Mietsteigerung durch Rechenfehler?

Frei­burg gehört zu den teu­ers­ten Städ­ten, was Mie­ten anbe­langt. Wer – wie wir der­zeit – nach einer bezahl­ba­ren Woh­nung sucht, ist oft ziem­lich scho­ckiert: nicht nur über das Preis­ni­veau in der Zypres­se, son­dern auch über die Preis­vor­stel­lun­gen etwa der Stadt­bau. Mit Schuld dar­an, dass die Miet­prei­se – so jeden­falls mein sub­jek­ti­ves Emp­fin­den – eher wie­der am Stei­gen sind, dürf­te der Miet­spie­gel sein. Die­ser wird seit letz­tem Jahr nicht mehr von FIFAS – einem Frei­bur­ger Insti­tut mit engen Ver­bin­dun­gen zum hie­si­gen Insti­tut für Sozio­lo­gie – erstellt, son­dern vom Regens­bur­ger Insti­tut EMA. Zumin­dest deren Rekru­tie­rungs­an­zei­ge vor zwei Jah­ren im Amts­blatt erschien mir etwas selt­sam, jeden­falls nicht extrem professionell. 

Demolition IIIWie dem auch sei: Jetzt bin ich im Sonn­tag über eine klei­ne Notiz gestol­pert: Der Sozio­lo­ge Prof. Bal­do Blin­kert (FIFAS) wirft EMA Sta­tis­tik­feh­ler vor, die zu einer nicht der Rea­li­tät ent­spre­chen­den Durch­schnitts­miet­erhö­hung geführt haben sol­len. Die Stadt demen­tiert. Da ich Prof. Blin­kert wäh­rend mei­nes Stu­di­ums (und auch sonst) als einen enga­gier­ten, aber auch bedäch­ti­gen, sei­ne Äuße­run­gen genau abwä­gen­den Wis­sen­schaft­ler ken­nen­ge­lernt habe, hat mich die­se kur­ze Notiz ein biß­chen irri­tiert. Des­we­gen habe ich mal nach­ge­forscht, um was es geht, und bin auf die­se Stel­lung­nah­me Blin­kerts und die­se damit ver­bun­de­ne Anfra­ge der Frei­bur­ger SPD gesto­ßen. In der SPD-Anfra­ge heißt es u.a.:

„Die Kri­tik und die Dis­kus­si­on in den Medi­en und mit uns Gemein­de­rä­ten reißt nicht ab, oft wer­den vor allem die Aus­wir­kun­gen anhand der Lage der Woh­nun­gen, anhand ihres Bau­jahrs und den dar­aus nun mög­li­chen hohen Miet­stei­ge­run­gen, vor allem bei Neu­ver­mie­tun­gen, kritisiert“.

Auch wenn die Frei­bur­ger SPD ger­ne ein biß­chen popu­lis­tisch auf­tritt: da scheint mir etwas dran zu sein.

Was kri­ti­siert Blin­kert nun am Vor­ge­hen von EMA? Zum einen sind es eini­ge sta­tis­ti­sche Wer­te, die nicht ange­ge­ben wer­den, und die so eine Nach­prü­fung der Ergeb­nis­se erschwe­ren. Außer­dem weist er auf Ele­men­te im Berech­nungs­mo­dell hin, die sei­ner Mei­nung nach nicht in einen Miet­spie­gel gehö­ren. Schwer­wie­gen­der ist der Vor­wurf sta­tis­ti­scher Män­gel. Unter ande­rem geht es dar­um, dass bei der zen­tra­len Regres­si­ons­ana­ly­se unsau­ber gear­bei­tet wurde: 

„Von den 50 miet­preis­re­le­van­ten Merk­ma­len […] sind 10 in einem sta­tis­ti­schen Sin­ne nicht signi­fi­kant, wenn die übli­cher­wei­se akzep­tier­ten Signi­fi­kanz­ni­veaus berück­sich­tigt wer­den […] Nor­ma­ler­wei­se wür­de man die Regres­si­ons­ana­ly­se ohne die­se nicht­si­gni­fi­kan­ten Merk­ma­le wie­der­ho­len. Das wür­de aber erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf alle ande­ren Prä­dik­to­ren (Zu- und Abschlä­ge) haben.“

Auch wenn es ein gewis­ses „Geschmäck­le“ hat, wenn der vor­he­ri­ge Auf­trag­neh­mer den jet­zi­gen kri­ti­siert: wenn da was dran ist, und ich zumin­dest fin­de eine gan­ze Rei­he von Prof. Blin­kerts Argu­men­ten über­zeu­gend, dann soll­te die Stadt noch ein­mal ihre Aus­schrei­bungs­pra­xis überdenken. 

