Das WissZeitVG als Musterbeispiel der Verschlimmbesserung

New UB II

Ich bin seit zwölf Jah­ren nicht mehr an der Uni beschäf­tigt, und beruf­lich wie ehren­amt­lich gehört Hoch­schul­po­li­tik schon seit eini­gen Jah­ren nicht mehr zu mei­nem Port­fo­lio. Trotz­dem ärge­re ich mich sehr über den jetzt vor­ge­leg­ten Eck­punk­te-Ent­wurf der Ampel-Hochschulpolitiker*innen und des BMBF zur Reform des Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­set­zes (WissZeitVG). Neben eini­gen viel­leicht sinn­vol­len Punk­ten wie etwa Min­dest­lauf­zei­ten für stu­den­ti­sche Ver­trä­ge ist ein zen­tra­ler Eck­punkt die­ser Reform die Ver­kür­zung der Post-Doc-Zei­ten von sechs auf drei Jah­re. Und das sorgt berech­tig­ter­wei­se gera­de für eine Wel­le der Empö­rung in den sozia­len Medi­en, auf die die genann­ten Hochschulpolitiker*innen lei­der alles ande­re als pro­fes­sio­nell reagie­ren. (P.S.: inzwi­schen hat das BMBF zumin­dest noch­mal neue Gesprä­che ange­bo­ten … ein gro­ßer Erfolg für , ich hof­fe, da bewegt sich dann auch etwas).

Irgend­wie gab es da wohl den Glau­ben, dass die Reform mit hüb­schen Share­pics, einem lächeln­den Politiker*innen-Foto und ein paar net­ten Wor­ten „ver­kauft“ wer­den kann. Die bei einem sol­chen Punkt vor­her­seh­ba­re Kri­tik – nicht nur von Leu­ten, die jetzt gera­de Post-Docs sind, also nach der Pro­mo­ti­on an der Hoch­schu­le for­schen und leh­ren, son­dern auch von vie­len Professor*innen, der GEW und sogar der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz – scheint für eini­ge über­ra­schend gekom­men zu sein. Umso mehr klam­mern sich die Ampel-Politiker*innen dar­an, dass sie es doch gut mei­nen, und dass alle, die es kri­tisch sehen, nur nicht ver­stan­den haben, wie gut sie es mei­nen. Ich neh­me wahr, dass dies bei der SPD und bei der ja eng mit dem BMBF ver­bun­de­nen FDP etwas mehr pas­siert und die grü­ne Hal­tung von Lau­ra Kraft und Nina Stahr etwas ver­hal­te­ner aus­fällt, aber das mag mein Bias bzw. eine lei­se Hoff­nung sein, dass ein sol­ches Gesetz letzt­lich nicht durch die Ampel durch­ge­hen kann. Jeden­falls dann nicht, wenn alle hoch­schul­po­li­ti­schen Akteur*innen jetzt gemein­sam deut­lich machen, dass das so ein­fach gro­ßer Mist ist. 

Gleich­zei­tig zeigt die­se Reform, wie schwie­rig gute und gelin­gen­de Hoch­schul­po­li­tik ist. Das hat lei­der etwas mit unse­rem Föde­ra­lis­mus zu tun: für die Rege­lung der Arbeits­zei­ten ist der Bund zustän­dig, für das meis­te ande­re an Hoch­schu­len die Länder. 

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Berlin auf Rückwärtskurs

Man sieht sich immer zwei­mal ist ein ganz guter Grund­satz in der Poli­tik. Umso schrä­ger fin­de ich den Ver­such der SPD in Ber­lin, jetzt Grü­nen (und in zwei­ter Linie Lin­ken) die Schuld dafür zu geben, dass eine Fort­füh­rung der rot-grün-roten Koali­ti­on abge­lehnt wird und statt des­sen Frau Gif­fey ihre Par­tei dazu auf­for­dert, mit der CDU zu koalie­ren – als, wohl­gerkt, dann klei­ne­rer Part­ner. Der SPD-Lan­des­vor­stand hat das mehr­heit­lich so akzep­tiert, und auch die CDU ist wohl bereit dazu, mit der SPD Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen aufzunehmen. 

