Objektive Ästhetik im Freiburger Wahlkampf

Ein zen­tra­les Wahl­kampf­werk­zeug ist das Pla­kat. Im Kom­mu­nal­wahl­kampf ent­fal­tet sich hier die freie Krea­ti­vi­tät, weit­ge­hend ohne Bin­dung an zen­tra­le Vor­ga­ben. Umso wich­ti­ger ist es, einen neu­tra­len Über­blick dar­über zu bekom­men. Des­we­gen hat eine unab­hän­gi­ge Jury – d.h. ich – alle im Frei­bur­ger Stadt­bild hän­gen­den Wahl­kampf­pla­ka­te gesich­tet und anhand der objek­ti­ven Kri­te­ri­en Ästhe­tik, Ori­gi­na­li­tät, Gene­rie­rung von Auf­merk­sam­keit, kom­men Inhal­te rüber, kom­men Per­so­nen rüber, und wie oft hängt das über­haupt bewer­tet. Das Ergeb­nis erstaunt – Lin­ke Lis­te und gleich danach die CDU füh­ren an. Eine Par­tei oder Lis­te, die mir – nur anhand der Pla­ka­te beur­teilt, ver­steht sich – wirk­lich gut gefällt, habe ich aller­dings nicht gefunden.

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Andrang auf den Freiburger Gemeinderat – und die Folgen?

Hinter Gittern I

Wäh­rend im Land­kreis Breis­gau-Hoch­schwarz­wald mit Ort­schafts­rat, Gemein­de­rat und Kreis­tag bei der Kom­mu­nal­wahl Anfang Juni bis zu drei kom­mu­na­le Gre­mi­en zu wäh­len sind, ist es für die meis­ten Bür­ge­rIn­nen Frei­burgs nur der Stadt­rat. Viel­leicht auch des­halb ist der Andrang umso grö­ßer. Laut Badi­scher Zei­tung haben bis­her elf Lis­ten erklärt, für die Wahl anzu­tre­ten. 1994 waren es zwölf, von denen zehn dann auch in den Stadt­rat ein­ge­zo­gen sind. Aber das kann ja noch wer­den (nein, ich will damit kei­ne Gerüch­te in die Welt setzen).

Mal schau­en, ob wir die Lis­ten zusammenkriegen.

Da sind zum einen die Grup­pie­run­gen, die bis­her schon im 48-köp­fi­gen Gemein­de­rat sitzen:

1. Bünd­nis 90/Die Grü­nen11 Sit­ze 12 Sitze,
2. Jun­ges Frei­burg (der­zeit in Frak­ti­ons­ge­mein­schaft mit Bünd­nis 90/Die Grü­nen als „Jun­ges Freiburg/Die Grü­nen“) – waren mal 2 Sit­ze, einer davon ist aktu­ell Grü­ner (s. Kom­men­tar), tritt aller­dings jetzt für die Frei­en Wäh­ler an, also: 1 Sitz
3. Grü­ne Alter­na­ti­ve Frei­burg (Abspal­tung der grü­nen Frak­ti­on) – 2 Sitze

4. SPD – 8 Sitze

5. Lin­ke Lis­te (Links­par­tei, DKP, etc.) – 3 Sitze
6. Unab­hän­gi­ge Frau­en – 1 Sitz
7. Kul­tur­lis­te – 2 Sitze
(alle drei in einer Frak­ti­ons­ge­mein­schaft)

8. Freie Wäh­ler – 4 Sitze

9. FDP – 2 Sitze

10. CDU – 13 Sitze

Neu hin­zu kommt laut dem oben zitier­ten BZ-Arti­kel als 11. die Lis­te „Für Frei­burg – Poli­tik aus christ­li­cher Ver­ant­wor­tung“, hin­ter der eine „Evan­ge­li­sche Alli­anz“ frei­kirch­lich-evan­ge­li­ka­ler Gemein­den steht (und auf der u.a., Auf­ma­cher des BZ-Arti­kels, zwei von den jewei­li­gen Grup­pie­run­gen nicht wie­der auf­ge­stell­te Stadt­rä­te der CDU und der Frei­en Wäh­ler kandidieren).