War­um blog­ge ich das? Die hier recht plas­tisch sicht­bar wer­den­de Vor­stel­lung, dass ein paar Ände­run­gen im sta­tis­ti­schen Modell eines mit einer gewis­sen recht­li­chen Wir­kung ver­se­he­nen Gut­ach­tens, wie dies der Miet­spie­gel ist, zu deut­li­chen Aus­wir­kun­gen auf den loka­len Woh­nungs­markt füh­ren kön­nen, fin­de ich erschre­ckend. Letzt­lich klingt das fast so, als müss­te in sol­chen Fäl­len auch das Erhe­bungs­ver­fah­ren recht­lich stan­dar­di­siert wer­den. Und wenn da was dran ist, dann ist das ein Pro­blem, das etwas mehr Auf­merk­sam­keit wert ist als vier Zei­len im Sonn­tag.

Wahlen in Irland (Update)

Das iri­sche Par­la­ment, das Dáil, ist ges­tern gewählt wor­den. Inzwi­schen ste­hen die ers­ten Ergeb­nis­se fest. Inter­es­sant dar­an ist nicht nur das (schlech­ter als erwar­te­te) Abschnei­den der Grü­nen (~ 4,8%) oder die Tat­sa­che, dass der bis­he­ri­ge Minis­ter­prä­si­dent sei­ne Fian­na-Fail-Regie­rung fort­set­zen kann, son­dern für mich vor allem auch das Wahl­sys­tem. Die Repu­blik Irland ver­wen­det näm­lich das Sys­tem der Sin­gle Trans­fera­ble Vote (STV), d.h. pro Wahl­kreis wer­den meh­re­re Per­so­nen gewählt, wobei die Wäh­le­rIn­nen die Kan­di­da­tIn­nen in eine Rang­fol­ge brin­gen (also: Platz 1: Kan­di­da­tin der Grü­nen, Platz 2: Kan­di­dat der Lin­ken, Platz 3: Kan­di­dat A der SPD, Platz 4: Kan­di­da­tin B der SPD oder so). Jeder Kandidat/jede Kan­di­da­tin, die eine Min­dest­zahl (Quo­te) an Stim­men erhält, wird gewählt. Die über der Quo­te lie­gen­den Stim­men wer­den auf die ande­ren Kan­di­da­tIn­nen ver­teilt. Wie­der­um wird geschaut, ob ein Kan­di­dat oder eine Kan­di­da­tin die Quo­te (Erst­prä­fe­ren­zen plus Zweit­prä­fe­ren­zen) über­schrei­tet. Wenn nicht, wird der Kan­di­dat bzw. die Kan­di­da­tin mit den wenigs­ten Stim­men aus­ge­schlos­sen und des­sen oder deren Stim­men nach den Zweit­prä­fe­ren­zen ver­teilt. Das gan­ze wird solan­ge fort­ge­führt, bis alle Sit­ze im Wahl­kreis besetzt sind – die Aus­zäh­lung ist also recht kom­pli­ziert, des­we­gen lie­gen auch erst jetzt die (meis­ten) Ergeb­nis­se vor. 

War­um blog­ge ich das? Weil das STV-Wahl­ver­fah­ren eine inter­es­san­te (und in eini­gen Punk­ten gerechtere/bessere) Alter­na­ti­ve sowohl zum Mehr­heits­wahl­sys­tem wie zum bun­des­deut­schen Lis­ten­wahl­sys­tem darstellt.

Update: Nach Medi­en­be­rich­ten wer­den die iri­schen Grü­nen 6 der 165 Sit­ze im Par­la­ment erhal­ten. Es wird über eine mög­li­che Koali­ti­on zwi­schen der popu­lis­ti­schen (das Rechts-Links-Sche­ma scheint in Irland weni­ger rele­vant zu sein) Fian­na Fáil und den Grü­nen spe­ku­liert (zusam­men einen Mehr­heit der Sit­ze) – aber auch die Mög­lich­keit eines Regie­rungs­wech­sels zu einer Koali­ti­on aus Fine Gail (der etwas sozi­al­de­mo­kra­ti­sche­ren popu­lis­ti­schen Par­tei), Labour und Grü­nen mit Unter­stüt­zung von Sinn Féin und Unab­hän­gi­gen scheint noch nicht ganz aus­ge­schlos­sen zu sein. 