Mich erin­nert das Gan­ze an 2011 – da gab es eine rot-grü­ne Mehr­heit in Ber­lin, der dama­li­ge SPD-Chef Wowe­reit woll­te dann aber doch lie­ber mit der CDU eine Koali­ti­on ein­ge­hen (damals mit der CDU als klei­ne­rer Part­ner, also anders als heu­te). Schuld am Schei­tern der Ver­hand­lun­gen waren damals, laut SPD: die Grü­nen – und die Stadt­au­to­bahn A100. Die dies­mal sicher wie­der eine pro­mi­nen­te Rol­le gespielt hat.

Ich befürch­te, dass die nächs­ten drei Jah­re dann für Ber­lin eine Rol­le rück­wärts sind: Autos, Beton, ein eini­ge Jahr­zehn­te über­hol­tes Ver­ständ­nis von Stadt­ent­wick­lung und Sicher­heit. Wobei: die bei­den Par­tei­en sind vor allem in der Alters­grup­pe 60+ gewählt wor­den. Da passt das dann zusam­men. Bun­des­po­li­tisch sind wei­te­re Bun­des­rats-Veto-Mög­lich­kei­ten für die CDU eben­falls alles ande­re als toll.

Was natür­lich auch noch sein könn­te: die­se Wahl (die ja eine Wie­der­ho­lungs­wahl nach Wahl­feh­lern war) schlägt nach dem Fast-Stim­men­gleich­stand von SPD und Grü­nen mit 18,4 Pro­zent und 18,4 Pro­zent und einer Dif­fe­renz von am Schluss noch 53 Stim­men eine wei­te­re Vol­te, und die SPD-Basis lehnt dann den aus­ge­han­del­ten Koali­ti­ons­ver­trag ab. Oder die Mehr­heit im Abge­ord­ne­ten­haus kommt nicht zustan­de – auch das soll es ja schon gege­ben haben. Jeden­falls: wer ver­han­delt, mit dem Ver­hand­lungs­er­geb­nis nicht zufrie­den ist, und die Schuld dann bei der Gegen­sei­te ablädt, hat schlecht ver­han­delt. Sou­ve­rä­ni­tät sieht anders aus. 

2011 – als Wowe­reit lie­ber mit der CDU koalier­te als mit den Grü­nen – lag die SPD in Ber­lin übri­gens bei 28 Pro­zent, Grü­ne bei knapp 18 Pro­zent. 2016, fünf Jah­re spä­ter, hat­ten bei­de ver­lo­ren – die SPD sank auf 21,6 Pro­zent, Grü­ne auf 15,2 Pro­zent. Das Ergeb­nis war eine rot-grün-rote Regie­rung unter Mül­ler. Auch die CDU ver­lor in der Koali­ti­on mit der SPD deut­lich an Zustim­mung. Die Ver­mu­tung liegt nahe, dass die Ent­schei­dung der SPD, mit rund 18 Pro­zent in eine Koali­ti­on mit der CDU zu gehen, als klei­ne­rer Part­ner, am Ende nicht dazu führt, dass sie bei der nächs­ten Wahl 2026 auf Platz eins ste­hen wird. 

Ber­lin könn­te mir ja egal sein. Aber es ist frus­trie­rend, das alles mit anse­hen zu müs­sen. Und das geht selbst Tei­len der SPD so. Aus grü­ner Sicht kann dar­aus eigent­lich nur der Schluss gezo­gen wer­den, noch kla­rer als bis­her auf Eigen­stän­dig­keit zu set­zen. Und so groß zu wer­den, dass dann auch in grün-schwar­zen Bünd­nis­sen rich­tig was durch­ge­setzt wer­den kann. Auf die SPD ist jeden­falls kein Verlass. 

Ungeduld der Klimabewegung, Zeitläufe der Politik

Snowday, Rieselfeld - XXVIII

Auch jen­seits von Lüt­zer­ath beob­ach­te ich in den letz­ten Wochen eine zuneh­men­de Schär­fe im Ton zwi­schen Kli­ma­be­we­gung und grü­ner Par­tei. Das ist auf der einen Sei­te nicht wei­ter ver­wun­der­lich – Bünd­nis 90/Die Grü­nen ste­cken als Regie­rungs­par­tei in einer ande­ren Rol­le als die Kli­ma­be­we­gung, und mit dem Wech­sel von Oppo­si­ti­on zu Regie­rung im Bund hat sich da auch noch ein­mal etwas ver­scho­ben. Auf der ande­ren Sei­te lässt mich das etwas rat­los zurück. Denn im Kern steckt hin­ter die­ser zuneh­men­den Schär­fe ein Dilem­ma, das sich nicht so leicht auf­lö­sen lässt.

