner Sicht die Fra­ge, ob das mit der annä­hern­den Quo­tie­rung beim Kabi­nett Kret­sch­mann II klap­pen wird.

Photo of the week: Dreifach

Dreifach

 
Es gab die­sen Moment ges­tern beim Wahl­abend der Frak­ti­on im Neu­en Schloss, als Win­fried Kret­sch­mann in den Wahl­sen­dun­gen von ARD, ZDF und SWR gleich­zei­tig zu sehen war. Tri­umph, mit 30,3 Pro­zent stärks­te Par­tei, 46 Direkt­man­da­te – aber auch die bit­te­re Erkennt­nis, dass eine wahr­lich dubio­se AfD es auf Anhieb mit 15 Pro­zent als dritt­stärks­te Kraft in den Land­tag schafft. Sah es am Anfang des Wahl­abends noch knapp aus, woll­te und woll­te sich doch kei­ne Mehr­heit für Grün-Rot ein­stel­len. Selt­sa­mer Schwe­be- und Zwi­schen­zu­stand, weil es erst wei­ter­geht, wenn FDP, CDU oder SPD sich bewe­gen. Ent­we­der in Rich­tung der bel­gi­schen Ampel, die knapp über eine Mehr­heit ver­fü­gen wür­de, oder in Rich­tung Ampel oder Grün-Schwarz. Die neue grü­ne Frak­ti­on: noch­mal deut­lich grö­ßer, vie­le neue Gesich­ter, mit 47 Pro­zent Frau­en­an­teil wohl die weib­lichs­te Frak­ti­on, die Baden-Würt­tem­berg je hat­te. Dank der Ver­lus­te der CDU an die AfD gehö­ren zu den neu gewon­ne­nen grü­nen Wahl­krei­sen auch wel­che, die bis­her noch nie ein grü­nes Man­dat hat­ten. Tra­gik des Wahl­sys­tems: Wer auf grü­ner Sei­te kein Direkt­man­dat erlangt hat, ist (mit einer Aus­nah­me, WK Wan­gen im RP Süd­würt­tem­berg) trotz Rekord­ergeb­nis­sen über­all nicht rein­ge­kom­men. Mensch­lich ganz beson­ders bit­ter im WK Wies­loch, wo unser AK-Vor­sit­zen­der Wis­sen­schaft, Kai Schmidt-Eisen­l­ohr, um 147 Stim­men den Wie­der­ein­zug ver­fehlt hat. Aber auch in den bei­den AfD-Direkt­man­dats­wahl­krei­sen Pforz­heim und Mann­heim lagen die grü­nen Kandidat*innen nur wenig hin­ter den gewähl­ten Direkt­man­da­ta­ren der AfD.

Inso­fern: Ein his­to­ri­sches Ergeb­nis für uns Grü­ne, für Win­fried Kret­sch­mann – aber auch ein Ergeb­nis mit bit­te­ren und dunk­len Unter­tö­nen. Jetzt heißt es: War­ten dar­auf, wie es weitergeht.

Wahl­kreis­er­geb­nis­se beim SWR (inter­ak­ti­ve Kar­te) und beim Sta­ti­schen Lan­des­amt.