Grund für den Andrang ist natür­lich auch das baden-würt­tem­ber­gi­sche Kom­mu­nal­recht, dass kei­ne 5-%-Klausel kennt. Die Hür­de, einen Sitz zu errin­gen, ist also rela­tiv nied­rig. Eben­so kommt Kumu­lie­ren (einer Kan­di­da­tIn mehr als eine Stim­me geben) und Pana­schie­ren (Kan­di­da­tIn­nen einer ande­ren Lis­te mit auf die eigent­lich gewähl­te Lis­te schrei­ben) zum Einsatz. 

Ich hal­te es nicht für unwahr­schein­lich, dass noch eine 12. oder 13. Lis­te hin­zu­kommt (Rechts­extre­me oder auch die ÖDP, bei­spiels­wei­se). Wenn wir von 12 Lis­ten aus­ge­hen, sind das 576 Per­so­nen, die zur Wahl ste­hen. Ent­spre­chend umfang­reich sind die Stimm­zet­tel, ent­spre­chend spas­sig ist das Auszählen.

Bis­her war die Frak­ti­ons­ge­mein­schaft aus Grü­nen und Jun­gem Frei­burg stärks­te Grup­pie­rung im Gemein­de­rat. Dies könn­te sich mit der Kom­mu­nal­wahl im Juni ändern, falls es der Grü­nen Alter­na­ti­ve Frei­burg gelingt, Bünd­nis 90/Die Grü­nen zwei oder mehr Man­da­te abzu­neh­men, und wenn Jun­ges Frei­burg unter sei­ner – so neh­me ich das jeden­falls wahr – der­zei­ti­gen Kon­tur­lo­sig­keit lei­det. Aber auch die CDU wird mög­li­cher­wei­se an Freie Wäh­ler, die ja bekann­ter­ma­ßen noch im bun­des­wei­ten Auf­wind befind­li­che FDP oder eben die neue evan­ge­li­ka­le Lis­te abge­ben müs­sen. Zudem tre­ten bei der CDU eini­ge bekann­te Per­so­nen nicht wie­der an – bei den Grü­nen dafür vie­le erneut; auch das hat schon zu Kla­gen (im emo­tio­na­len Sin­ne ;-) Anlass gege­ben.

Es könn­te also sein, dass die bei­den größ­ten Grup­pie­run­gen im Gemein­de­rat an Stim­men und Sit­zen ver­lie­ren. Damit könn­te das kom­mu­na­le Äqui­va­lent zum bun­des­wei­ten „Fünf-Par­tei­en-Sys­tem“ wirk­kräf­tig wer­den – und viel­leicht wie­der wech­seln­de Mehr­hei­ten im Gemein­de­rat zum Regel­fall. Der­zeit ist es ja doch vor allem die hin­ter dem OB Die­ter Salo­mon ste­hen­de kon­ser­va­tiv-grü­ne Alli­anz aus CDU, JF/Grünen und Frei­en Wäh­lern, die ger­ne auch mal mehr­heit­lich durch­zockt, wenn ich das so sagen darf – aus mei­ner Sicht nicht immer zum Woh­le der Stadt. Das könn­te sich im nächs­ten Gemein­de­rat ändern. 

War­um blog­ge ich das? Weil ich zwar die­ses Jahr nicht auf der grü­nen Stadt­rats­lis­te ste­he (und auch nicht auf kei­ner ande­ren), aber trotz­dem die Frei­bur­ger Lokal­po­li­tik als Ein­woh­ner der Stadt gespannt beobachte.

Listenaufstellung der Freiburger Grünen

Ich war nicht dabei, weil ich in Han­no­ver weil­te, wei­len muss­te. Ger­ne hät­te ich mit­ge­stimmt. Ob mei­ne Stim­me aber was geän­dert hätte? 