Das Man­tra der Kli­ma­be­we­gung ist seit eini­gen Jah­ren das der maxi­ma­len Dring­lich­keit: die Kli­ma­bud­gets sind weit­ge­hend aus­ge­schöpft, das poli­tisch fest­ge­setz­te 1,5‑Grad-Ziel ist nur zu hal­ten, wenn sofort gegen­ge­steu­ert wird, und das Fens­ter, noch etwas zu ver­än­dern, schließt sich. Ich kann die­se Dring­lich­keit, die ja zu gro­ßen Tei­len wis­sen­schaft­lich begrün­det ist, gut nach­voll­zie­hen. Und ich kann sogar nach­voll­zie­hen, dass beob­ach­te­tes Nicht­han­deln dazu führt, Akti­ons­for­men zu wäh­len, die auf­fäl­li­ger sind als Groß­de­mons­tra­tio­nen und klu­ge Äuße­run­gen in Talk­shows. Es geht um etwas. Es geht um alles!

Gleich­zei­tig ist Poli­tik nur begrenzt kri­sen­fä­hig. Erst recht nicht, wenn eine poli­ti­sche Ant­wort auf die Kli­ma­kri­se eigent­lich hei­ßen wür­de, die nächs­ten Jahr­zehn­te Poli­tik nur noch im Kri­sen­mo­dus zu betrei­ben – mit schnel­len und ein­schnei­den­den Ent­schei­dun­gen, mit dem Außer­kraft­set­zen von Abwä­gun­gen und Betei­li­gungs­rech­ten. Ereig­nis­haft kann Poli­tik in die­sem Modus arbei­ten. Das hat sich in der Coro­na-Kri­se gezeigt, als Maß­nah­men qua­si über Nacht ergrif­fen wur­den. Und auch der schnel­le Auf­bau von LNG-Ter­mi­nals lie­ße sich hier als Bei­spiel anfüh­ren. War­um also nicht in die­sem Tem­po die 180-Grad-Wen­de hin zu einer wir­kungs­vol­len Kli­ma­po­li­tik? Schließ­lich ist doch wis­sen­schaft­lich längst klar, was getan wer­den müss­te – von klei­ne­ren Maß­nah­men wie dem Tem­po­li­mit bis hin zur kom­plet­ten Elek­tri­fi­zie­rung von Ver­kehr und Indus­trie, der Umstel­lung des Ener­gie­sys­tems auf Wind, Pho­to­vol­ta­ik und Spei­cher und der Switch in der Ernäh­rung zu kli­ma­scho­nen­de­ren Lebens­mit­teln liegt der Instru­men­ten­kas­ten auf dem Tisch. 

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Kurz zu Jacinda Ardern

Viel­leicht ist es ein Fall von „the grass is always gree­ner on the other side“. In Neu­see­land auf jeden Fall. Ges­tern hat Jac­in­da Ardern ange­kün­digt, als Pre­mier­mi­nis­te­rin Neu­see­lands auf­zu­hö­ren. Ich fin­de das einer­seits bedau­er­lich, weil sie, nach allem, was ich dar­über gehört und gele­sen habe, einen neu­en Poli­tik­stil eta­bliert hat. Dass da eine jün­ge­re Frau ein Land regiert, war vor fünf Jah­ren etwas ganz Neu­es. Und dass die Sozi­al­de­mo­kra­tin das mit einem neu­en Stil tat, bis hin zu einer aus Mehr­heits­grün­den nicht not­wen­di­gen, inhalt­lich aber sinn­vol­len Koali­tio­nen mit den dor­ti­gen Grü­nen, wur­de auch hier­zu­lan­de sichtbar. 

