Eine kinderwagenfreundliche Bahninfrastruktur wäre was

People waiting II
Schon ein paar Jah­re her das Foto – die Bahn­steig­si­tua­ti­on in Ham­burg ist aber wei­ter­hin iden­tisch schlecht

Puh – mit zwei Kin­dern, Kin­der­wa­gen und schwe­rem Gepäck mit der Bahn unter­wegs. Auf der Hin­fahrt ein Nacht­zug mit Fahr­rad­ab­teil – lei­der ohne irgend­ei­ne Per­son am Bahn­steig, die einem das sagen kann. Also Kin­der ins Abteil ste­cken und den Kin­der­wa­gen einen Wagen wei­ter hie­ven – Gang passt, aber die Tür ist einen hal­ben Zen­ti­me­ter zu schmal. Also zusam­men­le­gen und irgend­wie durch.

Aus­stieg in Ber­lin, Suche nach Auf­zü­gen. Der RE nach Ros­tock ist leer und hat Nie­der­flur. Ein Wickel­tisch wär Luxus, ok. Und der Bahn­hof in Ros­tock ver­fügt wie­der über eine erstaun­li­che Viel­falt an Aufzügen.

Rück­fahrt über Ham­burg. Der IC von Ros­tock nach Ham­burg ist gut, hat sogar Platz zum Abstel­len des Kin­der­wa­gens. Noch bes­ser, wenn mir der Ser­vice­point das hät­te sagen kön­nen („Fra­gen Sie das Zug­per­so­nal“). Und wenn der Wagen­stands­an­zei­ger gestimmt hät­te. So ren­nen, bei eini­gen Minu­ten Auf­ent­halt mach­bar. Hät­te nicht sein müssen.

Panik dann in Ham­burg. Extra viel Zeit zum Umstei­gen ein­ge­plant, trotz­dem zeigt der Durch­gangs­bahn­hof mit 14 Glei­sen sei­ne Tücken. Im Nor­mal­be­trieb gehört dazu, dass es pro Bahn­steig exakt einen Auf­zug gibt – eine der bei­den „Brü­cken“ über die Glei­se ist nur mit einem klei­nen Spa­zier­gang durch Ham­burg erreichbar. 

Bei uns dann Gleis 14: Der IC nach Nürn­berg ist mit 15 Minu­ten Ver­spä­tung ange­ge­ben. Sprich: zur Abfahrts­zeit unse­res ICE. Zwi­schen­drin dann noch ein ICE nach Mün­chen. Die Fra­ge: Run­ter mit dem Auf­zug (dau­ert mit War­te­schlan­ge ein paar Minu­ten) – oder lie­ber war­ten, bis sicher ist, dass das Gleis gleich bleibt?

Am Gleis ange­zeigt wer­den Züge im bun­ten Wech­sel. Bahn.de weiß auch nicht mehr. Also ein­mal mit dem Kin­der­wa­gen durch die war­ten­de Men­schen­men­ge von drei Fern­zü­gen gepflügt. Durch lau­te Rufe „Aus dem Weg!“ bis zum vor­bei­sau­sen­den Wagen 7 vor­ge­drun­gen. Kind und Kin­der­wa­gen in den Zug gewor­fen (das ande­re ist auf die­sem Weg zum Glück an der Hand der Großeltern).

Geschafft! Doch was ist das? Ers­tens fährt der Zug nicht ab – auch, weil noch Men­schen aus­stei­gen, die gar nicht in die­sen Zug woll­ten. Zwei­tens rea­li­sie­re ich, am fal­schen Ende von Wagen 7 zu ste­hen – zum Glück passt der Kin­der­wa­gen haar­scharf durch den Mit­tel­gang. Ange­kom­men! (Dass der Kin­der­wa­gen jetzt die Tür halb ver­sperrt, muss wohl so sein.)

War­um blog­ge ich das? Weil ich den­ke, dass das auch anders gehen müss­te. Und als klei­nen S21-Stress­test.

