Kurz: Landtagswahl in NRW

In Schles­wig-Hol­stein ist immer noch nicht kla­rer, wie es wei­ter­geht – dort scheint Dani­el Gün­ther auf eine „über­gro­ße“ Fort­füh­rung von Jamai­ka behar­ren zu wol­len. Heu­te dann Wahl in NRW – mit einem groß­ar­ti­gen grü­nen Ergeb­nis, etwa eine Ver­drei­fa­chung zum letz­ten Stand mit jetzt rund 18 Pro­zent; es wird noch gezählt. Anders als im Vor­feld erwar­tet kein Kopf-an-Kopf-Ren­nen zwi­schen CDU und SPD, viel­mehr liegt Wüst mit rund 36 Pro­zent deut­lich vor der SPD mit rund 27 Pro­zent. Dem Land­tag gehö­ren nach aktu­el­lem Stand wei­ter­hin FDP und AfD an, jeweils rund 5,5 Pro­zent nach dem aktu­el­len Stand der Hoch­rech­nun­gen. In Sit­zen umge­rech­net heißt das: Schwarz-Grün hät­te eine Mehr­heit, Schwarz-Rot theo­re­tisch auch, und eine Ampel wäre eben­falls mög­lich. An aktu­ell zwei Sit­zen schei­tert dage­gen Rot-Grün. Anders wür­de es aus­se­hen, wenn eine der bei­den klei­nen Par­tei­en doch raus­fliegt. Wer defi­ni­tiv mit kata­stro­pha­len zwei Pro­zent – und ver­dient – nicht drin ist: die LINKE. 

Ich lege mich fest: FDP und AfD wer­den im Land­tag blei­ben, eine Mehr­heit für Rot-Grün wird es nicht geben. Damit ste­hen sich als mög­li­che Regie­rungs­mo­del­le Schwarz-Grün und eine Ampel gegen­über. Auch wenn’s legi­tim und mit Blick auf den Bund irgend­wie nahe­lie­gend wäre, glau­be ich nicht so recht dar­an, dass die knapp noch­mal in den Land­tag gekom­me­ne FDP da mit­ma­chen wird. Inso­fern hal­te ich es für sehr wahr­schein­lich, dass jetzt zunächst ver­sucht wird, über Schwarz-Grün zu ver­han­deln. Die CDU-State­ments dazu klan­gen fast schon anbie­dernd, die grü­nen State­ments etwa der Spit­zen­kan­di­da­tin Mona Neu­baur mach­ten klar, dass es wie im Wahl­kampf ver­spro­chen um Inhal­te gehen wird, d.h. ins­be­son­de­re um die Fra­ge, wie das Indus­trie­land NRW kli­ma­neu­tral wer­den kann. Ich bin gespannt – und gra­tu­lie­re den nord­rhein-west­fä­li­schen Grü­nen schon mal zur mit 39 oder 40 Per­so­nen bis­her größ­ten grü­nen Frak­ti­on im NRW-Landtag! 

Bleibt am Schluss noch der Hin­weis des Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Rai­ner Faus, dass die Vor­stel­lung falsch ist, aus vie­len Ein­zel­ab­stim­mun­gen in der Wahl­ka­bi­ne ent­stün­de so was wie ein „Wäh­ler­wil­le“ oder ein „Regie­rungs­auf­trag“. Das ist nicht der Fall, son­dern das Ergeb­nis von Ver­hand­lun­gen – egal, wer immer wie­der die glei­chen Behaup­tun­gen auf­stellt. (Und eben­so lie­ße sich hier noch­mal dar­auf hin­wei­sen, dass der „Wahl­ge­win­ner“ am Schluss die Par­tei ist, die die Regie­rung stellt.)

Hochschulwatch: ein Schritt hin zu Open Data für autonome Hochschulen

From inside the new UB I

Trans­pa­ren­cy Inter­na­tio­nal Deutsch­land e.V., die taz und der fzs, also der Dach­ver­band der Stu­die­ren­den­schaf­ten, haben vor ein paar Tagen hochschulwatch.de gestar­tet. Ziel der Platt­form ist es, Daten zur Ver­flech­tung zwi­schen Hoch­schu­len und der Wirt­schaft zur Ver­fü­gung zu stel­len, und damit für mehr Trans­pa­renz zu sor­gen. Ich fin­de das ein sinn­vol­les Vor­ha­ben, aller­dings aus einem ande­ren Grund, als dies wahr­schein­lich bei den drei Orga­ni­sa­tio­nen der Fall ist.

