Kurz: Vor dem Regierungsprogrammparteitag

Green cardMor­gen ab 11 Uhr star­tet unser Pro­gramm­par­tei­tag (aka „Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz“ oder LDK) in Reut­lin­gen. Der Ent­wurf für das grü­ne Wahl­pro­gramm zur Land­tags­wahl 2015 in Baden-Würt­tem­berg wur­de im Vor­feld inten­siv dis­ku­tiert, ins­ge­samt wur­den über 400 Ände­rungs­an­trä­ge ein­ge­reicht. Für mich ist’s inso­fern ein beson­ders span­nen­der Par­tei­tag, als ich an der Redak­ti­ons­grup­pe betei­ligt war, die den ers­ten Ent­wurf für das Pro­gramm geschrie­ben hat. Der lief dann durch vie­le Gre­mi­en, und wird auch den Par­tei­tag noch ein­mal in deut­lich ver­än­der­ter Form ver­las­sen. Nach zwei Wochen inten­si­ver Ver­hand­lun­gen im Vor­feld des Par­tei­tags gibt es, aus­ge­hend von den 400 Ände­rungs­an­trä­gen, jede Men­ge Kom­pro­mis­se und Eini­gun­gen – und ein paar weni­ge, übrig­ge­blie­be­ne Abstim­mun­gen. Im Hoch­schul­ka­pi­tel wird es bei­spiels­wei­se um die Fra­ge einer Mas­ter­platz­ga­ran­tie und dar­um, ob es eine Aus­sa­ge zu Stu­di­en­ge­büh­ren für Stu­die­ren­de aus dem Nicht-EU-Aus­land geben soll. Bei ande­ren The­men – etwa mehr Trans­pa­renz hin­sicht­lich der Hoch­schul­haus­hal­te oder der Mög­lich­keit eines Teil­zeit­stu­di­ums – hat es (modi­fi­zier­te) Über­nah­men gege­ben. Wer es genau­er wis­sen will, fin­det alle Ver­fah­rens­über­sich­ten mit dem aktu­el­len Stand unter dem Link oben. Eini­ges wird sicher­lich auch erst auf dem Par­tei­tag aus­ver­han­delt werden.

Ich ken­ne mich da nicht so genau aus, aber ich glau­be, ande­re Par­tei­en gehen mit Ände­rungs­an­trä­gen anders um. Das fängt schon dabei an, dass bei uns nicht nur Kreis­ver­bän­de und Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaf­ten antrags­be­rech­tigt sind, son­dern auch min­des­tens zehn ein­zel­ne Mit­glie­der (egal, ob dele­giert zur LDK oder nicht). Auch das erklärt die gro­ße Zahl an Ände­rungs­an­trä­gen. Die Antrags­kom­mis­si­on kann zu die­sen Anträ­gen letzt­lich nur drei Din­ge emp­feh­len: Über­nah­me (d.h. Auf­nah­me in den Pro­gramm­text ohne Ein­zel­ab­stim­mung), „modi­fi­zier­te Über­nah­me“ (nach Ver­hand­lun­gen mit den Antragsteller*innen wird nicht der eigent­li­che Ände­rungs­an­trag, son­dern z.B. eine gekürz­te und abge­schwäch­te Ver­si­on, die aber die Inten­ti­on der Antragsteller*innen trifft, in das Pro­gramm auf­ge­nom­men) sowie Abstim­mung (die rund 200 Dele­gier­ten ent­schei­den, ob der Ände­rungs­an­trag ins Pro­gramm kommt oder nicht). In die­sem Pro­zess kann es dazu kom­men, dass Anträ­ge als „erle­digt“ gekenn­zeich­net wer­den kön­nen, weil z.B. ein ähn­li­cher Ände­rungs­an­trag über­nom­men wur­de, und dass Antragsteller*innen ihre Anträ­ge zurück­zie­hen (die Grün­de dafür sind indi­vi­du­ell höchst unter­schied­lich). Was die Antrags­kom­mis­si­on nicht kann, was aber z.B. bei der SPD gang und gebe ist, ist eine Nicht­be­fas­sung oder eine Über­wei­sung an ein ande­res Par­tei­or­gan oder an die Frak­ti­on zu erzwingen. 