Kurz zu S21: Werft die Spinmaschinen an!

Protest park XXIIIHeu­te tag­te der Len­kungs­kreis Stutt­gart 21. Noch vor Ende der Sit­zung eil­te die Schlag­zei­le „Grün-rot will S21 wei­ter­bau­en“ über die Ticker bzw. Twit­ter. Das ist aller­dings ziem­lich irre­füh­rend. So weit ich das aus den ver­schie­de­nen Pres­se­be­rich­ten etc. rekon­stru­ie­ren kann, hat die grün-rote Lan­des­re­gie­rung bei die­ser Sit­zung dar­auf ver­zich­tet, einen förm­li­chen Antrag auf Bau­stopp zu stel­len (weil das bedeu­ten wür­de, dass so unge­fähr 50 Mio. Euro Kos­ten pro Monat Bau­stopp auf das Land zukom­men – zum Ver­gleich: ein­mal Stu­di­en­ge­büh­ren abschaf­fen kos­tet jähr­lich so unge­fähr 150 bis 200 Mio. Euro). Das war das „Kom­pro­miss­an­ge­bot“ der Bahn. Begrün­det wur­de der Ver­zicht auf einen förm­li­chen Antrag sei­tens der Lan­des­re­gie­rung nicht zuletzt damit, dass die den Zah­len der Bahn zugrun­de­lie­gen­den Daten unklar sind und kei­ne Grund­la­ge für einen Kabi­netts­ent­scheid oder gar einen Land­tags­be­schluss dar­stel­len können.

Ein Ver­zicht auf einen förm­li­chen Antrag auf Bau­stopp ist aber nun kein grü­nes Licht für den Wei­ter­bau. Auch wenn eini­ge Medi­en jetzt genau das signa­li­sie­ren. Recht­lich kann die Bahn die Bau­ar­bei­ten fort­füh­ren. Das Pro­test­ri­si­ko und auch das Risi­ko, auf Kos­ten sit­zen zu blei­ben, wenn S21 doch noch gestoppt wird (wg. Stress­test, wg. Über­schrei­tung des Kos­ten­rah­mens, wg. Volks­ab­stim­mung) liegt bei der Bahn. Ent­spre­chend sinn­voll ist es, dass Ver­kehrs­mi­nis­ter Win­ne Her­mann nicht auf die Erpres­sung (Bau­stopp gegen Ent­schä­di­gung) ein­ge­gan­gen ist, aber Pres­se­be­rich­ten zufol­ge klar signa­li­siert hat, dass das Land einen Wei­ter­bau zwar nicht stoppt, aber eben auch nicht gut­heißt. Die­se Posi­ti­on wur­de auch von vie­len S21-Geg­ne­rIn­nen begrüßt.

Ein inter­es­san­ter Aspekt dabei ist, wie zwi­schen 10 und 12 Uhr dann aus „Grün-rot will S21 wei­ter­bau­en“ ein „S21 kann zunächst wei­ter­ge­baut wer­den“ und schließ­lich ein „Bahn will wei­ter­bau­en“ wur­de. Mal schau­en, was die Spin­ma­schi­nen (inkl. des Net­zes) da bis mor­gen draus gemacht haben. Dabei inter­es­sant auch zu beob­ach­ten, wie wel­che Par­tei­en (hal­lo LINKE, hal­lo Pira­ten!) jetzt in Win­des­ei­le angeb­li­che „Wahl­lü­gen“ aus der Tasche zie­hen. Ohne den Ein­druck zu erwe­cken, zu ver­ste­hen, was da gera­de ent­schie­den wur­de. Und warum.

Minus zwei Minuten

Symbolbild ICENeu­er­dings gibt es ja eine gesetz­li­che Ver­an­ke­rung dafür, dass die Bahn bei Ver­spä­tun­gen Tei­le der Fahrt­kos­ten erstat­tet. Ab 60 Minu­ten Ver­spä­tung am Ziel­ort müs­sen – auf Antrag, d.h. nach dem Aus­fül­len eines recht lang­wie­ri­gen For­mu­lars – 25 Pro­zent des Fahr­prei­ses erstat­tet werden.