Jetzt hat sie sehr selbst­be­stimmt mit­ge­teilt, dass zur Füh­rung eines Lan­des gehört, alles zu geben, und dass sie sich dazu nicht wei­ter in der Lage sieht. Das ist ehr­lich und mutig – übli­che Pra­xis wäre ja, quä­lend und gequält wei­ter­zu­ma­chen, weil Auf­hö­ren gleich als Auf­ge­ben ange­se­hen wird. Auch die­ser Schritt also stil­prä­gend und vor­bild­haft. Egal, ob zu Arderns Zukunft irgend­wann noch ein­mal Poli­tik gehört – ich wün­sche ihr nur Gutes. Und hof­fe, dass das 21. Jahr­hun­dert irgend­wann nicht nur für Trump, John­son, Bol­so­n­a­ro etc. in Erin­ne­rung blei­ben wird, son­dern auch für einen neu­en Stil der Poli­tik, für den Oba­ma, Ardern und Baer­bock stehen. 

Kurz zur FDP: Noch nicht angekommen

Die letz­ten Land­tags­wah­len waren für die FDP nicht schön. Mit 4,7 Pro­zent aus dem Land­tag zu flie­gen, wie jetzt in Nie­der­sach­sen, das tut weh. Dar­aus aller­dings den Schluss zu zie­hen, dass es wich­tig sei, in der Bun­des­re­gie­rung jetzt noch stär­ker zu blo­ckie­ren, zu bocken und trot­zig „Nein“ zu sagen – das hal­te ich für falsch. Und zwar nicht nur aus der grü­nen Per­spek­ti­ve, mit dem Inter­es­se, dass die­se Regie­rung (gera­de jetzt!) hand­lungs­fä­hig ist und tat­säch­lich was erreicht. Stich­wort „Fort­schritt“. Son­dern auch dann, wenn ich mich in die FDP hineinversetze. 

Das ist, zuge­ge­be­ner­ma­ßen, nicht ganz ein­fach. Es gibt so ein Zerr­bild der FDP, die Idee, dass das eine Par­tei indi­vi­dua­lis­ti­scher Män­ner (v.a.) sei, die hart an der jeweils eige­nen Kar­rie­re arbei­ten, und ansons­ten das eine oder ande­re Kli­en­tel­pro­jekt ver­fol­gen. Mag sein, dass die­se FDP die Außen­sicht prägt. Aber eigent­lich kann und könn­te das ja eine Par­tei sein, die sich für Frei­heit ein­setzt (und dar­un­ter nicht nur das Ver­hin­dern eines Tem­po­li­mits ver­steht), die Tech­no­lo­gie­of­fen­heit so ernst nimmt, dass sie dann, wenn es sinn­voll ist, auch mal für Wind­rä­der und Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen brennt, eine, die mit Digi­ta­li­sie­rung und Ver­wal­tungs­mo­der­ni­sie­rung vor­an­geht. Und eine, die da, wo es um gesell­schaft­li­che Moder­ni­sie­rung geht, ganz vor­ne mit dabei ist.

All das ist bei der aktu­el­len Regie­rungs-FDP lei­der nur in Spu­ren zu sehen. Ent­spre­chend wenig ist da, was von Wähler*innen hono­riert wer­den könn­te. Viel lie­ber ver­sucht sie sich dar­in, eine bes­se­re CDU als die CDU oder gar eine bes­se­re AfD als die AfD zu sein. Das klappt nicht, son­dern macht nur die AfD stark. Anders gesagt: ich glau­be, die FDP ist auch nach einem Jahr noch nicht in der Rol­le Regie­rungs­par­tei ange­kom­men. Die Mit­glie­der der FDP sagen nicht mit Stolz, dass sie Teil der Bun­des­re­gie­rung sind. Lind­ner geht nicht vor­an und zieht, son­dern blockt ab und hält auf. Und solan­ge die FDP in die­ser Rol­le nicht ankommt, solan­ge ist es ein­fach, sich über sie lus­tig zu machen. 

Wenn die Lage ins­ge­samt nicht so dra­ma­tisch wäre, mit all den ver­schränk­ten Kri­sen, dann lie­ße sich dar­über schul­ter­zu­ckend hin­weg­se­hen. Kein „sozi­al­li­be­ra­les Pro­jekt“ wie in der BRD-Ver­gan­gen­heit, kei­ne Fort­schritts­ko­ali­ti­on, son­dern Oppo­si­ti­on in der Regie­rung, um die halt irgend­wie her­um­re­giert wer­den muss. Schön ist das nicht. Und in der heu­ti­gen Lage ein Pro­blem. Wäre also gut, wenn sich dar­an was ändert. Spä­tes­tens Dreikönig.