Update 2: (07.06.2007) Der­zeit lau­fen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zwi­schen Fian­na Fáil und den Grü­nen, die als aus­sichts­reich beur­teilt werden.

Update 3: (16.06.2007) Die taz von ges­tern berich­tet im neu­en Lay­out kri­tisch über die jetzt wohl tat­säch­lich zustan­de kom­men­de Koalition.

Unternehmensberatung + SPD-Minister = ?

Was kommt her­aus, wenn eine Unter­neh­mens­be­ra­tung für einen SPD-Minis­ter eine Stu­die erstellt? In die­sem Fall eine ziem­li­che Über­ra­schung: laut der Unter­neh­mens­be­ra­tung Roland Ber­ger, beauf­tragt von SPD-Umwelt­mi­nis­ter Gabri­el, heißt es zur zukünf­ti­gen Bran­chen­struk­tur in Deutschland:

„Die Öko-Bran­che ent­wi­ckelt sich zur Leit­bran­che in Deutsch­land. Ein Job-Motor ist sie schon heu­te“, fasst Hen­zel­mann die Ergeb­nis­se der Stu­die zusammen.

Und wenn der Spie­gel nicht völ­lig über­treibt, dann pro­gnos­ti­ziert Roland Ber­ger sogar, dass die Öko-Bran­che (zu der dann aller­dings auch Unter­neh­men wie Shell oder Sie­mens gehö­ren wer­den; wer mal ver­sucht, bei einer Main­stream-Bank Geld „öko­lo­gisch kor­rekt“ anzu­le­gen, erlebt da durch­aus das eine oder ande­re Wun­der) Maschi­nen­bau und Auto­mo­bil­bau in den nächs­ten zwölf Jah­ren über­ho­len hin­ter sich las­sen wird. 

2007 – das Jahr, in dem alles, was die Grü­nen immer schon gewusst, gefor­dert und unter­stützt haben, in den Main­stream­dis­kurs ein­dringt? Jeden­falls ein net­tes Argu­ment dafür, war­um es zukunfts­wei­sen­de­res gibt als die Rück­sicht auf die loka­len Automobilkonzerne.

War­um blog­ge ich das? Weil mich der Bericht doch etwas über­rascht hat – bin jetzt zu faul, zu schau­en, ob es die Ori­gi­nal­stu­die irgend­wo gibt …

Update zu „Verlängern, nein danke“

Wie ges­tern geschrie­ben, will EnBW Strom­men­gen vom neus­ten Reak­tor Neckar­west­heim II auf den ältes­tens – Neckar­west­heim I – umle­gen. Wohl in der Hoff­nung, so bei einer etwa­igen CDU-FDP-Regie­rung im Bund und einem kip­pen­den Atom­aus­stieg doch bei­de Reak­to­ren zu „ret­ten“. Ers­te Reak­tio­nen des für den Antrag zustän­di­gen Bun­des­mi­nis­ters Gabri­el (SPD) sehen rela­tiv posi­tiv aus: Spie­gel-online von heu­te, d.h. der Antrag wird erst nach einer – hof­fent­lich gründ­li­chen – Sicher­heits­ab­wä­gung geneh­migt. Pro­test dage­gen bleibt wei­ter­hin sinn­voll; eben­so die Abstim­mung mit den Füs­sen im Sin­ne eines Anbie­ter­wech­sels hin zu einem nicht-ato­ma­ren Strom­ver­sor­ger.

Logokritik

Bünd­nis 90/Die Grü­nen haben ab sofort ein neu­es Logo (war­um auch immer). Ers­ter Bauch­ein­druck: ver­bes­se­rungs­be­dürf­tig, nicht wirk­lich überzeugend.

So sieht’s aus:

Mein Ein­druck: Ziem­lich eckig und sta­tisch für eine orga­ni­sche und dyna­mi­sche Par­tei. Die Käst­chen­auf­tei­lung heißt auch, dass sich die Son­nen­blu­me ein­fach abknip­sen lässt ((wobei das laut Design­lay­out­fa­den strengs­tens ver­bo­ten ist)). Die Schrift sieht aus, als wären die „e„s ange­knab­bert. Der Farb­ver­lauf im lin­ken Kas­ten von gelb zu grün sieht nach „Prak­ti­kan­tIn hat mit Effek­ten rum­ge­spielt aus“.