Jeden­falls liegt jetzt das Ergeb­nis der Lis­ten­auf­stel­lung der Frei­bur­ger Grü­nen vom Wochen­en­de vor. Gro­ße Über­ra­schun­gen gab es dabei kei­ne, das ein­zi­ge „unge­plan­te“ Gesicht unter den aus­sichts­rei­chen Plät­zen ist der von mir durch­aus geschät­ze Kul­tur­po­li­ti­ker Timo­thy Simms. 

Eine aus­führ­li­che und ziem­lich offe­ne Bewer­tung der Lis­ten­auf­stel­lung gibt es bei Grü­nes­Frei­burg (von Tho­mas Kode­risch). Es stellt sich im Anklang an die­sen Arti­kel schon die Fra­ge, ob eine Ver­samm­lung, bei der eine Min­der­heit von etwa einem Drit­tel sich nach­her schlecht ver­tre­ten fühlt, die bes­te Aus­gangs­la­ge für eine erfolg­rei­che Kom­mu­nal­wahl 2009 ist. Und wer da aktiv Wahl­kampf machen wird. 

Kon­stan­tin Gör­lich nimmt das Ergeb­nis gleich zum Anlass, auf die (Grün-)Alternative (GALFR) hin­zu­wei­sen. Die haben inzwi­schen nicht nur das schi­cke­re Logo, son­dern, wenn es GALFR gelingt, eine über die übli­chen Ver­däch­ti­gen hin­aus­rei­chen­de Kan­di­da­tIn­nen-Lis­te auf­zu­stel­len, ernst­haf­te Chan­cen, eine gan­ze Rei­he „grü­ner“ Stim­men ein­zu­heim­sen. Nicht zuletzt des­we­gen, weil das baden-würt­tem­ber­gi­sche Kom­mu­nal­wahl­sys­tem es ja erlaubt, Stim­men über meh­re­re Lis­ten zu ver­tei­len. Wenn ich GALFR wäre, wür­de ich jetzt ver­su­chen, Leu­te aus Bür­ger­initia­ti­ven, Eltern­grup­pen, der „Sze­ne“ usw. ein­zu­bin­den. Ich bin gespannt, ob das gelingt.

Der grü­ne Kreis­ver­band Frei­burg hat­te, wenn ich das als Frei­bur­ger Bür­ger so sagen darf, die Chan­ce, mit der Lis­ten­auf­stel­lung zu zei­gen, dass Grü­ne auch in Frei­burg immer noch und immer wie­der für „chan­ge“ ste­hen, und dass Viel­falt auch nach diver­sen Aus- und Über­trit­ten wei­ter­hin wich­tig ist. Das Ergeb­nis der Lis­ten­auf­stel­lung weist nicht in die­se Rich­tung. Damit will ich jetzt gar nicht die Arbeit der vie­len Fach­po­li­ti­ke­rIn­nen her­ab­wür­di­gen. Aber ein über die Sum­me der Tel­ler­rän­der hin­aus­wei­sen­des zukunfts­fä­hi­ges Per­so­nal­ta­bleau, das wirk­lich neue Akzen­te setzt, sieht nun lei­der ein­mal anders aus. 

Licht­blick an der gan­zen Sache: das offe­ne Aus­fech­ten der – so mei­ne Aus­sen­wahr­neh­mung – auch inner­halb des KV Frei­burg schon län­ger schwel­len­den Kon­flik­te, die signi­fi­kan­te Min­der­heit für einen Poli­tik­wech­sel, und das wohl doch vor­han­de­ne Gespür dafür, wel­che Mit­glie­der der Frak­ti­ons­füh­rung für eini­ge der „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me“ der letz­ten Zeit haupt­ver­ant­wort­lich sind.

War­um blog­ge ich das? Weil ich die gan­ze Vor­ge­schich­te der Lis­ten­auf­stel­lung recht genau beob­ach­tet habe, mir – vor eini­ger Zeit – auch schon über­legt habe, ob ich selbst ver­su­chen soll, mich stär­ker in die Frei­bur­ger Kom­mu­nal­po­li­tik ein­zu­brin­gen, und mich dann ange­sichts der poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen (und mei­ner Zeit­res­sour­cen) dage­gen ent­schie­den habe, den Ver­such zu wagen. Umso mehr gilt mein Respekt all denen, die es auch ohne „Zusa­ge“ siche­rer Plät­ze ver­sucht haben.

