Voll und ganz aufgegangen in der neuen Rolle

Swiss nuclear idyllVoll und ganz in ihrer neu­en Rol­le als Mar­ke­ting­frau für die Atom­ener­gie auf­ge­gan­gen ist Mar­ga­re­ta Wolf, ehe­ma­li­ge hes­si­sche Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te der Grü­nen, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um, ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin im Umwelt­mi­nis­te­ri­um, und seit heu­te nicht mehr Mit­glied der Par­tei, nach­dem es eini­ge Kri­tik an ihrem neu­en Job gege­ben hat. 

Und was steht nun in ihrem Aus­tritts­schrei­ben? Unter ande­rem die­ses hier:

Die Ener­gie­fra­ge ist eine der zen­tra­len Grün­dungs­fra­gen mei­ner Par­tei gewe­sen. Dem real­po­li­ti­schen Teil mei­ner Par­tei und somit dem im eigent­li­che Sin­ne poli­ti­schen Teil der Grü­nen war immer klar, dass man nicht gleich­zei­tig die ener­ge­ti­sche Nut­zung von Koh­le und Kern­ener­gie ableh­nen kann. Das war auch immer mei­ne Meinung.

Mei­ne Par­tei hat sich in die­ser Fra­ge in eine stra­te­gi­sche Sack­gas­se manö­vriert, aus der sie nur wie­der her­aus­kommt, wenn sie zu einer sach­li­chen, nicht roman­ti­sie­ren­den Debat­te in der Fra­ge zurück­kehrt und in einen offe­nen, sach­li­chen Dia­log ein­tritt, einen Dia­log, der nicht jede Idee, die geäu­ßert wird, dif­fa­miert, son­dern sich sub­stan­ti­ell mit ihr aus­ein­an­der­setzt. Die­se Dia­log­kul­tur ist nicht erkennbar. 

Anders gesagt: noch im Par­tei­aus­tritt ver­sucht Mar­ga­re­ta Wolf es so dar­zu­stel­len, dass sie – ganz auf der Linie des neu­en Arbeit­ge­bers – recht hat damit, Wer­bung für Kern­ener­gie zu machen, dass schon immer so gese­hen hat (auch als Staats­se­kre­tä­rin? das wür­de eini­ges erklä­ren) und ver­leug­net die durch und durch real­po­li­ti­schen Stu­di­en der Bun­des­tags­frak­ti­on etc., die zei­gen, dass ein Aus­stieg aus Koh­le und Atom zugleich mög­lich ist. 

Ich fin­de es rich­tig, dass Mar­ga­re­ta Wolf aus­tritt, und den­ke, dass mei­ne Par­tei sich nicht ins Bock­horn jagen lässt (und ich bin zudem über­zeugt davon, dass das der­zei­ti­ge Medi­en­hoch für den Wie­der­ein­stieg in die Atom­ener­gie viel mit der Bay­ern­wahl zu tun hat). Beson­ders inter­es­sant an dem Aus­tritts­schrei­ben und dem gan­zen Drum­her­um (bis hin zu der Tat­sa­che, dass hier vor­nehm­lich über die Welt kom­mu­ni­ziert wird), fin­de ich aber tat­säch­lich die Poli­tik­tech­nik, die Tat­sa­che, wie bis zuletzt an der Kon­sens­rea­li­tät zurecht­ge­rückt wird, kurz: wie hier „gespon­nen“ wird. Es bedarf schon eini­ger Frech­heit und rhe­to­ri­scher Kunst­fer­tig­keit, mit einem Satz den lin­ken Grü­nen die Poli­tik­fä­hig­keit abzu­spre­chen und zugleich den „Rea­los“ eine Posi­ti­on unter­zu­schie­ben, die auch dort noch nie ernst­haft ver­tre­ten wur­de. Da kann so man­cher Tex­ter noch was von lernen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die Art und Wei­se des Aus­tre­tens in die­sem Fall sehr erwäh­nens­wert finde.

Kurz: Kerstin Andreae sorgt für Unruhe (Update 2)

Visiting the "Dachswanger Mühle" farm - III
Kers­tin And­reae (auf Wahlkreistour)

Die grü­ne Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Kers­tin And­reae, Frei­bur­ger Wahl­kreis­ab­ge­ord­ne­te und wirt­schafts­po­li­ti­sche Spre­che­rin der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, wäre ger­ne Spit­zen­kan­di­da­tin der baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen. Dar­über wird im Herbst ent­schie­den. Mög­li­cher­wei­se wird dann auch mit­ent­schei­dend sein, ob ihr Wer­be­state­ment auf einer Anzei­ge der arbeit­ge­ber­fi­nan­zier­ten Lob­by­grup­pe „Initia­ti­ve Neue Sozia­le Markt­wirt­schaft“ ein ein­ma­li­ger Aus­rut­scher bleibt, um für die Ver­bin­dung von Öko­lo­gie und Öko­no­mie zu wer­ben, oder ob sie den Weg von Scheel und Metz­ger ins wirt­schafts­li­be­ra­le Abseits geht. Dis­ku­tiert wird das der­zeit hier, hier und auch hier.

Update: (25.6.2008) In einem offe­nen Brief nimmt Kers­tin aus­führ­lich Stel­lung zu die­ser Anzeige.

Update 2: (18.7.2008) Bei der gest­ri­gen Nomi­nie­rungs­ver­samm­lung gab es zwar kri­ti­sche Fra­gen zu Afgha­ni­stan, die oben ange­spro­che­ne The­ma­tik wur­de nicht pro­ble­ma­ti­siert. Gewählt wur­de Kers­tin schließ­lich mit etwa 75 % der abge­ge­be­nen Stimmen.

Werbung total

Toyo­ta bringt ein neu­es Auto­mo­dell her­aus, und kauft für 30 Mio. Euro sämt­li­che Pla­kat- und Leucht­flä­chen in diver­sen Groß­städ­ten auf. In Frei­burg auch – dabei fällt aller­dings auf, dass das gar nicht so auf­fällt, d.h. trotz der WALL-Flä­chen gibt’s hier gar nicht so viel Wer­be­flä­che. Anders­wo ist mehr zu sehen (sie­he z.B. den Bericht im Font­blog bzw. sei­ne Fort­set­zung). Wer­bung total – oder tota­li­tä­re Wer­bung? Ich hof­fe jeden­falls, dass das nicht ein­reißt. Von der Gestal­tung her geht die Toyo­ta-Kam­pa­gne ja noch, und hat auf Pla­kat­wech­sel­flä­chen sogar ganz wit­zi­ge Moti­ve – aber wenn ich mir jetzt einen Elek­tro­nik­dis­coun­ter o.ä. in dem Umfang vor­stel­le, wird es mir eher schlecht. Oder eine Image-Kam­pa­gne der Bun­des­re­gie­rung. Oder Spruch­bän­der, die die Werk­tä­ti­gen zum Kampf auffordern.

Dabei fällt mir, neben­bei bemerkt, die­se 1999 ent­stan­de­ne Haus­ar­beit von mir ein: Wer­bung & Mas­sen­me­di­en – ein para­si­tä­res Ver­hält­nis? Eini­ges aus die­ser Arbeit passt ganz gut zur Toyota-Kampagne.

War­um blog­ge ich das? Weil’s was doch eher außer­ge­wöhn­li­ches ist. Und inso­fern fast so eine Art Realexperiment.