Inso­fern sieht die Par­tei­tags­re­gie auch rund zehn Stun­den für die Aus­spra­chen und Abstim­mun­gen zu den ein­zel­nen Pro­gramm­tei­len vor. Im Ergeb­nis wird’s ein arbeits­rei­cher Par­tei­tag, bei dem am Schluss ein Pro­gramm steht, das auf Ideen aus einem Betei­li­gungs­pro­zess – intern wie extern – basiert, vie­le Run­den durch Par­tei­gre­mi­en gedreht hat und auch mor­gen und über­mor­gen noch ein­mal an vie­len Stel­len ergänzt, ver­än­dert und über­ar­bei­tet wird. Danach haben wir dann eine aus­führ­li­che und inhalt­lich gute Grund­la­ge für den Wahl­kampf und für hof­fent­lich anste­hen­de Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen. Und weil wir mit ruhi­ger Hand an das Anknüp­fen wol­len, was in die­ser Legis­la­tur­pe­ri­ode erreicht wur­de, hat sich die Tona­li­tät im Ver­gleich zum letz­ten Pro­gramm deut­lich ver­än­dert: Es geht jetzt eher dar­um, Begon­ne­nes fort­zu­set­zen und dar­auf auf­zu­bau­en als um das gro­ße Fens­ter­auf­rei­ßen, das in Baden-Würt­tem­berg vor fünf Jah­ren noch drin­gend not­wen­dig war.

Kurz: Der Programmwettstreit ist eröffnet

Wäh­rend die FDP bereits ein fer­tig ver­ab­schie­de­tes Wahl­pro­gramm vor­ge­legt hat, gibt es von uns und von der CDU inzwi­schen Ent­wür­fe, die im Win­ter abge­stimmt werden.

- Bünd­nis 90/Die Grü­nen: Ent­wurf des Regie­rungs­pro­gramms (Okt. 2015)

- CDU: Ent­wurf des Regie­rungs­pro­gramms (Okt. 2015)

- FDP: Wahl­pro­gramm zur Land­tags­wahl (Par­tei­tags­be­schluss, Juni 2015)

Die SPD hat ange­kün­digt, ihr Pro­gramm im Janu­ar 2016 beschlie­ßen zu wol­len, d.h. auch hier wird es ver­mut­lich in Kür­ze einen Ent­wurf geben.

Auf­fäl­lig ist, dass – mit Aus­nah­me der FDP – der Pro­gramm­er­stel­lung jeweils recht umfang­rei­che par­tei­in­ter­ne und teil­wei­se auch öffent­li­che Betei­li­gungs­pro­zes­se statt­ge­fun­den haben. 

Kurz: Partei der Vergangenheit

Ein The­ma der baden-würt­tem­ber­gi­schen Pres­se ist der Lan­des­par­tei­tag der AfD, der am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de statt­fand. Tenor der Bericht­erstat­tung: Die AfD freut sich schon jetzt dar­auf, durch ihren Land­tags­ein­zug Grün-Rot ein Ende zu berei­ten. Und wenn dafür ein paar Mona­te lang die par­tei­ei­ge­nen Rech­tes­ex­tre­men in Zaum gehal­ten wer­den müs­sen, will die baden-würt­tem­ber­gi­sche AfD das ger­ne tun.

In der Pres­se­be­richt­erstat­tung wur­den auch zen­tra­le Punk­te aus dem Wahl­pro­gramm der AfD dar­ge­stellt. Eigent­lich könn­te auch das Pro­gramm jeder halb­wegs moder­nen und pro­gres­si­ven Par­tei genom­men wer­den, und ein „nicht“ davor­ge­schrie­ben wer­den. Das Ergeb­nis heißt dann, zuge­spitzt: Gren­zen zu, Frem­den­feind­lich­keit und Angst um die Rein­heit der eige­nen Kul­tur, Gen­der­hass – also die Ableh­nung jeder Form von Tole­ranz für unter­schied­li­che sexu­el­le Ori­en­tie­run­gen und Lebens­for­men sowie die Ableh­nung aller Eman­zi­pa­ti­ons­be­stre­bun­gen sowie – als neu­er Akzent, der mit bis­her nicht so bewusst war, auch ein „Nein zur Ener­gie­wen­de“ bis hin zur Ver­län­ge­rung der Lauf­zeit von Atom­kraft­wer­ken. Und Euro­pa wird ja bekannt­lich auch nicht geliebt von der AfD.

Oder kür­zer: die­se Par­tei steht für das Zurück­dre­hen jeg­li­chen gesell­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Fort­schritts der letz­ten 50 bis 100 Jah­re. Ihr Ange­bot heißt Back­lash und Reaktion.

Der Fünf-Prozent-Hebel

Mit der Fünf-Pro­zent-Hür­de ist das so eine Sache. Der­zeit gibt es eine gan­ze Rei­he von Land­tags­wahl­um­fra­gen in den ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern, in denen zwei oder sogar drei Par­tei­en bei fünf Pro­zent lie­gen. Am Bei­spiel der jüngs­ten Baden-Würt­tem­berg-Umfra­ge lässt sich die Hebel­wir­kung der Fünf-Pro­zent-Hür­de gut darstellen. 