Unabhängige Listen und Grüne – auch anderswo ein Thema

Als vor ein paar Mona­ten das The­ma „Grü­ne Alter­na­ti­ve Lis­te spal­tet sich von der Frak­ti­on ab“ auf der Tages­ord­nung stand, sah es nach einem loka­len Frei­bur­ger Pro­blem aus. Inzwi­schen sind auch anders­wo ähn­li­che Ten­den­zen zu beob­ach­ten – bzw. ganz anders inten­dier­te Ten­den­zen, die zu ähn­li­chen Ergeb­nis­sen führen. 

Rainbow mosaic, part II

Das pro­mi­nen­tes­te Bei­spiel ist der­zeit Hei­del­berg: Hier wur­den die Grü­nen jah­re­lang und his­to­risch gewach­sen durch eine Grün-Alter­na­ti­ve Lis­te (GAL) im Gemein­de­rat ver­tre­ten. Die Grü­nen – Hei­del­berg ist u.a. der Wahl­kreis von Fritz Kuhn und The­re­sia Bau­er – haben beschlos­sen, die­se Frak­ti­ons­ge­mein­schaft auf­zu­kün­di­gen und fort­an mit einer eige­nen Lis­te anzu­tre­ten. Das Kli­ma ist ver­gif­tet, der Draht zwi­schen Par­tei und loka­ler sozia­ler Bewe­gung scheint, soweit das von außen beur­teil­bar ist, zer­schnit­ten zu sein. Die GAL/grüne Frak­ti­on im Gemein­de­rat hat sich gespal­ten, es sit­zen also auch hier zwei Grü­ne Lis­ten im Gemeinderat.

Jetzt wird dar­über dis­ku­tiert, ob die­je­ni­gen, die wei­ter­hin auf der GAL-Lis­te antre­ten – dar­un­ter Urge­stei­ne der Hei­del­ber­ger Grü­nen – aus der Par­tei aus­ge­schlos­sen wer­den sol­len. Pikant wird die Sache, weil auch Memet Kilic, gera­de auf Platz 10 der Bun­des­tags­lis­te (Grü­ne) gewählt, zu den GAL-Kan­di­da­tIn­nen gehört. Neben­bei bemerkt: die Mög­lich­keit, dass so eine Situa­ti­on ein­tritt, wur­de im Flur­funk des Lan­des­par­tei­tags als ein Argu­ment genannt, Memet nicht zu wählen.

Und auf einer ganz ande­ren Ebe­ne spielt Jan Sei­fert das Gedan­ken­ex­pe­ri­ment durch, dass sich der geschwäch­te Rea­lo-Refor­mer-Flü­gel von „Bünd­nis 90/Die Grü­nen“ ver­ab­schie­den könn­te, im Sinn grün-libe­ra­ler Par­tei­en, wie es sie in der Schweiz gibt. Jan kommt zu dem Schluss, dass das nicht wirk­lich ein Erfolgs­pro­jekt wäre, weil die Ver­an­ke­rung in der Basis einer neu­en grün-libe­ra­len Par­tei um Özd­emir, Pal­mer & Co. mög­li­cher­wei­se feh­len würde.

Stich­wort Basis: damit sind wir wie­der beim Ein­gangs­the­ma: Grü­ne und unab­hän­gi­ge Lis­ten. Man­cher­orts schei­nen ent­spre­chen­de Dop­pel-Kan­di­da­tu­ren ganz pro­blem­los zu funk­tio­nie­ren (z.B. gibt es in Rott­weil neben den Grü­nen auch eine Frau­en­lis­te, auf der vie­le grü­ne Frau­en antre­ten). Ich sehe dar­in sogar Chan­cen, das Wäh­ler­spek­trum zu erwei­tern, wenn’s geschickt gemacht wird. Die Dro­hung mit Par­tei­aus­schlüs­sen ist aller­dings eben­so wie das gegen­sei­ti­ge öffent­li­che Beschimp­fen was ganz ande­res als „geschickt gemacht“. 