Aus mei­ner Sicht war das größ­te Pro­blem mit dem alten Logo die Unhand­lich­keit – im Ver­gleich zu „SPD“, „CDU“ oder „FDP“ nahm es ein­fach immer viel Raum ein, was z.B. bei Fern­seh­gra­fi­ken oder Wahl­um­fra­gen­be­bil­de­run­gen ein Pro­blem dar­ge­stellt hat. Ansons­ten war das alte Logo klar, ein­präg­sam und ein­ge­führt und hat durch die typi­schen Far­ben viel zur Wie­der­erkenn­bar­keit und zum Trans­port der Kern­bot­schaft „Umwelt­kom­pe­tenz“ beigetragen.

Das größ­te Pro­blem mit dem neu­en Logo: es ändert am größ­ten Pro­blem mit dem alten Logo nichts. Immer noch han­delt es sich um eine aus­ufern­de Logo­land­schaft, nicht um ein kur­zes, ein­deu­ti­ges Sym­bol. Vor der Fusi­on Grü­ne – Bünd­nis 90 hat die Son­nen­blu­me allei­ne gereicht. Ein gutes Logo wür­de die­sen Grad von Ein­präg­sam­keit errei­chen. Also: das neue ist nicht knap­per, redu­zier­ter, ein­fa­cher, son­dern ein­fach nur anders kom­pli­ziert, und sieht noch dazu nicht schön aus. Und was ich mir noch über­haupt nicht vor­stel­len kann: wie soll das gan­ze in Anwen­dun­gen aus­se­hen, bei denen nur rein ein­far­big gedruckt wer­den kann, ohne Grau­stu­fen oder Farb­ab­stu­fun­gen – z.B. auf Luft­bal­lons? Kas­ten Kas­ten Strich?

Neben­ef­fek­te: sämt­li­ches altes Wahl­kampf­ma­te­ri­al kann (a) weg­ge­wor­fen wer­den oder (b) trotz anders­wei­ti­ger Bit­ten wie­der­ver­wen­det wer­den, und führt dann zu neu­er Unübersichtlichkeit.

Offi­zi­ell wird das neue Logo übri­gens wie folgt begrün­det:

Es drückt sym­bol­haft die Wei­ter­ent­wick­lung der Grü­nen Par­tei auch in der Fra­ge des Erschei­nungs­bil­des aus. Dabei wur­den die tra­di­tio­nel­len und jün­ge­ren Ele­men­te von Bünd­nis 90/Die Grü­nen noch bes­ser mit­ein­an­der ver­eint und modernisiert.

Die wich­tigs­ten Char­ka­te­ris­ti­ka des neu­en Logos:

* Auf­ge­räumt: Das Logo besteht aus drei klar geglie­der­ten Berei­chen: Son­nen­blu­me, Par­tei­na­me und Fun­da­ment, die immer gemein­sam abge­bil­det wer­den. Durch die Zwi­schen­räu­me wird das Logo immer ein­ge­bet­tet in sei­nen Hin­ter­grund und damit Teil dessen.
* Die Son­nen­blu­me: Sie steht euro­pa­weit für die Grü­ne Bewe­gung, ist unver­wech­sel­bar, orga­nisch und klar.
* Das blaue Fun­da­ment: Es bil­det die gra­fi­sche Basis des Logos und stützt das Gesamt­werk. Dabei greift es die Far­be blau auf, als gra­fi­sches Fun­da­ment, das für den Zusam­men­schluss zwi­schen „Bünd­nis 90“ und den „GRÜNEN“ steht.
* Die Schrift: Die kla­re und sach­li­che Schrift ver­mit­telt Direkt- und Offen­heit. Durch die nach­träg­li­che Bear­bei­tung ist sie ein­zig­ar­tig und unverwechselbar. 

Mei­ne vier Spie­gel­stri­che wären dage­gen: lang­wei­lig – Son­nen­blu­me nur noch Hin­ter­grund – das blaue Fun­da­ment steht schief (Bal­ken nur rechts) – 80er-Jah­re-Com­pu­ter­pro­gram­me wur­den mit ganz ähn­li­chen moder­nen und inno­va­ti­ven Schrif­ten bewor­ben. Scha­de – wird Zeit, die Wer­be­agen­tur zu wechseln!