Auf der Sei­te heißt es zur Moti­va­ti­on, war­um es Hoch­schul­watch gibt:

Mehr als 1,3 Mil­li­ar­den Euro flie­ßen aus der gewerb­li­chen Wirt­schaft jedes Jahr an deut­sche Hoch­schu­len – Ten­denz stark stei­gend. Ver­su­chen Unter­neh­men damit, Ein­fluss auf die Wis­sen­schaft zu neh­men? Ist die Frei­heit von For­schung und Leh­re in Gefahr?

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Kleine Verschwörungstheorie anlässlich der NRW-Wahl 2012

Kurz nach 18 Uhr hat der Nor­bert Rött­gen von der CDU erklärt, dass er alle Ver­ant­wor­tung auf sich nimmt und vom Lan­des­vor­sitz zurück­tre­ten wol­le. Er sei, ganz klar, der Haupt­ver­ant­wort­li­che für das desas­trö­se Abschnei­den der – das sind jetzt mei­ne Wor­te – ehe­ma­li­gen Volks­par­tei CDU. Also irgend­wie fand ich das schon selt­sam. Also nicht nur, dass die CDU ver­dien­ter­ma­ßen so schlecht abschnei­det. Son­dern das Rött­gen von Anfang an einen ziem­lich lust­lo­sen Wahl­kampf geführt hat – von Pla­kat­skan­da­len ange­fan­gen bis hin zum Rück­fahr­ti­cket nach Ber­lin. Nach allem, was dar­über so zu hören und zu lesen war. Und dass er ins­ge­samt so wirkt, als sei das das Ergeb­nis, mit dem er schon län­ger gerech­net hat.

Wenn das gan­ze jetzt ein Polit-Thril­ler wäre, dann wäre ein Dreh­buch plau­si­bel, in dem Rött­gen den Geheim­auf­trag hat, auf jeden Fall dafür zu sor­gen, dass die FDP im Land­tag in NRW bleibt. Weil die Wahl eh ver­lo­ren ist, aber die schwarz-gel­be Koali­ti­on auf Bun­des­ebe­ne nicht zu hal­ten ist, wenn die FDP aus dem Land­tag des wich­tigs­ten Bun­des­lan­des her­aus­fliegt. Und das hat Rött­gen dann mit Bra­vour umge­setzt, die­sen Geheim­auf­trag. Und darf in Ber­lin bleiben.

Aber zum Glück ist die Wirk­lich­keit kein Thril­ler-Dreh­buch. Ver­mut­lich ist die CDU ein­fach nur dafür nicht gewählt wor­den, dass sie ein Pro­gramm und ein Per­so­nal prä­sen­tiert hat, dass die Leu­te nicht woll­ten – jeden­falls nicht im Ver­gleich zur inte­grie­ren­den Poli­tik der rot-grü­nen Min­der­hei­ten­re­gie­rung. Die jetzt ver­dien­ter­ma­ßen (und noch dazu am Mut­ter­tag) zur Mehr­heits­re­gie­rung mit kla­rem Man­dat gewor­den ist.

Nach­trag (16.05.): Jetzt ist Rött­gen auch als Bun­des­um­welt­mi­nis­ter ent­las­sen wor­den. Passt dann nicht mehr so ganz zur schö­nen Verschwörung. 

Frauenanteile auf den Listen zur Landtagswahl NRW

Abisko III (detail)

Zu den Land­tags­wah­len 2012 in NRW wur­den 17 Lis­ten zuge­las­sen (pdf). Die Lan­des­wahl­lei­te­rin hat auch jeweils ange­ge­ben, wie vie­le Frau­en unter den Lis­ten­be­wer­be­rIn­nen zu fin­den sind. 

In einem ers­ten Schritt hat­te ich das ges­tern in Pro­zent umge­rech­net. Dann liegt Mensch-Umwelt-Tier­schutz mit 80 Pro­zent ganz vor­ne, gefolgt von DIE LINKE (60%) und uns Grü­nen (bewährt quo­tiert mit durch­gän­gig 50%). SPD, CDU und FDP haben dem­nach jeweils einen Frau­en­an­teil um die 30 Pro­zent auf den Lis­ten, bei den Pira­ten sind es 16,7 Prozent.

Diver­se Kom­men­ta­re auf Twit­ter haben dann dar­auf hin­ge­wie­sen, dass eine sol­che pau­scha­le Betrach­tung wenig sinn­voll ist. Ins­be­son­de­re die SPD hat eine Lis­te, die anfangs voll quo­tiert ist, und erst am Schluss abfällt. Des­we­gen habe ich ver­sucht, aus den öffent­lich zugäng­li­chen Infor­ma­tio­nen abzu­lei­ten, wie sich die Frau­en­an­tei­le über die Lis­ten­plät­ze ver­tei­len. Das Ergeb­nis fin­det sich in die­ser Goog­le-Tabel­le.