Mein Fazit: es soll­te sich loh­nen, dafür zu kämp­fen, auf der Lan­des- und Bun­des­ebe­ne die Par­tei zusam­men­zu­hal­ten (nicht zuletzt auf­grund der 5 %-Hür­de) – und auf der Kom­mu­nal­ebe­ne einen modus viv­de­ni zu fin­den (oder fort­zu­tra­gen), der unter­schied­li­che Aspek­te grü­ner Pro­gram­ma­tik und grü­ner Geschich­te – auch außer­halb des par­tei­li­chen Rah­mens – best­mög­lich leben­dig erhält. Wenn wir – Par­tei­grü­ne und sons­ti­ge Grü­ne – vor Ort stark blei­ben wol­len, dann geht das am bes­ten gemein­sam, am zweit­bes­ten in Lis­ten, die sich gegen­sei­tig nicht als „Geg­ner“ betrach­ten, und über­haupt nicht, wenn Grü­ne sich plötz­lich nicht mehr grün sind. Auch sol­che im bes­ten Sin­ne libe­ra­len Umgangs­for­men mit Viel­falt auf der Kom­mu­nal­ebe­ne sind ein ent­schie­de­ner Bei­trag zur Geschlos­sen­heit der Par­tei, egal, wie para­dox das erst ein­mal klin­gen mag.

War­um blog­ge ich das? Weil mir dass dann viel­leicht doch ein biß­chen zuviel der „Nor­ma­li­sie­rung“ der grü­nen Par­tei dar­stellt.

Ideen gesucht: Infostand 2.0 (Update 5)

In den letz­ten Jahr­zehn­ten gab es für Wahl­kämp­fe zwei Haupt­spiel­fel­der: die Are­na der bun­des­wei­ten Mas­sen­me­di­en – vom Talk­show­auf­tritt bis zum Bericht über den Par­tei­tag – auf der einen Sei­te, und die Stra­ße mit Pla­ka­ten, Info­stän­den, dem Ver­tei­len von Fly­ern und Haus­be­su­chen auf der ande­ren Sei­te. Irgend­wo dazwi­schen dann noch „Hin­ter­zim­mer­ver­an­stal­tun­gen“ (also die übli­chen Podi­ums­dis­kus­sio­nen und Refe­ra­te) und neue Akti­vi­täts­for­men wie Vorwahlpartys. 

All­mäh­lich ent­de­cken die Par­tei­en (nicht zuletzt ange­sichts der Kam­pa­gnen von Howard Dean 2004 und Barack Oba­ma 2008), dass mit dem Web 2.0 die Mög­lich­keit eröff­net wur­de, einen neu­en Raum für Inter­ak­tio­nen zwi­schen Par­tei­en und Öffent­lich­keit zu nut­zen. Im Sinn von „Visi­ten­kar­ten“ oder „Schau­fens­tern“, ja selbst von „vir­tu­el­len Par­tei­zen­tra­len“ (C. Bie­ber) ist die­se Ent­de­ckung schon ein paar Jah­re alt und inzwi­schen recht gut eta­bliert (R. Kuh­len spricht von der jetzt auch schon zehn Jah­re zurück­lie­gen­den Bun­des­tags­wahl 1998 als „Mond­lan­dung des Inter­net“). Neu ist die Ent­de­ckung, dass das Inter­net eben nicht nur die Mög­lich­keit bie­tet, Infor­ma­tio­nen zu sen­den, Pro­gram­me und Kan­di­da­tIn­nen zu prä­sen­tie­ren, und auch über das Eröff­nen von Foren hin­aus­geht, son­dern tat­säch­lich einen vir­tu­el­len Raum dar­stellt, in dem Men­schen sich sowohl auf­hal­ten als auch aktiv sind. 

