Jahresrückblick – 2015 im Spiegel dieses Blogs

Xmas tree V

Wie war 2015? Ange­sichts noch ein­mal deut­lich sin­ken­der Zugriffs­zah­len – mit eini­gen weni­gen Aus­nah­men, etwa dem u.a. auf Red­dit ver­brei­te­ten Arti­kel über das „Platz­hal­ter­bild“ der AfD, was dann inner­halb von zwei Tagen für 1500 Zugrif­fe sorg­te und die Jah­res­ge­samt­zu­griffs­zahl auf über 33.000 hiev­te – ver­zich­te ich auf eine aus­führ­li­che quan­ti­ta­ti­ve Ana­ly­se der Din­ge, die 2015 auf mei­nem Blog gesche­hen sind. 

wpid-15-152-pluto-newhorizons-highresolution-20150714-ifv.jpgInter­es­san­ter sind die inhalt­li­chen High­lights. So gab es 2015 eine Son­nen­fins­ter­nis (März 2015) und Bil­der vom Rand des Son­nen­sys­tems (Juli 2015). Ich habe mir die Han­dy-Aus­stel­lung im Muse­um Ange­wand­te Kunst (Juni 2015) in Frank­furt ange­se­hen und die Exo-Evo­lu­ti­on im ZKM in Karls­ru­he (Novem­ber 2015). 

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Grüne Mehrheiten werden gebraucht

Günterstal landscape with mountains

SWR und Stutt­gar­ter Zei­tung haben eine neue Vor­wahl­um­fra­ge für Baden-Würt­tem­berg ver­öf­fent­licht. Grü­ne und Lan­des­re­gie­rung schnei­den gut ab, eine Wechel­stim­mung gibt es nicht. Ich neh­me das mal zum Anlass, um einen län­ge­ren Text zu ver­öf­fent­li­chen, der schon seit ein paar Tagen auf mei­ner Fest­plat­te liegt – und bei dem ich mir gar nicht so sicher bin, ob ich die Schlüs­se, die ich da beschrei­be, eigent­lich rich­tig fin­den soll. Inso­fern bin ich auf Reak­tio­nen gespannt. (Ach ja: Die­ses Kon­text-Por­trät passt auch gut dazu …)

Ein Erd­rutsch in Zeit­lu­pe hat die Par­tei erfasst. In acht – und wenn die Koali­ti­ons­ver­ein­ba­run­gen in Ham­burg erfolg­reich abge­schlos­sen wer­den, in neun – der sech­zehn Bun­des­län­der sind Grü­ne an der Regie­rung betei­ligt. Und trotz­dem bleibt ein­ein­halb Jah­re nach der Bun­des­tags­wahl 2013 ein scha­les Gefühl. Weder die kleinst­par­tei­li­che Reprä­sen­ta­ti­on im Bun­des­tag noch das anhal­ten­de Tief bei der bun­des­wei­ten Sonn­tags­fra­ge pas­sen zum Anspruch des Mit­re­gie­rens und Mit­ge­stal­tens. Für 2017 sehen die Optio­nen schal aus – Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel könn­te fürs Wei­ter­re­gie­rung dann eine neue Par­tei gebrau­chen, die sie nach vier Jah­ren als lee­re Hül­le zurück­las­sen kann, aber eine Per­spek­ti­ve ist das nicht. Auf der ande­ren Sei­te steht Rot-Rot-Grün als nach wie vor blo­ckier­tes Rechen­spiel. Auch dar­auf las­sen sich, so scheint es, kei­ne Kam­pa­gnen aufbauen.

Grü­ne waren schon immer eine mul­ti­po­la­re Par­tei. Dies hat sich seit 2013, ja eigent­lich schon seit 2011, noch ein­mal ver­stärkt. Der­zeit liegt das grü­ne Kraft­zen­trum ganz sicher nicht in der Bun­des­par­tei und eben­so sicher nicht in der Bun­des­tags­frak­ti­on. Bei­de machen ihre Arbeit, bei­de mühen sich red­lich – aber die gro­ße, mit­rei­ßen­de Erzäh­lung insze­nie­ren weder Anton Hof­rei­ter und Kat­rin Göring-Eckardt noch Simo­ne Peter und Cem Özd­emir. Ver­früh­te Mid­life-Cri­sis eines bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Erfolgsprojekts?