Vor kur­zem war ich mit der Bahn in Bonn. Auf der Rück­fahrt hat­te der Inter­ci­ty von Bonn nach Mann­heim Ver­spä­tung, so dass wir den Anschluss­zug dort ver­pass­ten. Die eigent­lich ange­dach­te Ver­bin­dung wäre um 18:59 Uhr in Frei­burg gewe­sen. Den ICE, den wir dann in Mann­heim neh­men konn­te, hat­te laut Fahr­plan 19:59 Uhr als Ankunftszeit. 

Im ver­spä­te­ten Zug von Bonn ver­teil­te der Zug­be­glei­ter von sich aus Ent­schä­di­gungs­for­mu­la­re. Nach­dem es eine pri­va­te Rei­se war, waren kei­ne Kon­flik­te zwi­schen der insti­tu­tio­nel­len Rei­se­kos­ten­er­stat­tung und der Deut­schen Bahn um Ori­gi­nal­fahr­kar­ten zu erwar­ten. Des­we­gen habe ich das mit der Ent­schä­di­gung mal aus­pro­biert, also das umfang­rei­che For­mu­lar ausgefüllt. 

Heu­te kam nun Post vom „Ser­vice­cen­ter Fahr­gast­rech­te“. Weil kurz vor Frei­burg noch mal mäch­tig beschleu­nigt wur­de, war der Zug zwei Minu­ten zu früh in Frei­burg. Sprich: 19:57 Uhr. Gefühl­te Ver­spä­tung: eine Stun­de. Fak­ti­sche Ver­spä­tung laut „Ser­vice­cen­ter“: 58 Minuten. 

„Wir bedau­ern die Ihnen ent­stan­de­nen Una­nehm­lich­kei­ten und bit­ten Sie gleich­zei­tig um Ver­ständ­nis, dass in Ihrem Fall kei­ne Ent­schä­di­gung gezahlt wer­den kann, da wir die gesetz­li­chen Rege­lun­gen zu den Fahr­gast­rech­ten gegen­über allen Kun­den in glei­cher Wei­se anwen­den müssen.“ 

Ein klei­nes biß­chen Ver­ständ­nis habe ich ja sogar. Viel­leicht ist es ein blö­der Zufall, dass der ICE gera­de hier mal ein biß­chen zu früh war. Und klar, recht­li­che Gleich­be­hand­lung – das ist schon ein Argument.

Trotz­dem bleibt der Ein­druck haf­ten, dass die recht­li­che Fest­le­gung der Zah­lungs­gren­ze von 60 Min­un­ten als Neben­ef­fekt alle Kulanzen aus­ge­löscht hat. Zudem gibt es jetzt im Stun­den­takt Anrei­ze, Ver­spä­tun­gen unter die magi­sche Stun­den­gren­ze zu drü­cken, um nur bloß nicht zah­len zu müs­sen. Der rela­tiv büro­kra­tisch Pro­zess der Ent­schä­di­gungs­be­an­tra­gung trägt ein übri­ges zu dem Ein­druck bei, dass die „Fahr­gast­rech­te“ von der Bahn weni­ger als Ser­vice den als poli­ti­sches Zuge­ständ­nis gese­hen wer­den, dass es mög­lichst zu umge­hen gilt.

Was bedeu­tet das nun umge­dreht? Tole­ran­te­re War­te­zei­ten, rea­lis­ti­sche Fahr­plä­ne, die auch tat­säch­lich ein­ge­hal­ten wer­den – und ein Halb­stun­den­takt auf den hoch­fre­quen­tier­ten ICE-Stre­cken, beispielsweise.

War­um blog­ge ich das? Weil mich das Ver­hal­ten der Bahn nicht so rich­tig glück­lich macht. Selbst wenn hier völ­lig geset­zes- und regel­kon­form gehan­delt wurde.