Blogging
Live-Blog­ging bei der baden-würt­tem­ber­gi­schen Regio­nal­kon­fe­renz um Grundeinkommen/Grundsicherung

Soweit die Vor­be­mer­kung. Was bedeu­tet es nun, das „Web 2.0“ für Wahl­kämp­fe und Par­tei­kom­mu­ni­ka­ti­on zu nut­zen? Nahe­lie­gend sind dabei zwei Din­ge: zum einen der „user gene­ra­ted con­tent“, also die akti­ve Betei­li­gung von Men­schen, und zum ande­ren die sozia­le Ver­net­zung über das Inter­net. Dabei ent­ste­hen dann Din­ge wie meinespd.net oder my.fdp als gro­ße par­tei­po­li­ti­sche Web 2.0‑Plattformen bzw. Com­mu­ni­ties, und auf einem klei­ne­ren Level par­tei­po­li­ti­sche Blogs, Pod­casts (a la Mer­kel …) und Wiki-Expe­ri­men­te (pdf).

In die­sem Rah­men bewe­gen sich auch Über­le­gun­gen, wie Bünd­nis 90/Die Grü­nen, lan­ge Zeit netz­po­li­ti­sche Vor­rei­ter und wei­ter­hin eine Par­tei mit einer sehr netz­af­fi­nen Wäh­ler­schaft, bes­ser mit dem Web 2.0 klar­kom­men kön­nen. Es gibt vie­le Blogs ein­zel­ner Leu­te und Kam­pa­gnen­blogs zu Kli­ma oder Über­wa­chung, mehr oder weni­ger alle Abge­ord­ne­ten haben ihre Web­sites, auf den Bun­des- und Lan­des­ver­bands­sei­ten sind häu­fi­ger mal Pod­casts und inter­ak­ti­ve Schnipp­sel (wie der „Grün-o-mat“) zu fin­den usw. Ab und zu wird mit die­sen oder jenen Ele­men­ten des Web‑2.0‑Portfolio expe­ri­men­tiert – die­se Expe­ri­men­te (etwa BDK inter­ak­tiv oder Wikis für Pro­gramm­bau­stei­ne) ver­schwin­den aber genau so schnell wie­der, wie sie gekom­men sind. Ein ein­heit­li­ches Kon­zept fehlt weit­ge­hend, ist in der sehr auf Auto­no­mie bedach­ten Struk­tur der Par­tei wohl auch schlecht durch­setz­bar. Eben­so gibt es bis­her nichts in Rich­tung „mein grün“ für Mit­glie­der und erst recht nicht für WählerInnen. 

2009 ste­hen nun Europa‑, BaWü-Kom­mu­nal- und Bun­des­tags­wahl an. Umso drän­gen­der wird die Fra­ge, in wel­che Rich­tung sich der „green space“ ent­wi­ckeln soll. Dabei geht es um ver­schie­de­ne Ziel­grup­pen für die Web‑2.0‑Nutzung der Par­tei; mir fal­len min­des­tens vier ein: 

  1. Grü­ne Funk­tio­nä­rIn­nen bzw. grü­ne Glie­de­run­gen, die ein­fach und schnell ins Netz wol­len (z.B. mit Word­Press). Bezo­gen auf den Kom­mu­nal­wahl­kampf heißt das bei­spiels­wei­se auch: unge­fähr 500 grü­ne und grün-nahe Lis­ten und etwa zehn­mal so vie­le Kan­di­da­tIn­nen könn­ten im Netz auf­tau­chen. Aber auch außer­halb des Wahl­kampfs soll­te der vir­tu­el­le Info­stand nicht ein­ge­klappt werden.
  2. Grü­ne Mit­glie­der und Akti­ve, die sich mit Gleich­ge­sinn­ten aus­tau­schen und kurz­schlie­ßen wol­len – neben Blogs fin­det da viel heu­te in Mai­ling­lis­ten statt, so ist’s jeden­falls im lin­ken Flügel.
  3. (Poten­zi­el­le) Wäh­le­rIn­nen, die mehr wol­len, als nur eine Hoch­glanz­web­site in die Hand gedrückt zu bekom­men, wobei das „mehr“ sowohl in Rich­tung Unter­hal­tung als auch in Rich­tung tie­fer­ge­hen­de Information/Interaktion gehen kann.
  4. Bis­her poli­tisch schlecht erreich­te „Neti­zens“, die, so die Ver­mu­tung eini­ger, eigent­lich viel mit Grün anfan­gen kön­nen müss­ten, wenn sie doch bloss mal her­schau­en würden.