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Vertrauensbildende Maßnahmen

Ice shadow II

Am Mon­tag schrieb ich noch dar­über, dass der BDK etwas feh­le, und ges­tern tauch­te dann ein Papier auf. Das Papier – »Grü­ner Auf­bruch 2017« – löst nicht das ges­tern ange­spro­che­ne Pro­blem, aber es ist, mei­ne ich, eine ver­trau­ens­bil­den­de Maß­nah­me, die genau zur rich­ti­gen Zeit kommt. Des­we­gen unter­stüt­ze ich die­ses Papier. 

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Kurz: Innerparteiliche Demokratie da und dort

Yellow handle

Auf Face­book bin ich über eine Notiz der FDP gestol­pert, dass es da – also in der FDP – einen ganz tol­len Demo­kra­ti­sie­rungs­schub gege­ben habe. Was wohl, mit Blick auf die Aus­gangs­ba­sis, auch nicht ganz falsch ist. Unter der Über­schrift „Mehr Mit­spra­che für Mit­glie­der“ wird erläu­tert, dass auch Mit­glie­der nun Antrags­rech­te bekom­men – 250 geprüf­te Unter­schrif­ten rei­chen aus, um einen Antrag ein­zu­brin­gen. So unter­schied­lich sind die Par­tei­tra­di­tio­nen – bei uns sind auf Lan­des­ebe­ne 10, auf Bun­des­ebe­ne 20 form­lo­se Unter­stüt­zungs­er­klä­run­gen von Mit­glie­dern not­wen­dig, um einen Antrag ein­zu­rei­chen. Das führt dann zum Teil zu einer Antrags­flut, gera­de auch, weil in Zei­ten von Mai­ling­lis­ten und Face­book Unter­stüt­zungs­er­klä­run­gen sehr schnell zusam­men kom­men. Mög­li­cher­wei­se wäre des­we­gen sogar eine leich­te Anhe­bung sinn­voll. Aber dass die Betei­li­gungs­hür­den in ähn­lich gro­ßen Par­tei­en so unter­schied­lich sind, und das grü­ne Basis­de­mo­kra­tie-Kon­zept immer noch so fort­schritt­lich ist – das war mir bis­her ent­gan­gen. (Auch Rede­recht haben bei der FDP nur Delegierte …)

Bei der FDP scheint es die­ser Notiz zu Fol­ge wohl auch so zu sein, dass Kan­di­da­tu­ren für Ämter eben­falls nicht ein­fach aus frei­em Wil­len erfol­gen kön­nen, son­dern wie­der­um mit Unter­stüt­zungs­un­ter­schrif­ten ver­bun­den sein müs­sen – auch hier 250 Stück. 

Der Fair­ness hal­ber sei noch dazu gesagt: Wenn bei der FDP nicht Mit­glie­der, son­dern Dele­gier­te einen Antrag ein­brin­gen, dann rei­chen 25 Delegierte. 

Und was ler­nen wir dar­aus? Ers­tens, dass grü­ne Basis­de­mo­kra­tie tat­säch­lich eine Beson­der­heit ist – die aber erst auf­fällt, wenn mal ande­re Par­tei­ver­fah­ren dage­gen gehal­ten wer­den. Und zwei­tens, dass es viel­leicht durch­aus über­le­gens­wert wäre, auch für Bewer­bun­gen ein Quo­rum ähn­lich wie bei Anträ­gen vor­zu­se­hen. Nicht als Abschre­ckungs­in­stru­ment, son­dern um z.B. Bewer­bun­gen von Per­so­nen zu ver­hin­dern, wie dies beim Euro­pa­vo­tum auf der LDK der Fall war, die gar nicht anwe­send sind, auch nicht vor­ha­ben, sich vor­zu­stel­len, aber mal – spa­ßes­hal­ber? – eine schrift­li­che Bewer­bung ein­ge­reicht haben. Ein KV oder 10 Mit­glie­der als Bewer­bungs­hür­de – war­um nicht?