Vor­ne­weg: Ich bin auch nach den neus­ten Zah­len ziem­lich zuver­sicht­lich, dass wir im März 2016 eine Fort­set­zung von Grün-Rot hin­krie­gen. Lan­des­re­gie­rung und Minis­ter­prä­si­dent haben hohe Zustim­mungs­wer­te, der CDU-Kan­di­dat zieht nicht – und wenn wir es schaf­fen, bis zum Wahl­tag zu ver­mit­teln, dass es not­wen­dig ist, die loka­len Kan­di­da­tIn­nen von Grü­nen (oder zur Not der SPD) zu wäh­len, um Baden-Würt­tem­berg wei­ter zu moder­ni­sie­ren, dann klappt es auch.

Aber jetzt zu den aktu­el­len Zahlen:

CDU – 39 Prozent
GRÜNE – 26 Prozent
SPD – 17 Prozent
FDP – 5 Prozent
AFD – 5 Prozent
LINKE – 4 Prozent

CDU und FDP kämen dem­nach auf 44 Pro­zent, GRÜNE und SPD auf 43 Pro­zent. Koali­tio­nen mit der AFD sind hof­fent­lich aus­ge­schlos­sen. Rea­lis­tisch wäre also eine der bei­den lager­über­grei­fen­den Koalitionen.

Wenn die AFD nicht bei 5,0 Pro­zent, son­dern bei 4,95 Pro­zent liegt, sieht es ganz anders aus – dann hät­te Schwarz-Gelb ver­mut­lich eine knap­pe Mehr­heit (je nach­dem, wie sich Pro­zen­te in Sit­ze umrech­nen, aber das ist eine ande­re Frage).

Anders­her­um: AFD bei 5,0 Pro­zent, FDP bei 4,95 Pro­zent. Grün-Rot läge zwar vor der CDU, hät­te aber kei­ne Mehr­heit – sie­he oben.

AFD und FDP bei­de bei 4,95 Pro­zent – und eine Ver­än­de­rung von nur 0,1 Pro­zent­punk­ten führt plötz­lich zu einer kla­ren grün-roten Mehr­heit im Landtag.

Die­ses Rechen­spiel lie­ße sich unter Ein­be­zie­hung der LINKEN belie­big fortsetzen.

Was ich sagen will: solan­ge es eine Fünf-Pro­zent-Hür­de gibt, rei­chen ganz weni­ge Pro­zent­punk­te aus, um die Mehr­heits­bil­dung fun­da­men­tal zu ver­än­dern. Je nied­ri­ger die­se Hür­de wäre, des­to gerin­ger wür­de die­se Hebel­wir­kung ausfallen.

Mit Blick auf den wei­te­ren Moder­ni­sie­rungs­be­darf in Baden-Würt­tem­berg kann die Fünf-Pro­zent-Hür­de sich als hilf­rei­ches Instru­ment ent­pup­pen. Bes­ser und ehr­li­cher wäre eine grün-rote Mehr­heit, die nicht von der­ar­ti­gen Unwäg­bar­kei­ten abhängt. Und dafür müs­sen wir GRÜNE, aber auch die SPD, bis zum Wahl­tag noch ein biss­chen zule­gen. Ich bin zuver­sicht­lich, dass wir das hinkriegen.

War­um blog­ge ich das? Weil es am 13. März 2016 auf jede Stim­me ankom­men wird.

Kurz: Munition

In der grü­nen BAG Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik haben wir über einen län­ge­ren Zeit­raum die Fra­ge des Ver­hält­nis­ses von Wis­sen­schaft und Poli­tik dis­ku­tiert. In Baden-Würt­tem­berg lässt sich die­se Pro­ble­ma­tik gera­de mus­ter­gül­tig bestau­nen: zu den neu ein­ge­führ­ten Gemein­schafts­schu­len gibt es eine wis­sen­schaft­li­che Begleit­for­schung. Ein Gut­ach­ten aus die­ser Begleit­for­schung zu einer Schu­le, das wohl – ich ken­ne es nicht – eine Rei­he von Schwach­punk­ten und Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten auf­lis­tet, war dann ges­tern für die FAZ Grund­la­ge genug für einen Mehr­spal­ter, in dem die Gemein­schafts­schu­le in Grund und Boden ver­teu­felt wur­de. Und natür­lich gefun­de­nes Fres­sen für den Oppo­si­ti­ons-Wolf. Den inter­es­siert nicht, dass es ein Gut­ach­ten zu einer Schu­le ist, und die kom­plet­te Stu­die erst im Janu­ar abge­schlos­sen ist. Den inter­es­siert nicht, dass die Logik wis­sen­schaft­li­cher Arbei­ten und Bewer­tun­gen eine ande­re ist als die der Poli­tik. Der sieht nur einen wei­te­ren Stroh­halm, um sein liebs­tes Vor­ur­teil zu bestä­ti­gen, das in der so pein­li­chen wie bekann­ten For­de­rung mün­det, Gemein­schafts­schu­len aller­höchs­tens zu dul­den, aber auf kei­nen Fall wei­ter aus­zu­bau­en. So wird aus Wis­sen­schaft Muni­ti­on – was kei­ner Sei­te gerecht wird.