Mei­ne Fra­ge an alle ist jetzt schlicht: wel­che (ziel­grup­pen­spe­zi­fi­schen) Bau­stei­ne sind not­wen­dig, um – mög­lichst jen­seits der gro­ßen Lösung – wir­kungs­voll den Info­stand 2.0 und mehr im vir­tu­el­len „green space“ auf­zu­stel­len? Oder anders gesagt: wel­che Ele­men­te wer­den (von wem) sehn­lichst herbeigewünscht?

War­um blog­ge ich das? Aus prin­zi­pi­el­lem Inter­es­se, aber auch, weil ver­schie­de­ne par­tei­in­ter­ne Ver­net­zun­gen zu die­sem The­ma exis­tie­ren, und ich mit man­chen dort vor­ge­schla­ge­nen „Hype“ und/oder Mar­ke­ting-Lösun­gen nicht so viel anfan­gen kann.

Update: Weil’s so schön passt, hier noch ein Hin­weis auf die gera­de erschie­nen Kurz­stu­die zu Poli­tik im Web 2.0 von new­thin­king (dabei geht es um die Nut­zung der exis­tie­ren­den Web 2.0‑Infrastrukturen durch Par­tei­en und PolitikerInnen).

Update 2: Spree­blick geht eben­falls auf die new­thin­king-Stu­die ein und fragt sich, wer die Web 2.0‑Lücke „schlie­ßen wird. Denn im Grun­de stellt die Abwe­sen­heit pro­fes­sio­nel­ler Poli­tik­kom­mu­ni­ka­ti­on eine Chan­ce dar. Denn wenn sich Men­schen ver­net­zen, ent­ste­hen Macht und Ein­fluss. Auch in Deutschland.“

Update 3: (4.7.2008) Viel­leicht noch eine ergän­zen­de Über­le­gung: mög­li­cher­wei­se sind klei­ne­re, spe­zia­li­sier­te­re Web 2.0‑Netzwerke für die Kom­mu­ni­ka­ti­on und Dis­kus­si­on poli­ti­sche Bot­schaf­ten inter­es­san­ter (oder zumin­dest eben­so inter­es­sant) wie die gro­ßen vier oder fünf (Face­book, Stu­diVZ, XING, …). Mir fal­len dabei einer­seits the­ma­tisch ori­en­tier­te Platt­for­men ein, also z.B. utopia.de (sie­he auch hier) mit The­men­schwer­punkt „nach­hal­tig leben“ (zu dem The­ma gibt’s natür­lich auch dut­zen­de klei­ne­re Blogs und Pro­jek­te), oder kaioo als „sozia­les“ social net­work (mehr bei Hen­ning), aber auch z.B. loka­li­sier­te Com­mu­ni­ties wie z.B. das BZ-nahe fud­der für Frei­burg (Stich­wor­te dazu hier) oder stuttgart-blog.net als Ver­net­zung der loka­len Blog-Sze­ne in Stutt­gart. Zu den Akti­vi­tä­ten loka­ler Zei­tun­gen im Netz steht pas­send heu­te was bei Spie­gel Online. Es gibt sicher noch eine gan­ze Rei­he mehr an loka­len Com­mu­ni­ties, selbst in Baden-Würt­tem­berg. Bis­her weni­ger erfolg­reich schei­nen mir dage­gen Sachen wie meinestadt.de (nur als Bei­spiel für die Klas­se von Platt­for­men genannt) zu sein, die ver­su­chen, ein glo­ba­les Sys­tem für loka­le Ange­bo­te auf­zu­bau­en. Das wächst von unten her IMHO besser.

Update 4: (6.7.2008) In der eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia gibt es eine lan­ge Lis­te von „social net­wor­king web­sites“. Scheint mir ganz hilfreich.

Update 5: (7.7.2008) Auch Hen­ning fragt in sei­nem Blog jetzt: „Was erwar­tet ihr von der Poli­tik im Web 2.0?“