Kurz: Ein Moment der Befreiung

Sky on the lane

Als klei­ner Nach­trag zu mei­ner län­ge­ren Ana­ly­se direkt nach der Wahl: Viel­leicht geht es nur mir so, aber ich emp­fin­de, nach­dem der ers­te Schock der acht Pro­zent über­wun­den ist, die poli­ti­sche Situa­ti­on nach der Bun­des­tags­wahl als einen dop­pel­ten Moment der Befrei­ung. Die­se Öff­nung mag schnell wie­der vor­bei­geht, aber jetzt ist sie da.

Befrei­ung, weil mit dem jetzt doch ziem­lich rasan­ten Rück­zug der 1998er-Gene­ra­ti­on – Jür­gen Trit­tin, Clau­dia Roth, Rena­te Kün­ast – erst spür­bar wird, wie eng die Ban­de waren, die sich mei­ne Par­tei in letz­ter Zeit auf­er­legt hat. Natür­lich ver­schwin­den lan­ge eta­blier­te inter­ne Macht­struk­tu­ren nicht, nur weil ein paar Köp­fe aus­ge­tauscht wer­den, weil sich ein paar Men­schen mehr oder weni­ger zurück­zie­hen. Bei all ihren über­haupt nicht in Fra­ge zu stel­len­den Ver­diens­ten war es doch die­se Gene­ra­ti­on, die die Peri­ode 1998 bis 2005 zum Maß­stab der Din­ge mach­te. Ja, wir haben eini­ge Feh­ler in die­ser Zeit auf­ge­ar­bei­tet – aber irgend­wie schwamm doch immer das rot-grü­ne Pro­jekt samt aller Regie­rungs­zeit­fest­le­gun­gen im kon­zep­tu­el­len Hin­ter­grund, war der Maß­stab der Din­ge. Jetzt wird es für mich spür­bar, dass wir tat­säch­li­che die Chan­ce haben, uns zu erneu­ern. Allent­hal­ben wird nach Gemein­sam­kei­ten und nach dem zen­tra­len Ele­ment grü­ner Iden­ti­tät gesucht. Wir erfin­den uns neu. Das pas­siert regel­mä­ßig, und das ist auch gut so. Und dies­mal haben wir die Chan­ce, eine Par­tei zu erfin­den, die mehr Luft zulässt, die weni­ger eng ist, und die – nicht grund­le­gend anders, aber doch reno­viert – neu kei­men wird.

Befrei­ung aber auch, weil das nur im Kon­text der Unsi­cher­heit mög­lich ist, die seit dem 22.9. bun­des­po­li­tisch herrscht. Weder Mer­kel noch Rot-Grün hat gewon­nen. Plötz­lich wird über Min­der­hei­ten­re­gie­run­gen und All­par­tei­en­ko­ali­tio­nen dis­ku­tiert. Die Kate­go­rie des staats­tra­gen­den „aber ihr müsst“ scheint nicht mehr zu gel­ten – weder SPD noch Grü­ne wol­len sich auf eine Koali­ti­on mit Mer­kel ein­las­sen. Das so fest gefugt erschei­nen­de deut­sche Regie­rungs­sys­tem zeigt ers­te klei­ne Ris­se. Ob die zuge­kit­tet wer­den, und wir in eini­gen Wochen von der 80%-Koalition erschla­gen wer­den, oder ob die­se Ris­se aus­ge­wei­tet wer­den, und auf Bun­des­ebe­ne bis­her nicht da gewe­se­ne Model­le aus­pro­biert wer­den, wer­den wir dann sehen. Bis dahin weht der Wind der Geschich­te unge­hin­dert über die deut­sche Prärie.