Bei der Bewer­tung der dort vohan­de­nen Infor­ma­tio­nen (z.B. hat die FDP auf den Plät­zen 1–10 nur eine Frau!) ist zu berück­sich­ti­gen, dass CDU und SPD vor allem über die Wahl­krei­se in den Land­tag NRW ein­zie­hen wer­den. Die Aus­sa­gen über die Quo­tie­rung der Lis­ten sind des­we­gen nur bedingt rele­vant; die Info, in wie vie­len aus­sichts­rei­chen Wahl­krei­sen Frau­en bzw. Män­ner für CDU und SPD antre­ten, müss­te noch zusam­men­ge­stellt werden …

Neben­bei: Bei der Zusam­men­stel­lung der Zah­len habe ich mal auf die Web­auf­trit­te der ver­schie­de­nen Par­tei­en geschaut – und fest­ge­stellt, dass Infos zu Kan­di­da­tIn­nen sehr unter­schied­lich gut zugäng­lich sind. Bei der CDU tritt z.B. nach dem ers­ten Augen­schein nur ein gewis­ser Herr Rött­gen an, sonst nie­mand. Auch bei eini­gen Kleinst­par­tei­en (z.B. Fami­li­en­par­tei, Par­tei der Ver­nunft) steht so gut wie nichts über die Kan­di­da­tIn­nen der jewei­li­gen Lis­te im Web – zum Teil wird nur Platz 1 mit­ge­teilt, manch­mal Platz 1 bis 5, manch­mal nicht ein­mal das. Dabei wären bei den für den Ein­zug in den Land­tag not­wen­di­gen fünf Pro­zent wohl ca. elf Men­schen gewählt – hier also Blindflug.

Auch die Pira­ten stel­len auf ihrer Sei­te nur die Plät­ze 1 bis 20 vor – die wei­te­ren sind nur über das Pro­to­koll des Nomi­nie­rungs­par­tei­tags im Wiki zu fin­den. Bei den der­zei­ti­gen Umfra­ge­wer­ten wären nach mei­ner Kennt­nis aber schon die Plät­ze 1–23 im Land­tag NRW vertreten.

P.S.: Bei der Lan­des­wahl­lei­te­rin habe ich ges­tern zumin­dest kei­ne Infor­ma­tio­nen über alle zur Wahl antre­ten­den Lis­ten im Detail gefun­den. Viel­leicht kommt das noch, zumin­dest bei den Bun­des­tags­wah­len ist das so.

P.P.S.: Wer möch­te, darf ger­ne feh­len­de Infos nach­tra­gen (z.B. hier als Kom­men­tar – die Goog­le Tabel­le habe ich jetzt doch vor Bear­bei­tun­gen geschützt, zwecks kein Vandalismus).

War­um blog­ge ich das? Ein­mal, weil die unter­schied­li­chen Frau­en­an­tei­le ganz inter­es­sant sind. Zum ande­ren aber auch, weil es inter­es­sant ist, dass es metho­disch nicht ganz so sim­pel ist, wie es viel­leicht anfangs erscheint, fest­zu­stel­len, wie hoch die Frau­en­an­tei­le sind der ein­zel­nen zur Wahl antre­ten­den Lis­ten sind. Ganz genau wird es erst fest­ste­hen, wenn der Land­tag gewählt ist – und wenn es dann hof­fent­lich wie­der eine Minis­ter­prä­si­den­tin und eine stell­ver­tre­ten­de Minis­ter­prä­si­den­tin geben wird.

Ein paar Sätze zum JMSTV

Seit ges­tern rät­selt das Netz dar­über, was die par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge sind, die die Grü­nen NRW dazu gebracht haben, als Land­tags­frak­ti­on gegen das Votum der eige­nen Par­tei dem JMSTV zuzu­stim­men. Im Jugend­me­di­en­schutz-Staats­ver­trag sind seit 2003 eini­ge Bestim­mun­gen zum Jugend­schutz in Rund­funk und „Tele­me­di­en“ fest­ge­legt; aktu­ell geht es um die Rati­fi­zie­rung der Neu­auf­la­ge, gegen die eini­ges spricht. Nicht zuletzt die Fest­stel­lung, dass die 2003-Rege­lung bes­ser geeig­net ist, die Jugend im Inter­net zu schüt­zen als die neue Ver­si­on, die wohl u.a. Alters­kenn­zeich­nun­gen für jede Web­site und sowas wie „Sen­de­zei­ten“ im Netz vor­sieht. Eine Zustim­mung dazu ist also zunächst mal arg erklä­rungs­be­dürf­tig. Bis­her fehlt hier lei­der ein State­ment der NRW-Land­tags­frak­ti­on jen­seits der „par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge“ (aber noch läuft auch die Frak­ti­ons­sit­zung, die ein sol­ches State­ment beschlie­ßen könn­te [Nach­trag: die Frak­ti­on hat sich all mei­nen Erwar­tun­gen zum Trotz dafür ent­schie­den, doch noch ein­mal zu ver­su­chen, eine Eini­gung in Rich­tung Nicht­zu­stim­mung mit der SPD zu ver­su­chen. Hut ab dafür!]).

Das hal­be Netz rät­selt über die­se Zwän­ge? Na gut, stimmt nicht ganz. Ganz, ganz über­wie­gend ist das hal­be Netz ver­är­gert, regt sich auf und erklärt die Grü­nen (SPD und LINKE und die CDU und die FDP natür­lich eben­so schon längst) für netz­po­li­tisch untauglich. 

Trotz­dem: mich inter­es­siert wei­ter­hin, was die­se par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge den nun sind. Das eine ist der Koali­ti­ons­ver­trag der NRW-Min­der­heits­re­gie­rung, der wohl eine Zustim­mung vor­sieht. Der schwar­ze Peter liegt hier also zunächst mal bei der SPD. Dann ver­mu­te ich, dass es auch dar­um geht, dass ein Staats­ver­trag tra­di­tio­nell eine ziem­lich unde­mo­kra­ti­sche Sache ist. Falls das jetzt falsch ist, bit­te ich um Kor­rek­tur – aber soweit ich weiss, wer­den die inner­deut­schen Staats­ver­trä­ge zwi­schen den Bun­des­län­dern da aus­ge­han­delt, wo die Län­der eige­ne Gesetz­ge­bungs­kom­pe­ten­zen haben. Die Län­der sind in dem Fall die Fach­mi­nis­te­ri­en und Minis­ter­prä­si­den­tIn­nen. Die han­deln den Ver­trag aus. Wie bei den zwi­schen­staat­li­chen Abkom­men auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne kön­nen Par­la­men­te dem Ver­trag dann nur noch zustim­men – oder ihn ableh­nen. Sie haben aber kei­nen Ein­fluss auf das Zustan­de­kom­men des Vertrags.

Mög­li­cher­wei­se lie­gen die par­la­men­ta­ri­schen Zwän­ge also auch dar­in begrün­det, dass die dama­li­ge schwarz-gel­be NRW-Lan­des­re­gie­rung den JMSTV mit aus­ge­han­delt und unter­zeich­net hat, und es nicht üblich ist, dass ein Lan­des­par­la­ment dem jetzt wider­spricht. For­mal hat jedes Lan­des­par­la­ment hier ein Veto­recht, inso­fern der Ver­trag erst dann zustan­de kommt, wenn alle Lan­des­par­la­men­te ihn rati­fi­ziert haben. Fak­tisch scheint mir der Ein­fluss der Par­la­men­te sehr, sehr gering zu sein. Inso­fern sehe ich neben den gan­zen inhalt­li­chen Pro­ble­men hier auch ein erheb­li­ches Demo­kra­tie­pro­blem (auch dar­in gibt es durch­aus Ähn­lich­kei­ten zu inter­na­tio­na­len Abkommen). 

Was bleibt übrig? Die Chan­ce, dass der JMSTV im Par­la­ment in Nord­rhein-West­fa­len schei­tert, ist, rea­lis­tisch betrach­tet, ver­schwin­dend gering. Selbst wenn die Grü­nen sich dazu durch­rin­gen wür­den, ihrem eigent­lich vor­han­de­nen medi­en­po­li­ti­schen Sach­ver­stand zu fol­gen und sie die SPD dazu brin­gen wür­den, in die­ser Sache nicht im Rah­men der Koali­ti­ons­dis­zi­plin abzu­stim­men, blie­be doch eine SPD-CDU-FDP-Mehr­heit im Land­tag für den JMSTV. So sehr ich den Ärger über die Grü­nen in Nord­rhein-West­fa­len ver­ste­he: eigent­li­che Ansprech­part­ne­rin ist hier die Minis­ter­prä­si­den­tin des Lan­des NRW, Han­ne­lo­re Kraft. Und die gehört der SPD an.

War­um blog­ge ich das? Weil die Sache ver­fah­rens­tech­nisch kom­pli­zier­ter ist, als es scheint. Und weil ich jen­seits der Twit­ter-Pole­mik ger­ne ver­ste­hen möch­te, was da eigent­lich gera­de passiert.